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Tagebuch Januar 2020

1. Januar 2020

Jahr für Jahr hatte ich mich darin geübt, positiv in das neue Jahr hinein zu gehen. Voller Erwartungen hatte ich dem neuen Jahr entgegen gesehen. Ich hatte an die schönen Dinge gedacht, die wir im neuen Jahr erleben würden. Ich hatte diese Vision von Glück, Gesundheit, ganz viel Harmonie und was man sich sonst für das neue Jahr wünscht. Doch in diesem Jahr musste ich mich selbst dabei ertappen, dass der Pessimismus überwog. Das war weniger das private Umfeld, sondern die weltpolitische Lage. Glück und Gesundheit würden irgend wie eintreten, das Umbauvorhaben würde irgend wann den Gang seiner Dinge nehmen. Was mich zum Jahreswechsel prägte, waren allzu viele Interviews mit und Vorträge von Herfried Münkler, einem brillanten Politologen, der im Dunstkreis von Angela Merkel als Berater fungierte. Er redete vom Zerfall der Weltordnung, vom Ende des amerikanischen Zeitalters, vom Frieden innerhalb Europas, während die südöstliche Peripherie Europas die wahren Krisen- und Kriegsgebiete umfassten. Feinstaubdiskussion hin, Feinstaubdiskussion her, kurz nach Mitternacht trat ich nach draußen und schaute auf all die Böllerei, die mich in der Schönheit ihrer Energiepotenziale faszinierte. Bei uns war es das erste Mal seit sehr langer Zeit, dass wir keinerlei Silvesterraketen gekauft hatten. Nicht wegen der Feinstaubdiskussion, sondern weil wir so viel zu bewältigen hatten, dass das Silvesterfeuerwerk in seiner Priorität beim Einkaufen ganz nach unten gerutscht war. Was nach Mitternacht draußen krachte und böllerte, jagte dann all den Pessimismus der weltpolitischen Lage hinweg, wie sehr islamische Terroristen die Welt aus ihren Angeln heben wollten. All die Krisenherde vom Nahen Osten bis hin zum Iran und Irak verpufften. Größenwahnsinnige wie Racip Tapip Erdogan gingen in dem Geböllere unter, die leisen russischen Anflüge einer Weltenherrschaft erstickten. Der größte Narr der Welt, Donald Trump, verzettelte sich in all seinen Twitter-Botschaften. Die NATO, die die Weltenkugel im Kreuzfeuer von Böllern und Raketen von oben betrachtete, hielt still. Still und schweigsam waren ohnehin die Europäer, die so lange wie nie in ihrer jüngeren Vergangenheit in Frieden lebten und ausgelassen, Feinstaubdiskussion hin, Feinstaubdiskussion her, die Silvesternacht feiern konnten.

2. Januar 2020

Die Kritiken waren schlecht, und Freunde hatten uns wegen der schlechten Kritiken in der Presse und in den digitalen Medien davon abgeraten, uns den neuen Star Wars-Film im Kino anzuschauen. Wir taten es dennoch. So fuhren wir am Neujahrsnachmittag mit Sohn, Tochter und Schwager ins Siegburger Kino und als der Kinobildschirm das Intro mit der allseits bekannten Star Wars-Melodie einspielte, stiegen alle früheren Episoden und alle Darsteller der Star Wars-Familie in das Bewusstsein wieder hoch. Was für grandiose Kulissen ! Wüstenlandschaften, Steppe oder der Dschungel mit den darin herum schwirrenden Raumschiffen zogen uns sofort in unseren Bann, der Kampf von Jedi-Rittern gegen die dunkle Seite der Macht konnte wieder beginnen. Und zu unserer eigenen Überraschung erschien Prinzessin Leia nach ihrem Tod wieder auf der Bildflächen. Sorgsam wurde in dieser Episode IX ihr Tod inszeniert – und damit begann der Aufstieg von Luke Skywalker und seine Ernennung zum General. Die schlechten Kritiken konnte ich in keinster Weise nachvollziehen, denn die Dramaturgie war neu, ungewöhnlich und überraschend im Kampf gegen die dunkle Seite der Macht, die allen voran Palpatine verkörperte. Dabei erschauderte ich, wie ein menschliches Genie es vollbringen konnte, einen Weltenzerstörer als Waffe zu bauen. Ein überdimensionaler Feuerstrahl wurde auf die Welt geschleudert, er sog sich in die Weltenkugel hinein, bis sie ein einziger Feuerball war und in sich verglühte. Ein Horrorszenario, das ganz viele Kämpfer aus dem ganzen Universum mobilisierte. Die Konstellation, um Palpatine in einer Gemeinschaftsaktion zu vernichten, beeindruckte mich. Gut und Böse musste sich miteinander vereinigen, was im Endeffekt nicht gelang, aber der Versuch der Vereinigung eliminierte dann doch den Bösewicht und den die Weltzerstörung planenden Palpatine. Der neu ernannte General Skywalker hatte eine Strategie, die aufgegangen war. Der Star Wars-Film „Der Aufstieg Skywalkers“ überzeugte mich, weil die Machart und die Story genauso spannend war wie die vorherigen Star Wars-Filme.

