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Tagebuch November 2021

1. November 2021


Die bergische Barockkirche aus dem Jahr 1767, reichlich bergische Verschieferungen an den Hausfassaden, dazwischen wenige schwarze Fachwerkbalken und ein paar grüne Fensterläden. Noch nie waren wir in Burscheid gewesen, und heute machten wir per Zufall Bekanntschaft mit dieser 19.000 Einwohner zählenden Kleinstadt, die an Leverkusen angrenzte und ihre beschauliche, typische bergische Häuserarchitektur zeigte. Anstatt dass unsere Tochter in Dortmund abgeholt wurde oder zu uns gebracht wurde, einigten wir uns, dass wir uns in der Mitte treffen wollten. Die Vorgehensweise empfanden wir als sehr angenehm. Eine Uhrzeit von 15 Uhr hatten wir vereinbart, in der Konditorei Becher hatte ich zu diesem Zeitpunkt einen Tisch reserviert. Da wir vor dem Autobahnkreuz Leverkusen fast staufrei durchgekommen waren, waren wir rund zehn Minuten zu früh. Die Mitte lag ungefähr hinter der Autobahnausfahrt Burscheid, und im Zentrum von Burscheid parkten wir gegenüber der bergischen Barockkirche. Auf dem Parkplatz davor stand ein Impfbus, wo sich jedermann und jederfrau impfen lassen konnte. Der Fußweg zum Café führte über eine Baustelle, weil die Straße komplett aufgerissen war. Ganz am Ende der Straße lag die Konditorei Becher, die wiederum so dicht an dem Autobahnzubringer lag, dass wir auf dem Hinweg in die Innenstadt dort bereits vorbei gekommen waren. Ein wenig musste die Dortmunder Gruppe noch suchen, bis wir uns auf der Straße gefunden hatten. Das gemeinsame Kaffeetrinken, Kuchenessen, Quasseln und Reden verband im Café. Das war stressfrei für alle Beteiligten. Eine Stunde Autofahrt, eine Stunde Pause und dann wieder eine Stunde zurück. Schmerzlich war hingegen die Vorgehensweise für die beiden verliebten Teenager. Aber der Trennungsschmerz wäre ohnehin entstanden, egal, an welchem Ort.

2. November 2021


Die Momente treten immer wieder auf, dass wir uns als Verbraucher ausgenommen fühlen. Alle wollen sie nur an unser Geld ran, gleichzeitig schnellt die Teuerungsrate nach oben. Gerade bei Heizöl, Sprit und Strom sind die Preise in die Höhe geschossen. Wir wissen nicht, wie wir diese Mehrkosten, die an die einhundert Euro im Monat betragen, ausgleichen können. Wo wir uns einschränken können und wo wir auf den Mehrkosten sitzen bleiben. In diesem Umfeld finden wir es besonders dreist, dass sich auf der Einnahmenseite genauso wenig machen läßt. Die Proportionen passen einfach nicht. Während die Inflation die 5%-Marke überschritten hat, ist das Ersparte seit langer Zeit wertlos ist. Auf dem Sparbuch lassen sich keine Zinsen erzielen, wobei der Leitzins der europäischen Zentralbank die Null-Zins-Politik unterstützt. Das ist bitter, als Verbraucher immer nur die ungünstigen Wendungen abzubekommen. Noch bitterer ist es zuletzt gekommen, als uns die Sparda Bank angeschrieben hat. Wir sollen Ja sagen zur Geschäftsbeziehung mit der Sparda Bank West – womit wir bislang beste Erfahrungen gemacht haben. Im nächsten Absatz werden wir auf die Zinspolitik der europäischen Zentralbank verwiesen. Diese erhebt von Banken, von denen sie Kundenguthaben verwahrt, ein Verwahrungsentgelt. Dieses Verwahrungsentgelt will die Sparda Bank nun an ihre Kunden weiter, wozu sie auch die Begrifflichkeit der Negativzinsen verwendet. „Wir haben eine moderate Lösung gefunden, die angemessene Freibeträge für unsere Kunden zulässt, so dass ein Großteil der Sparer und Sparerinnen nicht von Verwahrentgelten und Negativzinsen betroffen ist“, so versucht die Sparda Bank das Abkassieren ihren Kunden schmackhaft zu machen. „Sagen Sie daher Ja zur Verwahrentgelten und Negativzinsen mit angemessenen Freibeträgen“, diese logische Konsequenz soll dem Ja zur Geschäftsbeziehung folgen. Ganz zum Ende des Schreibens lässt die Wortwahl des Ja zur rechtlich sicheren Fortführung der Geschäftsbeziehung durch blicken, dass es wohl noch ein weiteres Szenario gibt. Rentiert sich die Geschäftsbeziehung für die Bank nicht mehr, so kann diese wohl auch gekündigt werden. Inzwischen steckt die Sache voller Dynamik. Gerichte haben sich mit dieser Thematik befasst und entschieden, dass eine solche Vorgehensweise, Verwahrentgelte und Negativzinsen zu erheben, nicht rechtens ist.

3. November 2021


Ein nicht unwichtiger Termin im Haus des verstorbenen Schwiegervaters. Der Umbau hatte auch energieeinsparende Maßnahmen inbegriffen, ebenso Maßnahmen zur Barrierefreiheit. Dafür gibt es Zuschüsse. Um diese zu erhalten, müssen gewisse Regularien eingehalten werden. Fachfirmen müssen die Arbeiten ausgeführt haben, und es muss begutachtet werden, ob die Arbeiten ordnungsgemäß ausgeführt wurden. So entstand der heutige Ortstermin mit dem Energieberater, der die Nahtstelle war zur Beantragung der Zuschüsse. Mit seinem Kleinwagen war er vorgefahren, ungefähr zeitgleich waren wir am Haus angekommen. Seine große Gestalt passte überhaupt nicht zu der Gedrungenheit des Kleinwagens, woraus sein hoher Körperbau nur mit Mühe heraus kroch. Er inspizierte die Zimmer, wo die Arbeiten ausgeführt worden waren, bodengleiche Duschen, die neu eingebauten Fenster, die neue Haustüre, den Dachboden mit der neuen Wärmedämmung, die Kühlaggregate, die Rampe draußen. Er machte Fotos, um die richtige Ausführung der Arbeiten zu dokumentieren. Es sah so aus, als würde die Auszahlung der Zuschüsse Fortschritte machen. Mit der Flutkatastrophe an der Ahr hätte er viel zu tun gehabt, so dass er mit der Beantwortung von Mails und Schriftverkehr stark im Rückstand war. Momentan habe er aber Luft, um diese Rückstände aufzuarbeiten. Er sah es als optimistisch an, dass die ersten Zuschüsse bis Ende November ausgezahlt würden, der Rest würde dann sukzessive folgen. Ob das Versprechen hielt, würden wir schauen müssen. Über den Zeitraum von sehr vielen Monaten warteten wir mittlerweile auf die Zuschüsse, und auf ein paar Wochen kam es sich dann nicht mehr an.

4. November 2021


In einem meiner Posts, die mehrere Jahre zurück liegen, hatte ich einmal geschrieben, dass man aus ästhetischer Sicht einiges aushalten muss, in dieser Gegend zu wohnen. Wesseling vor der Haustüre. Die Ölraffinerien bestimmen auf dem gegenüberliegenden Rheinufer die Industrielandschaft, die mit ihren Anlagen zur Destillation des Rohöls eine Dichte aufweist, wie so kaum irgendwo. „Die Chemieregion Europas“, so kennzeichnet ein Hinweisschild auf der Autobahn A555 vor Wesseling die Schwerpunktsetzung in unserer hiesigen Region, und das ist ganz dick und fett mit etlichen Betrieben aus der nachgelagerten Produktion die chemische Industrie. Wesseling vor der Haustüre, all die Schornsteine und chemischen Anlagen sollen ab 2025 grundlegend strukturiert werden, diese Nachricht erreichte uns heute aus der WDR-Lokalzeit. Das hörte sich höchst viel versprechend an: der CO2-Ausstoß war in der Ölraffinierie nicht unerheblich, zudem sollte im Rahmen der Klimadebatte der Verbrauch des Rohstoffs Erdöl stark zurückgehen. Bis zum Jahresende soll die Rohöldestillation eingestellt werden, um ein hohes Kontingent an CO2-Ausstoß einzusparen. Danach will sich die Betreiberfirma Shell auf die Produktion von grünem Strom und Wasserstoff konzentrieren. Die Firma hofft, den 3.000 Mitarbeitern neue Arbeitsplätze in den neuen „grünen“ Geschäftsfeldern anbieten zu können. Ein gewagtes Unternehmen, das einiges zu versprechen scheint. Ein Weitermachen auf eingetretenen Pfaden, so wie man es der Politik gerne vorwirft, davon wollen die Manager wohl bewusst abrücken. Unterm Strich ein Vorhaben, das einen richtigen Schritt in die Zukunft machen dürfte.

