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Tagebuch Dezember 2022

1. Dezember 2022


Wie sehr wir uns darauf gefreut hatten, uns auf dem Kölner Weihnachtsmarkt wieder zu sehen. Die letzten beiden Jahre war ich vergrämt und deprimiert, dass unser Treffen nur Online stattgefunden hatte. In Zeiten vor Corona hatten wir uns, ein früherer Arbeitskollege von der Post und ich, einmal jährlich auf dem Kölner Weihnachtsmarkt getroffen, und nun, nachdem ein halbwegs normaler Zustand wieder eingekehrt war, trafen wir uns wieder auf dem Kölner Weihnachtsmarkt. Wir schimpften darüber, was Corona alles vermasselt hatte. Wo man früher auf kurzem Wege alles persönlich erledigt hatte, hatten die Dingen nur noch kontaktlos und über das Internet funktioniert. Wir schätzten uns glücklich, aus dieser Online-Welt wieder heraus gekommen zu sein und an frühere Zeiten anknüpfen zu können. Ich stellte allerdings fest, dass umwälzende Ereignisse ausgeblieben waren. Der Alltag war in einem Fahrwasser angekommen, dass die familiären Verhältnisse festgefügt waren. Trotz Krankheit der Lebensgefährtin unternahmen die beiden viel, wobei die Häufigkeit der Reisen etwas abgenommen hatte. Diesmal waren die beiden mit einer Busreise an die Loire gefahren, was sich mit der Krankheit der Lebensgefährtin schwierig vereinbaren ließ. Nach der Darm-OP musste sie morgens den Stuhlgang abwarten, weil sie ansonsten allzu plötzlich Stuhlgang hätte haben können. Da sie mit einer Reisegruppe unterwegs waren, frühstückte sie morgens nur sehr wenig, auch tagsüber verzichtete sie auf eine Mahlzeit, die sie erst abends zu sich nehmen konnte. Bei der Besichtigung all der Loire-Schlösser musste sie regelrecht an Hunger gelitten haben. Unschön fand mein früherer Arbeitskollege auch das Atomkraftwerk in Chinon, das in der flachen Landschaft weithin sichtbar war. Und dann hatten die beiden sich auf der Busreise noch Corona eingefangen, was bei den beiden einen weniger schweren Verlauf genommen hatte. Im nächsten Frühjahr hatten die beiden eine Kreuzfahrt nach Island gebucht. Im Kreuzfahrtschiff würden die beiden eine Kabine für sich alleine haben, was dann mit dem Rhythmus des Stuhlgangs wieder vereinbar sein würde. Was Partner der Tochter der Lebensgefährtin betraf, schien sich ein Wechsel anzudeuten. Er war Firmeninhaber einer Leiharbeitsfirma, und die Rahmenbedingungen – die möglicherweise en Mindestlohn betrafen - schienen nicht mehr zu passen. Er wollte seine Firma verkaufen. Der Lebensmittelpunkt war ohnehin auf Mallorca, wo er mit seiner Familie ein Ferienhaus gekauft hatte. Die Tochter, die so alt war wie unsere Tochter, ging auf eine Privatschule. In den Sommerferien hatte sie in Deutschland den Führerschein gemacht, und in Spanien sollte sie nun mit einem Auto, das nicht schneller als 45 Stundenkilometer fahren konnte, zur Schule fahren. Den Eltern war es lästig geworden, sie jeden Tag mit dem Auto in die Schule zu fahren. Wie sollte es weitergehen nach der Schule ? Ihr Traum war es, Botschafterin zu werden. Dazu hatte sie einen Bewerbungstermin gehabt. Es gab allerdings nur sehr wenige Ausbildungsstellen bei einer wahnsinnigen Masse von Bewerbern. Der Plan der Eltern war, sie auf eine spanische Privatuniversität zu schicken, wenn es damit nicht klappen würde. Nach Angaben einer Privatuniversität in Madrid ließ sich das Lernpensum individuell anpassen und steuern, so dass sich ein Lernerfolg früher oder später einstellen würde. Während mein früherer Arbeitskollege und seine Lebensgefährtin ihren Garten mehr oder weniger vernachlässigt hatten, hatten sie zu Hause weiterhin mit der Vermietung ihrer Mietwohnungen aus dem Immobilienvermögen zu tun. Eine Mietwohnung war mittlerweile an die Tochter des früheren Arbeitskollegen vermietet. Sie bewohnte eine Wohnung, die an der einen oder anderen Ecke renovierungsbedürftig war. Zuletzt war ein Dachfenster undicht gewesen, so dass es herein geregnet war. Größere Renovierungen wurden normalerweise unter den Eigentümern des Immobilienvermögens – von denen es mehrere gab – abgesprochen, doch bei seiner Tochter setzte er sich über die Eigentümer hinweg, was in diesem Fall keinen Ärger verursachte. Dafür blieb an meinem früheren Arbeitskollegen gerne hängen, dass er sich um die unangenehmeren Dinge zu kümmern hatte. Die Eigentümer waren nämlich allzu gerne unterwegs, wobei sie gerne längere Zeiten Urlaub nahmen. Dann bekam er gerne Anrufe aus dem Urlaub, um was er sich genau zu kümmern hätte – selten waren Abwesenheiten mit ihm abgesprochen. Zuletzt war etwas Chaos zu Hause eingekehrt. Die beiden waren gerne Motorrad gefahren, doch die Lust am Motorradfahren hatte sichtlich nachgelassen. Sie waren nicht mehr Motorrad gefahren, das Motorrad hatte er abgemeldet und schließlich verkauft. Bei Nachbarn hatten sie für wenig Geld eine Garage angemietet, und nun benötigten sie die Garage nicht mehr. Um Geld zu sparen, beendeten sie die Anmietung der Garage, und dabei stellte sie fest, dass sie mehr Gerümpel in der Garage stehen hatten, als ihnen lieb war. Dieses Gerümpel mussten sie nun im Haus, in ihrer Garage und sonstwo unterbringen oder entsorgen. Wir redeten auch über Konzerte und über die Verödung von Innenstädten. Mir war es ja in diesem Jahr gelungen, ein Konzert der Manfred Mann’s Earth Band in Euskirchen zu besuchen. Bei ihm lagen Konzertbesuche ziemlich lange zurück. In der Düsseldorfer Philipshalle war auf einem Konzert von Udo Jürgens gewesen, als dieser noch gelebt hatte. Sein Platz war viel zu weit weg von der Bühne, wo Udo Jürgens nur als kleiner Punkt zu sehen gewesen war. Etwas besser zu sehen war er auf dem Großbildschirm neben der Bühne – dafür hätte er sich ihn gleich im Fernsehen oder auf Youtube ansehen können, so dass er auf den teuren Konzertbesuch hätte verzichten können. Die Verödung der Innenstädte war nicht von der Hand zu weisen. Leerstädte klafften an einigen exponierten Stellen – bei ihm war es Mönchengladbach, bei mir war es Bonn. Wandschmierereien verschandeten die Leerstände, in Bonn stand eine ganze Einkaufspassage in der Nähe des Busbahnhofs leer. Das Warenhauskonzept war out. Früher konnte man zum Beispiel bei Kaufhof Werkzeuge kaufen, daran war heute gar nicht mehr zu denken. Zuletzt hatte er dort nach ganz banalen Dingen geschaut wie Unterwäsche. Nachdem er sie gefunden hatte und bezahlen wollte, musste er quer durch den Kaufhof pilgern, weil nur noch eine Kasse für das ganze Gebäude geöffnet war. Dann kam noch der Trend der Corona-Zeiten dazu, vieles über das Internet zu bestellen. Aktuell hatte auch wegen der hohen Inflation die Kaufkraft nachgelassen, die Abweisung des Autoverkehrs infolge fahrradfreundlicher Verkehrskonzepte könnte auch eine Rolle spielen. Gegen 21 Uhr verabschiedeten wir uns. Er musste die Bahnverbindungen genau in Augenschein nehmen. Auf der Bahnstrecke nach Mönchengladbach wurde gebaut, so dass ab Rommerskirchen ein Bahnersatzverkehr fuhr. So war es deutlich schneller, wenn er den Zug nach Neuss nahm und dort umstieg. Und die Verbindung nach Neuss über den Regionalexpress fuhr einmal pro Stunde, so dass er diesen Zug nicht verpassen wollte. Ungefähr gleichzeitig fuhren unsere Züge an demselben Bahnsteig ein, das waren der RE7 und die S19. Alles pünktlich bei der Bahn, was gar nicht so selbstverständlich war.

2. Dezember 2022


Großer Katzenjammer für die Fans der Fußball-Nationalmannschaft. Als wir das Café am Kölner Weihnachtsmarkt zur Halbzeit verließen, war die Welt noch in Ordnung. 1:0 für Deutschland und 1:0 für Spanien, doch als ich in der S-Bahn die fußballerische Lage auf meinem Smartphone checkte, wuchs die Erkenntnis: das wird nix mehr ! Deutschland stand unentschieden 2:2 und Japan führte gegen Spanien 2:1. Acht Minuten waren ohne Nachspielzeit noch zu spielen, und ich malte mir bereits das Drama und die Besserwissereien von Millionen Bundestrainern an den Fernsehbildschirmen aus, was alles falsch gemacht worden war und ob denn der Bundestrainer der richtige sei. Bereits im Café hatte ich gegenüber meinem früheren Arbeitskollegen geäußert, dass ein anderes Drama weitaus schlimmer wäre gegenüber diesem Szenario, das nun drohte einzutreten: dass nämlich der 1. FC Köln absteigen würde. Da ich Steffen Baumgart einiges zutraute und da die Lage für den FC bei weitem nicht so brenzlig war, nahm ich das drohende Ausscheiden gelassen. Ich stellte fest, dass wir in einer neuen Fußball-Ära angekommen waren. Lange Zeit, in der Ära Löw, spielte die Fußball-Nationalmannschaft begeisternden Fußball, sie putzte die Fußball-Zwerge einfach weg, sie spielte mit den Großen auf Augenhöhe und Niederlagen gegen die Großen waren eher selten. Nun quälten sich die Nationalspieler bereits bei den Fußballzwergen, bei den Großen bedurfte es eine gute Form und einen guten Tag, um mithalten zu können. Zu Hause erfuhr ich dann von dem 4:2 gegen Costa Rica und dem 2:1 von Japan, was das Ausscheiden bedeutete. Der große Katzenjammer der Fußball-Nation ließ mich kalt. Mit Interesse würde ich noch verfolgen, wie weit es die Niederlande, England, Frankreich, Spanien und die anderen Fußball-Größen bringen würden. Business as usual in der Fußball-Welt.