3. Januar 2020

„Gruss aus Köln-Ehrenfeld“: die Malerei auf dem Bahndamm in Köln-Ehrenfeld mutet nostalgisch an, die Nachbildung einer auf die Wand gemalte Postkarte, die das alte Aussehen vor in der Zwischenkriegszeit heraus kehrt. Eine authentische Kombination von Alt und Neu: Fabriken aus Ziegelsteinen, von denen manche abgerissen sind, sind im Nachgang geprägt von Verkehr und Mobilität. Die Bebauung ist dicht in Innenstadtnähe, der Verkehr ist dicht und versucht sich zu entzerren über die Straßenbahn, Eisenbahn und öffentliche Verkehrsmittel. Ehrenfeld ist keinesfalls identitätslos, weil sich so manche alte Industriestrukturen erhalten haben. Ehrenfeld ist ein ständiges aufgewühltes multikulturelles Etwas, das so vieles miteinander vereinigt. Der Autoverkehr fließt, die Vergangenheit bewahrt sich. Ein Schmelztiegel vieler multikultureller Identitäten.

4. Januar 2020

Schaut man auf die Vorfahren der Kölner zurück, dann stößt man früher oder später – zwangsläufig und unvermeidlich – auf die Römer. Die Hauptstadt Niedergermaniens, Claudia Colonia Ara Agrippenensum, kurz CCAA genannt, besaß ihren Hafen am Rhein im heutigen Martinsviertel, das erst rund ein Jahrtausend später aufgeschüttet wurde. Zur Römerzeit war dem Hafen, der in einem Nebenarm des Rheins beheimatet war, eine Insel vorgelagert. Auf dieser Insel standen römische Lagerhäuser, und da genauso wie heute Diebe sich zu bereichern suchten, bewachten römische Soldaten die Lagerhäuser. Dies belegen Ausgrabungen von Archäologen, und genauso belegen römische Geschichtsschreiber wie Tacitus, dass die germanischen Volksstämme diesseits und jenseits des Rheins gerne eine blonde Haarpracht voller Locken trugen. So musste es eine logische Konsequenz der Geschichte sein, dass schwarz gelockte, gut aussehende römische Legionäre, die die Lagerhäuser bewachten, von blond gelockten Mädchen der germanischen Ubiern umschwärmt wurden. Dabei kam es zu dem, was man in Köln ein „Fisternöllsche“ nennt, also ein intimes Stelldichein. Diesen strammen Jungen oder dieses stramme Mädchen, welches bei dem Stelldichein heraus kam, haben Völkerkundler für sich entdeckt und ihm ein Denkmal gesetzt. Deren intensiven Recherchen zur Entstehung des Stammbaums der Kölner Ur-Ahnen haben ergeben, dass mit dieser Geburt der Stammbaum der Familie Schmitz in der römischen Kolonie CCAA begründet wurde. Beweise hierfür haben Grabungen unterhalb von Groß Sankt Martin geliefert, wo Archäologen Mauerreste von römischen Lagerhäusern gefunden haben. Da bewiesen ist, dass das Kölner Adelsgeschlecht „Schmitz“ von den Römern abstammt, hat man dieser Dynastie als festem Bestandteil der Kölner Stadtgeschichte ein stolz in die Höhe ragendes Denkmal gestiftet. Die Schmitz-Säule im Martinsviertel der Kölner Altstadt mißt 4,50 Meter, und im Beisammensein mit anderen Kölner Ur-Originalen stehen die Figuren von Tünnes un Schääl in direkter Nachbarschaft. Im Jahr der Errichtung, 1969, hatte an genau demselben Tag Neil Armstrong als erster Mensch den Mond betreten, das steht auf dem Sockel der Säule. Angeblich sollen auch in paar römische Steine der Lagergebäude in der Säule verbaut worden sein.