5. November 2021


Ein wesentliches Kennzeichen, wenn unsere große Tochter uns einen Besuch abstattet, ist die zusammen geknuddelte Decke. Die flauschige graue Decke haben wir normalerweise nicht auf unserer Couch im Wohnzimmer, aber unsere große Tochter neigt zum Frösteln. Abends knuddelt sie sich zusammen vor dem Fernseher, da sie zu Hause zusammen mit ihrem Freund in deren gemeinsamen Wohnung keinen Fernseher besitzt. Ihr ergeht es nicht anders als mir früher. Als ich anfangs in Köln gewohnt hatte, hatte ich auch keinen Fernseher besessen. Bei meinem Elternhaus zu Hause ließ ich mich dann gerne vom Fernsehprogramm berieseln. So laufen die Abende gerne vor dem Fernseher ab. Am späten Nachmittag begann das Programm vor dem Fernseher. Unser Sohn kramte sein Laptop aus, welches Animé-Filme bereit hielt. So bevölkerten die japanischen Zeichentrickfiguren den Bildschirm unseres Fernsehers, die Szenen verfinsterten und verdüsterten sich, die Figuren scherzten darüber, dass es eine angenehme Abwechslung aus der Langeweile sein könnte, einen anderen Menschen zu töten. Beim Schauen der Filme knuddelte sich unsere Tochter unter der Decke zusammen, beide, Tochter und Sohn, schauten gebannt auf den Bildschirm, und die Spannung ließ nicht von ihnen los. Die grau-melierte Decke wärmte, unsere Tochter versteckte ihre Füße unter der Decke, die kälter waren als ihre übrigen Extremitäten. Unter der Decke und vor dem Fernseher regenerierte sie sich, die flimmernden Bilder machten ihr Gehirn frei. Nebenher führten wir das eine oder andere Gespräch zwischen den herum hastenden Zeichentrickfiguren, schnittigen Haarschnitten, spitzen Dialogen und Kampfszenen. Später lief dann das normale Fernsehprogramm ab. Mit Nachrichten, Krimis oder Reportagen, wie man es sonst kennt. Familienerlebnis vor dem Fernseher unter der flauschigen grauen Decke.

6. November 2021


Am Geburtstag meines Schwagers herrschte Erleichterung und Freude, in diesem Jahr feiern zu können, nachdem im letzten Jahr der Lockdown die Feier zunichte gemacht hatte. Alle waren vollständig geimpft, so dass wir in dem Restaurant „Zur alten Post“ unbeschwert feiern konnten. Für zwei Stunden hatten wir die Kegelbahn angemietet, und so saßen wir beim Kegeln mit rund zwanzig feiernden Geburtstagsgästen zusammen. Meine Frau schrieb die Ergebnisse auf der Tafel auf, und mit der Personenzahl schafften wir zwei Durchläufe zu dreimal Kegeln auf die Vollen und dreimal abräumen. Alle hatten ihren Spaß, alle gaben ihr bestes, und der Teil war geübt im Kegeln, der einmal in Monat in der Kegelgruppe kegelte. Wir hielten drauf, die Kegel fielen, und am Ende gab es auch einen Sieger. Das anschließende Essen im Restaurant ließ etwas auf sich warten, weil der Karnevalsprinz mit seinem Gefolge im Restaurant saß, das waren 60 Personen. So waren unsere Tische im Thekenbereich gedeckt worden, im abgeschlossenen Bereich gegenüber dem Karnevalsprinz. Der Thekenbereich bot den Vorteil – oder auch Nachteil, dass auf einem Großbildschirm die Fußball-Bundesliga zu sehen war. Mir kam dies zugute, auf SKY den Spielverlauf der vier Spiele verfolgen zu können, andere dürfte dies weniger interessiert haben oder auch wegen der Ablenkung gestört haben. Ganz optimal waren die Begleitumstände nicht, dennoch machten alle einen zufriedenen Eindruck und das Essen schmeckte. Gegen 20 Uhr zerstreute sich die Gruppe, alle gingen nach Hause oder wurden abgeholt, und rund fünf Stunden hatte die Geburtstagsfeier gedauert. Das war mehr als genug nach der ausgefallenen Feier im Vorjahr.

7. November 2021


Ehrlich gesagt, das Essen hätte in dem Restaurant besser sein können. Ich hatte das Schweineschnitzel vom Eifel-Schwein mit Rahm-Champignons, frischen Speck, Fritten und Salat-Teller gegessen, das Schnitzel war zu zäh, kleine Stücke von Champignons verschwammen in der Soße, und auf den Fritten hatten sich irgendwelche Kräuter verirrt, die nicht dorthin gehörten. Bei unserem Tagesausflug an die Mosel hatten wir in Alken Wein gekauft, danach waren wir zu Freunden nach Winningen gefahren, mit denen wir im Weinhaus Hoffnung essen gegangen waren. Das Restaurant war so frequentiert, dass es richtig war, dass unsere Freundin einen Tisch reserviert hatte. Es war das älteste Gasthaus im Ort, das erzählte unser Freund, und im Inneren war es sehr gemütlich eingerichtet, in der Tradition eines Weinortes an der Mosel. Die Holztische waren blank, und die Wände verzierten Malereien, die mit Wein und dem Ort Winningen zu tun hatten. Unter den Malereien erläuterte unser Freund das etwas merkwürdige Wappen von Winningen: ein umgekehrtes Schwert auf einem weiß-rot-karierten Untergrund. Bei unserer Freundin lernte wir ihr etwas unpassende Eigenart kennen. Sie konnte sich nämlich nicht entscheiden. So dauerte die Auswahl des Weines auf der Weinkarte eine gefühlte Ewigkeit, bis sie sich für den Wein des Tages entschied. Beim Essen geschah die Auswahl einiges schneller. Sie wählte das Lachsfilet gebraten mit Kräuterbutter, Bratkartoffeln und Broccoli. Weil das Restaurant voll besetzt war, war die Akustik auch nicht optimal. Wir saßen an einem runden Siebener-Tisch – wir waren aber nur 5 Personen, weil unsere Tochter mit ihrem Freund nicht mitgekommen waren - und saßen uns mit einer gewissen Entfernung gegenüber, so dass mit dem Lautstärkepegel nicht alles gut zu verstehen war. Ich saß neben unserem Freund und wir erzählten uns einiges darüber, was ich an der Mosel erwandert hatte, über den Moselsteig, über das Denkmal an die Hexenverbrennung oberhalb des Ortes und darüber, dass er mit seinem Musikverein immer wieder in den umliegenden Dörfern unterwegs war. Ich hatte noch so einiges in Winningen vorgehabt, in die Weinberge wandern, zum Hexendenkmal, Kaffee trinken, vielleicht sonstwo an der Mosel, doch wie lange wir blieben, das bestimmte die Uhrzeit, wann der Vater den Freund unserer Tochter bei uns zu Hause abholen würde. Diese Uhrzeit bestimmte sich auf 15 Uhr, weil die Fahrzeit eine Stunde betrug und der Vater um 16 Uhr bei uns zu Hause sein wollte. So kam der Abschied um 15 Uhr einigermaßen plötzlich, so dass all meine Sightseeing-Pläne obsolet wurden. Ganz pünktlich schafften wir die Rückkehr nicht, so dass der Freund unserer Tochter mitsamt seinem Vater sich bereits auf dem Rückweg nach Dortmund befanden.

8. November 2021


So etwas habe sie noch nie erlebt, diese SMS schrieb sie mir, als ich im Wartezimmer des Hausarztes saß. Sie selbst war mit unserer Tochter beim Kinderarzt, wo ich gegen 8 Uhr mit unserer Tochter weggeschickt worden war, weil unsere Tochter Ohrenschmerzen und Kopfschmerzen und vieles mehr hatte. Bis 11.30 Uhr würden nur Termine vergeben, danach sei eine offene Sprechstunde. So begab ich mich mit unserer Tochter nach Hause zurück, unsere Tochter wartete ab, ich begann meine Arbeit im Home Office. Zwischenzeitlich kehrte meine Frau zurück, die dann ab 11.30 Uhr mit unserer Tochter den Kinderarzt aufsuchte. Derweil fuhr ich mit dem Fahrrad zum Hausarzt, wo ich selbst um 11.20 Uhr einen Termin hatte. Das Wartezimmer des Hausarztes füllte und füllte sich, so sehr, dass schließlich die Patienten standen, und mein Name wurde von den Sprechstundenhelferinnen nicht aufgerufen. Ich suchte die Zeit damit zu vertreiben, indem ich das Buch „Gebrauchsanweisung für Freiburg und den Schwarzwald“ las, das ich mir in unserem Urlaub in Staufen gekauft hatte. Während ich Zeile für Zeile verinnerlichte, erreichte mich die SMS meiner Frau, dass sie solch eine Warteschlange beim Kinderarzt noch nie erlebt hätte. Da sie die Herumsteherei satt hatte, rief sie mich auf meinem Handy an. Bis zur Eingangstüre von draußen zum Treppenhaus hätten Kinder und Eltern gestanden, das hätte sie noch nie erlebt. In dieser Zeit des Herbstes mussten massive Erkältungs- und Grippewellen um sich greifen, so dass die Wartezimmer überquollen. Man musste wahnsinnig viel Geduld mitbringen. Es war abzusehen, dass es bis in den Nachmittag hinein dauern würde, bis alle einen Weg zum Kinderarzt gefunden haben würden. Bei mir war es nicht ganz so schlimm, gleichwohl war das Wartezimmer beim Hausarzt rappelvoll. Ich hatte einen Termin, und wahrscheinlich deshalb nahm die Warterei irgend wann doch ein Ende. Der Montag sei ganz schlimm, meinte meine Hausärztin, als ich ihr Sprechzimmer betrat. Es sei normal, dass am ersten Wochentag der Andrang besonders groß sei. Selbst wenn man einen Termin habe, sei dies keine Garantie dafür, dass man nicht lange warten müsse. Immerhin betrug die Verzögerung bei mir rund eine Stunde, wodurch ich bei einer Telefonkonferenz um 13 Uhr rund fünf Minuten zu spät war. Doch meine Frau und unsere Tochter vom Kinderarzt zurück waren, das dauerte eine geraume Zeit. Ich war längst in der nächsten Telefonkonferenz und hatte die Türe zum Büro geschlossen, da hörte ich die beiden durch die Haustüre hinein kommen.