3. Dezember 2022


Wie schlecht man sich abstimmt und wie wenig man miteinander redet, das äußert sich besonders eklatant zu Weihnachtsfeiern. Wenn jemand von der Dreier-WG etwas unternehmen möchte, dass wird dies in den Kalender geschrieben. Jeder der drei Bewohner hat einen Kalender, die geplante Aktivität wird dann mit Datum und Uhrzeit hinein geschrieben, damit die Betreuer sehen können, wann keine Betreuung geschehen kann oder anderweitige Dinge eingeplant werden können. So geschehen für die Weihnachtsfeier des Behindertentreffs. Ursprünglich war diese geplant und eingetragen für die drei WG-Bewohner für Samstag, den 3. Dezember. Kurz nach Bekanntwerden des Termins verschob sich die Weihnachtsfeier auf Freitag, den 2. Dezember. Mit drei dicken Pfeilen wurde die Verschiebung einen Tag nach vorne auf den drei Kalendern markiert. Für alle stand dieses Datum am 2. Dezember fest, bis der eine WG-Bewohner uns mitteilte, dass das betreute Wohnen, wozu die Betreuer der drei WG-Bewohner gehören, an demselben Freitag, den 2. Dezember, ihre Weihnachtsfeier planen. Wir waren verblüfft darüber, dass man die Einträge im Kalender der WG-Bewohner ignoriert hat, wie schlecht man sich abstimmt und wie wenig man miteinander redet. Im Ergebnis kam dabei heraus, dass zwei WG-Bewohner an der Weihnachtsfeier des Behindertentreffs teilgenommen haben und der andere WG-Bewohner an der Weihnachtsfeier des betreuten Wohnens. Dies sind nicht die einzigen Unzulänglichkeiten, wie schlecht man miteinander redet.

4. Dezember 2022


So viele Pointen, so viel Humor und so viel Strapazieren der Lachmuskeln hatten wir selten erlebt. Zu sechst besuchten wir das Theaterstück „komplexe Väter“ mit den Comedy-Größen Hugo Egon Balder und Jochen Busse. Es ging um Beziehungen, Dreiecksbeziehungen, zwischen Tochter und zwei Vätern hing ein Psychologe, der die psychologische Komplexität der beiden Väter aufarbeiten wollte und gleichzeitig der Lebenspartner der Tochter war. In dieser psychologischen Tiefenaufarbeitung gelang es Hugo Egon Balder und Jochen Busse, dass so ungefähr jedes zweite oder dritte Wort einen Witz verkörperte, zumal die beiden Schauspieler an für sich bereits einen Urknall von Komik mit sich brachten. Wir kamen aus dem Lachen effektiv nicht mehr heraus, wir lachten unaufhörlich ohne Pause und ohne allzu großes Nachdenken, da der Intellekt von der Komik vereinnahmt wurde. Anschließend ließen wir es uns lecker schmecken, da unsere Freundin genau an diesem Tag ihren Geburtstag feierte. Wir hatten sie zu dem Theaterstück eingeladen, im Gegenzug in einer Pizzeria ganz in der Nähe eingeladen. Noch randvoll vollgestopft mit all den Lachsalven, fanden wir allmählich zu einem ruhigen Gespräch zurück. Die Pizzen waren übergroß, und unser Hunger war bei so viel Betätigung der Lachmuskeln ähnlich überdimensioniert.

5. Dezember 2022


Im September hatte das erste Wagnis einer bundesweiten Tagung auf Abteilungs-Ebene statt gefunden, nun wiederholten wir dieses Wagnis in unserem Team, indem wir uns mitsamt der Kollegen an den Außenstandorten zu einem Team-Event trafen. Tagsüber tagten wir, wir quasselten über jede Menge Themen, wozu der Redebedarf groß war, und wir arbeiteten strukturiert unsere Agenda ab. Entsprechend der vorweihnachtlichen Jahreszeit, stand die Überschrift „Weihnachtsfeier“ über dieser Tagung. So trafen wir uns, nachdem die Kollegen aus den Außenstandorten in ihr Hotel eingecheckt hatten, auf dem Weihnachtsmarkt, wo wir uns mit Glühwein gegen den Regen und die fröstelnden Temperaturen aufwärmten. Danach begaben wir uns in das Restaurant neben dem Rathaus, wo wir einen Tisch bestellt hatten. Im Verlauf des Abends stellten wir fest, dass sich im Vergleich zu den Zeiten vor Corona wenig verändert hatte. Bis zum Ende harrte ein harter Kern aus, wozu die Personen die gleichen geblieben waren. Ich gehörte zu diesem harten Kern und trat die Heimfahrt mit dem Bus gegen halb 12 an. Wie früher, diskutierten wir Werdegang und Geschichte der anwesenden Personen, wer sich woher seit wann mit welchen Berührungspunkten kannte. Diese Werdegänge beschrieben die Geschichte von Organisationszusammenhängen, wer wann welchen Kästchen zugeordnet war, wann diese Kästchen auseinander gerissen wurden, um später wieder zusammen gefügt zu werden. Der menschliche Kern blieb derselbe, während bestimmte Aufgaben und Anforderungen durchaus härter geworden waren. Aber wie wir so zusammen saßen, hatten wir den Eindruck, dass uns die erhöhten Schwierigkeitsgrade nicht allzu viel anhaben konnten, wenn die zwischenmenschliche Ebene passte.

6. Dezember 2022


Dass aus meinem Plan nichts wurde, fand ich schade, weil ich unseren Kollegen an den Außenstandorten die Schönheiten des Rheinlandes zeigen wollte. Am zweiten Tag unserer Tagung wollten wie eine Wanderung untergebracht haben, die nicht ganz ambitionslos sein sollte und ein Stück typisches Rheinland umfassen sollte. Ich selbst brachte den Drachenfels ins Spiel, den die übrigen Kollegen als genau richtiges Ziel empfanden und auch Freude mitbrachten, ihn ersteigen zu wollen. Selbst an unserem Standort in Bonn, war die Mehrzahl der Kollegen noch nie auf dem Drachenfels gewesen. Was die Schönheiten des Rheinlandes und die schöne Aussicht betraf, machten Nebel und schlechte Sicht unseren Plan zunichte. Schon nach wenigen Metern und einem kräftigen Anstieg hinter der Talstation der Zahnradbahn verdichteten sich die Schwaden von Nebel, die undurchdringlich wurden und keinen Blick ins Tal erlaubten. Eingehüllt in lautlosen und klammen Nebel, stapften wir die Wegstrecke den Berg hinauf, die schmale Spur des Weges vor uns, dabei belagerten Reste von Schnee zunehmend den Wegesrand. Die Stimmung war prächtig, als gäbe es die Beeinträchtigungen durch den Nebel gar nicht, und alle empfanden Spaß dabei, die Anstrengungen des Anstiegs abzuarbeiten. Quo vadis ? Unser Ziel definierten wir auf der Aussichtsplattform, die so gar nichts zu bieten hatte, und dem Restaurant, das geschlossen war. Aus den pappigen Schneeresten bauten wir einen Schneemann, den Beschilderungen des Ausblicks hangelten wir uns entlang, was hätte wo sein können, und wir schossen jede Menge Fotos mit dem Personen in unserem Team im Nichts des Nebels ohne jeglichen Hintergrund. Zusammen war es immer noch schön, was auch an den Einschränkungen von Corona lag, dass solch ein Beisammensein überhaupt statt finden konnte. Um die Mittagszeit trennten wir uns, und meine Kollegen reisten mit der Bahn zu den Außenstandorten Hamburg, Hannover und Leipzig zurück.

7. Dezember 2022


An diesem Tag brachte unsere Tochter einen schlimmen Eingriff hinter sich. In der kieferchirurgischen Praxis in Bonn-Poppelsdorf bekam sie vier Weisheitszähne gezogen. Im Wartezimmer waren wir mehr als rechtzeitig angekommen, wir geduldeten uns und vernahmen, dass die Behandlung mit zwanzig Minuten Verzögerung geschehen sollte, weil sich ein Patient vor uns verspätet hatte. Dann klärte uns ein Anästhesist über die Narkose auf, die kommen sollte. Dabei gab es Probleme, weil sich unsere Tochter keine Kanüle mit einer Einstichstelle setzen lassen wollte, so dass sie ein Narkosegas über eine Maske inhalieren musste. Auch dies geschah nicht ohne Probleme, weil anscheinend unsere Tochter den Eingriff in letzter Minute abwenden wollte. Sie setzte die Maske nicht luftdicht auf Nase und Mund auf, so dass wir nachhelfen mussten. Wir drückten die Maske fest und hinderten ihre Arme, diese wieder wegzunehmen. Als der Widerstand ihrer Hände immer regungsloser wurde, verlor sie ihr Bewusstsein, die Entfernung ihrer vier Weisheitszähne konnte beginnen und ich musste das Behandlungszimmer verlassen. Als ich wiederkehrte, lag sie in einem schmalen Raum zum Aufwachen aus der Narkose. In die Ecken ihres Mundes waren dicke Mullbinden hinein gestopft, zögernd öffnete sie ihre Augen und noch viel zögernder konnte sie es wagen, sich hinzusetzen, woraufhin sie sich unmittelbar in die Liegeposition wieder zurück begab. Es dauerte, bis sie zu sich kam. Der Versuch, sich aufzurichten, dann zurück in die Liegeposition. Es dauerte bestimmt anderthalb Stunden, dass sie wieder imstande war, sicher zu gehen, ohne fremde Hilfe. Ein leidendes Etwas, bei der die örtliche Betäubung noch anhielt mit dick geschwollenen Backen. Schmerzmittel seien wichtig, erläuterte die Kieferchirurgin, sowie Kühlen, aber nicht mehr als 10 Minuten pro Stunde. So entließ man sie aus der kieferchirurgischen Praxis nach Hause, ich fuhr unseren Wagen bis vor den Eingang der Praxis, schaltete die Warnblinkanlage ein und verfrachtete vorsichtig, als würde ich sie mit Samthandschuhen anpacken, unsere Tochter ins Auto.