5. Januar 2020

Nein, sie wollten uns nicht hinein lassen. Der botanische Garten war in der tiefsten Winterszeit Sonntags Nachmittags geschlossen. Vom verschlossenen Nebeneingang an der Clemens-Augst-Straße hatte zunächst der geknickte Pfeil auf einem Hinweisschild auf den geöffneten Haupteingang am Zugang des Poppelsdorfer Schlosses verwiesen. Doch dieser Haupteingang am Ende der Poppelsdorfer Allee, der durch einen flachen Anbau mit einem Café hindurch führte, endete dann ebenso urplötzlich. Der Zugang zu dem Café war zwar geöffnet, aber nicht der Durchgang zum botanischen Garten. Mitten in der Winterszeit hatten wir ohnehin nichts Spektakuläres im botanischen Garten erwartet. Wenige blühende Wintersträucher, dann noch das Gewächshaus, die übrige Vegetation hätte sowieso im Winterschlaf vor sich her vegetiert. Ersatzweise wurde meine Neugierde durch das mineralogische Museum im Poppelsdorfer Schloss geweckt. Das Museum war klein, übersichtlich und überaus sehenswert. Gesteinsformen jeglicher Art waren dort zu sehen, wundervolle Kristalle, Edelsteine und Silikate, Gesteinsformen von Vulkanismus in Eifel und Siebengebirge, Erze jeglicher Art, ein Berg von Golderzen, aus denen am Ende 3 Gramm Gold gewonnen wurde. Die Vitrinen zählten auf, bei welchen seltenen Erden, die in selbstverständlichen Produkten wie Handys oder Katalysatoren enthalten waren, das Missverhältnis ähnlich frappierend war. Ich stutzte, als ich die Werte von Diamanten zusammenzählte, die zu D-Mark-Zeiten in sechsstelligen Beträgen gezahlt worden waren. Gewonnen wurden Diamanten wie so viele andere Metalle aus Erzen, wovon der größte in Südafrika geförderte Diamant ausgestellt war. Diesen Rohdiamanten hatte das englische Königshaus aufgekauft und daraus Diamanten für die britische Königskrone anfertigen lassen. Nicht die Königskrone, aber sieben Nachbildungen von Diamanten, die Teil der Krone geworden waren, konnten wir im mineralogischen Museum bestaunen.