9. November 2021


Als Tag der Widersprüche bezeichnete unser Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den heutigen Tag. Als Tag der Widersprüche, als hellen und gleichzeitig dunklen Tag, mit den Eckdaten von drei Jahreszahlen, die die Ereignisse an diesem Datum prägen: der 9. November 1918, an dem Philipp Scheidemann vom Berliner Reichstag die Republik ausgerufen hatte, der 9. November 1938, der Reichskristallnacht, und dem 9. November 1989, dem Fall der Berliner Mauer. Ich selbst würde dem noch ein weiteres markantes Datum hinzufügen: der 9. November 1923, dem Tag des Hitler-Putsches. Helle und ganz dunkle Tage deutscher Geschichte liegen eng beisammen, und man ist hin- und hergerissen zwischen Höhenflügen und Abgründen dieser geschichtsträchtigen Tage. In meinem Inneren bin ich zwar kein Pessimist, aber beim Datum des 9. November neige ich mehr zum Mahner. Dieses Datum hat gezeigt, dass die niederen Instinkte im Inneren des Menschen geweckt werden. Das Volk wandelt sich zum Mob, die Menschen schauen weg anstelle hinzuschauen und sie finden Gefallen an Hetzjagden gegen Andersartige. Ansatzpunkte, dass sich ähnliche Bewegungen wie der Nationalsozialismus formiert hatten, gab es leider, so dass ich die Rolle des Mahners bevorzuge vor den Highlights der deutschen Geschichte. Wichtig dürfte auch die Auseinandersetzung sein mit dem, was man aus der Kristallnacht noch vorfindet. Eine Gruppe hat sich an den Gedenksteinen der zerstörten Synagoge unterhalb der Kennedybrücke zusammen gefunden. Einer von ihnen hält eine Kladde in der Hand und weiß womöglich etwas zu erzählen. Diese Erzählung der Abgründe der deutschen Geschichte müssen im Bewusstsein präsent bleiben als Abschreckung davor, dass sich so etwas nie mehr wiederholen soll.

10. November 2021


Der heutige Tag, ein Tag, an dem die Corona-Zweitimpfung nicht zustande gekommen war. Unsere Tochter hatte den Termin für die Zweitimpfung unmittelbar nach ihrer letzten Schulstunde bei ihrer Kinderärztin. Doch als meine Frau unsere Tochter von der Schule abgeholt hatte und mit ihr dorthin gefahren war, kamen die beiden unverrichteter Dinge zurück. Sie sei nicht geimpft worden, lautete der knappe Kommentar meiner Frau. Die Dinge lagen so: Unsere Tochter hatte sich am Montag und Dienstag krank gefühlt und war nicht in die Schule gegangen. Am Mittwoch, dem Tag des Impftermins, fühlte sie sich wieder besser und besuchte den Schulunterricht. Bevor die Kinderärztin unsere Tochter das zweite Mal impfen wollte, hatte sie in ihren Rachen geschaut und eine Rötung festgestellt. Sie vermutete eine Mandelentzündung und wollte am nächsten Tag noch vor der Öffnung der Kinderarztpraxis einen Abstrich im Rachen machen. Vom Ergebnis des Abstrichs sollte abhängen, ob sie erkrankt sei oder ob sie am nächsten Tag die Schule besuchen könne. Da die Symptome auf eine Mandelentzündung hindeuteten, war ihr eine Impfung zu riskant. Unabhängig vom Ergebnis des Abstrichs bedeutete dies für uns, dass unsere Tochter einen neuen Termin für die Zweitimpfung benötigte. Dazu mussten wir das Ergebnis des Abstrichs abwarten und gegebenenfalls direkt danach einen neuen Termin vereinbaren – bei positivem Abstrich - oder dann, wenn sie wieder gesund sein würde – bei negativem Abstrich.


11. November 2021


50.196 Neuinfektionen, ein bundesweiter Inzidenzwert von 249,1, bei den Verantwortlichen geht die Nervosität bis unters Hemd, das große Zittern hat begonnen, Angstszenarien werden geschürt, das Fernsehen berichtet wieder über die unzumutbare Belastung in den Intensivstationen, die Stimmen des RKI und der verantwortlichen Politiker gehen wild hin und her. Niemand weiß, wohin es gehen wird. Die Infektionszahlen steigen jedenfalls steil, sehr steil. Es fiel der Begriff „exponentiell“, dass die Inzidenzzahl um mehrere hundert bis in den Tausenderbereich steigen wird. Politiker und Verantwortliche reden dann wieder gerne über 2G, dass ein Lockdown unverhältnismäßig sei. Die Rahmenbedingungen, dass sich jeder impfen lassen könne, seien grundverschieden im Vergleich zu vor einem Jahr, und so lassen sie die Jecken am 11.11. feiern, deren Freude alle nachvollziehen können nach einem Jahr des Verzichts in der vergangenen Karnevalssession. Sollte es zu einem Lockdown kommen, wie es heute aus dem Munde eines Christian Droste zu vernehmen war, würde dies zu einem Aufstand von Geimpften gegen Ungeimpfte kommen. Ungeimpfte machen den Löwenanteil der schweren Fälle in den Intensivstationen aus, und normalerweise würde man urteilen, dass sie selber Schuld seien, sich anzustecken und an ihren schweren Krankheitsverläufen. Sollte deren Starrsinnigkeit aber zurück schlagen auf den Rest der Bevölkerung, wie etwa Karnevalisten, die heute, am 11.11. unter Einhaltung der 2G-Regeln feiern können, was das Zeug hält. Die Gesellschaft würde sich spalten in Geimpfte und Impfverweigerer, Aufstand und Konfrontation würde drohen. Für die Karnevalisten muss es indes eine Art von Befreiungsschlag sein, sich zu verkleiden, in dem abgesperrten 2G-Bereich zusammen zu stehen und auf die Bühne zu schauen, um die Akteure und das Karnevalsprogramm zu verfolgen. Später wird gesungen und geschunkelt werden, dass sei ihnen gegönnt nach der erzwungenen Enthaltsamkeit. Mit dem Karnevalsprinz und dem Dreigestirn werden die Karnevalisten feiern – im Gegensatz zu Köln, wo der Karnevalsprinz an Corona erkrankt ist. Endlich wieder Karneval im Angesicht eines Lockdowns, der hoffentlich ganz weit weg ist.

