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Tagebuch Juli 2023

1. Juli 2023


Meinen Geburtstag vertändelte ich so ziemlich, indem ich viel zu lange schlief, danach ließ ich mich darauf ein, den einen WG-Bewohner zu seinen Eltern nach Troisdorf zu fahren, und da war es bereits gegen Mittag, als ich zurück kehrte. Genau um die Mittagszeit riefen meine Mama und mein Bruder an, was teilweise Gesprächsstoff für das abendliche Essen im Chinarestaurant war. Am frühen Nachmittag kaufte ich noch Wurst und Käse im Supermarkt in unserem Ort. Am späten Nachmittag sah ich mit unserem Sohn davon ab, den Rasen im Garten des Hauses der Dreier-WG zu mähen, weil es regnete. Anstatt dessen befasste ich mich mit all den Disteln im dortigen Vorgarten und all dem Unkraut zum Nachbargrundstück. Um 19 Uhr hatte ich in dem Chinarestaurant einen Tisch für unsere Familie reserviert, das ein reichhaltiges Büffet anbot. Die Gesprächsthemen resultierten im wesentlichen aus den Glückwünschen von meiner Mama und meinem Bruder. Mit ihren 87 Jahren wurde meine Mama immer gebrechlicher, und sie und mein Bruder litten daran, dass sie im eigenen Haus ohne ausreichende Rückzugsmöglichkeiten aufeinander hockten. Die Mama schimpfte auf ihren Sohn, er würde alles für sie tun, er sei aber nicht mehr nett zu ihr. Mein Bruder äußerte dazu, ohne dass die Mama mithören konnte, sie würde immer vergeßlicher, sie leide an Demenz und reagiere oftmals verbissen und aggressiv, so dass sie sich häufig stritten. Die Mama lebte in der Welt, die viele Jahrzehnte zurück lag und womit der Rest der Familie nichts mehr anfangen konnte. Er versuche mittlerweile, die Gespräche auf ein notwendiges Minimum zu reduzieren, um Konfliktpotenzialen aus dem Weg zu gehen. Sie mischte sich überall ein, müsste stets hautnah dabei sein, so dass er und seine Familie kaum noch eine Privatsphäre hätten. So seien seine Frau und seine Tochter häufig unterwegs, um einen Aufenthalt in dem gemeinsamen Haus zu vermeiden. Als typische Verhaltensweisen der Mama nannte er ihren Drang zum Putzen, wenn sie irgendwo in irgendeiner Ecke Schmutz erblicken würde. Sie sei so vergesslich, dass sie den Schlüssel ihres Elektromobils oftmals verlegen würde. Sie glaubte, ihn in der Garage abgelegt zu haben, daraufhin durchsuchte sie die komplette Garage, später fand man den Schlüssel im Haus. Mit ihrer Nase musste sie bei vielen Dingen dabei sein, so etwa, wenn seine Tochter in der Küche kochte. Häufig war es zu Streitigkeiten gekommen, dass sie sich mit ihrer Enkeltochter unterhalten wollte. Sie hatte aber die Kopfhörer aufgesetzt, so dass sie der Unterhaltung gar nicht zuhören wollte, weil sie Musik hören wollte. Ein weiteres Gesprächsthema während des Essens im Chinarestaurant waren die Konzertbesuche des Bruders. So war er im Mai nach Hamburg gereist, um bei einem Konzert von Metallica dabei zu sein, wobei er sich ein Hotelzimmer genommen hatte. 370 Euro hatte eine Karte gekostet, was unterdurchschnittlich teuer war, denn die teuersten Karten kosteten über eintausend Euro. Da muteten die 142 Euro, die ich für Roger Waters in Köln bezahlen musste, geradezu preiswert an. Mein Bruder hatte des weiteren Karten für ein Konzert von Iron Maiden, was wahrscheinlich eine ähnliche Kategorie war wie Metallica. Wir diskutierten lebhaft über die Preise von Konzertkarten. Eine Arbeitskollegin von mir hatte Konzerte von Elton John und von Beyoncé besucht. Interessieren würde mich beispielsweise Depeche Mode, die derzeit auf Konzerttour in Stadien waren. Wir googelten im Internet und stellten fest, dass die Preiskategorie ein ähnliches Niveau war wie dasjenige von Roger Waters. Das Essen war übrigens klasse wie immer im chinesischen Restaurant. Auch unsere Tochter aß gut und viel, und positiv war dazu anzumerken, dass ihr weder übel wurde noch dass sie sich übergeben musste. Das war nämlich in anderen Situationen ganz anders gewesen. Es blieb ihr zu wünschen, dass die ausgeprägte Übelkeit in den ersten Schwangerschaftsmonaten bald nachlassen würde.



2. Juli 2023


Nachdem wir an Krankenhausaufenthalten vieles mitgenommen hatten, was vorfallen konnte, waren wir in der 26. Kalenderwoche ohne Krankenhauspatient. Unsere Tochter wurde freitags aus dem Krankenhaus entlassen, und fortan besserte sich ihre Lethargie etwas, dass ihr übel war, dass sie sich übergeben musste, dass sie in ihrem Bett lag oder auf der Couch im Wohnzimmer. Über Sprachnachrichten wurde die Familie des Vaters ihres Kindes ungeduldig. Wann man sie endlich kennen lernen würde und wann sie sich mit dem Zug auf den Weg nach Brandenburg machen würde. Auf einem Foto ihres Freundes hatte ich erkennen können, dass seine Familie im Landkreis Oberhavel nördlich von Berlin wohnte. Sein Vater kam wiederum wohl aus der ehemaligen DDR, seine Großmutter wohnte ebenso dort. Sein Vater hatte lange Zeit im Rheinland gelebt, bis er sich seiner Frau getrennt hatte und nach Brandenburg zurück gekehrt war. Dort hatte er eine neue Partnerin kennen gelernt und hatte mit ihr einen gemeinsamen Sohn. In ihrem momentanen Zustand hielten wir unsere Tochter nicht in der Lage, eine solche Reise über mehr als 600 Kilometer bis nach nördlich von Berlin zurück zu legen. Weiterhin stand der Wunsch im Raum, unsere Tochter solle nach Brandenburg ziehen, und wurde zusätzlich über Whatsapp Druck aufgebaut, was wir nicht für gerechtfertigt hielten. Ansonsten war ich in der 26. Kalenderwoche krank geschrieben, was mich wenig zufrieden stellte, da ich die Woche nahezu ausschließlich zur Gartenarbeit nutzte. Zu einem Arzttermin verließ ich die eigenen vier Wände, zum Beratungsgespräch bei Pro Familia in Siegburg, zu Krankenhausbesuchen bei unserer Tochter, zum Einkaufen. Darüber hinaus bot sich bis Freitag nahezu keine Gelegenheit, das Haus zu verlassen. Und bei der Gartenarbeit galt es, alles mögliche zu beachten, was mir selten gelang. Beim Pflanzen der Aubergine in einen großen Topf musste zusätzlich ein kleiner Topf in der Erde eingelassen werden, Buschbohnen durften beim Pflanzen nicht in die Erde gedrückt werden und so weiter. Irgend was hatten wir auch beim Pflanzen der Gurken falsch gemacht, denn nach und nach wurden die zarten Pflanzen welk und ließen das Grün hängen, womöglich hatten wir sie zu selten gegossen. Ein weiterer Fauxpas passierte mir, nachdem wir Hähnchenschenkel für eine Hühnersuppe gekauft hatten. Da meine Frau ansonsten Druck ausübte, Fleisch möglichst zeitnah und schnell einzufrieren, tat ich dies mit den Hähnchenschenkeln. Sonntags nachmittags zerkleinerten wir dann Gemüse für die Hühnersuppe, dabei stellten wir allerdings fest, dass wir diese gar nicht kochen konnten, weil die Hähnchenschenkel im Gefrierschrank waren. Der Sonntag hatte ansonsten eine weitere Widersinnigkeit der handwerklichen Tätigkeit zu bieten. Aus der Gruppenkasse hatten die Betreuer der Dreier-WG nämlich eine Magnettafel beschafft, die sie bei WG-Besprechungen benutzen wollten. Diese Magnettafel sollte in der Küche aufgehängt werden. Den Betreuern war aber unbekannt, dass in der Küche hinter den tapezierten Wänden noch die Wandfliesen belassen worden waren, so dass bei unsachgemäßem Bohren größere Teile der Wand hätten heraus brechen können. So fand sich niemand, der dazu fähig war, Löcher in die Wand zu bohren. Seit rund zwei Jahren stand nun die Magnettafel mit einem Neupreis von 67 Euro unbenutzt herum, zuletzt hatten wir diese in den Keller gestellt. Damit diese nicht weiter nutzlos in der Gegend herum stand, hängten wir diese nun im Keller auf. WG-Besprechungen könne man auch im Keller abhalten, das meinten wir. Die Wahrscheinlichkeit hielten wir allerdings für gering, dass wegen der aufgehängten Magnettafel die WG-Besprechungen von der Küche in den Keller verlagert würden. Die Umhüllung aus Plastik beließen wir auf der Magnettafel, und wir waren gespannt, ob die Magnettafel zu WG-Besprechungen zum Einsatz kommen würde und die Plastikumhüllung entfernt würde.



3. Juli 2023


Den einen WG-Bewohner habe ich nach Hause zu seinen Eltern gefahren, die in einem Mietshaus der Wohnungsbaugenossenschaft Troisdorf wohnen. Beide Elternteile arbeiten im Niedriglohnsektor, der Vater ist Busfahrer, die Mutter Kassiererin, so dass sich seine Eltern wohl niemals Wohneigentum leisten können werden. Die steil angestiegenen Preise für Wohnimmobilien verstärken die Ungleichheiten zwischen arm und reich, so dass die Eltern in dieser Mietwohnung wohnen, wovon es noch weitaus blassere und identitätslosere Bauten gibt. Der Eingangsbereich ist durch eine dezenten roten Anstrich aufgehübscht, der Grundton der übrigen Fassade ist freundlich, das Umfeld von Einfamilienhäusern lockert den Straßenzug auf, die Mietshäuser liegen in einer ruhigen Seitenstraße. Die Wohnungen bieten den weiteren Vorteil, dass die öffentliche Hand beteiligt ist, so dass die Wohnungen bezahlbar sind. Anderswo überläßt man den Wohnungsbau dem freien Markt, so dass die Mieten explodieren. Das Angebot an Luxuswohnungen ist überreich, während es an bezahlbarem Wohnraum fehlt. Verglichen mit unserer eigenen Wohnsituation, ist der Sprung allerdings krass. In unserer Doppelhaushälfte haben wir unsere eigenen vier Wände, hier muss man sich wegen vielerlei Dinge mit einem Vermieter arrangieren. In unserem Garten können wir breitflächigen Gemüseanbau betrieben, hier umgibt das Mietshaus gerade eine knappe Rasenfläche. Wir wohnen auf 135 Quadratmetern und haben vier Kinderzimmer, die Wohnfläche dürfte hier nicht so üppig sein. Dennoch wird sich die Familie des WG-Bewohners hier arrangieren können, und der WG-Bewohner wird bei seinen Eltern ein schönes Wochenende verbringen.