6. Januar 2020

Nach dem Besuch des mineralogischen Museums suchten wir auf der Clemens-August-Straße in Poppelsdorf nach einem Café und wir wurden auch fündig. In direkter Nachbarschaft, nannte sich das Café stolz "Schloss-Café". Dem Sonntag-nachmittäglichen Bedürfnis nach einem Kaffee und einem leckeren Stück Kuchen entsprechend, war das Café sehr gut besucht, so dass wir nur mit Mühe zwei Plätze für uns fanden. Die Gespräche am Nachbartisch befassten sich mit der bedrohlichen weltpolitischen Lage. Der Tenor klang so, als seien die Schüsse auf den habsburgischen Thronfolger in Sarajewo gefallen und als wollten alle diesen einen Krieg. Einmal hinein stechen in das große Pulverfass im Nahen Osten, der große Krieg zwischen den Nationen, der alle Feindseligkeiten bereinigen würde, und solle wieder Frieden herrschen. Alle würden von dem großen Krieg profitieren, so der Konsens. Die Türken sollten die Kurden liquidieren, Syrien solle zur Hegemonialmacht werden, Russland solle seine Satellitenstaaten stützen. Der Iran solle mit seinen Raketen Israel angreifen. Der IS solle wiedererstarken und den Irak besetzen. Ein großes Gemetzel zwischen den Staaten, und Israel solle auf dasjenige Staatsgebiet zurecht gestutzt werden, was die arabischen Staaten nicht erobern würden. Staaten wie der Irak lebten seit nunmehr rund dreißig Jahren im Dauerkrieg – und dies solle ruhig so bleiben. Nur ein großer Krieg, wie etwa der Dreißigjährige Krieg in Europa, könne diesen Dauerzustand des Krieges beenden.

7. Januar 2020

Zu Beginn des Jahres, nachdem der Vormonat im letzten Jahr ein Monat voller Ereignisse war, legen nun die handelnden Ansprechpartner mit allerlei Papierkram los. Unser Ergänzungsbetreuer hat sich gemeldet, was den Stand der Dinge zur Erbauseinandersetzung betrifft. Parallel dazu hatten wir im Dezember einen Termin mit unserem Rechtsanwalt, dem wir ein Nachlassverzeichnis zukommen lassen wollten. Außerdem können wir der Sparda-Bank den Antrag auf das Hypothekendarlehen mit jede Masse Papier und Anlagen zukommen lassen. Dabei haben wir uns allerdings selbst das Leben schwer gemacht. Die Postbank hatte nämlich meine Frau angerufen, ob wir Beratungsbedarf hätten. Meine Frau hatte zugesagt und prompt einen Beratungstermin erhalten, um sich gezielt für ein Hypothekendarlehen als Alternativangebot beraten zu lassen. Es war so, wie es oft bei Banken ist, dass nämlich die Informationen gezielt so gefiltert und ausgeblendet werden, wie die Bank sie gerade braucht. Mit den Zahlungsreihen über mehrere Jahrzehnte und der Komplexität der Materie ist irgendeine Lesart immer möglich, dass das Angebot der einen Bank günstiger ist als dasjenige der anderen Bank. Die Postbank hatte für sich beansprucht, dass ihr Zinssatz günstiger sei als derjenige der Sparda Bank, weil die Zinsen in der Zwischenzeit wieder leicht gestiegen seien. Somit sei das Angebot der Postbank das bessere. Diese Information besaßen wir nicht. Bei der Durchsicht des Angebotes der Postbank stellte sich die Sachlage allerdings anders dar. Wir entdeckten monatliche Gebühren von 150 Euro, wodurch die monatliche Belastung ziemlich genau um diesen Betrag höher lag als bei der Sparda Bank. Dabei mussten wir bei der Postbank allerdings drei Positionen der Finanzierung zusammenzählen, wovon zwei Positionen die KfW beisteuerte. Bei der Sparda Bank stand die Gesamtbelastung hingegen in einem Betrag. Verwirrend waren die Informationen zum Zinssatz. Der Darlehensantrag nannte einen Zinssatz von 1% für ein Vorausdarlehen, im Internet standen allerdings 0,9% für ein Hypothekendarlehen. Der Zinssatz der Postbank lag genau dazwischen, nämlich bei 0,95%. Aber egal, ob 0,05% Differenz beim Zinssatz, die monatlichen Belastungen veränderten sich hierdurch lediglich um 15 €. Demzufolge lag der Effektivzinssatz bei der Postbank deutlich schlechter, nämlich bei 1,96%, während er bei der Sparda Bank bei 1,5% lag. Rasch legte ich das Angebot, das meine Frau von ihrem Beratungstermin mitgebracht hatte, beiseite. Im Endeffekt empfand ich die Beratung als reine Zeitverschwendung.