12. November 2021


Kurzfristig hatte es sich ergeben, dass meine Frau zu unserer Tochter nach Freiburg gefahren war, so dass ich das Wochenende mit der kleinen Tochter und dem Sohn organisieren musste. Nach dem Home Office holte ich zunächst Getränke, dann lud ich mit unserem Sohn den Rasenmäher in unser Auto, um den Rasen am Haus des verstorbenen Schwiegervaters zu mähen. Das war ärgerlich, weil der Rasenmäher nicht ansprang, was wiederum daran lag, dass kein Benzin mehr im Tank war. Also musste zuerst zur Tankstelle, und nach längeren Bemühungen sprang dann der Motor des Rasenmähers an. Als ich ein ganzes Stück gemäht hatte, drohte das nächste Unheil: die Nachbarin beschwerte sich, ich solle den Rasenschnitt nicht einfach auf einen Haufen ansammeln, weil dies Ratten und Mäuse anziehen würde. Ich solle den Rasenschnitt besser in die Biotonne entsorgen. Bei der letzten Korbladung tat ich dies dann auch. Vom Rasenmähen kam ich so nach Hause zurück, dass ich unseren Sohn zur Fahrschule fahren konnte. Die Fahrschule ist momentan ein hoch politisches Thema. Unsere kleine Tochter hat sich ebenso zur Fahrschule angemeldet, und momentan ist sie krank, um an den Theoriestunden teilzunehmen. Nachdem ich unseren Sohn bei der Fahrschule abgesetzt hatte, bin ich zum Supermarkt HIT nach Troisdorf-Sieglar gefahren, um dort einen Zylinder für unser Haustürschloß abzuholen. Dieser musste bestellt werden, aber zur Abholung hatte mir die Zeit gefehlt. Von dort zurückgekehrt, schaute ich beim Schwager vorbei, ich gab ihm die ersten Augentropfen und kontrollierte, welche Zutaten er eingekauft hatte für die Spaghetti Carbonara, die er Morgen mit seiner Betreuerin kochen wollte. Als ich zu Hause angekommen war, war es kurz nach 18 Uhr. Um diese Uhrzeit musste ich mich sortieren, wie es mit dem Abendessen weitergehen sollte. Ich hatte Hähnchenschenkel ins Auge gefasst, wovon wir noch drei Stück tiefgefroren in einem Beutel übrig hatten. Fritten hatten wir ebenso vorrätig in unserem Gefrierschrank, und für unsere Tochter, die Hähnchenschenkel nicht unbedingt favorisierte, sichtete ich ebenso etwas Tiefgefrorenes, das war Bami Goreng von Frosta. Kurze Zeit hockte ich mich vor den Fernseher, dann begab ich mich so an den Herd, dass die Hähnchenschenkel und die Fritten um 20.15 Uhr fertig wurden, das war die Uhrzeit, zu welcher ich unseren Sohn von der Fahrschule wieder abholen musste. Davor waren die Bami Goreng auf unserem Herd für unsere Tochter fertig geworden. Nach unserem Abendessen bin ich zum Schwager gefahren, um ihm die zweiten Augentropfen zu verabreichen. Bei der Rückkehr war es bereits 21.30 Uhr, ich spülte noch, danach telefonierte ich mit meiner Frau und realisierte, dass das Fernbleiben unserer Tochter vom Theorieunterricht in der Fahrschule, obschon die Kinderärztin sie krank geschrieben hatte, ein hoch politisches und emotional aufgeladenes Thema war.

13. November 2021


Die Aktivierung von HD+ sollte das Zeitmanagement am frühen Nachmittag so ziemlich durcheinander bringen. Um die Zeit während der Abwesenheit meiner Frau bestmöglich zu nutzen, war ich stringent getaktet zwischen den Dingen, die ich erledigen wollte. Morgens hatte ich eingekauft, unseren Sohn hatte ich zur Fahrschule gefahren, abholen musste ich ihn um 13.15 Uhr. Nach den Einkäufen hatte ich begonnen, Gehacktessoße zuzubereiten. Nachdem ich unseren Sohn abgeholt hatte, kochten wir die Nudeln ab und aßen. Danach hatte ich ein Zeitfenster eingeplant, um einen Abstecher ins Siebengebirge zu machen. Daraus wurde nichts, weil mich ein Anruf der Betreuerin des Schwagers erreichte, er die Privatsender nicht mehr schauen. Ein Aktivierungs-Code würde eingeblendet, dass HD+ abgelaufen sei und verlängert werden könne. Mit der Aktivierung könne man wieder die Privatsender empfangen. Die Betreuerin erzählte mir etwas von Kabeln und Buchsen und in welcher Anordnung er wie die Kabel hinein gesteckt habe, können er derzeit gar keine Programme mehr empfangen. Ich ließ mich hinreißen vorbei zu schauen, zumal das Problem einige Wochen bekannt war, ohne dass wir etwas gemacht hatten. Am Fernseher konnte man mit der Meldung, dass HD+ abgelaufen war, einen QR-Code einlesen, der mich auf die Internet-Seite von HD+ führte. Die Prozedur war einigermaßen lang und vor allem umständlich auf dem kleinen Display des Handys. Ein paar Daten, die ich eingeben musste, ermöglichten die Aktivierung von HD+, das zum 1. November abgelaufen war und verlängert werden konnte. Im E-Mail-Postfach musste ich einen Bestätigungslink anklicken, wobei das kleine Display hinderlich war. Auf der HD+ Seite musste ich die Bankverbindung angeben, was ebenso hinderlich war, weil mein Schwager seine Bankverbindung nicht kannte, so dass ich unsere Bankverbindung hinterlegte. Der Schluß sah ganz viel versprechend aus, weil ein Ladebalken anzeigte, dass die Aktivierung durchgeführt wurde, ein grüner Button frohlockte schließlich, dass die Aktivierung abgeschlossen war. Als wir daraufhin fleißig die Privatsender rauf- und runterzappen wollten, war die Enttäuschung groß, dass auf diesen Sendern dieselbe Anzeige erschien, dass HD+ abgelaufen sei und wie die Aktivierung für die HD+ Nummer lautete. Wir mutmaßten, dass dies damit zusammenhängen könnte, dass die Jahresgebühr noch nicht abgebucht war, so dass wir bis Anfang der nächsten Woche abwarten wollten. All die Transaktionen dauerten so lange, dass das Zeitmanagement über den Haufen geschmissen wurde. Anstatt im Siebengebirge trank ich im Café Alexandra im Nachbarort einen Kaffee. Im Siebengebirge hätte ich gerne das Café Waidmannsruh in der Nähe des Stenzelberges aufgesucht. Gleich wollte ich gerne noch einiges an Astwerk und Zweigen klein häckseln, doch es nieselte. Da musste ich schauen, inwieweit die Nässe dies zuließ.

14. November 2021


Wie weit geht die erdgeschichtliche Zeitreise zurück, als das Siebengebirge entstand ? An den Homo Sapiens, dessen allererste Funde von Knochen in Marokko 300.000 Jahre zurück reichen, war da lange noch nicht zu denken. In dieser Prähistorie, als das rheinische Schiefergebirge sich auffaltete, das war vor rund 25 Millionen Jahren, existierte das Leben auf der Erde allenfalls in Form von Mikroben, Mikroorganismen, Einzellern oder Amöben. Das Meer reichte bis in die niederrheinische Bucht, so dass Wasser und Meer diejenigen Elemente waren, aus denen sich das Siebengebirge heraushob. Zugleich brodelte es unter der Erdoberfläche. Glühend heißes Magma stieg aus dem Erdinneren hervor, es sammelte sich in Hohlräumen zwischen dem Gestein, bis es aus Vulkanen, woraus das Siebengebirge größtenteils bestand, heraus schoss. Die vulkanischen Gesteine erkalteten im Verlauf von Millionen Jahren, so dass sich in den Gesteinsschichten die Reihenfolge der ausgeworfenen Lavamassen zeigt. Schichten von vulkanischem Trachytgestein überlagern sich mit Latiten und schließlich mit Basaltgestein. Diese Gesteine fanden in der Neuzeit eine sehr vielseitige Verwendung: der Trachyt wurde etwa beim Bau des Kölner Doms verwendet, Basalt beim Wege-, Straßen- oder Eisenbahnbau. Wenn man den Stenzelberg im Siebengebirge erwandert, kann man die aufgebrochenen Gesteinssäulen bestaunen. Seit dem 12. Jahrhundert wurden hier Latitgesteine abgebaut, aus denen unter anderem die Bonner Münsterkirche oder die Klosterkirche von Heisterbach gebaut wurden. 1931 endete der Abbau von vulkanischem Gestein auf dem Stenzelberg. Ein Wanderweg führt vorbei an den ausgehöhlten Gesteinsformationen. Zwischen den markanten Säulen hat sich die Natur ihr Terrain zurück erobert, und all die Wucht des Gesteins liegt einem zu Füßen. Es ist genau diese erdgeschichtliche Zeitreise in das Innere des Vulkangesteins, das sich vor etwa 25 Millionen Jahren geformt hat.

15. November 2021


Mich in den Trubel der Ausflugsscharen hinein zu stürzen, das musste nicht sein, denn ich hatte am Sonntag Nachmittag genau das Zeitfenster am frühen Nachmittag erwischt, wann es Familien und Ausflügler und Wanderer und Einzelpersonen ins Siebengebirge zog. Noch hing ausreichend Herbstlaub in den dichten Waldstücken, so dass das Siebengebirge sich von seiner schönsten Seite präsentierte. Eigentlich wollte ich mich in der Gaststätte „Waidmannsruh“ niedergelassen haben, die höchst idyllisch mitten im Wald lag, normalerweise ein Kleinod der Ruhe, die zu diesem Zeitpunkt allerdings vor Besuchern überquoll. Auf der Außenterrasse hatte man jede Menge Tische platziert, die allemale belegt aussahen, und vor dem Schild „bitte hier warten, wir weisen Ihnen einen Platz zu“ staute es sich. Gegen 15 Uhr fehlte mir die Lust, mich in der Schlange der Wartenden anzustellen und ich beschloss, anderswo einzukehren und einen Kaffee zu trinken. Ich steckte noch voller Eindrücke zu den Gesteinsformationen am Stenzelberg, die mich wahrhaft fasziniert hatten. Die Faszination betraf auch die Wegeführung, die sich vor den senkrechten Steilwänden entlang schlängelte. Noch vollgestopft mit diesen Eindrücken, musste ich die Gaststätte „Waidmannsruh“ nicht unbedingt haben. So beschloss ich, zum Wanderparkplatz an der Straße nach Thomasberg zurück zu wandern, um von dort aus nach Oberkassel zu fahren und dort in das Café in der Ortsmitte einzukehren.