4. Juli 2023


Neuerdings, mit der Schwangerschaft unserer Tochter, nehmen wir schwangere Frauen, Säuglinge oder Kinderwagen ganz anders wahr als bisher. Lagen davor die Zeiten, als unsere eigenen Kinder noch Säuglinge oder Kleinkinder waren, sehr lange zurück, so rücken diese Zeiten nun wieder näher. Die Aufmerksamkeit und das Beobachtungsvermögen verlagern sich. So fielen mir beim heutigen Cafébesuch Mütter auf, die allesamt mit Säuglingen in dem Café zusammen saßen. Momentan sind wir auf der Suche nach einer Hebamme für unsere Tochter, die eine Geburtsvorbereitung anbietet. Solche Kontakte würden dann zu vielen Kontakten mit anderen werdenden Müttern führen, was sich dann über die Säuglingszeit, die Kleinkindzeit, die Kindergartenzeit und die Schulzeit vervielfacht. Dies käme unserer Tochter zugute. Dass sich Mütter mit ihren Säuglingen, fünf in der Anzahl, im Café treffen, fand ich mehr als außergewöhnlich. Getroffen mit anderen Müttern mit Säuglingen hatten wir uns damals, als unsere eigenen Kinder im Säuglingsalter waren, im Pfarrheim, wo man sich mit einer Krabbelgruppe traf. Nun also hier im Café. Das war drollig anzusehen, die fünf Mütter mit einem Baby auf dem Arm, wie sie sich in den Sesseln ausbreiteten und die Babys waren einfach nur brav. Entweder schliefen sie oder sie wurden in den Armen in den Schlaf geschaukelt. Während ich mein Laptop ausgeklappt hatte, konnte ich die Gemeinschaft der fünf Mütter beobachten, wie sie sich austauschen konnten über ihren Nachwuchs, wie sie über die Abläufe beim Stillen reden konnten, über Kinderkrankheiten oder auch über all das Glück, das solch ein Babypaket bereiten konnte. Heute erlebte ich jedenfalls eine ungewöhnliches Zusammentreffen. Es fiel mir schwer, mir vorzustellen, dass sich unsere Tochter in mehreren Monaten in einem ähnlichen Kreis an einem anderen Ort wiederfinden würde.



5. Juli 2023


Bei der Fahrradfahrt am Rheinufer entlang, fiel mir auf zum Zentrum zugewandten Rheinseite dieses Graffiti auf. Wände zum legalen Besprühen sind in der Stadt selten, so dass oft nur die verschmierende, zerstörende Art von Graffitis in der Stadt zu sehen ist. Diese Wand, die zum Hotel Königshof gehört, war offiziell zum Besprühen freigegeben worden. Bis zum 15. März dieses Jahres durfte jedermann und jederfrau Tag und Nacht diese Wand besprühen. Das Ergebnis waren Motive aus der griechischen Mythologie. Dort glaubte ich das Oberhaupt aller griechischen Götter aus der Antike, Zeus, zu erkennen, ebenso Amor, den Gott der Liebe, mit Pfeil und Bogen. Im Zentrum des Graffitis stand die griechische Philosophie, namentlich Aristoteles. In griechischen Buchstaben stand dort geschrieben „Telos“, was so viel bedeutet wie „Sinn“ oder „Zweck“. Gemäß Aristoteles sind die vernunftbegabten Lebewesen dadurch besonders ausgezeichnet, dass sie in der Lage sind, sich selber Ziele zu setzen. Dadurch werden sie erst zu ethischem Handeln fähig. Grundlage der Ethik ist hier das Ziel (Telos). Beseelt von Aristoteles, hangelte ich mich die übrigen Motive an der Wand aus der griechischen Antike entlang. Eine feine Sache fand ich, dass die Künstler ihre Kreativität an dieser Wand ausleben konnten. Leider gab es in der Stadt viel zu wenige Stellen, wo es erlaubt war, Graffitis zu sprühen.



6. Juli 2023


Dieser Biergarten, den ich erst das erste Mal in diesem Jahr aufgesucht hatte, passte gut zu der Werbung von Paulaner. Diese Paulaner-Werbung erzählte Biergarten-Geschichten, in denen etwa Freunde zusammen saßen. Sie legten ihre Handys beiseite, gossen langsam aus der Flasche ein, nahmen einen tiefen Schluck aus dem Glas und entspannten sich. Weißbier-Yoga, so nannten die drei Freunde diese mentale Übung. Es gab nichts weg zu diskutieren, dass der Biergarten „Am Schänzchen“ die Top-Adresse unter den hiesigen Biergärten war. Allerdings scheute ich bisweilen den Umweg mit dem Fahrrad vom Büro aus zu diesem Biergarten. Der Standort hatte etwas urwüchsiges und unverwechselbares an sich, so wie der Biergarten aus der Paulaner-Werbung. Er war nämlich Bestandteil einer alten preußischen Festung, die vom Rhein aus gut erkennbar war. Das Ziegelmauerwerk ragte in die Höhe, und die Dicke der Festungsmauern konnte man zur Weinbar hin erkennen. Sowohl über der Festungsmauer, als auch von der Rheinpromenade aus, hatte man einen wunderschönen Blick auf den Rhein. Zumindest, wenn man oben nicht allzu weit zum Geländer hin einen Platz ergattern konnte. Eine sich verzweigende Treppe führte hinauf nach oben, wo man sich verköstigen konnte mit Weissbier und anderen Kaltgetränken sowie einer Speisenauswahl, die an die bayrische Küche angelehnt war. Neben dem Ausblick auf den Rhein wurde dieser Biergarten zur Top-Adresse wegen seines Baumbestandes. Kastanienbäume umstanden die Fläche, wo sich Stühle und Tische verteilten. Kastanienbäume, die naturgemäß Schatten spendeten und einen grünen Ort mitten in der Stadt bildeten. So wie der Zufall es wollte, nahm ich bei dem heutigen Besuch das internationale Flair aus einem anderen Paulaner-Werbespot wahr. Ein Mensch mit schwarzer Hautfarbe saß am Nachbartisch, und die Einheimischen unterhielten sich fleißig auf Englisch. Ich hörte die Stadt Düsseldorf heraus, wo der Mensch mit schwarzer Hautfarbe gewesen war, und dass die anderen viel mit dem 49 Euro-Ticket unterwegs waren.



7. Juli 2023


Diskussion über den Sinn und Zweck von Fahrradstraßen. Bezogen auf unsere Stadt, stufte ich den Sinn und Zweck höher ein, als er gemeinhin war. Den Rhein entlang waren in unserer Stadt die ersten Fahrradstraßen eröffnet worden, dort, wo es sich um normale Straßen für den Autoverkehr handelte. Wegen der abseitigen Lage waren diese Straßen sowieso wenig frequentiert vom Autoverkehr, so dass die Einschränkungen nicht allzu groß waren. Konkret bedeuteten Fahrradstraßen für den Autoverkehr: Autos waren dort verboten, es sei denn, man erlaubte ihn durch Zusatzzeichen unter dem Verkehrsschild; Radfahrer dürfen nebeneinander fahren und brauchen nicht auszuweichen, wenn Autofahrer überholen wollen; es gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 30 Stundenkilometer; Gehwege sind Fußgängern vorbehalten, wenn Fahrradstraßen existieren. In unserer Stadt war der klimaschützende Effekt, Autoverkehr zu verhindern, eher als klein einzustufen, da die Straßen wenig vom Autoverkehr befahren waren und Autos weiterhin erlaubt waren. Das war etwas anders in unserer frühen Bundeshauptstadt. Die Klammerfunktion einer Verkehrswende beinhaltende, war dort ein Klimaplan ins Leben gerufen worden. Handlungsfeld und eine Strategie waren formuliert worden, die verantwortlichen Handlungsträger waren an einen Tisch gebeten worden, die Stadt moderierte. Zu den sieben Handlungsfelder, die Governance, Gesellschaft, Wirtschaft, Gebäude, Energie, Mobilität und Kompensation umfassten, wurde ein Arbeitsprogramm mit Aktivitäten für die nächsten drei Jahre entwickelt. Dein Teil dieser Aktivitäten waren Fahrradstraßen. Diese Fahrradstraßen hatten in der Innenstadt eine blockierende und verkehrsverhindernde Funktion, indem sie Fahrspuren für Autos reduzierten, als Einbahnstraßen konzipiert waren oder mit Pollern Autos die Weiterfahrt versperrten. Das waren lobenswerte Initiativen, die tauglich waren für eine Verkehrswende.



8. Juli 2023


Der Mensch darf zurecht fordern, dass er eine Sinngebung darin sieht, was er tut. Sinn, Zweck und Inhalt muss den Tätigkeiten innewohnen, die den Alltag des Menschen prägen. Bei alledem, was ich in unserem Garten so treibe, tue ich mich zunehmend schwer mit dieser Sinngebung. A priori habe ich stets einen Sinn darin gesehen, eigenes Gemüse im Garten anzupflanzen, dieses zu hegen und zu pflegen und vor allem all diese Früchte zu essen. In diesem Jahr ist diese Sinngebung so ziemlich dahin, obschon viele Beweggründe einer fehlenden Sinngebung bereits in den vergangenen Jahren existiert haben. Seitdem meine Frau ihren Teilzeitstelle begonnen hat, hat sie sich mehr und mehr aus dem Garten zurück gezogen. Und genau damit haben diejenigen Momente zugenommen, dass die Gartenarbeit widersinnig ist. Zwang und falscher Eifer prägen die Gartenarbeit, die Motivation ist wie weggeblasen. Angefangen hatte die Misere mit Wiederholungen. Zum Beispiel hatte ich zwei Reihen Porree fertig in die Reihen gesetzt. Danach hieß es: Kommando zurück, Porree wieder raus und die Abstände vergrößern. Ich musste feststellen, dass es für alles Regeln gibt und feste Vorgehensweisen, ansonsten verschlechtern sich die Erträge. Wie genau in welchen Abfolgen die Kartoffeltürme aufzuschichten sind, das ist eine gewisse Wissenschaft. Nie gewöhnen werde ich mich daran, dass bestimmte Gemüsesorten sehr kurze Zeitfenster haben. So der Spinat, der möglichst taggenau geerntet werden sollte. Lästig und erlahmend ist das Gießen bei Trockenperioden, die in diesem Jahr glücklicherweise nicht so ausgeprägt waren. Die Beispiele der Widersinnigkeit sind in diesem Jahr zahlreicher geworden: es ist soviel Kopfsalat gleichzeitig reif geworden, dass wir ihn nicht mehr essen können, dasselbe Ergebnis hatten wir im Hochsommer bei den Zucchinis. Vielleicht zwei bis drei Gurken konnten wir in diesem Jahr ernten, der Rest war fleißig aus dem Boden gesprießt, aber später eingegangen. Diejenigen Stangenbohnen, die meine Frau gesetzt hatte, hatten üppige Erträge abgeworfen. Diejenigen, die ich unmittelbar darauf gesetzt hatte, waren nicht aus dem Boden gekommen. Wir hatten in diesem Jahr zwar reichlich Erdbeeren, die aber viel zu klein geraten waren. In jedem Jahr habe ich das Erlebnis, dass, obschon ich in Trockenperioden Massen von Wasser auf die Zucchinis schütte, diese vertrocknen. Ein leidiges Thema ist auch der Gemüsedünger. Dem abendlichen Gießen soll flüssiger Gemüsedünger beigefügt werden. Es ist aber weder bei Zucchini, Tomaten, Paprika, noch bei Auberginen, Peperoni oder Buschbohnen erkennbar, dass sich die Ernte wegen des Gemüsedüngers verbessert. Da allgemein viel zu viel im Garten herum geschimpft wird und die Arbeit todernst gesehen wird, als müssten wir ohne die Erträge aus dem eigenen Garten am Hungertuch nagen, ist meine Motivation abhanden gekommen. Wir betreiben einen irrsinnigen Aufwand, der Zeit frißt und keine angemessenen Erträge bringt. Mit der Sinngebung der Gartenarbeit habe ich daher so meine Probleme. Stets hatte ich mir vorgenommen, eine Art Dienst nach Vorschrift zu machen. Neun Uhr abends sollte Schluss sein – inklusive der Spülerei hat es stets um vieles länger gedauert.