8. Januar 2020

Wie bei bestimmten Dingen, waren wir auf dem letzten Drücker unterwegs. So gerade hatten wir die Kurve gekriegt, für unsere Tochter einen Praktikumsplatz zu arrangieren. Monatelang hatte die Suche gestockt, sie war hin- und herzirkuliert zwischen uns und unserer Tochter, ohne dass die Suche vorangekommen war, obschon sie wusste, wo sie ein Praktikum machen wollte. Genauer genommen, nannten sich die drei Tage Ende Januar Berufsfelderkundungstage mit dem Kürzel BFE, wofür im September eine Potenzialanalyse durchgeführt worden war. Diese kryptischen Buchstaben hatten wir nun mit Leben ausgefüllt, als die Nachfrage im Kindergarten, welches der Wunsch unserer Tochter war, vergeblich war. Erfahrungsgemäß war die Nachfrage nach Praktikumsplätzen dort groß, und wir waren effektiv zu spät. Danach hatten meine Frau mit unserer Tochter im Behindertenwohnheim nachgefragt – mit Erfolg. Einen Tag musste sie noch hospitieren – das passte genau zu dem Montag als letztem Ferientag. Den Tag darauf unterschrieb der Wohnheimleiter das Rückmeldeformular, das in der Realschule abzugeben war. An diesem Tag war bereits der Abgabetermin für das Rückmeldeformular, der so gerade noch eingehalten werden konnte. Ansonsten verfügte die Realschule über ein Kontingent an Praktikumsplätzen. Dabei wäre es allerdings fraglich gewesen, ob dieser Praktikumsplatz den Wünschen unserer Tochter entsprochen hätte.

9. Januar 2020

Ich hasse diese Form von Papierkrieg und Bürokratie, dass die eine Hand nicht weiß, was die andere macht. Bürokraten sind so verhaftet in ihrem Silodenken, dass sie über ihren Bereich nicht hinaus denken wollen und so engstirnig sind, dass sie in ihrer eigenen Tätigkeit gefangen sind. So hatten wir dem Landschaftsverband Ende November 2019 gemeldet, dass der Schwager zum Jahresende im Behindertenwohnheim auszieht und im neuen Jahr vorübergehend bei uns wohnt. Gestern hat uns nun ein Schreiben des Landschaftsverbandes mit Datum vom 4. Dezember 2019 erreicht, das mehr als einen Monat gebraucht hat, bis es zu uns gelangt ist, in dem wir darauf hingewiesen werden, Leistungen nach dem Bundesteilhabegesetz beim Sozialamt zu beantragen. Beantragen sollen wir Leistungen zur Grundsicherung, da das Behindertenwohnheim Pflegeleistungen erbringt, die mit dem Landschaftsverband abgerechnet werden. Anscheinend ist die Information, dass wir den Wohnheimplatz des Schwagers gekündigt haben, innerhalb des Landschaftsverbandes nicht weiter kommuniziert worden, so dass die Urheber des Schreibens keine Kenntnis davon erlangt haben. Wir haben nunmehr unser Schreiben von Ende November kopiert und nochmals dem Landschaftsverband zukommen lassen. Zur Entschuldigung müssen wir allerdings auch anmerken, dass die Umstellungen nach dem Bundesteilhabegesetz zum 1. Januar 2020 gravierend sind, so dass die mit Abrechnungen und Verrechnungen befassten Kollegen beim Landschaftsverband jede Masse zu tun haben. Nicht viel anders laufen die Dinge im Behindertenwohnheim. Trotz der Kündigung zum Jahresende 2019 erhalten wir fleißig Unterlagen, die den Wohnheimplatz des Schwagers betreffen. So das dicke Paket eines Mietvertrags, der seine Gültigkeit im neuen Jahr hat. Im Behindertenwohnheim scheint man also auch nicht miteinander zu reden …