8. Dezember 2022


Was den äußerst unsicheren Gang des Schwagers betrifft, verbessert sich so ungefähr nichts. Er hat ein Schwindelgefühl und muss sich an Wänden, Zäunen und anderen festen Verankerungen festhalten. Geht er freihändig, bewegt er sich nur noch im äußersten Schneckentempo vorwärts. Besonders schwierig sind Unebenheiten auf der Gehfläche, insbesondere Bordsteinkanten, und besonders kritisch sind Straßenüberquerungen, bei denen er stoppt, wenn selbst in sehr weiten Entfernungen Autos zu sehen sind. Die Verschlechterung kam plötzlich, nach einem Termin bei der Logopädin. Der Hausarzt hatte ihm Tabletten gegen das Schwindelgefühl verschrieben, die aber keinerlei Verbesserung brachten. Der heutige Termin bei der HNO-Ärztin brachte zumindest ein bißchen Klarheit. Im Ohr gibt es ein sogenanntes Lagerungsorgan, das den Gleichgewichtssinn bestimmt. Durch eine Stresssituation, wie bei einem Hörsturz, ist der Gleichgewichtssinn im Lager abhanden gekommen, daher diese andauernden Schwindelgefühle. Die Stresssituation kann bei der Logopädin entstanden sein, als der Schwager sich bei der Logopädin über die unberechtigte Anschuldigung erregt hatte, als er der Mitfahrerin seinen Rucksack ins Gesicht geschleudert haben sollte. Die HNO-Ärztin hatte meiner Frau Übungen gezeigt, wie man durch eine bestimmte Liegeposition den Gleichgewichtssinn wieder herstellen könne. Die Übungen mit ihrem Bruder zu machen, fiel dann meiner Frau schwer, weil er nur wenig aktiv mitmachte. Wir hingen nun in der Erledigungsschleife dieser Übungen, wie sehr ihr Bruder mitmachen würde und ob sie denn den erwünschten Effekt bewirken würden. Dass ihr Bruder kaum imstande war, normal zu gehen, stellte unseren Alltag auf den Kopf. Sehr viele Dinge, Besorgungen, Einkäufe, Arztbesuche hatte er selbstständig erledigt. Damit war es nun vorläufig vorbei. Trotz Betreuung, nahm die Anzahl derjenigen Dinge stark zu, bei denen wir mithelfen mussten.

9. Dezember 2022


In den nächsten Wochen und Monaten werden wir uns daran gewöhnen müssen, dass unsere Tochter wieder mobil wird. Etwas mehr als vor drei Monaten hat ihr Freund Schluss mit ihr gemacht, und allmählich wird sie von Freunden eingeladen, die etwas mit ihr unternehmen. Samstag Abend ist sie dann unterwegs. Wer diese Freunde sind und wohin sie unterwegs ist, das erfahren wir in Bruchstücken, aber nicht in Gänze. Das ist eine Klassenkameradin aus ihrer Parallelklasse und ein Junge, der bereits in der Ausbildung, älter als 18 ist, den Führerschein hat und Auto fährt. Ein paar Orte weiter treffen sie sich des öfteren und essen gerne Döner. Spät bis sehr spät kommt unsere Tochter dann nach Hause. Mal antwortet sie auf unsere Nachrichten, mal wieder nicht. Einmal kam sie gegen zwei Uhr nachts nach Hause, sie hatte diesmal aber auch geantwortet, dass es so spät werden würde. Für uns Eltern ist das so ein bißchen zwischen Bangen und Hoffen. In der Regel können wir uns auf unsere Tochter verlassen. Wenn sie dann spät in der Nacht nach Hause gekommen ist, dann stehen am nächsten Tag ihre Schuhe im Hausflur. Zugebunden sind die Schnürsenkel, und am nächsten Morgen dauert es, bis sie irgendwann gegen Mittag aus dem Bett kriecht.

10. Dezember 2022


Der Umstand, dass einem die Preise davon rennen, schärft die Aufmerksamkeit beim Einkaufen. In welchen Schritten die Preise klettern, bekommt man nicht mehr nachgehalten. Früher hatten sich bestimmte Preisniveaus eingeprägt: was eine Packung Mehl kostet, ein Paket Zucker, Kondensmilch, Butter und so weiter. Uns schockierte, dass die Brötchen in der Bäckerei bei REWE nun 45 Cent kosten, das Tomatenmark war von 99 Cent auf 1,19 Euro gestiegen, die Packungen Kondensmilch auf 82 Cent. So wurden wir zu Verzweiflungsaktionen getrieben, an die wir sonst nie gedacht hätten. Bei REWE und bei ALDI waren die Dosen gestückelte und geschälte Tomaten von 69 Cent auf 85 Cent gestiegen, und als wir bei LIDL unsere Einkäufe fortsetzten, stellten wir fest, dass in den Regalen von LIDL dieser Preisanstieg noch nicht nachgezogen hatte: die Dosen Tomaten kosteten unverändert 69 Cent. Nun betrieben wir das, was man gemeinhin Hamsterkäufe nennt: wir packten vier Lagen, also vier mal 12 Dosen, mit dem Gespenst der Inflation im Nacken, in unseren Einkaufswagen. Das waren Mengen, die bis zu zehnmal höher lagen als das, was wir üblicherweise an Tomatendosen bevorrateten. Dem folgte die Verwirrung an der Kasse: 85 Cent pro Dose erschienen auf dem Kassenzettel und nicht 69 Cent. Wir reklamierten beim Kassierer. Das Problem war nicht neu, dass die Preisauszeichnung an den Regalen nicht stimmte, die eingescannten EAN-Codes waren hingegen richtig. Der Kassierer zeigte sich einsichtig, er korrigierte den Preis pro Dose auf 69 Cent und gab uns die zuviel gezahlten 7,68 Euro bar zurück. Nachdem er unsere Kundenzufriedenheit wieder hergestellt hatte, führte sein erster Gang zur Papiertonne. Er tauschte die Preisschilder am Regal ab sofort auf 85 Cent pro Tomatendose. Die Schilder mit den 69 Cent kloppte er in die Tonne. Bei den Preisen kommen wir nicht mehr hinterher. Was in welchem Supermarkt wieviel kostet, ist kaum noch nachzuhalten, wo man bei welchen Lebensmitteln sparen kann.

11. Dezember 2022


Als meine Arbeitskollegin meiner Frau erzählte, was sie am Sonntag unternehmen wollte, duplizierten sich die Pläne. Mit elf Personen war die Arbeitskollegin im Restaurant am Marktplatz zum Essen verabredet. Meine Frau entgegnete, dass wir beinahe bis auf zwei kleine Details mithalten konnten, denn wir waren in demselben Restaurant eine halbe Stunde früher mit einer Person weniger, also mit zehn Personen, verabredet. Bei uns war die Personenzahl auf mehr und mehr angewachsen, die sich zum Laachovend des Kabarettisten Christoph Brüske versammelt hatte. Die Arbeitskollegin war mit ihrer Gruppe übrigens nicht zum Laachovend verabredet. Wir hatten unseren Spaß, an dem langen Tisch zusammen zu sitzen und sich in unserer bunt gemischten Truppe wieder zu sehen. Eine Freundin aus Wesseling hatte ihre Tochter mitgebracht, die eine Geschlechtsumwandlung vom Mann zur Frau durch gemacht hatte. Unsere thailändische Freundin aus Aegidienberg hatte ihren neuen Freund mitgebracht, und ein Teil des Wiedersehens bestand darin, den Anwesenden zu erklären, wann wir die anderen bei welcher Gelegenheit kennen gelernt hatten. Die Runde war lustig, wir lachten viel bis sehr viel, und in einer anderen Räumlichkeit, dem benachbarten Saal, setzte sich das Lachen beim Laaovend fort, zu dem Christoph Brüske seine beiden Gäste, den Kabarettisten Sebastian Schnoy aus Hamburg, und einen Klavierspieler, den er bei einer Kreuzfahrt kennen gelernt hatte, mitgebracht hatte. Die drei sprühten vor Witz, wobei mir Sebastian Schnoy exzellent gefiel, da er ursprünglich Historiker war. Mit seinen Tiefen und seinen Pointen erinnerte er ein wenig an Konrad Beikircher. So sinnierte er über Napoleon, reflektierte die Stärken und Schwächen der europäischen Staaten, er pries die Errungenschaften der Römer an. Der andere Gast, der Klavierspieler, dessen Namen ich mir nicht merken konnte, war nicht weniger schlecht. Als Leitmotiv spielte er immer wieder „as time goes by“ aus dem Film Casablanca und wechselte in aggressive bis einlullende Melodien. Zum Schluss packte er die Klavierwünsche aus dem Publikum in ein Gesamtwerk zusammen, das Beethovens fünfte Sinfonie enthielt, die Moldau von Smetana oder auch Claude Debussy. Es war ein schöner Abend mit Christoph Brüske, und am nächsten Laachovend im neuen Jahr werden wir aller Voraussicht nach die zehn Personen deutlich übersteigen.

12. Dezember 2022


Im letzten Jahr war es unsere Freundin, mit der wir uns auf dem Bonner Weihnachtsmarkt getroffen hatten. Während andere Weihnachtsmärkte in Deutschland im letzten Jahr schließen mussten und die Buden wieder abgebaut wurden, waren die Weihnachtsmärkte in NRW äußerst umstritten. Wir werden uns wohl noch lange daran erinnern, wie subversiv unser Besuch war, dass wir Glühwein tranken, Reibekuchen aßen und an den Marktständen vorbei schlenderten. In diesem Jahr war alles wieder vollkommen normal. Kaum jemand trug eine Maske, dicht gedrängelt stand man zusammen, die Abstandsregeln gehörten der Vergangenheit an. Diesmal trafen wir uns mit dem früheren Wohnheimleiter des Behindertenwohnheims, der nun in Rente war. Meine Frau kannte ihn von ihrer Arbeit im Behindertenwohnheim, ich hatte ihn während meiner Reha kennen gelernt, nachdem er an der Herzklappe operiert worden war. Die Krankengeschichte seiner Frau bekam ich nicht zusammen, sie war vor 30 Jahren an einem Gehirntumor operiert worden, und ihre Hände zitterten. Dem Besuch des Weihnachtsmarktes vor einem Jahr war gemeinsam, dass wir früher oder später im Gasthaus „Zum Sudhaus“ am Friedensplatz landeten. Beim Gang über den Weihnachtsmarkt war es bitterkalt gewesen, und die wärmende Wirkung des Glühweins hatte allzu schnell nach gelassen. Wir froren an allen Gliedmaßen, so dass wir die wohlige Wärme des Sudhauses bevorzugten. Bereits beim Gang über den Weihnachtsmarkt war ich froh, jemanden gefunden zu haben, der meinen Musikgeschmack und mein Interesse an Rockkonzerten teilte. Beide, er und seine Frau, besuchten gerne Konzerte, und dies in einem Umfang, der meine eigenen Konzertbesuche bei weitem überstieg. Zuletzt waren sie auf dem Konzert einer Cover-Band von Pink Floyd gewesen, er schwärmte aber auch von Peter Gabriel oder Rory Gallagher. 2019 waren wir auf demselben Konzert der Scorpions auf dem Bonner Kunstrasen gewesen, ohne voneinander zu wissen, denn war hatten uns noch nicht gegenseitig kennen gelernt. Ich erzählte vom Konzert der Manfred Mann’s Earth Band in Euskirchen, und er fand den Gitarristen Mick Rodgers ausgezeichnet. Als Rentner hatte er nun Zeit für Konzertbesuche, und als Rentner ließ er es morgens ruhig angehen, denn er stand zwischen 8.30 Uhr und 9.00 Uhr auf. Nun hatten die beiden Zeit für die schönen Dinge des Lebens, außer Konzertbesuchen machten die beiden Motorradtouren in unsere heimischen Gegenden, die vor der Haustüre lagen und die sie so nicht kannten. Zum Beispiel in das Bergische Land zur Müngstener Brücke. Ein beeindruckendes Bauwerk, das fanden sie, und in der direkten Umgebung waren sie weiter gefahren nach Schloss Burg, wohin ich es ebenso nicht geschafft hatte. So wie wir, hatten sie das 9 Euro-Ticket genutzt. Damit waren sie nach Aachen gefahren, ein Fleck auf der Landkarte, der ihnen bis dahin genauso unbekannt gewesen war. Besucht hatten sie außerdem den Skulpturenpark von Konrad Beikircher, und in einer anderen Gesprächssequenz kamen wir darauf, dass das Wohnen in unserer Gegend unbezahlbar geworden war. 590.000 Euro für ein Reihenhaus in Bonn-Tannenbusch, diese Anzeige hatten zuletzt in der Zeitung gelesen. Nichts besonderes, monoton, Massenware, bei der ein Haus neben das andere kopiert wurde. Und Tannenbusch war nicht einmal ein exponiertes Viertel. Nach mehreren Stunden Gespräch, Gang über den Weihnachtsmarkt und Aufenthalt im Gasthaus „Zum Sudhaus“ trennten wir uns gegen elf Uhr abends, für die Busfahrt wir nahmen den Bus und an der Haltestelle wir froren uns einen ab, bis der Bus einfuhr.