9. Juli 2023


In der 27. Kalenderwoche stand zunächst die Schwangerschaft unserer Tochter im Mittelpunkt. Wegen ihrer Übelkeit, so dass sie sich ständig übergeben musste, war sie zwei Wochen zuvor ins Krankenhaus gekommen. Dort hatte sie die Medikamente Xonvea und Vomex gegen die Übelkeit eingenommen, wodurch sich ihre Übelkeit deutlich verbessert hatte. In dieser Woche hatte sie die beiden Medikamente ein paar Tage nicht eingenommen, und danach war ihr prompt wieder übel. So musste sie sich am Mittwoch ständig übergeben, an den Tagen danach nahm sie die Medikamente wieder ein, so dass ihr nicht mehr übel wurde. Gesundheitlich besser ging es ebenso unserem Kater Jumbo. In dieser Woche war der Vier-Wochen-Zeitraum vorbei, dass wir ihn im Käfig halten mussten. Wir ließen ihn aus seinem Käfig ins Wohnzimmer, und als einmal nicht daran dachten, die Wohnzimmertüre verschlossen zu halten, rannte er prompt aus dem Wohnzimmer heraus und war weg. Obschon er mit seinem rechten Hinterbein humpelte, war er so mobil, dass er die Treppen hinauflief, bis ganz nach oben in das Zimmer unseres Sohnes, wo er sich auf seinem Bett kuschelte. Diese Mobilität beruhigte uns, da wir befürchtet hatten, er könne sich nach der Käfighaltung schwer tun, seine Muskeln wieder auf zu bauen oder Bewegungen vermeiden. Wir mussten nunmehr allerhöchstens aufpassen, dass er nicht zu viel herum springen würde und sein verletztes Knie überbeanspruchen würde. In der Dreier-WG gab es Verstimmungen wegen der Gruppenkasse, die damit zusammenhingen, dass der Schwager seine Betreuungsleistungen nunmehr über den Verein der Sozialhummeln erhielt. Die Lebenshilfe, die den Vertrag gekündigt hatte, betreute weiter die beiden anderen WG-Bewohner und führte die Gruppenkasse. Der Schwager musste in die Gruppenkasse für die WG-Einkäufe einzahlen, er scheute sich aber, den Betreuern der Lebenshilfe das Geld für die Gruppenkasse zu geben. Die Betreuer reagierten darauf, indem sie kein Salz für die Spülmaschine aus der Gruppenkasse einkauften. Die WG-Bewohner mussten nunmehr mit der Hand spülen. Nach Ablauf der Krankschreibung habe ich – genauso wie meine Frau – in dieser Woche wieder gearbeitet. In der nächsten Woche haben wir beide drei Wochen Urlaub, so dass ich am Freitag meinen letzten Arbeitstag hatte. Das Gefühl ist in jedem Jahr ganz besonders, drei Wochen Abwesenheit von der Arbeit zu haben. Konkrete Urlaubspläne haben wir allerdings nicht, da die Termine unserer Tochter im Vordergrund stehen. Am Freitag haben wir den Biergarten an der evangelischen Kirche in unserem Nachbarort aufgesucht. Der Biergarten wurde von der Kirche betrieben, er beruhte auf Spenden und das Zusammentreffen mit den anderen Besuchern ergab ein besonderes Gefühl der Gemeinsamkeit. Das Kennenlernen der anderen war ausdrücklich erwünscht, niemand sollte von den anderen getrennt sitzen, und jeder ging auf den anderen zu. Dieses Gemeinschaftsgefühl erinnerte mich an meine Jugend an die Stammkneipe des Fußballvereins, wo jeder jeden kennen lernen konnte und offen für alles war. Danach hatte ich – auch in anderen Vereinen – solch ein Gemeinschaftsgefühl nie mehr erfahren. Vielmehr hatte ich erfahren, dass jeder für sich ist, dass sich Gruppen und Grüppchen bilden, die sich voneinander abgrenzen. Ich hatte erfahren, dass sich innere Zirkel bilden, die auf Zeit angelegt sind und danach wieder zerfallen. Dieser Biergarten an der evangelischen Kirche öffnete nur am Freitag, und wir werden bestimmt dorthin wieder kehren. Am Sonntag habe ich meinen Geburtstag nachgefeiert, indem ich Freunde zum Frühstück ins Eiscafé in unserem Ort eingeladen habe. Wie am selben Ort im Vorjahr, war das Beisammensein von insgesamt 20 Personen wunderschön, es wurde wahnsinnig viel diskutiert und ich war froh, mich mit allen austauschen zu können. Das Frühstück ging bis in den frühen Nachmittag hinein, als ein Gewitterschauer mit etwas Regen etwas Abkühlung an diesem schwülheißen Tag brachte. Der Regen reichte immerhin dafür, dass ich an diesem Tag unseren Garten nicht gießen brauchte.


10. Juli 2023


Beim Geburtstagsfrühstück hatte ich festgestellt, dass sich der Freundeskreis über mehrere Jahre hinweg entwickelt hat. Freunde fallen weg, im Gegenzug kommen neue Freundschaften dazu. Ein bestimmter Freundeskreis ist über Jahrzehnte hinweg konstant geblieben, bewusst pflegen wir auch solche Freundschaften. Um das Jahr 2015 hatte es sich nicht vermeiden lassen, dass zwei Freunde nicht mehr greifbar waren. Zunächst war es zu Verstimmungen gekommen, weil sie sich bei der Erstkommunion unserer Tochter zu sehr eingemischt hatte. Danach waren die beiden, als ich sie zum Geburtstag eingeladen hatte, nur noch abwesend. Sie lebten ihre Religion aus, sie fuhren häufig in ein Kloster im Sauerland und um die Zeit meines Geburtstags nahmen sie dort stets an irgend welchen Veranstaltungen teil. Ein einziges Mal traf ich sie, bei einem Abstecher auf einer Rennradtour, in Hennef, aber beim Gespräch erfuhr ich, dass das gemeinsam Verbindende vorbei war, sie ging lieber ihre eigenen, neuen, religiösen Wege. Fortan hatte ich sie nicht mehr beachtet, und beim Geburtstagsfrühstück in diesem Jahr lernte ich, dass man solchen einstigen Freunden nicht hinterher rennen muss. Es tun sich nämlich neue Freundschaften auf, so mit der Facebook-Freundin, die unser Kätzchen Lilly vermittelt hat. Ihre Katze war nicht kastriert, sie hatte Nachwuchs bekommen, und eines dieser Kätzchen war unser Kätzchen Lilly. Ihre Eltern hatten sie abgegeben, nie hatte sie ihre Eltern kennen gelernt. Sie war in einem Waisenhaus aufgewachsen, wo die Waisenkinder häufig verprügelt wurden und wo es auch sexuelle Übergriffe gab. Ihre Kindheit hörte sich schrecklich an. Und so war ich froh, dass sie in dieser Runde mit dabei war und dass man sich angeregt mit ihr unterhalten konnte. Was sie mitgemacht hatte, hatte sie irrsinnig stark gemacht, sie hatte drei Söhne, wovon einer in der Klasse unseres Sohnes gewesen war, sie war alleinerziehend und sie hatte sich durchs Leben gekämpft. Unterm Strich, war mir wichtig, dass sich der Freundeskreis weiter entwickelte, und dass neue Freundschaften dazu kamen.



11. Juli 2023


Wackelt und hat Luft, das meinte die Verkäuferin bei Bonita. Es ging um eine Bluse, bei der sich meine Frau unsicher war, ob ihr die Größe S oder L passen würde. Ihre Größe M, welche ihr normalerweise passte, war ausverkauft. Die Größe S, die meine Frau anprobiert hatte, passte bestens, so das Urteil der Verkäuferin. Noch zufriedener war meine Frau über die Bluse mit der Größe S, weil mir diese ebenso gefiel. Nach dem Termin bei der Schwangerschaftsberatung beim Diakonischen Werk waren wir in der Siegburger Fußgängerzone unterwegs. Nachdem wir vor vierzehn Tagen bereits einen Termin bei Pro Familia wahrgenommen hatten, war diesmal unsere schwangere Tochter mit dabei. Wie bereits bei dem vorherigen Termin, stand die Hilfe im Vordergrund. Es ging um finanzielle Hilfe, um psychologische Betreuung und um Anlaufstellen und Ansprechpartner rund um alle Fragen der Schwangerschaft bis hin zur Geburt des Kindes. Um das Bürgergeld zu beantragen, machten wir einen Termin mit einem ehrenamtlichen Mitarbeiter, der uns bei der Antragstellung behilflich sein wollte, um den Papierkrieg zu bewältigen und um zu sichten, ob all die Formulare vollständig ausgefüllt waren. Unsere Tochter bekam einen Termin für eine Videokonferenz, um wichtige offene Fragen zu besprechen. Nach dem Termin beim Diakonischen Werke gingen wir in die Siegburger Fußgängerzone, wobei unserer Tochter die Hitze stark zusetzte. Auf Bänke musste sie sich hinsetzen, und danach gingen wir in ein Eiscafé, um Eis zu essen. Danach gingen wir zusammen nach C&A, dann nach H&M, wo das Interesse unserer Tochter für Babybekleidung sie faszinierte, welche Größen man überhaupt nach der Geburt in Erwägung ziehen müsse und ob diese winzigen Größen passen würden. Auf der Wegstrecke dorthin schaute meine Frau bei Bonita hinein, wo sie ihre Bluse fand und exzellent von der Verkäuferin beraten wurde. Bei Ernstings schauten wir nach weiterer Babybekleidung, wo ich schließlich zwei Bodies in einer Größe kaufte, die dem noch höchst unfertigen Baby hoffentlich passen würden. Schließlich kam dm mit seinen Körperpflegeprodukten, die sich mehr an uns als am noch ungeborenen Baby ausrichteten. Über schattige Passagen, bummelten wir zurück zu unserem Auto im Parkhaus. Gehwege überquerten den Mühlengraben, der unweit des Stadthauses gemütliche Ecken mit Resten der Stadtmauer und einer ansprechenden Außengastronomie zeigte.   



12. Juli 2023


In der Dreier-WG gab es Verstimmungen wegen der Gruppenkasse. Die Gruppenkasse für die WG-Einkäufe war stets ein heikles Thema, weil die Beiträge, historisch bedingt, nicht kontinuierlich, sondern angehäuft für einen längeren zurück liegenden Zeitraum eingesammelt wurden. Diese sich angehäuften Beträge waren dann oftmals zu hoch, so dass diese nicht geleistet werden konnten. So einigte man sich zwischenzeitlich auf zehn Euro pro Monat. Diese zehn Euro sammelten die Betreuer zuletzt ein, allerdings nicht vom Schwager. Er hatte die zehn Euro nämlich mit einem Zettel auf die Geldkassette der Gruppenkasse gelegt. Dies empfanden wir als ausreichend, da ansonsten gerne mit Zetteln kommuniziert wurde. Auf Zetteln schrieben die Betreuer, was für die Gruppenkassen einzuzahlen waren, und somit lieferte der Schwager Geld mit auf Zetteln hinterlegten Informationen. All diese Zettelwirtschaft reichte den Betreuern dann wohl doch nicht aus, so dass sie die zehn Euro des Schwagers auf einem Zettel nicht akzeptierten. Fortan fehlten seine zehn Euro in der Gruppenkasse, was zur Folge hatte, dass man aus der Gruppenkasse kein Salz für die Spülmaschine mehr besorgen konnte. So musste die Spülmaschine außer Betrieb bleiben, so dass die WG-Bewohner mit der Hand spülen mussten. So weit, so gut, denn das Spülen mit der Hand dürfte unstrittig ökologisch sinnvoll sein. Jetzt kam aber der Schwager wieder ins Spiel, denn unter Quittierung des Betrages zahlte er zehn Euro in die Gruppenkasse ein. Daraufhin wurde aber kein Salz für die Spülmaschine besorgt, sondern der andere WG-Bewohner hatte irgendein Rezept ausgegraben, was er für die anderen WG-Bewohner kochen wollte. Dafür wurde Geld aus der Gruppenkasse ausgegeben, niemand wusste aber, was er kochen wollte und er kochte auch nicht für die WG. Im Gegenzug musste weiter mit der Hand gespült werden, jeder kochte für sich und es war auch nichts erkennbar, dass die Dreier-WG zusammen kochen und zusammen essen würde. Was hatten die Betreuer da koordiniert ? Jeder wurstelte für sich dahin, Geldbeträge flossen nach ungeahnten Kriterien zugunsten und -ungunsten der WG-Bewohner. Und die Betreuer förderten eher die Spaltung eines gemeinsamen WG-Lebens. 