10. Januar 2020

Die alternde Gestalt eines John Cale, der auf einem Plakat vermittelt, dass der Alterungsprozess nicht mehr aufzuhalten ist. Die Umgebung der Plakatflächen ist genauso aufgekratzt wie die Musik von John Cale: manche Stücke sind mehr Klangsequenzen als Musik, keine wirkliche Melodie, ungewöhnliche Klangexperimente, bei denen sich Klangwelten aneinander reiben und Dissonanzen erzeugen. Auf unansehnlichen und aufgekratzten Bussteigen warten die Fahrgäste, auf Bussteigen, die nicht gerade ein Aushängeschild des öffentlichen Personennahverkehrs sind. Über Lionel Riche, der ebenso in die Jahre gekommen ist, aber noch mit jugendlich frischen Gesichtszügen, wirkt John Cale wie ein steinernes Denkmal, ergraut, erstarrt, unumstößlich. Ich zolle ihm seine Hochachtung, dass er mit seinen 77 Jahren noch auf Tournee geht. Ob sein Name groß ist, habe ich mich nie mit seiner Musik befasst, dessen unkonventionelle Klangwelten ein paar gute Stücke hervor gebracht haben, während der größte Teil seines Werkes dem Stil gängiger Musikrichtungen widerspricht. Nichts kann ihn dann auch in seinem Umfeld aufwerten, dazu sind die Rückwände der barackenähnlichen Gebäude an den Bussteigen zu schmuddelig. Nackter Beton zeigt sein häßliches Gesicht, die Kritzeleien an den Wänden sind ohne Sinnzusammenhänge, die Ankündigung eines altehrwürdigen Musikers auf Plakaten hätte besseres verdient.

11. Januar 2020

Der Freitag Abend hatte bis tief in die Nacht gedauert, denn mein Schwager war anstelle meiner Frau in die Karnevalssitzung in unserem Ort gegangen. Voller Begeisterung, wegen der fetzigen Büttenreden, der deftigen Witze, der schönen Gesangsvorstellungen und mitreißender Tänze, holte ich ihn ab, und das war weit nach Mitternacht gegen 1 Uhr. Da ich mir im Anschluss noch eine Flasche Wein genehmigte, schlief ich mitten in der Nacht auf der Couch in unserem Wohnzimmer ein und tat mich am darauf folgenden Morgen dementsprechend schwer mit dem Aufstehen. Erst gegen zehn Uhr frühstückten wir, so dass sich all unsere Tätigkeiten, Besorgungen, Erledigungen weit nach hinten schoben. Erst um die Mittagszeit fuhren wir wegen unserer Wocheneinkäufe nach real, wobei Tochter und Schwager mitkommen wollten. So kauften wir nicht nur ein, sondern wir aßen auch bei unserem bewährten vietnamesischen Imbiss, wo es uns stets sehr lecker schmeckte. Bei unseren Wocheneinkäufen hatten sich die Interessen unserer Tochter inzwischen dergestalt verschoben, dass sie in der Meyerschen Buchhandlung nach Mangas schauen wollte. Dass sie längere Zeit zwischen der großen Comic-Auswahl herum stöberte, war für mich sehr angenehm, da ich gleichsam gerne in der Bücherauswahl herum stöberte, mir Bücher aus den Regale heraus nahm, darin herum las und einen gewissen Überblick studierte, was für eine Bücherauswahl es für die mich interessierenden zeitgeschichtlichen Themen gab. Unser Abstecher in die Meyersche Buchhandlung hätte noch einiges länger dauern können, doch wir mussten wieder nach Hause zurück, um uns dort um unser Haus und unseren Haushalt zu kümmern.