13. Dezember 2022


Da es in dieser Form nicht weitergehen konnte, befolgten wie die Vorgehensweise des Hausarztes. Er hatte dem Schwager einen Rollator empfohlen, den wir allerdings innerlich ablehnten. Wenn er einen Rollator in die Hand nehmen würde, würde dies bedeuten, dass er nicht mehr davon wegkäme. Es würde nicht mehr darauf gewartet, ob sich der Gleichgewichtssinn wieder herstellen würde. Fortan würde er immer unselbstständiger und wäre auf fremde Hilfe angewiesen. Meine Frau kannte Fälle aus dem Behindertenwohnheim, dass ein Rollator nur eine Übergangsphase zum Rollstuhl war. So entschlossen wir uns dennoch für den Rollator. Dieser zeigte prompt beim Schwager seine Wirkung und neue Lebenszeichen. Sein Gang wurde nicht nur sicherer mit dem Rollator, sondern er konnte sogar so versiert und routiniert damit umgehen, als sei er noch nie ohne Rollator gegangen. Zumindest auf freier Fläche und ohne Unebenheiten oder Bordsteinkanten. Nun war wieder daran zu denken, dass er selbstständig seine Einkäufe und andere Dinge im Ort erledigen konnte. Dadurch wurde seine Arbeit in der Behindertenwerkstatt auch wieder organisierbar. Fast einen Monat war er krank geschrieben. Mit Rollator konnte er nun zum Abholpunkt des Zubringerbusses gelangen, im Bus konnte der Rollator mitgenommen werden, und in der Werkstatt konnte er sich besser mit dem Rollator bewegen. Für einen Tag brachte meine Frau ihren Bruder mit dem Auto in die Werkstatt, danach würden die Dingen wieder wie von selbst ablaufen. Das sollte dann wieder ein paar Freiräume bringen, dass wir uns nicht um den Schwager kümmern mussten.

14. Dezember 2022


Schon vor einer Woche hatte sich eine Tendenz angedeutet, die wider den Trend war. Morgens lag auf Häuserdächern und in Gärten Schnee, und die Temperaturen waren in den darauf folgenden Tagen nicht wieder in den milden Bereich gestiegen, sondern weiter gesunken. Der Schnee war weggetaut, aber Nachtfröste folgten, und selbst tagsüber stiegen die Temperaturen kaum über die Null-Grad-Marke. In Zeiten des Klimawandels ist das unvorstellbar, wir haben einen Winter, der seinen Namen verdient. Und bei Temperaturen im Dauerfrostbereich steigt mein Wohlbefinden spürbar, als wenn man bei Außentemperaturen in oder über die zehn Grad drinnen die Heizung herunter drehen kann, wenn man mit dem T-Shirt herum laufen kann und selbst draußen kaum ein Kältegefühl bei luftiger Bekleidung entwickelt. Heute hat dann das Wetter noch einen drauf gesetzt, das Klimaaktivisten die Sprache verschlagen dürfte: es hat geschneit, und der Schnee bleibt sogar liegen. Der Weihnachtsbaum auf dem Dorfplatz hat seine artgerechte Umgebung, und all die Weihnachtslieder mit dem Schnee und dem Schneemann und all der Kälte behalten ihre Gültigkeit. In Zeiten des Klimawandels hätte ohnehin niemand gewagt, die nicht stimmigen Weihnachtslieder abzuschaffen oder an milde Temperaturen und grüne Landschaft anzupassen. Einstweilen soll sich die Schneedecke behaupten, es soll noch frostiger werden und ich ziehe daraus eine Erkenntnis: Klimawandel ist nichts für mich, es kann gerne knackig kalt sein und es wäre schön, wenn sich diese Erderwärmung wieder zurück drehen ließe.

15. Dezember 2022


So ganz unverhofft, musste ich gleich mehrere Arzttermine hintereinander unterbringen. Mir war nämlich am Wochenende beim Kauen an einer Stelle die Verblendung der Zahnprothese abgebrochen, und ich wusste hinten und vorne nicht, wie ich den Zahnarztbesuch unterbringen sollte, zumal die abgebrochene Verblendung mich nicht beim Kauen hinderte. Bis gestern wartete ich, bis ich den Zahnarzt in unserem Ort aufsuchte, dessen Zahnarzthelferin sogleich disponierte, dass ich die Prothese heute Morgen vorbei bringen sollte, gegen 17 Uhr konnte ich diese wieder abholen. Im Anschluss an den Zahnarztbesuch hatte ich einen Termin beim Hausarzt, um die Ergebnisse der gestrigen Blutabnahme zu besprechen. Dazwischen, es verblieb allerdings ein sehr kurzes Zeitfenster, sollte ich eigentlich im Home Office tätig sein. Gleichzeitig war es bitterkalt, zeitweise war meine Frau mit dem Auto unterwegs, und zu den Besuchen von Zahn- und Hausarzt fuhr mich teilweise meine Frau, teilweise nahm ich den Bus. Beim Besuch des Hausarztes hatte ich eine schreckliche Vorahnung, das Wartezimmer können überquellen vor verschnupften und erkälteten Patienten, da im Bekanntenkreis und auch bei Arbeitskollegen eine wahre Erkältungswelle grassierte. Doch dem war überraschend nicht so, im Wartezimmer war ich der einzige Besucher, so dass ich unerwartet rasch den Hausarzt wieder verlassen konnte. Was die Cholesterin-, Zucker-, Leber- und Blutkörperchenwerte betraf, war das Ergebnis übrigens bestens. Sie bat mich allerdings, einen Termin beim Gastroenterologen zu machen wegen des entzündungshemmenden Medikamentes im Darmtrakt. Nachdem ich von mittags bis spät nachmittags einigermaßen ungestört im Home Office arbeiten konnte, folgte um 17 Uhr der nächste Zahnarzttermin. Dieser dauerte überproportional lange, nämlich bis 18 Uhr, weil vier Zahnarztpatienten vor mir an der Reihe waren. Ich schätzte mich allerdings glücklich, die wieder hergestellte Zahnprothese in den Oberkiefer setzen zu können und nicht mehr mit all diesen Zahnstümpfen durch die Gegend rennen zu müssen. Morgen sollten die nächste Herausforderung eines Arzttermins folgen: um 7:15 Uhr hatte die Tochter einen Termin bei der Kieferchirurgin in Bonn-Poppelsdorf, um die Fäden an den Stellen der gezogenen Weisheitszähne zu entfernen. Die eigentliche Entfernung der Fäden sollte unspektakulär sein, die Uhrzeit war allerdings eine Herausforderung, pünktlich aus den Betten heraus zu kommen und ohne große Staus durch den Autoverkehr zu kommen.

16. Dezember 2022


Kurzer Abstecher in die Münsterkirche, um die Weihnachtskrippe zu betrachten. Vor mittlerweile sieben, acht Jahren hatte mich der Kölner Krippenweg auf die Idee gebracht, mir Krippen genauer anzuschauen. Krippen machen Kircheninnenräume lebendig, sie verleihen ihnen eine Bodenständigkeit, eine Verbindung zu den Menschen. Gelebte Szenen aus der Stadt waren in der Krippe dargestellt, das Jesuskind, Josef und Maria sowie die Heiligen Drei Könige waren eingebettet in den Rahmen der Stadt. Mit dem Stadthaus und der Münsterkirche prallten Gegensätze aufeinander, vor einem Marktstand standen Menschen an und redeten miteinander. In der letzten Adventszeit vor einem Jahr hatte ich zu selten im Büro gearbeitet, um einen Abstecher in die Münsterkirche zu machen. Davor war die Kirche fast zwei Jahre wegen Renovierung geschlossen. So ist es mir in diesem Jahr eine besondere Freude, wieder in der Vorweihnachtszeit in diese Kirche hinein gehen zu können. Und die Weihnachtskrippe anzuschauen, die sich abhebt von anderen Krippendarstellungen und, bezogen auf die Stadt, einzigartig ist.