13. Juli 2023


Beim Essen im kroatischen Restaurant dachte ich an die Diskussion mit einer Freundin während meines Geburtstagsfrühstücks, als es um den Niedergang von gemütlichen Orten in unserer Stadt ging. Dort, wo wir aßen, in dem kroatischen Restaurant, fand sie es noch nett, weil die Inhaberin freundlich war. Der anhängende Biergarten war gemütlich gestaltet, die gemauerten Rundbögen unterteilten die Sitzgruppen, an lauwarmen Sommerabenden konnte Geselligkeit aufkommen. Der einzige Kritikpunkt an diesem Abend war, dass mein Hacksteak angebacken war. Darüber hinaus wurde es schön schwierig, gemütliche Ecken zu entdecken. Im Inneren der Restaurants stimmte häufig das Ambiente. So im Restaurant am Marktplatz. Das Restaurant war eine ureigene Vereinskneipe mit Galerien von Fotos des Sportvereins. Mannschaften aus Jahrzehnten des Fußballsports posierten, die Sitzecken waren in sich verwinkelt, und in einem großen Raum konnten größere Gesellschaften Platz finden. So gemütlich es im Inneren war, um so scheußlicher, wenn man draußen saß. Der Marktplatz war in der Tat keine Augenweide, die Gebäude zeigten Risse zwischen alt und neu, und zwischen all den orientierungslos herum kurvenden Linienbussen machte sich eine merkwürdige Leere breit. Nicht anders verhielt es sich in dem griechischen Restaurant wenige Gehminuten vom Marktplatz entfernt. Von innen war es ein wunderschön restauriertes Fachwerkhaus. Wenn man aber draußen sitzen wollte, schaute man auf einen seelenlosen Parkplatz und einen Supermarkt. Inneres und Äußeres wandelten sich in unserem Ort von einer Nähe zur Befremdung, die einen wegschob in eine Distanz wie zwischen zwei Menschen, die sich nichts mehr zu sagen hatten. Dan war da noch das Markthaus mit einem hübschen Innenhof, das vor einigen Jahren von einem türkischen Imbiss übernommen worden war. Auch vor der Übernahme hatten wir den Weg dorthin nie gefunden, und unsere Freundin aus dem Geburtstagsfrühstück berichtete uns, sie habe die Bedienung stets nur pampig, unfreundlich und abweisend kennen gelernt. Das konnten wir nicht bewerten. Dann gab es noch einen sehr schönen Biergarten im Nachbarort, der wunderschön über dem Rhein lag. Dieser Biergarten hatte den Nachteil, dass der Besitzer gewechselt hatte. Nach dem Wechsel wurde dort erlesene mediterrane Küche angeboten, wo das günstigste Gericht unter dreißig Euro nicht zu haben war. Die Auswahl von Restaurants war also eher schlecht. Zumindest was das Frühstücken betraf, kam man in dem Eiscafé gut klar, wo ich zu meinem Geburtstag eingeladen hatte. In unserem Ort essen zu gehen, war mit gewissen Holprigkeiten verbunden. Man musste sich halt arrangieren.



14. Juli 2023


Mit Stützstrümpfen, Kompressionsstrümpfen, oder wie sie denn heißen, verbinde ich etwas Abweisendes. Beim Schwager sind sie so stramm, dass ich sie ihm nicht angezogen bekomme. Da muss dann das Rote Kreuz ran. Bei meiner eigenen Operation musste ich sie, bis zu den Knien reichend, anziehen. Das war lästig, schränkte die Beinfreiheit ein und ich bezweifelte den Sinn und Zweck der Verhinderung einer Thrombose. Stützstrümpfe oder Kompressionsstrümpfe weisen mich in Denkwelten hinein, die ich ablehne, nämlich Alter, Krankheit, eingeschränkte Mobilität, Gebrechlichkeit oder Gehbehinderung. Genau in solche fernen Sphären von Denkwelten musste ich heute eintauchen, als ich mit unserer Tochter wegen Kompressionsstrümpfen ein Geschäft für Orthopädie-Schuhtechnik in unserem Ort aufsuchte. Ihre Frauenärztin hatte ihr diese verschrieben, da sie Probleme mit dem Kreislauf hatte. Zunächst mussten wir warten, da die Bedientheke verlassen war. Unter den Wartenden war ein älterer Herr, dessen Alter eine hoch betagte Größenordnung erreicht haben dürfte, und sein Kopf hatte eine beinahe viereckige Form. Mit einem Rezept in der Hand, ging er unablässig hin und her, bis jemand erschien, der sich um sein Anliegen kümmerte. Nach hellgrauen Mokassin-Schuhen fragte er nach, doch diese waren in dem Schuhladen nicht vorrätig. Zuvor hatte ich aus einem Gespräch im Hintergrund heraus gehört, dass nichts mehr ginge. Später kam aus dem Behandlungsraum ein jüngerer Herr mit einer Bandage am Knie heraus, die sich am Kniegelenk zu einem dicken Paket aufblähte. Er bezahlte und musste dabei eine Datenschutzerklärung ausfüllen. Danach war eine Frau mit einem Mädchen, das vielleicht im Grundschulalter war, an der Reihe. Sie benötigte Oberschenkelstrümpfe, was für einen Grund es dafür auch gegeben haben möge. Danach durfte unsere Tochter in den Behandlungsraum, den ein übergroßes Messgerät ausfüllte. Dieses Messgerät bestand aus einer kreisförmigen Platte, aus der ein Stab heraus ragte. Ihre Füße musste unsere Tochter auf eine Glasplatte stellen, zuvor musste sie ihre Hose ausziehen und ihre Beine musste sie in einer Breite von etwa vier Fingern auseinander spreizen. Dann machte der heraus ragende Stab zwei Umdrehungen und erfasste die Maße ihrer Unterschenkel für die Kompressionsstrümpfe. Anschließend musste sie die Details aussuchen: sie wählte eine dünne Strumpfart, die sich „elegance“ nannte, die Farbe war in einem beigen Ton, welcher dem Farbton „Karamel“ ganz nahe kam. Und es gab noch die Varianten, dass die Zehen offen oder geschlossen waren – unsere Tochter wählte die geschlossene Form. So war die Beauftragung abgeschlossen, eine Woche würde die Fertigstellung in dem Schuh- und Orthopädiegeschäft noch dauern. Auf Fragen nach dem Sinn und Zweck von Kompressionsstrümpfen in der Schwangerschaft verzichtete ich, allerdings wusste ich von einer früheren Nachbarin, dass sie während ihrer vier Schwangerschaften massiv mit Krampfadern zu tun gehabt hatte. Für das Wohl von Mutter und Kind würde dies wohl seine Richtigkeit haben.



15.7.2023


Auf dem Gang zur Aussichtsplattform spürte ich diese Leere, dass mich nur wenig verband mit unseren Freunden aus Saarbrücken. Wir hatten sie besucht, weil wir ihnen den Besuch versprochen hatten. Sie hatten uns zu Hause so ungefähr im Zweijahresabstand besucht, und unser letzter Besuch in Saarbrücken lag nunmehr so lange zurück, als unsere großen Kinder noch im Grundschulalter waren. Somit war unser Besuch mehr als überfällig. Nicht, dass wir etwas gegen Saarbrücken hatten oder gegen das Saarland, aber unsere Freunde aus Saarbrücken verkörperten ein ganz anderes Niveau als unsere übrigen Freunde. Die Gesprächsthemen wiederholten sich nämlich, so lange wir die beiden kannten. Die beiden gaben den Typen von denjenigen Deutschen ab, die permanent klagten und jammerten. Der alleroberste Grund für ihr Jammern war ihre Geldknappheit. Seit kurzem war er Rentner, nebenbei hatte er einen 520 Euro-Job bei seinem früheren Arbeitgeber, wo er als Lagerist gearbeitet hatte, über Jahrzehnte hinweg hatte er keine Lohnerhöhung erhalten. Sie hielt sich mit fünf Stellen über Wasser, wo sie putzte und ältere Menschen betreute. Sie rechneten uns vor, dass sie mit 1.250 Euro Rente plus 520 Euro Mini-Job plus 600 Euro aus den fünf Betreuungsjobs auskommen mussten, allerdings war ihre Eigentumswohnung abbezahlt, und sie hatten auch keine Kinder, was der zweite Grund zum Jammern war. Der nicht erfüllte Kinderwunsch war besonders tragisch, zumal sie mit 39 Jahren in der 19. Schwangerschaftswoche ihr Kind verloren hatte. So erschöpften sich viele Gesprächsthemen darin, an welchen Ecken sie noch Geld sparen konnten - wie etwa durch den Wechsel von Versicherungen. Essen gehen war nicht mehr drin, allerhöchstens zu einer „Happy Hour“ mit reduzierten Preisen. Wie es denn mit der Geldknappheit weiter gehen solle, wenn sie Rente beziehen würde oder er seinen 520 Euro-Job nicht mehr ausüben können, das wagten sie sich nicht auszumalen. Noch besaßen sie ein Auto und noch konnten sie es sich leisten, einmal im Jahr in den bayrischen Wald in Urlaub zu fahren. Weiter jammerten sie darüber, wie ungerecht denn das Vermögen verteilt sei oder wie schlecht andere sie behandelt hätten. Sie erzählten uns von zwei Gerichtsverfahren, die sie gegen ihre früheren Arbeitgeber geführt hatten. Bei dem einen Prozess ging es um Krankenfehltage, dass sein früherer Arbeitgeber ihn nach sechs Wochen Krankheit infolge einer Bandscheibenoperation gebeten hatte, einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben. Den anderen Prozess führte sie gegen die Lebenshilfe, wo sie ein Praktikum absolviert hatte. Dann waren noch Krankheiten ein Thema: er litt an Gicht, hatte die Krankheit aber mit Medikamenten im Griff, außerdem waren seine Blutzuckerwerte zu hoch, so dass er auf Alkohol und gezuckerte Speisen achten musste. Aus diesem Grund hatte sie einen Kuchen mit einem Zuckerersatzstoff gebacken. Es war ein gedeckter Kirschkuchen, der mit Stevia als Zuckerersatzstoff gebacken war. Dass null Zucker enthalten war, schmeckte man deutlich. Nachdem wir Frikadellen zu Mittag gegessen und bevor wir den Kirschkuchen mit dem Zuckerersatzstoff gegessen hatten, machten wir einen Spaziergang im Stadtteil Ensheim an der Peripherie von Saarbrücken, wo auch der Flughafen lag. Dieser Flughafen war ganz und gar nicht vergleichbar mit Köln/Bonn oder Düsseldorf, hatten keinen einzigen An- oder Abflug mitbekommen, und auch das Gelände hatte die Größe von gerade einmal ein paar Fußballfeldern. Ruhe und kein Fluglärm, so trotteten wir zu dieser Aussichtsplattform, die neben dem Flughafen einen schönen Ausblick auf die hügelige Landschaft jenseits der Saar und jenseits der französischen Grenze bieten sollte. Ein Stück schritten wir an einem Industriegebiet vorbei, während der Himmel sich mit dunklen Wolkenpaketen zuzog. Wir befanden uns auf einem breiten Schotterweg entlang des Zauns zum Flughafen, als mir bewusst wurde, wie wenig wir beiden Männer uns zu sagen hatten. Das Thema der Spaltung unserer Gesellschaft in Arm und Reich war zwar brisant, aber die Perspektive des Jammerns erstickte die Diskussion. Meine Frau und ich waren vielleicht mehr die Typ des Anpackens – wo konnte man etwas bewegen ? Diesen Antrieb sah ich bei den beiden nicht, sie litten vielmehr und erzählten ihre Opferrolle. Ich schweifte ab auf die Landeshauptstadt Saarbrücken – dort sei es nicht mehr schön, zu viele Ausländer und zu viele Leerstände bei den Geschäften. Ich schweifte eine weitere Stufe ab auf den Fußball, wo denn der 1. FC Saarbrücken so stehe – das war überhaupt nicht sein Terrain. Von meiner Faszination für das nahe Frankreich brauchte ich erst gar nicht zu reden, denn er sprach kein Französisch. So schwiegen wir uns weitgehend an auf dem Fußweg zu der Aussichtsplattform. Dass sich nahezu gar nichts auf dem Flughafen bewegte, dass er in einer Bedeutungslosigkeit unterging, dass passte zu dem ins Stocken geratenen Dialog. Später, nachdem wir den gedeckten Kirschkuchen mit dem Zuckerersatzstoff gegessen hatten, zeigte uns das Saarland dennoch seine schönen Seiten. Wir fuhren nämlich nach St. Ingbert, das in gleicher Entfernung zu Saarbrücken lag, es war schöner, kleiner, übersichtlicher. Und man brauchte dort keine Parkgebühren zu zahlen, welches der größte Vorzug war. In der Fußgängerzone mit ihrem regen Kneipenleben tranken wir Kaffee, Cola, Mineralwasser, er trank übrigens Weizenbier. In der Kreisstadt lernte ich, dass der Heilige Ingbert ein Einsiedler war, der um 600 gelebt hatte. Seine Einsiedlerzelle hatte sich nicht erhalten, und die späteren Kirchen waren an einer ganz anderen Stelle erbaut worden. Gegen 18.30 Uhr verabschiedeten wir uns in St. Ingbert. Meine Neugierde auf das Saarland war geweckt, es war aber fraglich, ob wir in dieser Konstellation St. Ingbert, Saarbrücken, andere saarländische Gegenden oder das nahe Frankreich erkunden würden.