16. November 2021


Es ist schade, dass Weihnachtsmärkte in diesen Zeiten explodierender Inzidenzzahlen zur hoch politischen Diskussion werden. Noch in der letzten Woche hatte ich mich gefreut, dass am 11.11. Karnevalisten nach einem Jahr Abstinenz wieder feiern dürfen. Nach den Regeln von 2G, doch nun nehmen bei den Weihnachtsmärkten die Anzahl der Zweifler zu, dass dies nicht ausreiche. Glücklicherweise sind die Weihnachtsmärkte so weit aufgebaut, dass es nicht mehr machbar ist, sie zu stoppen und wieder abzubauen. In diesem Gemengelage von Impfdurchbrüchen und Nicht-Geimpften, die sich infizieren, sieht es unstrittig aus, dass zweite Fallgruppe einen deutlich höheren Anteil hat. In diesem Gemengelage sieht es dann aber ebenso aus, dass die 2G-Regel bei Weihnachtsmärkten die explodierenden Inzidenzzahlen kaum wird aufhalten können. Heerscharen von Ordnungshütern werden unterwegs sein müssen, um das zu kontrollieren. Die Diskussion wird dann hoch politisch, wenn die Verantwortlichen den Menschen Dinge verbieten wollen, ihnen vorschreiben wollen, wann mit wieviel Personen wieviele Kontakte entstehen dürfen, oder wenn gar – schlimmstenfalls – Weihnachtsmärkte oder die Gastronomie oder Geschäfte geschlossen werden sollen. Im Grunde genommen, kommen Angstgefühle wieder hoch, dass die Verantwortlichen aus den vergangenen Wellen der Pandemie nichts gelernt haben und trotz massiver Impfungen kaum voran gekommen sind. Die Weihnachtsmärkte bleiben wohl vom Schlimmsten verschont, aber schlimm wird es wohl für die Karnevalssession, für Konzerte in großen Veranstaltungshallen oder auch Sportveranstaltungen wie der Fußball-Bundesliga. Und ob der Präsenzunterricht in den Schulen nicht doch gekippt wird, erscheint ebenso unsicher.

17. November 2021


Die Löwenburg – eine imposante Burgruine. 455 Meter hoch gelegen, der zweithöchste Berg des Siebengebirges, seit dem 17. Jahrhundert Ruine. Wie zu erwarten war, ging es bei der Wanderung von Rhöndorf aus im Tal mächtig den Berg hinauf. Es waren immer wieder Wegeabschnitte dabei, die so steil anstiegen, dass ich eine Verschnaufpause einlegen musste. Oben auf der Ruine angekommen, wurde ich mit einem herrlichen Ausblick auf in das Rheintal nicht belohnt, weil es zu diesig war und die Wolken bis ins Tal hingen. Dafür gab die schlechte Sicht aber eine etwas schaurige Grundstimmung ab, in bedrückenden Grautönen, die sich verstärkten über den Ruinen des Mauerwerkes. Auf der Löwenburg lernte ich, wie nahe – auch nach der Zerstörung im 30-jährigen Krieg – Düsseldorf gelegen hatte. Die Godesburg, der Drachenfels und die Wolkenburg im Siebengebirge waren Burgen, die den Machtbereich der Kölner Erzbischöfe absicherten. Im 13. Jahrhundert schloss sich das Territorium der Grafen von Sayn an der Wied und im Westerwald an, das auch bis ins Siebengebirge reichte. 1247 wird in einer Urkunde ein „castrum Lewinberg“ im Zusammenhang mit den Grafen von Sayn genannt. 1484 fiel die Löwenburg im Rahmen der Erbfolge an die Grafen von Berg, die in Burg an der Wupper und später im kurfürstlichen Schloss von Düsseldorf ihren Herrschaftssitz hatten. So wurde bis in die Neuzeit hinein Bad Honnef mit dem Stück Siebengebirge eine Exklave der Grafen von Berg. Nach den Zerstörungen des 30-jährigen Krieges war die Löwenburg nie wieder aufgebaut worden. 1861 wurde die Burgruine an die Preußische Rheinprovinz übertragen, aber erst in den 1980er Jahren kümmerte man sich um eine Wiederherrichtung der Ruine, um sie mit ihren Überresten zu erhalten. Verglichen mit der Ruine des Drachenfelses, ist das Ausmaß und der Grundriss der Ruine nicht nur größer, sondern steckt voller Stimmungsbilder, die Jahrhunderte vergangenen Rittertums konserviert hat. Die Grundrisse und die Bauphasen der einstigen Burg lassen dies auf den Schautafeln erahnen.

18. November 2021


Dass das Adenauer-Haus infolge Corona nicht zu besichtigen war, war wenig tragisch. Anstatt dessen war eine Dauerausstellung zu besichtigen über das Leben des ersten deutschen Bundeskanzlers. Und die war höchst interessant. Chronologisch erzählte sie sein politisches Wirken und Schaffen. Zuerst als Kölner Oberbürgermeister, dann seine Absetzung 1933 durch die Nationalsozialisten, seine Orte der Vertreibung während der Herrschaft der Nationalsozialisten, schließlich die Nachkriegszeit als erster deutscher Bundeskanzler. Interessant waren all die Exponate, die bestimmte Anlässe und auch Alltagssituationen geprägt hatten. Das waren zum Beispiel eine braune Aktentasche, womit er seine Akten an seinen Arbeitsplatz und mit nach Hause nahm, eine Glocke, die er im Bundestag klingeln ließ, um sich Aufmerksamkeit zu verschaffen, einen Samowar, der er vom persischen Schah geschenkt bekommen hatte, oder eine Ehrenmedaille, die er vom französischen Außenminister erhalten hatte. Geschenkt bekommen hatte er ebenso einen Indianerschweif von einem Indianerhäuptling aus den USA. Zum Beispiel ein Merzedesstern oder eine Schreibmaschine oder auch Privates: die Gartenschere, mit der er seine Rosen geschnitten hatte, Bocciakugeln oder der Plattenspieler, auf dem er seine Klassik-Schallplatten abgespielt hatte. Ganz viel Politik konnte man natürlich auch nachlesen bei dieser Dauerausstellung. Zum Anhören und Anschauen waren Reden im Bundestag, Debatten im Plenum und seine pragmatische Art, die Dinge zu sehen. Auf drei Stockwerke verteilt, war die Ausstellung schön und übersichtlich und nicht überladen mit politischen Fakten. Die Ausstellung war überdies zu Fuß und mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar.

19. November 2021


War dies das letzte Mal, dass ich in diesem Jahr mit dem Rennrad ins Büro gefahren war ? Die Dunkelheit morgens und abends schreckte mich ab, und an diesem Tag wich ich aus, indem erst gegen halb 9 ins Büro radelte und gegen 16 Uhr bereits das Büro verließ. In den nächsten Wochen würde ich diesen Rhythmus weiter anpassen müssen, und dazu würde ich wohl effektiv zu träge werden. Ab halb 9 Uhr Home Office, und dies bis 17 Uhr, dies entspricht mehr meinem Arbeitsrhythmus, daher kann dieser Fall eintreten, dass ich wohl erst ab Mitte bis Ende Januar wieder mit Fahrrad ins Büro fahren werde, weil es ab dann wieder bis 17.30 Uhr oder länger hell sein wird. Was mir in diesen Zeiten schwer fallen wird, ausschließlich im Home Office zu arbeiten, das ist die Abwechslung, andere Umgebungen zu sehen. Dazu gibt die Umgebung in unserem Wohnort nicht so wahnsinnig viel Sehenswertes her, ältere Gebäude sind im Ortskern weitgehend abgerissen, es gibt keine gemütlichen Ecken oder Plätze, wo es Spaß macht, sich aufzuhalten. So versuche ich, die Wege auf dem Fahrrad zum Arbeitsplatz auszukosten und genau hinzuschauen, wo es Dinge zum Entdecken gibt. Neues, nicht Gesehenes oder bereits Gesehenes aus neuen Perspektiven gibt es in der Stadt jede Menge wahrzunehmen. Orte variieren, zeigen ein neues Gesicht, Details kommen neu hervor. Wenn unser Wohnort so wenig hergibt, muss ich schauen, wie ich diese Zeit der seltenen Büroanwesenheit überbrückt bekomme. Auf der Rückfahrt vom Büro nach Hause mache ich heute einige Fotos, davon faszinieren diejenigen besonders, bei denen die Sonne über dem Rhein untergeht. Herbst und Winter sind ja die Jahreszeiten der Sonnenuntergänge. Es wird früh dunkel, die Nacht ist dementsprechend lang, und der Sonnenuntergang fällt dann in die Tageszeit hinein, wenn ich mit dem Fahrrad nach Hause unterwegs bin. Diese Momente halte ich fest mit der Digitalkamera zwischen der Kennedybrücke und vor der Nordbrücke. Ein Motiv, das ich des öfteren fotografiert habe. Ein Motiv, das jedesmal neue Reize entwickelt, weil sich die Tageszeit, der Lauf des Rheins und der Stand der Sonne ständig verändern.