17. Dezember 2022


Wer waren diese Eltern ? Wir kannten sie nur abwesend, sie machten den Eindruck, dass sie sich um die Belange ihres Sohnes nicht kümmerten, und nie wurden sie bei ihrem Sohn in der Dreier-WG gesichtet. In diesem Punkt waren die familiären Verbindungen merkwürdig, dieses Auseinanderreißen zwischen Eltern und ihrem Sohn. Bereits im Alter von 14 Jahren hatten sie ihren Sohn an ein Wohnheim abgegeben, der behindert war, allerdings in einem eher geringen Umfang, denn er konnte lesen und schreiben, wenngleich langsam und etwas eingeschränkt. Den Schulabschluss hatte er nicht geschafft, seine jüngere Schwester litt ebenso an einer Behinderung, und irgend wann war der Stress der Eltern zu groß, mit seiner Erziehung kamen sie nicht klar, so dass er in einem Wohnheim mit zehn Behinderten unter kam. Von dort aus fand er die Bleibe in der Dreier-WG, und anfangs war er hoch motiviert. Er kochte gerne, probierte vor allem Nudel-Gerichte aus, dann lief es aber in der Werkstatt schlecht. Anfangs arbeitete er in der Küche, wo die Chemie mit seinen Vorgesetzten nicht stimmte, dann wechselte er mehrfach seine Arbeitsstellen, schließlich war er nur noch krank oder fehlte unentschuldigt. Außerdem war sein Essverhalten gestört, fast ausnahmslos ernährte er sich von Pizza, Lasagne, Fritten, Gyros und Hamburger. Dann bekam er plötzlich Heißhunger, um 5 Uhr nachts aß er seine Lasagne oder um 9 Uhr morgens zum Frühstück. Längst hatte sein Magen gegen die ungewöhnliche Nahrungszufuhr rebelliert, er übergab sich, ein Reflux hatte sich eingestellt. Eine Darmspiegelung musste abgebrochen werden, da er sich im Zustand der Narkose gewehrt hatte. Währenddessen ließen seine Eltern sich nicht blicken, sie schienen nicht unzufrieden mit der Situation, dass sie sich nicht um ihn kümmern mussten. Wussten seine Eltern von den Krankheitssymptomen ? Wer waren diese Eltern ? Zu seinem 25. Geburtstag hatte uns ihr Sohn zum Bowling-Spielen eingeladen, und auf dem Parkplatz vor der Bowling-Arena machten wir Bekanntschaft mit seinen Eltern, sein Vater, Anfang 50, war ein kleiner und rundlicher Typ, seine Mutter war noch kleiner, fast kleinwüchsig, ihre Kurzhaarfrisur war mit Strähnen durchsetzt. Ihrer Tochter, 19, sah man äußerlich nicht an, dass sie geistige Defizite hatte, zumal sie in ganz normalem Redefluss daher redete. Ein Mädchen aus der Behindertenwerkstatt hatte das Geburtstagskind noch eingeladen, und im weiteren Verlauf machten die Eltern einen vollkommen normalen Eindruck. Als Busfahrer hatte der Vater nicht gerade einen Traumberuf, die Mutter arbeitete als Verkäuferin, und im Niedriglohnbereich konnte sich die Familie kein Eigentum leisten, sondern sie wohnten am Stadtrand von Troisdorf in einer Mietwohnung. Beim Bowling-Spielen haderte der Vater damit, dass seine Tochter ständig nur die Rinne traf. Darüber hinaus machten die Eltern in Umgangsformen und Gesprächen einen vollkommen normalen Eindruck, so dass wir die Konstellationen in der Familie nicht verstanden, wieso sie ihren Sohn bereits in einem sehr jugendlichen Alter an ein Wohnheim abgegeben hatten. Ursprünglich hatte das Geburtstagskind beabsichtigt, nach dem Bowling-Spielen bei McDonald’s essen zu gehen, doch der Vater machte den zielführenden Vorschlag, in der benachbarten Pizzeria zu essen, die bekannt war für ihre übergroßen Pizzen. Das war genau nach meinem Geschmack, wobei die Verhaltensweisen der Eltern unergründlich blieben. Die Mutter benötigte eine geraume Zeit, bis sie gesprächig wurde. Mit dem Vater unterhielt ich mich ganz normal über Haus, Garten, Wohnen in einer Mietwohnung, über die 16 Jahre bis zu seiner Rente als Busfahrer, über das ganz normale Alltagsleben in der Dreier-WG. Es war doch alles so normal an diesem Geburtstag und doch wieder nicht.

18. Dezember 2022


Die Jahre, in denen herausragende Ausstellungen im Ernst-Moritz-Arndt-Haus abgehalten wurden, liegen mittlerweile eine geraume Zeit zurück. So etwa im Jahr 2015, als an den zweihundertsten Jahrestag des Wiener Kongresses erinnert wurde. Die derzeitige Ausstellung ist nicht direkt uninteressant, aber sie kommt einiges blasser daher. Sie befasst sich mit dem Bonner Künstler Pitt Müller, der 1975 auf einem Gehöft im Stadtteil Vilich verstarb. Seine Objekte repräsentierten höchst unterschiedliche Arten von Kunst, sie reichten nämlich von Lampen bis hin zu Skulpturen. Die Ausstellung erzählt die Biografie des Pitt Müller, von seinen Ateliers, von seinen Standorten, von seinem künstlerischen Schaffen und von seiner wirtschaftlichen Existenz als Lampenfabrikant. Als rheinländisches – genauer: Bonner – Original sind seine Zitate nachzulesen „Am Ring bin ich jebore … An de Pooz jing ich eren … Do stonn dat Hus minge Eldere … Wie jlöcklich wor ich drin.“ Was er künstlerisch geschaffen hat, hätte in der Ausstellung vielfältiger sein können. Außer seinen Lampen sticht eine Skulptur des Freiherren vom Stein hervor, die er 1966 der Freiherr vom Stein-Realschule überlassen hatte. Die Ausstellung sollte auch dazu dienen, Lücken in der Biografie von Pitt Müller zu vervollständigen, Freunde und Lebensgefährten sollten sich melden, was anscheinend geschehen ist. Die Ausstellung kam zwar nicht allzu üppig daher, sie schärfte aber den Blick auf andersartige Kunstformen – wie das Design von Lampen.

19. Dezember 2022


Nur wenige Kleckerreste von Schnee hatte das Tauwetter übrig gelassen in der abgebauten Kompostmiete, wo Reste von Grasschnitt auf dem Erdboden zusammen klebten, die noch aus dem vorvergangenen Jahr stammten. Der Eisregen hatte uns einen chaotischen Ablauf der frühen Morgenstunden beschert. Bereits um 5.45 Uhr hatte uns der Schwager mit seinem Telefonanruf aus dem Bett geschmissen, er fröstelte und ihm sei kalt im Bett. Ich antwortete ihm, er solle sich die Bettdecke über die Ohren ziehen, danach machte ich den eigentlichen Test, was die morgendlichen Abläufe betraf. Der Wetterbericht hatte nämlich Eisregen vorher gesagt, und der Gang vor die Haustüre bestätigte das befürchtete Glatteis, was die morgendlichen Abläufe durcheinander bringen sollte. Unter der kuscheligen Bettdecke wieder einzuschlafen, das gelang mir nicht, nachdem ich mich anschließend wieder ins Bett gelegt hatte. Nach der kieferchirurgischen Behandlung sollte dies der erste Tag sein, dass unsere Tochter wieder in die Schule gehen sollte. Ich verschob die Uhrzeit des gestellten Weckers auf kurz nach halb sieben, um die Lage zu erkunden, ob an einen Schulbesuch zu denken war. Diesmal nahm ich den Weg durch das Garagentor, wo die Glätte nach draußen deutlich moderater war. Ich schritt zum Auto, wo Regen über geschmolzene Stücke von Eis auf der Windschutzscheibe herunter lief. Ganz so bedrohlich sah es mithin nicht aus. Ich schaute den Wetterbericht im Morgenmagazin, der nur deutschlandweit über das Glatteis berichtete, aber nichts Spezifisches aus unserer Region. Danach rief der Zubringerdienst an, der den Schwager zur Behindertenwerkstatt transportieren sollte: er sei nicht weggekommen, und die Abholung sei erst gegen 9 Uhr geplant, wenn das Glatteis besser weggetaut sei. Zunächst rief ich den Schwager an, er brauche erst um 9 Uhr zum Treffpunkt für den Zubringerbus, aber sein Mitbewohner sei bereits aus dem Haus gegangen und würde nun vergeblich dort warten. Dann informierte ich mich im Internet, dass es den Eltern bei einer solchen kritischen Wetterlage überlassen sei, ob sie ihre Kinder in die Schule schicken sollten. Nur für die Orte Eitorf und Ruppichteroth fand ich für den Rhein-Sieg-Kreis heraus, dass der Schulunterricht ausfiel. Also weckte ich unsere Tochter, holte Brötchen und hoffte darauf, dass sie sich halbwegs beeilen würde. Das tat sie dann auch, und gegen zwanzig Minuten nach acht Uhr waren wir dort. Als sie um die Mittagszeit von der Schule zurück kehrte, erzählte sie, dass etwa zwei Drittel der Schüler anwesend gewesen seien. Dies sei auf freiwilliger Basis geschehen, da sie bei glatten Straßen und glatten Bürgersteigen auch hätten zu Hause bleiben können. Die Lage beim Schwager hatte sich anders entwickelt. Auf dem Rückweg von der Schule hatte ich den Zustand des Bürgersteiges geprüft. Dort war es mir zu glatt, dass sich der Schwager mit dem Rollator hätte fortbewegen können. Die Gefahr eines Sturzes erschien mit zu hoch. Ich sagte ihm, er solle besser zu Hause bleiben. Ich hätte zwar auch mit ihm zum Abholpunkt des Zubringerbusses gehen können, doch auf diese Idee kam ich nicht, ich hatte mehr an eine heiße Tasse Kaffee gedacht und ein Frühstück. So rief er später in der Werkstatt an, er schilderte die Situation, so wie sie war, und nahm sich einen Tag Urlaub.

20. Dezember 2022


Dieses Weihnachtsfest bietet die Gelegenheit, Winkel und Ecken in unserem Haus durch zu forsten, die es mehr als nötig haben, gesäubert zu werden. Eine solche Ecke ist unser Wintergarten. Wirklich benutzt worden ist er das letzte Mal als Home Office im letzten Winter. Oder vielmehr: während der beiden Lockdowns war er der einzige Ort in unserem Haus, wo Platz für einen Home Office-Arbeitsplatz war. Obschon es im letzten Winter keinen offiziellen Lockdown gab, gab es bis ungefähr in den März hinein eine Home-Office-Pflicht, wo ich dann im Wintergarten meine Arbeit verrichtet hatte. Ab März hatten wir im Gästezimmer, nachdem die Umbaumaßnahme für die Dreier-WG fertig gestellt worden war, einen Schreibtisch als Home-Office-Arbeitsplatz aufgebaut. Danach ist der Wintergarten von niemandem mehr aufgesucht worden, dort lagert immer noch Hausrat aus dem Haus des verstorbenen Schwiegervaters. Anziehsachen, Keramik, gestrickte Wollmützen, Kleiderbügel und jede Menge Papier. Um dort den Tisch mit den Geschenken zu platzieren, müssen wir aufräumen und sauber machen. Schrecklich chaotisch standen und stehen immer noch die Dinge herum. Beim Saubermachen ist uns aufgefallen, dass drei von fünf Deckenlampen ihren Geist aufgegeben haben, was beweist, wie lange wir uns um den Wintergarten nicht mehr gekümmert haben. Also müssen wir ran an den Wintergarten.