 



16. Juli 2023


In der 28. KW hatte ich die erste von drei Wochen Urlaub, sie bestand im wesentlichen aus dem Abarbeiten von irgend welchen To do’s in Haus und Garten, wenn man einmal von dem Besuch unserer Freunde in Saarbrücken absieht. Was hinter dem Haus der Dreier-WG an Unkraut herum wuchert, ist abgeschnitten. Das Ergebnis war jede Menge Kleingehäckseltes, welches wir wiederum für die neu aufzubauenden Hochbeete in unserem Garten benötigen. Dieser Aufbau ist zäh, weil wir von acht Hochbeeten die komplette Erde zwischen einigermaßen viel Wurzelwerk abtragen müssen, dann bauen wir die neuen Kompostmieten auf und diese müssen wieder befüllen, zuerst mit Ästen, dann mit dem Kleingehäckselten und schließlich mit Erde aus den abgebauten Hochbeeten. Bei insgesamt acht Hochbeeten dauert dies dementsprechend und zieht sich über mehrere Wochen hinweg. Wichtige Termine hat unsere Tochter gehabt. Mit ihr zusammen hatten wir ein Beratungsgespräch beim Diakonischen Werk, wo wir unter anderem zu den finanziellen Hilfen, anderen Hilfen und zum Thema Unterhalt beraten worden waren. Dann hat unsere Tochter über die Hebamme meiner Frau eine Hebamme gefunden. Bei der Frauenärztin hatte sie einen Termin, bei dem sie ihren Mutterpass erhalten hatte. Der errechnete Geburtstermin ist der 1. Februar 2024. Mit diesem errechneten Geburtstermin kann unsere Tochter den Antrag auf das Bürgergeld stellen, zu diesem Antrag auf das Bürgergeld haben wir beim Diakonischen Werk einen weiteren Termin in 14 Tagen. Noch zu erledigen haben wir einen Anruf bei den GFO Kliniken, mit denen unsere Tochter den Ausbildungsvertrag ab dem 1. September abgeschlossen hat. Am Freitag war ich zeitweise gemeinsam mit dem Schwager und dem einen WG-Bewohner bei einem Kaffeeklatsch in St. Augustin zugegen. Die Hälfte der Zeit war ich im Ort einkaufen, die andere Hälfte habe ich mich beim Kaffeeklatsch dazu gesetzt. Es war ein Treffen von Behinderten aus der Nähe und aus dem etwas weiteren Umkreis, um, wie das Wort Kaffeeklatsch besagt, bei Kaffee und einigen Plätzchen miteinander zu quasseln. Der Raum war gut gefüllt, so an die 25-30 Behinderte hatten sich zusammen gefunden und die Gesprächsatmosphäre war locker. Man redete über andere Behindertentreffs, über gemeinsame Unternehmungen von Behinderten, man redete darüber, wer wohin in Urlaub fuhr, und an einem Tisch spielte man Karten. Uns gegenüber saß ein früherer Mitarbeiter der Deutschen Post im Rollstuhl. Er war erst seit einigen Jahren behindert, seitdem er an einem Gehirntumor operiert worden war. Nach der Operation hatte er vier Monate im Koma gelegen, bevor er erwacht war. In dieser Phase des Komas hatte das Gehirn dauerhafte Schäden davon getragen. Und man gab uns ein Heft mit Aktivitäten und Terminen mit. Andere lose Kaffeeklatsche und Gesprächsrunden, inklusives Tanzen oder Trommeln. Solch eine Vernetzung fehlte bislang und schuf einen Mehrwert. Die Atmosphäre in dem Kaffeeklatsch in St. Augustin war angenehm, wenngleich der eine WG-Bewohner nicht viel damit anzufangen wusste. Ihm waren die Teilnehmer zu alt, und er hatte so viele Kekse gegessen, dass er müde wurde. Schließlich legte er sich auf eine Stuhlreihe und schlief. Das richtige Umfeld für ihn zu finden, war allerdings allgemein schwierig. Bei vielen Unternehmung mit ihm waren die Abläufe ähnlich, dass er mit der Gesellschaft anderer nichts anzufangen wusste, so dass er schnell wieder nach Hause zurück wollte. In der Woche davor hatte er am BeWo-Sommerfest teilgenommen. Mittendrin, ohne jemandem Bescheid zu sagen, war er verschwunden und niemand wusste, wohin er entschwunden war. Er war mit dem Bus zu seinen Eltern gefahren, das hatte er uns sehr viele Stunden später auf unserem Handy mitgeteilt.    


17. Juli 2023


Es war eine etwas verquere Tour, wie wir im Biergarten Rheinalm gelandet waren. Meine Frau war zu einem Treffen bei einer früheren Klassenkameradin. In Oberkassel – das ich lange Zeit mit dem Ort Oberwinter ganz anderswo am Rhein durcheinander gebracht hatte – traf man sich auf der Königswinterer Straße, derweil konnte ich mit dem Schwager anderenorts auf anderen Wegen Oberkassel erkunden. In einem Café tranken wir Kaffee und aßen Kuchen, daran schlossen wir einen Rundgang an, durch Oberkassel, an der Kirche mit dem Kirchturm aus dem 13. Jahrhundert vorbei, die Rheinpromenade entlang, bis zum Biergarten Bundeshäuschen, an den Kinkel-Stuben vorbei, ebenso an der evangelischen Kirche aus dem 18. Jahrhundert vorbei, zum Parkplatz zurück. Die Sehenswürdigkeiten von Oberkassel hatten wir damit abgeklappert, aber meine Frau blieb stumm, somit saß man bei dem Treffen noch gemütlich zusammen. Ich rätselte, wohin noch mit dem Schwager in Oberkassel. Relativ ziellos setzten wir uns ins Auto, zunächst schwebte mir vor, den Fundort des Oberkasseler Menschen in dem früheren Steinbruch zu finden. Doch dazu reichten die Ortskenntnisse nicht. Ich kurvte herum, musste wenden, doch kein Hinweisschild wies den Weg zum Fundort mit der Aussichtsplattform über die Stadt und den Rhein. Daraufhin kurvte ich weiter herum, über Vinxel auf Königswinterer Stadtgebiet nach Stieldorf, dann wieder zurück nach Oberkassel. Die Fahrt mutete reichlich ziellos an, da die Dauer unbekannt war, was wir wie lange unternehmen konnten. So fuhren wir zum Bonner Bogen, wo wir wenigstens den Zeitraum flexibel gestalten konnten. Wir parkten abseitig neben der Bahnlinie, da man ansonsten nur in Parkhäusern parken konnte. Den Biergarten Rheinalm, unser Ziel, hatte ich früher von der Rheinpromenade aus erblickt. Dort tranken wir Weizenbier und Apfelschorle, wir schauten auf den Rhein, und um dort zu essen, wäre es unverschämt teuer gewesen. Käsespätzle kosteten 17 Euro, Leberkäse 20 Euro, Wiener Schnitzel 25 Euro. Es gibt schönere Biergärten in der Stadt, aber entgegen der Witterung in den letzten Wochen war es bedeckt, kühl, beinahe fror ich im losen T-Shirt. Und es war unerwartet windig. Baumkronen wirbelten durcheinander, die Wellen auf dem Rhein schwappten übereinander, die zusammen geklappten Schirme hielten stand. Es blieb dabei: die Zeit war nicht wirklich verplanbar, und wie und wo und wann wie zu Abend essen würden, dazu musste ich mich noch gedulden.



18. Juli 2023


Isst man in Abu Dhabi Pizza ? Anscheinend hat sich Pizza so sehr über den Globus verbreitet, dass die italienische Spezialität überall auf der Welt – so auch in Arabien, bestimmt auch in Afrika oder in China gerne verspeist wird. Wieso gerade Arabien und speziell Abu Dhabi ? Da wir das O.K. von meiner Frau erhalten hatten, hatten wir nämlich beschlossen, in der Pizzeria L’Osteria im Bonner Bogen Pizza zu essen. Wir schätzten diese Pizzeria, da dort die Pizzen sehr groß waren und sehr lecker schmeckten. Sie waren so groß, dass man bisweilen Mühe hatte, sie ganz aufzuessen. Anfangs, als wir die ersten Male diese Pizzeria in Oberkassel oder auch in Troisdorf-Spich aufgesucht hatten, hatten wir uns noch eine Pizza mit zwei Personen geteilt, weil sie zu groß war. So wie an diesem Abend, aßen wir jeweils alleine eine Pizza und nach einem längeren Kampf bewältigten wir diese Menge. Kurios war an dieser Pizzeria, dass sie einer Kette angehörte. Diese Kette gehörte einer Restaurantkette aus den USA, die in Europa expandieren wollte. Außer Pizzerien zählten Burgerläden und Bäckereien quer durch Europa diesem Restaurant-Konzern. Dieser Konzern verstand sich wiederum global mit einem Großinvestor, der seinen Firmensitz in Abu Dhabi hatte. Das mochte befremdend sein, eine ureigene italienische Spezialität in Arabien zu verorten. Aber so globalisiert sich nun mal die Gastronomie. Wir essen hierzulande genauso Falafel, Schawarma oder Döner. Die Pizza schmeckte jedenfalls ganz nach Italien, und die auf unseren Tellern überbordende runde knusprige Masse bekamen wir gut aufgegessen.



19. Juli 2023


Hatte ich zu hohe Erwartungen in den Abend gesteckt ? Mit dem Schwager war ich in den Biergarten in der Rheinaue, wo zu dieser Jahreszeit jeden Abend Live-Musik gespielt wurde. An diesem Abend war Musik aus Cuba angesagt, und wir hatten uns auf die lateinamerikanischen Rhythmen gefreut. Das Ambiente stimmte auch, sehr viele Menschen lauschten der sechs- bis siebenköpfigen Gruppe aus Cuba. Zu meiner Erwartungshaltung hatte ich Carlos Santana, der nicht einmal Cubaner war, allzu hoch aufgehängt, denn von diesem Vorbild war die Musikgruppe viel zu weit entfernt. Die Rhythmen stimmten auf jeden Fall, ganz viel Salsa, Cha-Cha-Cha war auch dabei, aber das Herz der Cubanischen Musik ? Der Rhythmus, der in sich gut gestimmt war, war mir zu gleichmäßig und auch monoton. Dieses feine Spiel der Percussion-Instrumente, welcher sich aus dem breiten Mix von Schlag- und Rüttelinstrumenten zusammen setzte, fehlte vollends. Und die Wechsel und die Solo-Einlagen von Instrumenten fehlten, so wie bei meinem großen Vorbild Carlos Santana. Die Akustik stimmte an diesem Abend überhaupt nicht. Die lateinamerikanischen Rhythmen klangen hohl, gleichförmig, das Schlagzeug klang wie Blech, die Stimme viel zu leise und schüchtern. Das war leider nichts.