20. November 2021


Diese Woche sollte zu einer Impf-Woche werden. Zunächst war ich selbst dran, nachdem die Hausärztin eine Auffrischung der Impfung mit Johnson & Johnson empfohlen hatte. Am 2.6. war ich mir Johnson & Johnson geimpft worden, und letzten Mittwoch folgte die Zweitimpfung noch vor Ablauf der Sechsmonatsfrist, weil es sich um Johnson & Johnson handelte. Bei unserer Tochter lagen die Dinge etwas komplizierter. Die Erstimpfung hatte sie am 15. September erhalten, der Zweitimpftermin am 10. November musste verschoben werden wegen einer Mandelentzündung. Der neue Termin lag am 3. Dezember, doch der Umstand, dass unsere Tochter nicht vollständig gemipft war, störte den Vater ihres Freundes in Dortmund, weil seine Mutter als Krebspatientin zur Risikogruppe zählte. Am Freitag gingen die Dinge hin und her, wie ein Treffen des Teenagerpaares realisiert werden konnte. Der Vater des Freundes unserer Tochter schlug einen PCR-Test vor, der aber mit dem zeitlichen Vorlauf schwierig organisierbar war, zudem konnte er bei uns im Ort nicht durchgeführt werden und er kostete einiges. So entdeckten wir im Internet, dass am Samstag in der Touristen-Information Sonderimpfungen ohne Voranmeldung durchgeführt wurden. Wegen des erwarteten hohen Andrangs erschien ich dort mit unserer Tochter eine dreiviertel Stunde vor Beginn, also um 11.15 Uhr vor dem Einlass um 12 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich bereits eine Warteschlange gebildet, die noch halbwegs überschaubar war. Rund 50-60 Menschen warteten vor uns vor dem Eingang. Später, kurz bevor wir in das Gebäude der Touristeninformation eintraten, berichteten uns Passanten, dass die Warteschlange wohl bis zur Münsterkirche gereicht hätte. Unsere persönliche Wartezeit betrug im Endeffekt zweieinviertel Stunden, bis unsere Tochter den Piecks erhalten hatte. Dabei waren die wesentlichen Wartepunkte das Prüfen der Unterlagen, die Eingabe der persönlichen Daten in ein Laptop und der eigentliche Impfvorgang im Gebäude der Touristen-Information. Dieser lief schnell und mehr oder weniger schmerzhaft ab, der Stich mit der Nadel dauerte nur kurz, sah aber dafür als Außenstehender dramatisch aus. Eine ältere Frau, die ich dem Rentenalter zugeordnet hatte, führte diesen Stich aus. Nach dem Impfen ging es den Treppenaufgang hinunter. An dem Wartepunkt, wo die Unterlagen geprüft worden waren, mussten wir uns noch einen Stempel geben lassen auf dem Impfausweis, nachdem die impfende ältere Dame den weißen Zettel mit der Bezeichnung des Impfstoffs und der Charge aufgeklebt hatte. Unsere Tochter setzte sich noch einige Minuten auf einen Stuhl, sie trank etwas Mineralwasser, und dann gingen wir durch einen Nebenausgang ins Freie wieder zurück. Das Teenagerpaar würde sich zwar nicht sehen an diesem Wochenende, aber unsere Tochter hatte einen wichtigen Termin erledigt, dass sie ihre Zweitimpfung erhalten hatte. Sie konnte stolz auf sich sein und sich auf das darauf folgende Wochenende freuen, ihre Wochenendbeziehung wieder zu sehen.

21. November 2021


Dass die Friseuse keinerlei Corona-Hilfen erhalten hatte während der Zeit des Lockdowns, als sie ihren Friseursalon schließen musste, klang etwas unglaublich. Sie war mittlerweile Alleinunternehmerin, nach dem Lockdown hatten weniger Kunden ihren Friseursalon besucht, so dass sie ihrer einzigen Mitarbeiterin kündigen musste. Sie beklagte die Bürokratie des Staates, dass sie ein halbes Jahr hatte warten müssen auf das Kurzarbeitergeld für ihre Mitarbeiterin, das ihr zugestanden hatte, bevor sie ihr gekündigt hatte. Null und gar nichts hatte sie für die Schließung ihres Friseursalons vom Staat bekommen, und selbst wenn, dann hätte sie diesen Ausfall nur als Darlehen erhalten, was sie hätte zurück zahlen müssen. Mit Institutionen des Staates hatten wir selbst genug erlebt, und wir wussten, dass Vorschriften tückisch sein konnten. Irgendwo wachte eine fremde Macht dahinter, dass der Staat bloß nicht zu viel Geld ausgeben sollte, und Bürokraten funktionierten gerne als Bremser, indem sie sich genau die Vorschrift heraus pickten, dass der Bürger möglichst leer ausgehen sollte. Was genau der Grund war, da hatte ich nicht nachgefasst. Wurden Friseure anders behandelt als die Gastronomie ? Spielte mit herein, dass Friseure Anfang März viel früher öffneten durften als andere Bereiche ? Hing es an dem Nachweis der Fixkosten ? War die 30%-Grenze der Umsatzverluste nicht erreicht ? War die gesamte betriebswirtschaftliche Rechnung, was vor und nach dem Lockdown erwirtschaftet wurde, viel zu kompliziert ? Dass die Hilfen entweder gar nicht oder viel zu langsam flossen, das hörte und las man vielerorts. Die Erzählungen der Friseuse bestärkten meine Meinung, dass der Staat seine Bürger nicht als Kunden auf Augenhöhe betrachtete, sondern von oben herab, dass der Bürger das zu tun und zu lassen hatte, so wie es angeordnet wurde. Verwirrungen, ein gestörtes Vertrauensverhältnis und eine Sinnkrise zwischen Bürger und Staat, ein Dauerzustand ?

22. November 2021


Als ich mich der Seilbahn näherte, die sich über den Rhein zur Festung Ehrenbreitstein spannte, war die Enttäuschung groß. Die Seilbahn stand still, keine Gondel schwebte über den Rhein, der Eingang zur Seilbahn war verschlossen. Meine Annahme, es würde sich um einen Irrtum handeln, wurde schnell widerlegt. Unübersehbar waren die Hinweistafeln über dem Zaun, die die Besucher über den Seilbahnbetrieb mit Preisen, Ticketarten und Öffnungszeiten informierten. Ich hatte unglaubliches Pech gehabt. Über den ganzen Herbst und Winter hatte die Seilbahn geöffnet, mit nicht so langen abendlichen Betriebszeiten, und mit ganz wenigen Ausnahmen. Das waren vier Tage im November, an denen die Seilbahn nicht fuhr, und ausgerechnet einen dieser Tage hatte ich erwischt. Ich hatte noch gestern Abend im Internet nachgeschaut, aber so weit war ich nicht gegangen, dass ich mir die Öffnungszeiten so haarklein angeschaut hatte. Gestern und heute fuhr die Seilbahn nicht, Morgen wäre sie gefahren. So ein Pech. Zuletzt war ich bei der Bundesgartenschau auf der Festung Ehrenbreitstein gewesen, was genau 11 Jahre her war. Ein größeres Museum war noch auf der Festung, und auf die Festung mit Museum hatte ich mich sehr gefreut. Daraus wurde nun nichts. Es blieb mir nichts anderes übrig als die Festung vom gegenüberliegenden Rheinufer zu betrachten. Die Festung hatte ich in einer sehr imposanten Erinnerung. Erbaut in der Zeit der preußischen Rheinprovinz, gab es nichts vergleichbares in unserer Nähe, nicht in Köln mit seinen preußischen Forts, und Wesel war mit seinen preußischen Festungsanlagen zu weit. So machte ich mich auf eine andersartige Entdeckungsreise in Koblenz. Die Stadt war so sehr gespickt mit anderen Sehenswürdigkeiten, dass es ständig Neues zu entdecken gab.

23. November 2021


So neu war das Schängelchen nun nicht, auf dem Rathausplatz war ich bei vergangenen Koblenz-Stippvisiten mehrfach vorbei gekommen, doch eine sonderliche Notiz hatte ich auf dem Rathausvorplatz nie davon genommen. So unscheinbar er mir daher gekommen war, so unscheinbar konnte auch sein Charakter interpretiert werden. Der Begriff Schängel fand seinen Ursprung in der 20-jährigen Zugehörigkeit der Stadt Koblenz zu Frankreich von 1794 bis 1813, als Napoleon das Rheinland erobert hatte und dieses sich in Form des Rheinbundes an Frankreich angeschlossen hatte. Franzosen hatten wesentliche Positionen in Staat, Verwaltung und Militär inne, und deutsch-französische Kinder, die während der Besatzungszeit geboren wurden, erhielten anstelle von Johann oder Hans gerne den Namen „Jean“. Die Koblenzer wandelten die Französisierung des Namens nach ihrer Mundart in „Schang“ ab. Über die Zeit hinweg entwickelte sich hieraus die Verkleinerungsform, der „Schängel“ oder das „Schängelchen“. Er stand dafür, dass er klein und unscheinbar war, aber nichtsdestotrotz jede Menge Witz und Schlagfertigkeit hatte sowie eine rheinische Lebensader. Diese Schlagfertigkeit drückte er als Brunnenfigur aus, indem der Betrachter nicht damit rechnete, wie weit der Wasserstrahl aus der kleinen Figur über den Brunnenrand hinaus reichen konnte. So mancher, der direkt hinter dem Brunnenrand gestanden hat, ist von dem plötzlich heraus schießenden Wasserstrahl nass geworden.