21. Dezember 2022


Ein gewisses Gefühl von Panik kam auf, dass wir noch keinen Weihnachtsbaum organisiert hatten. An den Adventswochenenden waren wir einiges unterwegs gewesen, unsere Zeit war knapp und ausgefüllt gewesen, und die Zeremonie des Weihnachtsbaumaufstellens hatten wir mehr und mehr nach hinten verschoben. Wenn wir an den Weihnachtsbaumverkäufen vorbei kamen, stieg meine Verzweiflung. Kurz vor Toresschluss von Heiligabend wurde die Auswahl von Weihnachtsbäumen knapper und knapper, und ich sah das Szenario auf mich zukommen, auf dem letzten Drücker einen dieser total krumm gewachsenen Weihnachtsbäume zu besorgen, womit ich dann ein endloses Gehadere von Zank und Streit auslösen würde. So sprach ich denn beim Mittagessen den fehlenden Weihnachtsbaum an, wann wir uns denn um den Kauf kümmern würden. Die Antwort des Sohnes war genauso radikal wie realistisch: „Brauchen wir überhaupt einen Weihnachtsbaum ?“ Solch eine Frage, die in den vergangenen Jahren ketzerisch gewesen wäre, hatte noch niemand gewagt zu stellen. Ich war verwundert, dass auch meine Frau zustimmte, zumal ich selbst kein Anhänger war von all der Schenkerei und diesem Getue um Weihnachtslieder, Besinnlichkeit und viel zu viel Kommerz. Die Einigkeit nahm die Spannung aus den Weihnachtsvorbereitungen, deren Umfang immer noch sehr hoch war. Das Chaos im Wintergarten war aufzuräumen, das Chaos im Büro mit lauter herum liegenden Anziehsachen, das die Katzen zerwühlt hatten, war nicht weniger groß. Das Bett für unsere große Tochter musste noch aufgebaut werden. Es gab also immer noch viel zu tun.

22. Dezember 2022


Ein Last-Minute-Geschenk war noch übrig geblieben, das ich nicht vergessen haben wollte. Kinder und Ehefrau hatte ich bedacht mit Geschenken, meine eigene Mama hatte ich allerdings verdrängt. Im Zyklus der vergangenen Jahre war uns bei irgend einer Einkaufsgelegenheit etwas eingefallen, in diesem Jahr war die Idee allerdings ausgeblieben. Wir hatten weder in der Stadt eingekauft, da der real dicht gemacht hatte, hatten wir das HUMA-Einkaufszentrum nicht aufgesucht, und so war die 86 Jahre alte Mama ohne Geschenk übrig geblieben. Mit unserer Familie wollte ich am zweiten Weihnachtsfeiertag nicht ohne Geschenk in ihrem Haus erscheinen. Ich hatte die Buchhandlung im Nachbarort ins Visier genommen, um nach einem Geschenk zu schauen, aber was würde die Mama lesen ? Sie hatte früher gerne gelesen, aber ihre Augen machten nicht mehr richtig mit, so dass sich die Frage stellte, ob dies zielführend wäre. Meine Frau hatte die Idee, bei dm nach Geschenkpaketen – vielleicht mit Hautpflegeprodukten – zu schauen. Mir selbst waren schon einmal solche Geschenkpakete mit After-Shave-Lotionen geschenkt worden, die ich dann nie benutzt hatte. Irgend welche Cremes, Shampoos könnten allerdings einiges zweckmäßiger sein als irgend ein Buch, das dann nie gelesen werden würde. So machten wir uns denn bei dm auf die Suche. Die Geschenkbox, die wir auswählten, enthielt eine Pflegedusche, eine Body Lotion und ein Anti-Transpirant-Spray. Wir hofften, dass wir solche Hautpflegeprodukte ausgewählt hatten, die meine Mama auch tatsächlich brauchte.

23. Dezember 2022


Ich war gleich mehrfach irritiert, was vermeidbar gewesen wäre, wenn ich den Kassenzettel richtig gelesen hätte. Auf diesem Kassenzettel zählte ich die Personen zusammen: drei plus zwei gleich fünf, wir waren aber sechs Personen am Heiligabend. Vorgegartes Essen hatten wir beim Metzger bestellt, das wir nur noch aufwärmen mussten. Als ich dem einen WG-Bewohner vor einer Woche erzählte, dass wir beim Metzger zum Heiligabend Essen bestellt hatten und dieses in der Küche der Dreier-WG zubereiten wollten, äußerte er seine Bitte, ob er mitessen könne. Am Heiligabend hänge er regelrecht in der Luft, sein Bruder käme erst am zweiten Weihnachtsfeiertag zu ihm, seine Freundin sei am Heiligabend bei ihrem Bruder, so dass sie erst am ersten Weihnachtsfeiertag zusammen sein könnten. Da wir ohnehin mit unserer Familie im Haus der Dreier-WG zusammen aßen, schlugen wir ihm seine Bitte nicht ab. Wir bestellten ein weiteres Essen in der Metzgerei, und bei der Abholung hatte ich Angst, man hätte den WG-Bewohner vergessen, zumal ich auf dem Kassenzettel drei plus zwei gleich fünf zusammenzählte. Mit dem WG-Bewohner waren wir aber sechs Personen. Dass alles richtig sei, bestätigte mir die Inhaberin der Metzgerei. Die drei Portionen seien die erhöhte Anzahl, vorher seien es zwei gewesen. Mithin konnte unser WG-Bewohner nicht vergessen worden sein. Als ich mich an die Zahl fünf klammerte, ließ meine Irritation nicht nach. Ich ging zu dem wenige Gehminuten entfernt liegenden Postschalter, wo meine Frau gerade arbeitete. Zu früher Uhrzeit war einen Tag vor Heiligabend nichts am Postschalter los, so dass ich meine Frau augenblicklich konsultieren konnte. Sie zählte auf: dreimal Kalbsfleisch, zweimal Sauerbraten, einmal Ente, das waren sechs Personen und nicht fünf. Also musste ich erneut reklamieren. Die Irritation klärte sich auf, dass ich den Kassenzettel hätte weiter lesen müssen. Hinter den drei plus zwei Portionen folgte eine Position „Handeingabe“ auf dem Kassenzettel. Dreimal Kalbfleisch, zweimal Sauerbraten und einmal Ente war uns berechnet worden, darunter kostete die Ente als „Handeingabe“ 18,90 Euro. Es hatte also alles seine Richtigkeit und seine Ordnung. Ich dachte an den Spruch „wer lesen kann, ist im Vorteil“. Einem harmonischen Heiligabend mit einem leckeren Essen konnte also nichts mehr entgegen stehen.

24. Dezember 2022


Etwas unruhig folgte ich den Verspätungen bei der Bahn und las die dazugehörigen Hintergründe auf der SWR-Homepage. Am Vortag hatte sich zwischen Bacharach und Oberwesel im Mittelrheintal Geröll in Bewegung gesetzt. Nach stärkeren Regenfällen rutschte das Gestein einen Abhang hinunter in die Richtung der Bahngleise und der Bundesstraße B9. Man war zwar fieberhaft dabei, den Hang abzusichern und zu befestigen, aus Sicherheitsgründen mussten aber sowohl die Bundesstraße wie die Bahnlinie gesperrt werden. Das vermeldete die SWR-Homepage gegen 8 Uhr morgens. Also Zeit genug, dachte ich mir, dass die Bahn dies bei den Zugstrecken einplanen konnte. So war es denn auch, was immer noch eine größere Verzögerung bedeutete. Die Fernzüge wurden von Mainz über Wiesbaden und Rüdesheim auf die rechte Seite des Mittelrheintals umgeleitete, was etwa eine halbe Stunde länger dauerte. In Koblenz ging die normale Strecke weiter über die linke Rheinseite. Genau diese halbe Stunde kam unsere Tochter von Freiburg aus in Bonn später an, laut Plan hätte die Bahn um viertel vor fünf ankommen sollen, woraus dann viertel nach fünf wurden. Nachfolgend verzögerte sich die ganze Essenszubereitung, zumal ich mich für zuständig erklärt hatte für die Zubereitung der Spätzle. Den Teig mixte ich mir zurecht, es war aber auch noch Kopf- und Feldsalat vorzubereiten, die Salatsoße ebenso. Geschirr, den Spätzleteig, Salat und Eis als Nachtisch mussten wir in einer Tragebox verstauen, was dann alles doch zu einer längeren Prozedur wurde, bis wir alles zusammen hatten und zum Haus der Dreier-WG transportiert hatten, weil wir dort zu Heiligabend essen wollten. Bis wir mit dem Abendessen begannen, wurde es nach acht Uhr, weil wir uns mit dem Aufwärmen der Essensportionen aus der Metzgerei verkalkulierten. Wir hatten es nämlich unterlassen, die Folie zu entfernen, so dass das Essen nach zwanzigminütiger Erhitzung im Backofen nur lauwarm war. Dem folgte ein weiterer Erhitzungsvorgang ohne Folie, und danach hatten wir alles beisammen für das leckere Abendmahl: dreimal Kalbsbraten, zweimal Sauerbraten und einmal Gans, dazu Spätzle, Salat, spanischen Roséwein und Eis als Nachtisch. Das war vorzüglich, allerdings waren die Portionen des Kalbsbratens mau geraten, während der Sauerbraten vier große Scheiben für zwei Personen beinhaltete. Bei den Spätzle hatte ich ein ungewöhnliches Erlebnis: gerne machte ich viel zu viel Spätzle, wonach es auch diesmal aussah, dass die Menge nie und nimmer gegessen würde, doch es kam genau umgekehrt, dass die Spätzle allesamt verspeist waren, während unsere kleine Tochter und der eine WG-Bewohner gerne noch mehr Spätzle gegessen hätten. Von dem einem WG-Bewohner, der ansonsten ohne Gesellschaft am Heiligabend in der Luft gehangen hätte, erhielten wir ein besonderes Lob, dass er solch ein geselliges Weihnachtsfest noch nie erlebt hätte, selbst dann nicht, als seine Eltern noch gelebt hatten. Es war bereits weit nach neun Uhr, als das Essen beendet hatten und auch gespült hatten. Die zehn Uhr hatten wir bereits erreicht, als wir zu uns nach Hause zurück gekehrt waren, ohne dass es nach Bescherung aussah und wir uns beschenkt hatten. Vom Prinzip her war das nicht schlimm, dass die Bescherung am ganz späten Abend statt fand, wobei der Erdrutsch zwischen Bacharach und Oberwesel nur einen kleinen Anteil an der Verzögerung hatte. Die Kinder hatten jede Mengen Kleinigkeiten zu schenken, wir als Eltern verschenkten im wesentlichen Gutscheine und Geld. Betrachtet man die gesamte Weihnachtszeit, war es ein sehr stressfreies und auch harmonisches Weihnachten, in diesem Jahr mit einer kleinen Katze, die überall dazwischen fegte und ohne Weihnachtsbaum.