20. Juli 2023


Besuch im Elternhaus am Niederrhein. Es überraschte, wie unbeeindruckt sich die Katze im Wohnzimmer streicheln ließ. Auf der Couch hatte sie sich zusammen gerollt, und es war keine gewöhnliche europäische Kurzhaarkatze – abgekürzt EKH. Vielmehr war es eine Rassekatze, aber welche ? Samtweich fühlte sich ihr Fell an, sie hatte jegliche Scheu abgelegt, dass jemand anders sie streichelte. Die Streicheleinheiten gingen unter die Haut, und Augen und Ohren registrierten jedes Detail. So zutraulich hätte nur unser Kater Rambo sein können. Bis irgend wann die Streicheleinheiten dann wohl doch zu zahlreich wurden, denn die Katze sprang in einem Satz von der Couch, sie rannte auf die Terrassentüre zu und blieb dort wiederum stehen. Der Schwager und ich, wir waren beide bei der Mama, die zu Hause mutterseelenalleine war, denn der Bruder und seine Familie waren in Urlaub, wir wussten aber nicht wohin, sondern kannten nur die Dauer, nämlich eine Woche. Wir sahen nach dem rechten, und vom Prinzip her war alles auch in Ordnung. Als wir eintrafen, kümmerte sich gerade eine Haushaltshilfe, die akzentfreies Deutsch sprach, um die Küche, später wischte sie den Boden im Flur. Morgens brachte ein Pflegedienst der Mama ihre Tabletten, dann zog dieser ihr die Stützstrümpfe an. Tagsüber kam jemand, um die Katze mit Essen zu versorgen. Schließlich schaute ab und an die Tante vorbei, die mittlerweile wegen ihrer Hüfte nicht mehr ganz so fit war. Dem Onkel, der inzwischen 92 Jahre alt war, ging es mittlerweile schlecht, er hing geistig daneben und drinnen sähe es so aus, als habe eine Bombe eingeschlagen, so die Berichte der Putzfrau. Unter anderem redeten wir über die frühere Inhaberin der Bäckerei im Ort, die nun in einem Pflegeheim in der Stadt untergebracht war. Als meine Tante (die Schwester meiner Mutter) mit dem Fahrrad in den Wald gefahren war, hatte sie dort ihre Freundin getroffen, die es mit den Walking-Stöcken bis dorthin geschafft hatte. Meine Mama erfreute sich derweil an Lupinen und Klatschmohn, wenn sie mit dem Elektromobil durch den Ort und auch durch die Felder fuhr. Ihr Mittagessen bekam sie von einem Essen-auf-Rädern-Dienst gebracht, heute hatte es Frikadelle mit Kartoffelpüree und Sauerkraut gegeben. Mein Cousin (der Sohn meiner Tante) war zuletzt bei seinem Sohn im Hamburg gewesen, den es der Liebe wegen dorthin verschlagen hatte. Verreist war auch meine Nichte (die Tochter meines Bruders) nach Berlin, wo eine frühere Klassenkameradin wohnte. Ihre Eltern hatten sich getrennt, dabei war sie zu ihrem Vater nach Berlin gezogen. Bei dieser Gelegenheit hatte mein Bruder in Berlin übernachtet und wohl auch ein bißchen von der Stadt gesehen. Ziemlich irritiert war meine Mama zuletzt, als ein Arbeitskollege meiner Schwägerin im Elternhaus übernachtet hatte. So wie sie, war er Arzt, und die Türe des Schlafzimmers war abgeschlossen. Wie sonst, hatten wir uns einiges zu erzählen, und nach etwa zwei Stunden traten wir wieder die Heimfahrt an.



21. Juli 2023


Es war ein aufregender Tag mit einem Rundumschlag von Telefonaten, welche die Themenfelder Kindergeld, Bürgergeld, Krankenversicherung und Ausbildung unserer Tochter betrafen. Sie hatte einen unterschriebenen Ausbildungsvertrag, sie überlegte aber, die Ausbildung wegen ihrer Schwangerschaft zu verschieben und Bürgergeld zu beantragen. Die Telefonate brachten etwas Klarheit im Falle der Ausbildung und große Verwirrung im Falle des Bürgergeldes. Die größte Verwirrung schuf der Begriff der Bedarfsgemeinschaft, der Grundlage für die Zahlung durch das Jobcenter war. Welche Personen lebten nun in der Bedarfsgemeinschaft ? Unsere Tochter plus des noch nicht geborenen Nachwuchses, das hatte das Diakonische Werk gemeint. Es seien alle Personen in unserem Haus zu berücksichtigen, also auch wir, das meinte das Jobcenter. Bei unseren Einkommensverhältnissen gäbe es demnach auch kein Bürgergeld für unsere Tochter, so das Jobcenter. Gerade diese Auskunft des Jobcenters war besonders ärgerlich. Zum einen, weil ich genau diesen Fall, ob unser Einkommen hinzugezählt würde, beim Diakonischen Werk nachgefragt hatte, was verneint worden war. Zum anderen, weil die ganze Rechnung dadurch zu kippen drohte. Auch die Krankenversicherung über das Bürgergeld war diffiziler. Anscheinend wurde über das Jobcenter krankenversichert, egal, ob Bürgergeld gezahlt wurde oder nicht, dies war aber keine gesetzliche Krankenversicherung, sondern eine private Krankenversicherung. Bei dieser Fallkonstellation fragten wir uns nicht durch, ob Eigenbehalte der privaten Krankenversicherung hängen blieben oder ob das Jobcenter die Versicherung voll bezahlte. Der Fall, unsere Tochter würde die Ausbildung antreten, sah einiges klarer aus. Die Familienkasse zahlte in diesem Fall Kindergeld, und weil unsere Tochter in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand, konnte sie in einer gesetzlichen Krankenkasse versichert werden. Da die Übelkeit bei unserer Tochter nachgelassen hatte, tendierte sie zu dieser Variante, ihre Ausbildung zum 1. September anzutreten. Zu klären war dies allerdings noch mit dem Ausbildungsträger, den GFO Kliniken. Der Berufsschule – das war die Karl-Borromäus-Schule – konnte unsere Tochter ihre Schwangerschaft mitteilen, in der Personalabteilung erreichte sie aber am Freitagnachmittag niemanden. Dieses weitere wichtige Telefonat konnte sie somit erst am Montag erledigen. Nach diesem Rundumschlag von Telefonaten waren unsere Ohren heiß gelaufen, noch überwogen die Eindrücke der Verwirrung. Mit dem Telefonat am Montag mit den GFO Kliniken und einem Termin nächsten Mittwoch beim Diakonischen Werk, bei dem es um das Bürgergeld ging, sollten sich die Dinge aber klären.



22. Juli 2023


Die Suche nach dem eigenen Lebensgefühl war auch an diesem Tag mühselig, da das mechanisierte Abarbeiten von To do’s im Vordergrund stand. Ganz oben auf der To do-Liste standen das Aufräumen und Saubermachen, da sich für Sonntagmorgen die Hebamme unserer Tochter angemeldet hatte. Den einen Freiraum für das eigene Lebensgefühl fand ich auf einer Bank auf dem Rheindamm. Den Brief an die Familienkasse hatte ich an der Post aufgegeben, den Gutschein als Geburtstagsgeschenk für eine Bekannte des Schwagers hatte ich im Eiscafé entgegen genommen, das Schuhgeschäft hatte geschlossen, so dass ich die Stützstrümpfe für unsere Tochter nicht abholen konnte. Den Rückweg legte ich mit dem Rennrad auf dem Rheindamm zurück, wo ich auf einer Bank die tuckernden Schiffe auf dem Rhein vorbei ziehen ließ. Die Suche nach einem eigenen Lebensgefühl war in der Tat schwierig. Dieses eigene Lebensgefühl kam insbesondere dann abhanden, wenn man fremdgesteuert war. Andere bemächtigten sich der Zeiteinteilung, die so straff und überladen war, dass der eigene Gestaltungsspielraum gegen Null ging. Die Erledigungen im Ort hatte ich abgearbeitet, zu Hause würden die üblichen Diskussionen losgehen, was wir kochen sollten. Ich war dabei, die Küche aufzuräumen und sauber zu machen, für den sonntäglichen Termin mit der Hebamme waren noch das Treppenhaus, das Wohnzimmer und die Toiletten auf Vordermann zu bringen, was bei unserem Chaos im Wohnzimmer nahezu nicht zu schaffen war. Abends war ich alleine, da meine Frau in der Stadt verabredet war. Für das Mittagessen bekamen Frau und Sohn eine Gehacktessoße ausdiskutiert, später wollte unsere Tochter zu ihrem Freund, der bei seiner Mutter zwei Orte weiter verweilte, gleichzeitig durfte ich meine Frau zum verabredeten Treffen in der Stadt fahren. Und auf der Rückfahrt machte ich Stopp an zwei Supermärkten, weil noch Katzenfutter, Wurst, Käse, Gehacktes und Babyöl einzukaufen war. Den zweiten Freiraum für das eigene Lebensgefühl dazwischen zu schieben, kostete einige organisatorische Mühe: im Eiscafé in unserem Ort, wo ich morgens den Gutschein in Empfang genommen hatte, trank ich einen Kaffee.



23. Juli 2023


In der 29. Kalenderwoche erledigte unsere Tochter Wichtiges, als sie die noch fehlenden Unterlagen an die GFO Kliniken sandte, um ihre Ausbildung beginnen zu können. Dabei handelte sich vor allem um den Personalbogen, in dem Personaldaten wie etwa die Kontoverbindung standen. In dieser 29. Kalenderwoche befassten wir uns zudem mit dem Mieterhöhungsverlangen, das wir an den Ergänzungsbetreuer des Schwagers geschickt hatten. Dieser Ergänzungsbetreuer war derjenige Rechtsanwalt, der uns bei der Erbauseinandersetzung mit dem Schwager vertreten hatte. Bei einem Termin hatte er uns erläutert, wie die ortsübliche Miete zu ermitteln war und wie ein solches Mieterhöhungsverlangen zu formulieren war. Dies hatten wir nun zusammengestellt und per Mail an den Rechtsanwalt abgeschickt, um die Miete ab dem 1. Januar nächsten Jahres zu erhöhen. Im übrigen gab es während der gesamten Sommerferien ein großes Verkehrschaos wegen des Ausbaus der S-Bahn. Auf der Autobahn A59 musste eine Brücke neu gebaut werden, so dass die Autobahn während der gesamten Sommerferien gesperrt war. Da der Autoverkehr nicht mehr an der Stadt vorbei fahren konnte, musste sich dieser durch die rechtsrheinische Innenstadt quälen. Von der Autobahnausfahrt war die Hauptdurchgangsstraße dauerhaft verstopft, so dass auch der Bus große Verspätungen hatte. In dieser Zeit mied ich Fahrten mit dem Bus. Erst nach den Sommerferien normalisierte sich der Verkehr.  


24. Juli 2023


Dass es zu regnen begann, veränderte die Stimmung grundlegend, denn die Trockenheit der vergangenen Wochen und Monate hatte gelähmt. Jeden Abend den Garten gießen, das ging auf die Dauer an die Substanz. Längst hatte sich mein Inneres dagegen gesträubt, zu den Gießkannen zu schreiten und diese aus dem Regenfass zu befüllen. Alle paar Tage musste wiederum das Regenfass mit dem Schlauch aus Garage wieder aufgefüllt werden, und die Prozedur des abendlichen Gießens dauerte etwas weniger als eine Stunde.  Regenwolken waren bereits an den vorherigen Tagen aufmarschiert, doch die Regenmenge war noch so dürftig, dass gerade die Straße nass wurde. Nun sollte es fast die ganze Nacht durch regnen, und danach war die Regentonne zu mehr als der Hälfte voll. Der Stress der Natur sollte bald ein Ende nehmen. Die Hitze war bereits längst gewichen, sie heizte zwar den Mittelmeerraum auf, sollte sich aber von uns fernhalten. Wir hatten nun einen Charakter des Sommers, wie wir ihn allenfalls zu Corona-Zeiten erlebt hatten: ohne Hitzewellen, mit ausreichend Wasser von oben, ohne Aussicht auf Rekordtemperaturen. Die Regenwolken verdichteten sich hinter den Hausdächern. Der Himmel öffnete seine Schleusen, es sollte anhaltend regnen. Ich genoss es, mich in den Regen hinein zu stellen und ordentlich nass zu werden. Und ähnlich dachten wohl auch unsere Katzen. Sie wollten heraus, tappsten durch die Gegend und kehrten mit klatschnassem Fell ins Haus zurück.