24. November 2021


Während ich einen Tag lang eine Auszeit nahm und durch Koblenz spazierte, taten sich zu Hause entscheidende Dinge. Unser WG-Bewohner, den meine Frau mittlerweile als „Gespenst“ bezeichnete, weil er tagsüber konsequent im Bett liegen blieb und nachts mobil wurde und herum spukte, hatte einen Termin in der LVR-Klinik. Wegen seiner Depressionen musste er routinemäßig alle drei Monate dorthin, worum sich sein Betreuer heute kümmerte. Wahrheitsgemäß schilderte er den Mitarbeitern der Klinik, dass er sich nur noch dann aus dem Bett bewege, wenn die Betreuer ihn dazu aufforderten. Dann aß er sein Essen, das seit Mittag herumstand, kalt, um sich danach, wenn die Betreuer verschwunden waren, wieder ins Bett zu legen. Darüber hinaus gab es nur noch ganz wenige Tätigkeiten, wozu er sein Bett verließ, wie etwa die Wocheneinkäufe – die im wesentlichen nur aus Schokolade und Zigaretten bestanden -. Zweimal pro Woche bewegte ihn mit Mühe ein Mitarbeiter des Roten Kreuzes zum Duschen, gelegentlich nahm er Arzttermine wahr. Die Unterbringungsform in einer WG beschrieb der Betreuer den Mitarbeitern der LVR-Klinik als ungeeignet, mit der Ausprägung der psychischen Erkrankung müsse er eigentlich in einer darauf spezialisierten Einrichtung betreut werden, der Betreuungsbedarf sei deutlich höher als der derzeitige Umfang. Die Konsequenz war, dass die LVR-Mitarbeiter ihn dort behielten für einen längeren Zeitraum. Wir spekulierten, dass dieser Zeitraum sechs Wochen umfassen könnte, weil er im Frühjahr dieses Jahres schon einmal sechs Wochen in der LVR-Klinik gewesen war. Nach seiner Rückkehr hatte sich damals allerdings sein Zustand nicht verbessert, sondern verschlechtert. So sahen wir den Dingen entgegen, wie sie sich entwickeln würden. Wegen seines lethargischen Zustandes und seiner Teilnahmslosigkeit an WG wäre es in unserem Sinne, wenn er in einer anderen stationären Unterbringungsform untergebracht würde. Dann könnten wir ihn durch einen anderen WG-fähigen Bewohner mit einem Handicap ersetzen.

25. November 2021


Meine Frau schmunzelte und machte einen amüsierten Gesichtsausdruck. So schnell habe sie noch nie einen Arzttermin beim Augenarzt bekommen. Zwei bis drei Monate sei die übliche Vorlaufzeit, nun sei sie sofort ohne jeglichen Termin an die Reihe gekommen. Sie war mit meinem Schwager beim Augenarzt, der selbst dort einen Termin hatte. Die Ursache des Augenarzttermins war gewesen, dass er nur noch 15% Sehvermögen auf dem linken Auge hatte und zuletzt angeblich gestolpert oder gar gestürzt war. War es mit dem Stolpern oder dem Sturz auf sich hatte, ließ sich nicht wirklich aufklären. Von irgendwo her hatte meine Frau aufgeschnappt, das Stolpern oder der Sturz sei mit einem Hubwagen geschehen. Er selbst konnte nicht beschreiben, was geschehen war. Sein Gang war nun höchst unsicher, und sein Stolpern oder Stürzen war zwei Tage hintereinander an unterschiedlichen Stellen in der Behindertenwerkstatt geschehen, danach in der Küche der Behinderten-WG, wo die Bodenfliesen eigentlich glatt und eben waren und keinerlei Unebenheiten boten für ein Stolpern. Ein Röntgenbild war im Krankenhaus gemacht worden, und nun sollte der Augenarzt seine Augen untersuchen. Meine Frau wollte mit meinem Schwager ins Behandlungszimmer, doch das Mitkommen wurde ihr wegen Corona verwehrt. Obschon sie voll geimpft war, musste sie einen Negativtest beibringen. Diesen hatte sie nicht, doch die Arzthelferinnen fanden die Lösung, wenn sie selbst untersucht würde, dass sie ihren Bruder begleiten könne. Da sie selbst bei diesem Augenarzt in Behandlung war, untersuchte dieser kurzer Hand ihre Augen. Solch einen kurzfristigen und spontanen Termin, bei dem der Augenarzt feststellte, dass sie schärfere Brillengläser benötigte, hatte sie noch nie erlebt. Parallel dazu stellte der Augenarzt fest, dass das Stolpern oder das Stürzen nicht damit zusammenhingen, dass sich das Sehvermögen ihres Bruders verschlechtert hatte. Dieses war seit der letzten Untersuchung konstant geblieben. Womit das Stolpern oder das Stürzen zusammenhing, darüber hatte auch das Röntgenbild keinen Aufschluss geben können. Ein Hämatom oder ein blauer Fleck war nicht feststellbar. Der Gang deutete auf eine Fehlstellung der Hüfte hin. Allerdings war mein Schwager bei unserem letzten Urlaub in Staufen längere Strecken, zwar mit einem etwas anderen Gang, aber ohne jegliche Unsicherheiten gelaufen. Wir mussten abwarten, ob sich sein derzeit verunsicherter Gang verbessern würde.

26. November 2021


Allmählich sind die massiv steigenden Inzidenzzahlen in unseren Köpfen angekommen. Ich selbst neige dazu, mich in der Gesellschaft der Geimpften sicher zu fühlen, aber andere haben wohl ein größeres Problem damit. In Vor-Corona-Zeiten habe ich mich mit einem früheren Arbeitskollegen in der Vorweihnachtszeit auf dem Kölner Weihnachtsmarkt getroffen. Im letzten Jahr mussten wir wegen Corona das Treffen ausfallen lassen, alternativ hatten wir miteinander telefoniert, dazu hatte mir der einstige Arbeitskollege eine Flasche selbst gemachten Glühwein zugeschickt. Im Sommer hatten wir das Treffen in einer Pizzeria in Troisdorf nachgeholt. Nun, mit der Öffnung des Kölner Weihnachtsmarktes, ist der Arbeitskollege eingeknickt vor den explodierenden Inzidenzzahlen. Ob wir unser Treffen – wie im letzten Jahr – telefonisch durchführen können. Das Menschengedrängele auf dem Weihnachtsmarkt wäre ihm wohl doch zu viel geworden, das Infektionsrisiko zu hoch. Im Dezember und an Silvester hatten er und seine Lebensgefährtin einige Feiern geplant. Diese sind nun abgesagt, lediglich die Silvesterfeier in Eijsden in den Niederlanden steht noch. Ich selbst habe diesen Punkt noch nicht erreicht. Mit Freunden, die geimpft sind, zum Beispiel in einem Restaurant essen zu gehen, da hätte es bei uns keine Barriere im Kopf gegeben. Bei dem Telefonat habe ich fleißig mitgeschrieben, was wir uns erzählt haben. Ein virtuelles Treffen ist immer noch besser als gar kein Treffen. Wir haben vereinbart, uns im nächsten Frühjahr in einem Biergarten zu treffen, und wir hoffen, dass Corona diesmal nicht wieder querschießt.