25. Dezember 2022


Meine Frau meinte, unmittelbar beim Kauf hätte der Gang mit dem Rollator besser geklappt. Der Rollator hätte dem Schwager eine Sicherheit beim Gehen angeboten, die der Schwager angenommen hätte, und der Gang hätte so ausgesehen, als hätte er nie etwas anderes gemacht als mit dem Rollator zu gehen. Als wir von unserem Spaziergang zum Rhein zurück kehrten, sah es so aus, als habe sich der Gang verschlechtert. Die Hindernisse von Bordsteinkanten zu überwinden, sei schwieriger geworden. Beim Gehen seien die Beine nicht mittig zwischen den Rädern des Rollators platziert, der Blick sei nicht geradlinig nach vorne gewandt, der Gang sei nicht aufrecht genug. Ich selbst hatte während des Spaziergangs die Unsicherheit beim Schwager beobachtet, wenn Bordsteinkanten zu überwinden waren, bei Unebenheiten im Boden wie etwa Kopfsteinpflaster oder bei stärkerem Gefälle. Fehlende Übung war sicherlich ein Grund für all diese Unsicherheiten, da der Schwager ohne fremde Hilfe kaum noch Einkäufe im Ort tätigte. Einkäufe und Besorgungen erledigten die Betreuer ausschließlich mit dem PKW, aus Zeitgründen, anstatt ihn zu begleiten bei seinem Gang mit dem Rollator. Die Situation war fatal und bot wenig Perspektiven. Man musste den Schwager drängen, sich mit dem Rollator aus dem Haus zu bewegen, damit sich sein Lagerungs-Schwindel verbesserte. Besorgungen im Ort sollte er wieder eigenständig erledigen. Dies zu tun, dazu war er aber zu träge. Er saß nur noch im Haus, er schaute Fernsehen oder malte. Hilfe von den Betreuern erhielten wir kaum, und uns fehlte die Zeit, so wie heute anderthalb Stunden zum Rhein zu spazieren. Im Rhythmus des Gehens angekommen, auf ebenem Untergrund, auf einem asphaltierten Weg, ohne Autoverkehr, ohne Gefälle, war die Gehstrecke unkompliziert und entspannte. Normalerweise sollte er jeden Tag solch eine Übung eines Spaziergangs machen, um seine Motorik zu verbessern. Doch in den letzten Tagen hatten wir einen Trend in die andere Richtung beobachtet. Im Haus hatte er angefangen, sich an den Wänden wieder festzuhalten. Auch dort war sein Gang unsicherer geworden, und wir befürchteten, dass er auch dort den Rollator benutzen würde.

26. Dezember 2022


Das Ausmaß der gestörten Beziehung wurde erst offensichtlich, als die Kinder Fragen stellten. Wir waren zurück gekehrt vom Besuch meiner Mama, wo wir gewohnheitsgemäß den Nachmittag des zweiten Weihnachtsfeiertages verbracht hatten. Gewohnheitsgemäß hatten wir kaum mehr als eine Stunden zwischen deren vier Wänden verbracht, eine Stunde lockeren Plauderns, die gerne hätte länger ausfallen können. Aber wie gewohnheitsgemäß setzten sich diejenigen Kräfte durch, um dieses Zeitkontingent zu beschränken. Seitdem wir meine Eltern besuchten, egal bei welcher Gelegenheit, gab es stets Dinge, die befremdeten. In diesem Jahr war es die Abwesenheit meines Bruders. Die Abwesenheit seiner Frau und Tochter war inzwischen regelmäßig geworden, wir hatten diese Abwesenheit auch akzeptiert, aber die heutige Abwesenheit seiner Person ? Meine Mama erklärte, Frau und Tochter seien nach Holland oder Belgien gefahren, und nun hole er sie ab. Wir rätselten, er hole sie irgendwo vom Bahnhof, vielleicht Aachen oder Mönchengladbach, von wo es Bahnverbindungen nach Belgien und in die Niederlande gab., es war aber nichts als Spekulation. Seit dem frühen Nachmittag war er nun mit dem Auto weggefahren, meine Mama wusste nicht wohin, und die Abholung an den Bahnhöfen Aachen oder Mönchengladbach erschien mehr als unwahrscheinlich, weil er längst hätte zurück sein müssen. Die Befremdungen in meinem Elternhaus gingen in die nächste Runde. Die gestörte Kommunikation zu meinem Bruder, viel zu selten miteinander zu reden, gingen in die nächste Runde. Das Ausmaß dieser gestörten Kommunikation wurde offensichtlich, als am Abend die Kinder ganz einfache Fragen stellten. Wieso wir nicht, ohne jeglichen Anlass, aus purer Lust und Laune, miteinander telefonieren könnten. Die Möglichkeit über SMS / Sprachnachricht würde selten bis gar nicht genutzt. Oder uns ganz einfach an einem neutralen Ort, ohne unsere Mama, treffen und einen Kaffee trinken. Es sah so aus, als würden durch die fehlende Kommunikation Chancen vertan, Mißverständnisse seien vorprogrammiert.


27. Dezember 2022


Warten vor dem New Yorker-Modeladen. Mit unseren beiden Töchtern waren meine Frau und ich in die Stadt gefahren, wo es im wesentlichen um Shopping ging. Morgen würde unsere älteste Tochter wieder abreisen, heute brauchte meine Frau nicht zu arbeiten, ich hatte ebenso frei, so dass der heutige Tag der einzig mögliche Tag zum Shoppen war. Gerne kam ich mit, und ich stellte fest, dass sich die Rahmenbedingungen zum Shoppen im Zeitverlauf doch verändert hatten. Dass ich vor dem New Yorker wartete, das war auch in Vor-Corona-Zeiten passiert, was mit den Einkaufsgewohnheiten unserer kleinen Tochter zu tun hatte. Früher hatte sie sehr oft und sehr viel bei New Yorker eingekauft, bereits vor Corona hatte ihre Vorliebe nachgelassen, während Corona war sie abgeebbt, nun war sie wieder aufgelebt. Zu Jeanshosen und Oberteilen beriet meine Frau extrem lange unsere Tochter, was die Prozedur der Auswahl extrem in die Länge zog. Währenddessen zog ich es vor, draußen an der frischen Luft bei nicht zu kalten Temperaturen zu warten. Die Rahmenbedingungen zum Shoppen hatten sich insofern verändert, dass es im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten ruhiger geworden war. Es war voll, aber in Vor-Corona-Zeiten war es noch voller gewesen. Ich reflektierte, wie sehr das Einkaufen in der Stadt unser Alltagsgeschehen geprägt hatte, insbesondere, als unsere Kinder noch klein waren. Nach Bekleidung schauten wir bei C&A, für Schuhe bei Köchling, und dann war da noch die Spielzeugabteilung bei Kaufhof, die wir nicht ausließen. New Yorker kam später, als unsere kleine Tochter ins Teenageralter wechselte. Wegen Herrenbekleidung ging ich gerne nach Sinn-Leffers, das heute nur noch „Sinn“ hieß. Die Damen schauten gerne bei „…“ hinein, das heute verschwunden war. Hoch waren auch die Zeitanteile, die wir bei Kaufhof verbracht hatten, nicht nur in der Spielzeugabteilung und nicht nur zum Einkauf von Weihnachtsgeschenken. Der Gang durch den Kaufhof war deprimierend. Irgendwie sah man dem Warenangebot die wirtschaftliche Schieflage an. Einem geänderten Design mit modernen Schriftzügen war es nicht gelungen, die Schieflage zu bereinigen. Das Warenangebot war ausgedünnt, an machen Stellen herrschte regelrechte Leere. Die Übersichtlichkeit war verschwunden, leere Stellwände störten. Der Schriftzug „Galeria“ ragte in diese Leere hinein. Vom Prinzip des Warenhauses, an dem wir uns vom Kellergeschoss bis ganz oben orientiert hatten, war nicht mehr viel übrig geblieben. Vorbei an der Schmuckabteilung und der Parfümierieabteilung im Erdgeschoss, verließen wir den Kaufhof über den Münsterplatz nach TKMaxx, das viel üppiger wirkte und wo sich die Kunden rege drängelten. TKMaxx hatte ja ein erweitertes Warenangebot zusätzlich zu Anziehsachen, und dieses Konzept schien in heutigen Zeiten deutlich besser zu funktionieren als das Warenhauskonzept. Als wir im Keller nach Pullovern und Sweatshirts für Herren schauten, verloren wir zwischenzeitlich unsere beiden Töchter, doch über einen Anruf auf ihrem Handy fanden wir sie schließlich wieder. Dann C&A, dann aßen wir etwas in einem Restaurant am rückwärtigen Ausgang von TKMaxx, das sich „Casbah“ nannte und eine Reihe von vegetarischen Speisen im Angebot hatte. Die Damen aßen Nudelgerichte und ein Putensteak, während ich mit einem Stück Himbeertorte vorlieb nahm. Danach war die Zeit bereits sichtlich fortgeschritten und die Damen zogen die Zeit weiter in die Länge, indem sie bei Hunkemöller, bei Thalia und bei Ernstings einkehrten. Je länger wir in der Stadt verweilten, war aber unerheblich, weil wir zusammen unterwegs waren und alle frei hatten. Es war also schön und gut, der Dämpfer folgte allerdings, als wir vor dem Kassenautomaten des Parkhauses standen. 16,20 Euro mussten wir bezahlen, was sicherlich sinnvoll war in einer ganzheitlichen Betrachtung zu öffentlichen Verkehrsmitteln. Bevor wir losfuhren, hatten wir nämlich überlegt, ob wir mit dem Bus fahren sollten. Wir hatten uns dagegen entschieden, weil wir 16 Euro für die Busfahrkarten ausgerechnet hatten gegenüber acht bis zehn Euro geschätzte Parkgebühren im Parkhaus. Diese Rechnung war nun hinfällig. Eines hatten wir bei der Rechnung noch vergessen, das waren der Spritverbrauch bis zum Parkhaus. Der Bus wäre günstiger gewesen, aus dieser Erfahrung hofften wir zu lernen.