25. Juli 2023


Ein wenig suchten wir den arbeitsmäßig gestalteten Urlaub aufzuhübschen, indem wir im Eiscafé frühstückten. Wir nahmen unsere Tochter mit, die ansonsten ganz viel lag, kaum aufstand und sich demgemäß selten an die frische Luft bewegte. Wenigstens schaffte sie diesmal den Weg ins Auto, dann vom Auto ins Eiscafé und wieder zurück. Im Eiscafé frühstückte sie zwei Croissants und trank Kakao dabei. Das in die Länge gezogene Frühstück tat gut, indem ich die jeweiligen Brötchenhälften stark zeitverzögert mit Wurst und Käse aß. In Haus und Garten musste alles nur schnell, schnell, schnell gehen, produktiv, in der Taktung einer Maschine. Nun konnte ich mich in einer Langsamkeit üben, die meinem Rhythmus des Essens entsprach. Bei den Gesprächen war es nicht zu vermeiden, dass sich die Gespräche genau wieder um die anliegenden Arbeiten drehten. Was als nächstes zu erledigen war, wie die mittelfristigen Abfolgen der Arbeiten aussehen sollten. Meine Frau umriss die Herrichtung der Räumlichkeiten bis zur Geburt des Kindes unserer Tochter. Herzurichten war vor allem das alte Kinderzimmer unserer Tochter, welches zum Gästezimmer werden sollte, wenn der Freund unsere Tochter besuchen würde. Dann war da noch das herzurichtende Kinderzimmer in demjenigen Raum, wo nun mein Büro für das Home Office war. Und meine Frau nannte noch jede Menge andere Räume, die aufzuräumen waren. Was allerdings mit all der Unordnung zu tun hatte, die mit dem Hausrat des verstorbenen Schwiegervaters zusammen hing, oder auch damit, dass ich mich hartnäckig widersetzt hatte, Regale zu bauen, Dinge gemeinsam mit meiner Frau wegzuräumen oder mir eine Art von Werkstatt in der Garage zuzulegen. In der Gesamtbetrachtung war dies wenig zufriedenstellend und führte zu dem momentanen Frust, dass die Arbeitsmenge in keinster Weise zu meiner Kapazität passte, was ich abarbeiten konnte. Aber wenigstens für die Zeit des Frühstückens konnte ich ausspannen und die Dinge langsam angehen. Wir waren übrigens nicht die einzigen, die werktags die Idee des Frühstückens hatten. Es waren nur noch wenige Plätze frei, und auch die anderen Gäste ließen sich in einer behäbigen Langsamkeit Zeit.



26. Juli 2023


Hauptantrag, dazu die Anlagen VM, UH, SV, EK, das war es so ungefähr. Es ging um die Beantragung von Bürgergeld für unsere Tochter, wozu wir einen Termin hatten beim Diakonischen Werk in Siegburg. Ein Mitarbeiter, der vor seinem Ruhestand beim Jobcenter gearbeitet hatte, beriet Schwangere wie unsere Tochter beim Diakonischen Werk bei der Beantragung von Bürgergeld. Unsere Tochter wollte das Bürgergeld für den Monat August beantragen, ab September wollte sie im Zustand ihrer Schwangerschaft ihre Ausbildung zur Pflegefachassistentin beginnen. Mit diesem Dschungel von Anlagen und diesem Wirrwarr von Formularen war die Beratung mehr als notwendig. Wir hatten uns selbst an den Hauptantrag sowie die Anlagen VM und EK heran gewagt. Wie bei Formularen üblich, kamen Stapel von Papier zusammen, die Fülle von Ankreuzfeldern erschlug einen, häufig wussten wir nicht, ob wir ja oder nein oder gar nichts ankreuzen sollten. Einem Feld, das wir anzukreuzen hatten, standen lange Reihen von leeren Feldern gegenüber, die auf unseren Fall gar nicht zutrafen. Mit uns zusammen benötigte der ehrenamtliche Mitarbeiter immer noch mehr als eine Stunde, um den Antrag mit Anlagen auszufüllen. Und es fehlten noch Angaben wie Steueridentifikationsnummer und Rentenversicherungsnummer, die wir zu Hause nachsehen mussten. Ebenso musste unsere Tochter ihre Sparguthaben über das Online-Banking ermitteln. Etwas offen war noch die Frage, ob unserer Tochter überhaupt das Bürgergeld für den Monat August zustehen würde. Als wir mit dem Jobcenter telefoniert hatten, hatte dieses einen Anspruch unserer Tochter abgelehnt. Der ehrenamtliche Mitarbeiter des Diakonischen Werkes nannte uns nun den Paragraphen des 2. Sozialgesetzbuches, welcher die Anspruchsgrundlage darstellte. Wir mussten abwarten. Ablehnung oder Bewilligung ? Notfalls mussten wir Widerspruch einlegen, und dabei würde uns dieser Mitarbeiter wiederum weiter helfen. Als wir nach draußen traten auf den Platz vor dem Hauseingang zum Diakonischen Werk, wurde unserer Tochter schwindlig. Nachdem wir uns eine Zeitlang mit ihr auf eine Bank gesetzt hatten, trank sie in einem Eiscafé einen Kakao. Ihr wurde etwas übel, sie brauchte sich aber nicht zu übergeben. Mittlerweile war eine Woche zusammen gekommen, dass sie sich nicht übergeben musste.



27. Juli 2023


Der Urlaub war arm an Eindrücken, Begegnungen und Erlebnissen, so dass sich die Suche nach dem eigenen – oder auch gemeinsamen familiären – Lebensgefühl schwierig gestaltete. Was die Schwangerschaft unserer Tochter betraf, war das gemeinsame Zielbild vorhanden. Aber darüber hinaus schufen Gartenarbeit, Besorgungen oder Einkäufe wenig Impulse. Ich war dankbar für Gelegenheiten, wenn ganz banale Tätigkeiten übergreifende Impulse setzen konnten. So fiel mir während der Autofahrt zum Baumarkt, wo ich Rindenmulch und Kompostmieten kaufen wollte, ein Motorradfahrer im Rückspiegel auf. Felder huschten bei mäßiger Fahrgeschwindigkeit vorbei, die Fahrspur der Landstraße schlängelte sich in Kurven daher, und als die Felder in einen Rollrasen übergingen, philosophierte ich über dessen ökologischen Sinn. Langsam wälzte sich die Autoschlange vorwärts, und der Motorradfahrer hing in einer Pose der Erwartung über dem Lenker. Seine Hände krallten sich am Gasdrehgriff, sein Oberkörper war in leicht gebeugter Haltung, geduldig reihte er sich in den Verkehrsfluss ein und wartete die Dinge ab, die kommen würden. Ich spürte, dass er ein Ziel im Auge hatte, wo sich all seine Erwartungen auflösen sollten. Da summte ich ein Stück vor mir hin, das ich in Youtube mit einem Motorradfahrer als Hauptfigur verband: Roadhouse Blues von den Doors, ein Motorradfahrer war in dem Youtube-Video unterwegs zu dem 1970 statt findenden Musikfestival auf der Isle of Wight in England. Es war der letzte Live-Auftritt von Jim Morrison in Europa vor seinem Tod im Jahr 1971. Dieser Roadhouse Blues verkörperte für mich vor allem Bewegung, Dynamik, unterwegs sein, Dinge sehen. Genau dieses Unterwegs-Sein fehlte im Urlaub. Vom Garten in den Baumarkt, vom Baumarkt zurück in den Garten, dann zu Hause, ab und an mit der Familie essen gehen oder – wichtige – Termine mit der Tochter wahrnehmen. Diese Form von Bewegung war mir viel zu wenig. Auf dieser Autofahrt konnte ich mich lediglich in eine Scheinwelt hinein versetzen. Musik als Motivation und Musik als Initialzündung des eigenen Lebensgefühls, mit einem Motorradfahrer und dem Roadhouse Blues.



28. Juli 2023


Ein schöner Tag, für Fotoaufnahmen, aus dem tiefsten Inneren des weiblichen Körpers, Fotoaufnahmen, die Freude bereiteten. Unsere Tochter war zur Pränataldiagnostik, die Praxis lag auf der Rückseite des botanischen Gartens, und die Zeit, während die höchst detaillierten Ultraschallaufnahmen gemacht wurden, nutzte ich für einen Spaziergang durch den botanischen Garten, dessen Vielfalt mich stets begeisterte. In Poppelsdorf trank ich noch einen Kaffee, und bei meiner Rückkehr in die Praxis stieß ich prompt auf Frau und Tochter, die gerade das Behandlungszimmer verlassen hatten. Die allererste Botschaft war: zwischen den Beinen hätten sich relativ viele Zellen gebildet, was ein Indiz für ein zusätzliches Körperteil zwischen den Beinen sei. Man dürfe offiziell nichts sagen, aber unter Vorbehalt machte die Ärztin diese Aussage. Die zweite Botschaft war, dass alles in Ordnung war. Alle Messwerte lagen im Toleranzbereich, auch der Wert für die Trisomie, welcher aufgrund einer Nackenfaltenmessung bestimmt wurde. Hier war im Vorfeld heiß diskutiert worden. Bei meiner Frau, einer Cousine von ihr und einer Freundin hatte dieser Wert außerhalb des Toleranzbereichs gelegen, dass eine Wahrscheinlichkeit für das Down-Syndrom überproportional hoch war. Während meine Frau und ihre Cousine gesunde Kinder zur Welt brachten, hatte unsere Freundin abtreiben lassen. Die Verlaufskurve unserer Tochter zeigte, dass das Risiko mit zunehmendem Alter stark anstieg. So lag dieses Risiko bei einer Vierzigjährigen im Vergleich zu unserer Tochter, die 18 war, etwa um einen Faktor zehn höher. So war wenigstens erklärbar, dass in einer Altersgruppe um die 40 das Risiko weitaus höher eingeschätzt wurde. Betrachtete man die repräsentative Auswahl dieser drei Frauen, musste man an der Sinnhaftigkeit der Nackenfaltenmessung zweifeln. Die Frauen wurden in eine existenzielle Aufregung versetzt, was im Endeffekt vollkommen unnötig gewesen war. Einmal wurde womöglich vollkommen unnötig abgetrieben. Die Fotos schauten wir uns auf einem Zwischenstopp auf der Heimfahrt an. Im Nachbarort gingen wir in einem chinesischen Restaurant essen, das komplette Menüs auf einer Mittagskarte anbot. 7,5 Zentimeter war der Embryo mittlerweile groß, und auf einem Foto konnte man das zusammengekringelte Etwas sehr gut erkennen, die übrigen Fotos waren nicht so gut zentriert auf das werdende Leben. Während wir aßen, war das wesentliche Gesprächsthema die Namensauswahl. Louis gefiel uns zum Beispiel sehr gut, aber da hatte der Vater noch einiges mitzureden.  