27. November 2021


Als ich unsere Tochter beim Vater ihres Freundes in Dortmund abgesetzt hatte, waren wir uns einig. Wie üblich, trank ich nach der Autofahrt, die diesmal reibungslos das Autobahnkreuz Leverkusen hinter sich gelassen hatte, eine Tasse Kaffee. Der aus dem Kaffeevollautomat aufgebrühte Kaffee dampfte in der hohen Tasse vor sich hin, und der Vater, der in der Baustelle des Dachgeschosses die Rigipswände am beispachteln war, machte eine Pause und hatte sich zu mir gesetzt. In seiner Familie seien alle voll durch geimpft, und für die Booster-Impfung musste er wegen der Sechsmonatsfrist noch warten, was er angesichts des aktuellen Infektionsgeschehens als widersinnig empfand. Wir regten uns auf über die letzten Appelle des Bundesgesundheitsministers und des RKI-Oberhauptes Lothar Wieler, dass alle, Geimpfte und Ungeimpfte, Kontakte vermeiden sollten. Dem schloss sich der Noch-Gesundheitsminister Jens Spahn an. Die Bürger sollten ihre privaten Kontakte freiwillig so weit wie möglich einschränken, sagte er in einem Interview mit „Zeit Online“, vor allem Treffen mit vielen Menschen in Innenräumen. Was es mit der Solidarität in unserer Gesellschaft auf sich hatte, das bekamen wir nicht auf die Reihe. Auf der einen Seite waren all diejenigen, die eine Abneigung gegen das Impfen hegten. Freiheitsrechte sahen sie bedrängt, sie setzten auf ihr eigenes Immunsystem, sie hatten eine Phobie gegen Spritzen oder sie wandelten auf esoterischen Pfaden jenseits medizinischer Erkenntnisse. Mit ihrem unsolidarischen Verhalten gefährdeten sie andere. Wieler und Spahn appellierten nun an die andere Seite, also auch die der Geimpften. Als Folge, dass andere die Solidarität ignorierten, sollte diese Gruppe sich wiederum solidarisch verhalten und ihre Kontakte reduzieren. Für uns beide war dies ein No-Go. Zu dritt hatte ich mit dem Schwager und einem Freund vor vierzehn Tagen Sonntags vormittags noch in einem Café gefrühstückt. Alle drei waren wir vollständig geimpft und wir hatten uns vollkommen sicher gefühlt, uns in dem halbwegs leeren Café nicht anzustecken. Und in einer Woche würde eine Freundin zu Hause ihren Geburtstags feiern, wo mit einer Ausnahme alle vollständig geimpft sein würden. Auch dort würde ich mich sicher fühlen, dass das Infektionsrisiko minimal sein würde. Dass die Verantwortlichen wieder begannen, in unsere Köpfe einzuhämmern, Kontakte zu vermeiden, persönliche Begegnungen ausfallen zu lassen und alles nur noch virtuell, über das Netz, telefonisch oder per Livestream durchzuführen, das widerstrebte uns. Wenn wir uns mit vollständig Geimpften trafen und gegebenenfalls auch noch einen Negativtest machten, dann waren wir nicht bereit, unsere Kontakte einzuschränken. Nachdem ich dies mit dem Vater des Freundes unserer Tochter ausdiskutiert hatte, setzte ich mich in unser Auto und trat die Heimfahrt an. Langsam begann sich die Dunkelheit über den Dortmunder Stadtteil Sölderholz zu senken. An der Verkehrskreuzung, wo ich links abbiegen musste, war die Vorfahrtstraße sehr befahren, so dass ich lange warten musste. Hell leuchtete der Schein der Straßenlaterne, und die Sparkasse an der gegenüberliegenden Ecke verblasste starr und regungslos vor sich hin.

28. November 2021


In einer Spontanaktion halfen unser Sohn und meine Wenigkeit unserer großen Tochter beim Umzug. Das bedeutete einmal Freiburg hin und zurück am selben Tag, zumal unser Sohn wegen der 2G-Regel in Baden-Württemberg nicht übernachten durfte – er hatte nur die Erstimpfung erhalten. Morgens waren wir kurz nach 7 Uhr mit unserem Golf nach Staufen losgefahren, gegen halb 12 kamen wir an. Von Staufen nach Freiburg zog unsere Tochter um, das war jedes Mal die Fahrzeit einer einfachen Strecke von einer halben Stunde. So schafften wir vier Fahrten von Staufen nach Freiburg, so viel, dass wir allen Hausrat hinüber transportieren konnten – mit Ausnahme der beiden Bücherregale, wo wir noch einige medizinische Fachliteratur und Aktenordner zurück ließen. Das war noch eine Fahrt, wozu wir uns Zeit lassen konnten, da die Wohnung in Staufen weiter bewohnt wurde. Mit diversen Schmierereien sah das Treppenhaus nicht unbedingt einladend aus, rechterhand lagen die einzelnen WG-Zimmer dicht beisammen, davon gehörte eines unserer Tochter. Nach dem Umzug von Staufen würde die WG wiederum eine Zwischenstation sein, da das ganze Haus ab dem Februar nächsten Jahres einer Sanierung unterzogen werden sollte, so dass unsere Tochter sich nochmals eine neue Bleibe suchen musste. Bis dahin war noch ein wenig Zeit, so dass es ohne Kleiderschrank und ohne Regale erst einmal chaotisch nach dem heutigen Umzug aussah. Gegen halb sieben machten wir uns von Freiburg aus auf den Nachhauseweg, das waren 420 Kilometer zurück über die Autobahnen A5, A61 und A565. Um die späte Uhrzeit hatten wir keinerlei Probleme mit Staus oder anderen Verzögerungen. Genauso machte mir die Dunkelheit nichts aus. Die A5 war von Offenburg bis zum Autobahnkreuz Walldorf/Wiesloch sechsspurig ausgebaut, in Rheinhessen, dem Hunsrück und der Eifel war die Autobahn vollkommen leer, so dass ich mich an vorausfahrende Fahrzeuge, die mit derselben Geschwindigkeit daher brausten, dran hing. Die Rücklichter im Visier, fühlte ich mich auf der nachtdunklen Fahrbahn sicher.

29. November 2021


Nach der gestrigen Fahrt nach Freiburg brauchte ich den Sonntag, um herunter zu kommen. Geistig war ich noch auf der Autobahn, das breite Band der vier oder sechs Spuren vor mir, den Fuß auf dem Gaspedal und die Kilometer herunter zählend bis zum Ziel. Ich hatte nichts eingeplant an diesem Sonntag. Ich suchte lange im Bett zu bleiben, doch direkt um halb 9 ging das Telefon, als der Schwager sich meldete. Unfähig zu größeren Unternehmungen, frühstückten wir lange und ausgiebig. Nachmittags würde unsere Tochter aus Dortmund zurück gebracht werden, abends stand das Kegeln von Schwager und Frau auf dem Programm. Tagsüber schleppte ich mich so dahin, in der Trägheit war ich vollkommen aktionslos. Derweil gelang es meiner Frau, unser Wohnzimmer dann doch entsprechend der Vorweihnachtszeit zu gestalten. Sie räumte unseren Wohnzimmertisch frei und breitete allerhand weihnachtliche Dekos aus. Sie kramte den Adventskalender heraus und positionierte diesen in unserer Essecke. Das war mir schon wichtig, dass das erste Adventswochenende nicht gänzlich ohne vorweihnachtliche Gefühle ablaufen sollte, selbst wenn wir beide mehr oder weniger platt waren. Obschon es nichts außergewöhnliches war, war das Abendessen dann doch festlich arrangiert mit dem Adventskalender. Wir hatten Gehacktessoße übrig, und dazu bereitete ich selbst gemachte Spätzle zu, während meine Frau mit meinem Schwager in der Gaststätte im Nachbarort kegelten. Wir zündeten die erste Kerze an, wie sonst war der Geschmacksunterschied zu gekauften Spätzle riesig. Wir ließen es uns schmecken, und am liebsten hätte ich einen gekühlten, leckeren, trockenen Weißwein dabei getrunken.

30. November 2021


In Zeiten des Home Office freut man sich über die kleinen Gesten. Aus Adventskalendern habe ich mir nie etwas gemacht. Ich hatte da eher an unsere Kinder gedacht, als sie noch klein waren. Meine Frau hatte Stoffsäckchen auf eine Decke genäht und die Säckchen mit allerlei Süßigkeiten und Spielsachen befüllt, die dorthin hinein passten. Da war die Freude unserer Kinder groß, wenn sie Tag für Tag ihr Säckchen öffnen konnten und eine neue Überraschung in ihren Händen halten konnten. Am Arbeitsplatz hatte unser Arbeitsgeber uns ebenso nicht vergessen. Jahr für Jahr bedachte die Sekretärin unseres Abteilungsleiters jeden Mitarbeiter mit einem Adventskalender, den ich an meinem Arbeitsplatz in unserem Großraumbüro rasch beiseite schob. In meiner Zettelwirtschaft, was ich alles mitgeschrieben hatte, zwischen meinen Notizen, was ich alles erledigen wollte und zwischen Laptop und Monitor störte der Adventskalender. Der Kalender, dessen vorgegebenes Unternehmensdesign irgendwie die Farbe Magenta beinhalten musste, war bedeutungsloses Beiwerk zwischen all den hochwichtigen Themen. Er verschwand in der Versenkung und ab und zu, wenn mein Hunger Überhand nahm, öffnete ich wahllos ein Fenster und grapschte die Schokolade heraus, die ich nicht einmal gerne aß, wenn es Vollmilchschokolade war. Wie sehr sich doch die Zeiten ändern können, dass ich mich nunmehr über einen solchen Adventskalender freue, weil mein Arbeitgeber an mich denkt. Ein Nikolaus und ein Bär mit einer kombinierten Elch- und Pudelmütze blicken gespannt dem Weihnachtsfest entgegen. Das Telekom-Logo vereint mit dem Herzen die virtuelle Welt aller Telekom-Mitarbeiter. Für die geistige und emotionale Unterstützung an meinem Home-Office-Arbeitsplatz ist nun gesorgt. Um hoch motiviert arbeiten zu können, fehlt es an nichts.


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