28. Dezember 2022


Die Zeit war viel zu kurz, drei ganze Tage hatte unsere große Tochter bei uns verbracht, die beiden anderen Tage waren An- und Abfahrt. Der Zug heute Morgen war nicht ganz pünktlich, vor Interlaken in der Schweiz machte der Eurocity halt in Freiburg, wohin unsere Tochter um die Mittagszeit zurück kehren sollte. Gestern Abend hatte sie mit unserer kleinen Tochter und meiner Frau noch Stadt-Land-Fluss gespielt, ein geselliger Abschluss eines geselligen Tages, den wir mit Shopping in der Stadt verbracht hatten. Naturgemäß war dies viel zu selten, dass wir komplett im Kreis unserer Familie zusammen waren. Nach ihrem letzten Geburtstag im Januar, an dem sie gleichzeitig umgezogen war, hatten wir dies nicht mehr geschafft. So waren wir als Familie aufgeteilt auf zwei Standorte, meine Frau redete und telefonierte viel mit unserer Tochter, ich selbst weniger bis gar nicht, weil der Kontakt zu meiner Frau um so reger war. Wie so oft, bereitete mir der Abschied wenig Schmerz. Die Verabschiedung ging den gewohnten Gang der Dinge. Ich parkte unser Auto in der Uni-Tiefgarage, wir absolvierten das Stück Fußweg zum Bahnhof, ein wenig erzählte ich unserer Tochter von der Ladenpassage, die seit wenigen Monaten seit anderthalb Jahren Schließung wieder geöffnet hatte, der Gang die Rolltreppe hoch zum Bahnsteig, wo die zehn Minuten Verspätung im erträglichen Bereich lagen. Unsere Tochter musste suchen. Sie hatte einen Platz reserviert, und die Anzeige der Wagennummern auf der Anzeigetafel war verschwunden. Wir liefen den Bahnsteig auf und ab, ob wir denn diese Anzeigetafel mit den Wagennummerierungen entdecken würden, aber Fehlanzeige. Doch mit der Zuganzeige über dem Bahnsteig wurden die Wagennummern angezeigt, was dann vermied, dass sich unsere Tochter quer durch die Zug von ganz vorne bis ganz hinten oder umgekehrt bewegen musste, um zu ihrem reservierten Platz zu finden. Eine kurze Umarmung, dann verschwand unsere Tochter im Zugabteil. Einer genussvollen Zugfahrt durch das romantische Rheintal konnte also nichts entgegen stehen.

29. Dezember 2022


Nach der Verabschiedung von unserer großen Tochter kehrte der ganz normale Alltagswahnsinn ein, und nachmittags meinte meine Frau, es seien noch Zeichen und Wunder geschehen, als sie bei ihrem Bruder verweilte. Schon am Vortag war es mir nicht gelungen, mit ihm mit dem Rollator einen Spaziergang zur Erledigung der Einkäufe zu machen. Kurz nachdem ich im Haus eintraf, erschien nämlich die Betreuerin, um für ihn zu kochen. Gemeinsam für den Mitbewohner erledigte sie die Einkäufe, bevor sie kochen wollte, sie nahm den Schwager allerdings im Auto mit, wobei dieser maßlos überdimensionierte Einkäufe im Discounter tätigte. Er kaufte zwei Packungen Brot, die für einen sehr langen Zeitraum reichen würden. Dann kaufte er Pudding, wovon noch eine Viererpackung im Kühlschrank stand. Dann fiel der Betreuerin während des Einkaufens ein, dass die Zeit für die Zubereitung der geplanten Apfelpfannkuchen gar nicht reichen würde, so dass sie umplante und der Schwager im Discounter fertigen Kartoffelsalat, Wurstsalat und Frikadellen kaufte sowie ein Fertiggericht mit Vollkornnudeln, obschon der Schwager gar keine Vollkornnudeln mochte. Dann war da noch die Fernsehzeitung, die gar keine Fernsehzeitung war. Wegen des Fernsehprogramms kaufte sich der Schwager nämlich regelmäßig eine Fernsehzeitung. Bei den Einkäufen in den Vorwochen hatte man eine Illustrierte gekauft, die jede Menge Rätsel enthielt, aber kein Fernsehprogramm. Nun, bei den heutigen Einkäufen, wurde eine richtige Fernsehzeitung mit Fernsehprogramm gekauft. Ohne sich eine Meter bewegt zu haben, kehrten die beiden von den überdimensionierten Einkäufen zurück. Die Betreuerin musste sich zudem um den anderen Mitbewohner kümmern, der an Corona erkrankt war, dann putzte sie Küche und Flur und verschwand wieder. Aus dem Kochen war nichts geworden, der Schwager konnte sich nun in der Küche bequemen und seine Malbücher ausmalen, womit er sich den lieben langen Tag beschäftigen konnte. Für den Rest des Tages bewegte er sich nicht vom Fleck, obschon er mit dem Rollator kleinere Strecken häte laufen sollen, dazu hatte ihm der Hausarzt geraten. Mein Angebot, mit ihm in die Rheinaue zu fahren und dort zu laufen, lehnte er ab. Am nächsten Tag geschahen dann doch noch Zeichen und Wunder. Der nächste Betreuer schaute nämlich vorbei, der die Situation und die Rahmenbedingungen kannte. Er ging spazieren mit dem Schwager und begleitete ihn bei seinem Gang am Rollator. Auf der Höhe der Pfarrkirche begegnete meine Frau den beiden, und ihre Frustration über ihren Bruder besserte sich etwas auf. Mir berichtete sie von den Zeichen und Wundern, die geschehen seien, allerdings war die Gehstrecke minimal gegenüber derjenigen Strecke, die ich mit ihm am zweiten Weihnachtsfeiertag bis zum Rhein gelaufen war. Solche Spaziergänge waren schwierig zu organisieren, und in Summe war es immer noch deprimierend, wie wenig sich der Schwager aktiv daran beteiligte, seinen Gesundheitszustand zu verbessern. Er meinte, die Einnahme von Tabletten würde ausreichen, ohne sich großartig bewegen zu müssen.

30. Dezember 2022


Unsere Tochter hat es ja nicht leicht, was sie so alles parallel auf die Reihe kriegen muss. Die Zentralprüfungen für den Realschulabschluss im nächsten Jahr, Aufgaben lösen für die theoretische Führerscheinprüfung, dann noch Bewerbungen schreiben für einen Ausbildungsplatz. Gerade die letzten beiden großen Themen stocken und kommen nicht wirklich voran. Hier und da mal ein paar Aufgaben für die Führerscheinprüfung, die sie Online gelöst hat, aber ohne nennenswerten Fortschritt. Bei den Bewerbungen gab es die Ausbildungsmesse im September, eine Bewerbung hatte sie im Oktober geschrieben, und nun sitzt sie an einer weiteren Bewerbung als medizinische Fachangestellte bei der Bundeswehr, Standort Köln am Flughafen. Das Thema ist in der Tat zäh. Zwei Tage hat sie an dem Anschreiben gesessen, parallel dazu hatte ich mich um den Online-Zugang zu dem Bewerberportal gekümmert. Mit ihren Noten, insbesondere der fünf in Mathe, würde sich die Ausbildungsplatzsuche weiterhin schwierig gestalten. Noch gravierender war aber die Tatsache, dass sie bislang kaum Bewerbungen geschrieben hatte. Der Druck, dass sie nach dem Realschulabschluss wissen musste, wie es weiter ging, war offensichtlich noch nicht groß genug. Ob Ausbildung, Schule oder freiwilliges soziales Jahr, dazu musste unsere Tochter mehr Aktivitäten zeigen. Und dies musste sie neben den beiden anderen großen Themen des Realschulabschlusses und der theoretischen Führerscheinprüfung managen.

31. Dezember 2022


Zufälligerweise ergab sich, was wir lange Zeit nicht mehr unternommen hatten, und das genau an Silvester. Als unsere kleine Tochter noch klein war, hatten wir mit ihr an Silvester zum Beispiel „die Eiskönigin“ im Kino geschaut. Nach vielen Jahren war es nunmehr so weit: in den Nach-Corona-Zeiten wurde wieder ein regelmäßiges Kinoprogramm aufgelegt, und nun lief der Film „Avatar – the Way of Water“. Davon hatten wir vor ziemlich genau 18 Jahren die Urversion gesehen, als unsere kleine Tochter gerade geboren worden war. Dieser Urfilm aus der Genesis von Kinofilmen konnte uns immer wieder begeistern – wegen der Botschaften der Naturverbundenheit indigener Völker, der Zerstörungskraft des Menschen und der Überlegenheit des Zusammenwachsens mit der Natur. Die Konzeption als Drama, mit überwältigenden Kampfszenen des Menschen gegen den Volksstamm der Avataren hatte uns seiner Zeit in den Bann gezogen. Die Wiederauflage mit demselben Regisseur James Cameron setzte auf dem damaligen Knaller „Avatar“ auf, wobei sich die Geschichte fortsetzte in einem Volksstamm, der im Wasser auf einem Küstenstreifen mit Korallenriffs lebte. Dieser Volksstamm nahm die Avataren auf, die von der menschlichen Rasse verfolgt wurden, deren Ziel die Ausbeutung und die Ausrottung war. Bei den Kampfszenen von Menschen gegen Avataren spielten diesmal Wale eine entscheidende Rolle: wie in der wahren Identität auf der Erde, wurden sie aus Profitgründen gejagt, dabei betrieben sie Rache an den Kriegsschiffen, die kombiniert zum Angriffskrieg und zum Walfang genutzt wurden. Mit ihrer Körpermasse stürzten sie sich auf Schiffe, die Flugzeugträgern ähnelten, und machten diese manövrierunfähig. Die Kampfszenen, davon viele unter Wasser, dominierten im letzten Drittel des Films. Schaut man auf den gesamten Film, baute dieser auf dem Ursprungsfilm auf. Neu war das Element des Wassers, dessen Weg des Wassers – so der Titel des Films – aus dem zerstörten Wrack des Flugzeugträgers hinaus führte. Dieser Weg führte auch für den Bösen aus der Menschenwelt aus dem Wasser an die Wasseroberfläche zurück, was auf eine Fortsetzung dieser Geschichte in einem weiteren Teil hindeutete. Dieser Film soll dann 2023 in die Kinos kommen.


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