29. Juli 2023


Das Programm zum Einscannen war Schuld daran, dass sich unsere Wocheneinkäufe entscheidend verzögerten. Mehr als eine Woche war ich mit unserer Tochter damit beschäftigt, dass wir die nötigen Unterlagen zu ihrer Ausbildung zusammen stellten, ebenso wollten wir in einem Anschreiben ein paar erläuternde Sätze formulieren. Die Unterlagen musste sie bis Ende Juli beim Ausbildungsträger, den GFO Kliniken, vorlegen. Doch jedesmal, wenn wir dabei waren, fuchtelte meine Frau dazwischen, mit wichtigeren Dingen, anderen Prioritäten oder dass unser Tun gerade nicht passte. An diesem Nachmittag hatten wir die Unterlagen wie den Personalbogen, die Steuer-Identifikationsnummer, den Sozialversicherungsnachweis, die ärztliche Bescheinigung über die Masernimpfung und so weiter zusammen gestellt, als wir diese auf unserem Drucker einscannen wollten, um ein Doppel der noch abzusenden Unterlagen bei uns zu behalten. Doch das Programm zum Einscannen hatte sich geändert und ich kannte mich nicht damit aus. Zuerst musste ich den Ordner suchen, dann hatte ich die Seiten des Personalbogens in die falsche Reihenfolge gebracht, danach bekam ich in der PDF-Datei nichts gelöscht und richtig sortiert. Meine Frau musste mir helfen, wie man für ein neues Dokument eine neue Datei anlegte, und auch, wie man die jeweiligen Seiten des Personalbogens in der richtigen Reihenfolge in eine Datei hinein brachte. Dadurch ging so viel Zeit verloren, dass wir erst gegen 17 Uhr zu unseren Wocheneinkäufen losfuhren.


30. Juli 2023


In der 30. Kalenderwoche hatte meine Frau mehr mit der Dreier-WG zu tun, als ihr lieb war. Ihr Bruder zeigte nämlich Macken und Bockigkeiten, die sie nicht abstellen konnte. Mittwochs weigerte er sich, am WG-Gespräch teilzunehmen. An den darauf folgenden Tagen weigerte er sich, sich die Augentropfen verabreichen zu lassen, teilweise aß er nichts. Lag es daran, dass er Urlaub hatte und dass wir nahezu nichts mit ihm unternahmen ? Am Sonntag waren wir bei dem einen WG-Bewohner, der mit uns eine weitere Hörspielaufnahme des Märchens „Tischlein Deck Dich“ aufnahm. Dafür hatte er auch den Bruder meiner Frau eingeladen, der auch hier seine Verweigerungshaltung zeigte, seinen Teil für die Hörspielaufnahme des Märchens „Tischlein Deck Dich“ aufzusprechen. Mittlerweile redete er mit diesem WG-Bewohner kein Wort mehr, und außerdem hatte er seiner Freundin, die zu Besuch war, gesagt, sie solle wieder verschwinden. Als meine Frau mit ihn anwies, dass er solche Verhaltensweisen bitte unterlassen solle, trat er mehrfach mit dem Fuß auf den Boden. Anscheinend war ihm dieser WG-Bewohner zu laut, der oft mit seiner Freundin stritt. Womöglich hatten wir uns auch zu wenig in seiner letzten Urlaubswoche um ihn gekümmert. Ein weiterer Zankapfel in der Dreier-WG waren die Ausgaben aus der WG-Kasse. Einmal monatlich mussten die WG-Bewohner jeweils 10 Euro einzahlen, und zur Transparenz hatte meine Frau ein Kassenbuch eingefordert. Dieses hatte sie nun samt Belegen erhalten, doch diese waren allzu lückenhaft, die Eintragungen entsprachen teilweise nicht den Belegen, außerdem fehlten etliche Einzahlungen in die WG-Kasse in der Buchführung. Zu den Ungereimtheiten setzte meine Frau ein sehr langes Schreiben an die gesetzlichen Betreuer auf, damit die Buchführung wieder stimmig sein sollte. Dieses Schreiben umfasste drei Seiten und fast die ganze Woche lang war meine Frau mit dem Prüfen der Belege und dem Abfassen des Schreibens beschäftigt. Wichtiges hatte unsere Tochter zu ihrer Ausbildung ab 1. September mit dem Ausbildungsträger, den GFO Kliniken, geklärt. Sie konnte ihre einjährige Ausbildung ab dem 1. September beginnen, und vor der Mutterschutzfrist war der 20. Dezember ihr letzter Arbeitstag. Nach der Geburt dauerte die Mutterschutzfrist acht Wochen, danach konnte sie Erziehungsurlaub nehmen. Nach diesem Zeitraum, den unsere Tochter noch überlegen musste, würde ihre Ausbildung neu beginnen. Ausbildungszeitpunkte waren der 1. April und der 1. September, es bestand auch die Möglichkeit, eine Ausbildung in Teilzeitform durchzuführen. Schließlich bekam sie es endlich hin, die zur Ausbildung benötigten Unterlagen an die GFO Kliniken zu schicken. Noch zu erledigen war die Versicherung bei einer gesetzlichen Krankenkasse. Nun mussten wir noch hoffen, dass ihre Kranken- und Fehlzeiten so gering wie möglich sein sollten, damit ihr nicht während der Probezeit gekündigt werden würde.


31. Juli 2023


Im Endeffekt übte der Vater einen sanften Druck aus. Wir müssten überlegen, wie es mittelfristig weiter gehen solle. Dieser Satz wiederholte sich in den Gesprächszyklen, und wir hörten eine gewisse Angst heraus, dass der Sohn mit einer Masse von Schulden ins Leben starten würde, wenn sich der Unterhaltsvorschuss aufsummieren würde. Zum allerersten Mal trafen wir uns mit dem Vater, der Lebensgefährtin, dessen Sohn und dem Freund unserer Tochter. In Köln hatten wir uns am Café Extrablatt am Alten Markt verabredet, im Brauhaus Gilden im Zims am Heumarkt gesellten wir uns schließlich an einen Tisch. Über Zweit- und Drittkanäle, über Whatsapp und Telefonaten zwischen unserer Tochter und ihrem Freund, hatten wir ein Bild des Vaters entworfen, der unseren Sohn samt Tochter und noch nicht geborenen Nachwuchs zu sich nach Hause zerren wollte. Wir sahen einen Kampf, der bereits begonnen hatte, ein Kampf, der unsere Tochter unter Druck setzte und bei dem wir uns alle unwohl fühlten. Das noch nicht geborene Kind sollte zum Zankapfel zwischen zwei Parteien werden: Berlin oder das Rheinland, das war die existenzielle Frage. Bei unserem Treffen lief es vom Prinzip her auf diesen Dualismus hinaus, allerdings mit der Differenzierung, dass sich einiges ausregeln oder auch verändern ließe, wenn man darüber redet. Reden konnte man allerdings mit der Familie des Vaters, und er zeigte sich geradezu reumütig, wenn es um das Thema Unterhalt ging, weil er in dieser Sache mit seiner Ex-Frau sehr schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Mit ihr hatten wir uns bereits getroffen, und sie musste eine extrem abgezockte Betrügerin sein. Sie hatte nämlich eine breite Palette von Sozialleistungen bezogen und dabei angegeben, dass ihr Sohn bei ihr wohne, obschon dieser seit zwei Jahren zum Vater umgezogen war. Nachdem der Vater den Behörden dies mitgeteilt hatte, forderten diese von seiner Ex-Frau einen Betrag in einer großen Größenordnung zurück. Der Vater hatte Angst, dass die Behörden irgend wann diesen Betrag von seinem Sohn zurück fordern würden, wenn dieser über Einkommen verfügen würde. Zusätzlich war er eine Zeitlang nicht krankenversichert gewesen. Versichert war er ursprünglich über die Sozialleistungen seiner Mutter, dafür war aber die Grundlage weggefallen. Mittlerweile war er wieder über den Vater mitversichert, weil er zur Schule ging. Seine Ex-Frau hatte eine weitere finanzielle Katastrophe zu verantworten. Er war im Kölner Norden aufgewachsen, die Schwester seiner Frau wohnte zwei Nachbarorte weiter in unserer Stadt, und so hatten sie sich dort niedergelassen, weil er dort ein Haus gebaut hatte. Irgendwann konnten sie die Raten des Hypothekendarlehens nicht mehr bedienen, was sie ihm verschwieg, die eingegangene Post von Banken ließ sie verschwinden, so dass ihr Ex-Mann keine Kenntnis davon erlangte. Schließlich war der Verkauf des Hauses nicht mehr abwendbar, um die Schulden bei der Bank bedienen zu können. Als wäre die kriminelle Energie seiner Ex-Frau noch nicht genug, kam bei der offiziellen Trennung noch ein weiterer Grund dazu: seine Ex-Frau war mit einem Asylanten fremd gegangen. Der Grund des Umzugs des Sohnes war – schlussfolgernd-  seine Mutter, diesmal war es ihr Laissez-faire-Stil, die alles durchgehen ließ und keine Grenzen zog. Weil er die „harte Hand“ seines Vaters spürte, hatten sich nach dem Umzug die schulischen Leistungen des Sohnes deutlich verbessert, und zwar so sehr, dass er auf einer Fachoberschule das Fachabitur machen konnte. Das erste Jahr der Fachoberschule hatte er hinter sich, er war aber gleichzeitig auf Lehrstellensuche. In Kürze würde er ein 14-tägiges Praktikum in einem Krankenhaus machen, wo er bei günstigem Verlauf eine 3-jährige Ausbildung zum Medizintechniker beginnen konnte. Die Mentalitäten seines Sohnes und unserer Tochter seien ähnlich, meinte der Vater. Beide bequemten sich, sie seien etwas träge und man müsse ihnen hinter her rennen. Er selbst sei von Beruf Handwerker – den genauen Beruf fragten wir nicht nach – viele Jahre habe er in Köln-Ossendorf bei der Spezial-Geräte-Firma „Colonia“ gearbeitet, die durch ihre überdimensionalen Kräne bekannt war. Er hatte einen Bandscheibenvorfall gehabt, zuletzt war er daran operiert worden, nun war sein Rücken wieder bestens in Ordnung und er hoffte, bald in den vorzeitigen Ruhestand gehen zu können. Seinem Aussehen nach zu urteilen, war er vielleicht Anfang 50. Sie wohnten im Heimatort seiner Frau, der Leegebruch hieß, kurz hinter der Landesgrenze lag dieser in Brandenburg und in zehn Minuten war man mit dem Auto in Berlin. Ihr Sohn Charly, drei Jahre alt, mit dem unsere Tochter mit Buntstiften malte, war ein Wunderkind. In Werningerode im Harz hatten die beiden geheiratet, sie war vielleicht Anfang bis Mitte 40. Sie arbeitete bei einem Zahnarzt, und sprachen zeitweilig über meine teleskopierende Brücke an meinem Oberkiefer. Wir sprachen über den Zustand meiner Zähne, dass die 11.000 Euro, die damals die Zahnbehandlung gekostet hatte, relativ günstig gewesen sei. Und dass dieser Zahnersatz eine feine Sache sei, weil man wieder ganz normal beißen und kauen könne. Ihr Sohn war ein Wunderkind, weil ihr Arzt damals festgestellt hatte, die beiden könnten keine Kinder zeugen. Irgend wann wurde sie dennoch schwanger – was einem Wunder gleich kam. Er erläuterte uns die Prozedur der Namenswahl. Der ursprüngliche Namensvorschlag „Karl“ kam von ihm, diesen hatten sie zu „Charly“ abgeändert. Im Gegenzug hatte er den Nachnamen seiner Frau angenommen, nun hieß er mit Nachnamen „Reinboth-Seifert“. Wenn das Kind unserer Tochter geboren würde, bezweifelte er, ob beides gleichzeitig bei unserer Tochter funktionieren würde: Ausbildung und Kind. Wir hatten spekuliert, dass unsere Tochter Erziehungsurlaub nehmen würde, bis das Kind sieben Monate alt wäre, denn zu diesem Zeitpunkt wäre es möglich, dass unsere Tochter ihre Ausbildung fortsetzen könnte (aber auch später). In seinem Leben hatte sich gezeigt, dass man sich nur begrenzt gleichzeitig auf mehrere große Dinge konzentrieren konnte. Ausbildung und Kind, das seien solche übermächtigen Themen – und da musste ich ihm Recht geben, ohne dass ich dies in dieser Runde geäußert hatte. Der Nachmittag mit Vater, seiner Ehefrau, seinem Sohn und deren Sohn schuf zwar etwas Klarheit, wesentliche Fragen blieben aber offen. Und der Vater stichelte nach bei der Standortfrage, die wir selbst am liebsten möglichst lange offen halten wollten.



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