12. Januar 2020

Wie sehr sich die Problematiken doch ähnelten, wenngleich bei uns die Masse an Hausrat, die wir unterzubringen hatten, ungleich größer sein dürfte. Mein Bruder war mit seiner Familie raus der Wohnung und umgezogen zu unserer Mutter, die sich mit ihrem Krankenbett wiederum eingerichtet hatte im Wohnzimmer. Vieles war in der Garage und auch im Keller verstaut worden, so dass im Wohnzimmer, Erdgeschoss, Küche und Flur alles tip-top und bestens und ordentlich aussah. Wir waren zum Geburtstag meiner Mutter, die letzten Donnerstag aus dem Krankenhaus entlassen worden war und davor, am Dienstag, ihren 84. Geburtstag gehabt hatte. Mein Bruder beschrieb den in verschiedenen Ecken verstauten Hausrat aus seiner Sicht. Jede Menge stand in der Garage herum, so dass kein Auto dort mehr Platz fand. Wobei aber umgekehrt das eine mit den anderen nichts zu tun hatte. Sein Auto musste ohnehin vor der Garage stehen, weil es sich um einen SUV handelte. Der SUV war so breit, dass die Breite des Garagentors nicht mehr darauf ausgelegt war. Mein Bruder hatte den Dachboden inspiziert und alte Bücher, Spiegel-Zeitschriften und Vinyl-Schallplatten entdeckt, die mir gehörten. Im alten Werkzeugkeller unseres verstorbenen Vaters war das Chaos riesig, was unser Vater angesammelt hatte. Mein Bruder meinte, dass es ihm schwerfalle nachzuhalten, den Hausrat weiter wiederzuverwerten, wenn er einmal im Haus stünde, was wir aus eigener Erfahrung kannten. Meine Frau meinte im nachhinein, dass mein Bruder kreidebleich aussah. Das mochte daran liegen, dass er - genauso wie wir – ebenso stark gestresst war. Im Haus waren ebenso die Handwerker tätig. Parkettboden war neu verlegt worden, das Badezimmer im Obergeschoss wurde komplett neu gemacht. Es war genauso wie im Haus des verstorbenen Schwiegervaters, dass der Boden sehr tief ausgestemmt wurde, da viele Leitungen im Boden lagen. Wir redeten über die Handwerker in unserem Hause, wobei wir festhielten, dass die Elektroinstallation neu gemacht worden war inklusive einer neuen Verteilung. Als wir über die Vinyl-Schallplatten auf dem Dachboden redeten, blieb es nicht aus, dass wir auf unsere musikalischen Vorlieben zu sprechen kamen. Das Saxon-Konzert in Düsseldorf war wegen Krankheit des Sängers verschoben worden. Iron Maiden spielte in diesem Jahr bei einem Open-Air-Konzert im Rhein-Energie-Stadion, doch da wollte mein Bruder nicht hin, weil man wegen der weiten Entfernung zur Bühne viel zu wenig sieht. Ich erzählte über das Ben Zucker-Konzert in der Kölner Lanxess-Arena, wo ich mit meinem Schwager genau die gegenteilige Erfahrung gemacht hatte. Die schlechten Plätze mit einer schlechten Sicht waren gesperrt, anstatt dessen bekamen wir super-schöne Plätze in der zwanzigsten oder dreißigsten Reihe direkt vor der Bühne. Wir stellten fest, dass unsere eigenen Kinder ihre eigenen Vorlieben für ihre Lieblingsmusik hatten. Bruder, Schwägerin und dessen Tochter waren auf dem Konzert von Mark Forster gewesen, darüber hinaus war das, was sie gerne hörte, vollkommen entrückt von unseren Musikgeschmäckern. Es fiel der Name „Billy Eilish“, woraufhin unsere Tochter aufhorchte und nickte. Diesen Namen, den ich bereits im Autoradio in EinsLive gehört hatte, hatte ich mir merken können, weil er ganz ähnlich klang wie „Billy Idol“, der mir bestens ein Begriff war. Unsere Nichte wäre gerne in ein Billy Eilish-Konzert gegangen, doch dies war völlig indiskutabel. Eine Karte kostete mehr als 200 Euro. Nach rund zwei Stunden Aufenthalt verließen wir meinen Bruder und meine Mutter samt familiären Anhang. Meine Mutter würde ihre Physiotherapie-Stunden erhalten, nachdem das Krankenhaus eine REHA abgelehnt hatte. Zum Krankenhaus merkte mein Bruder noch an, dass er fast nur ausländische Arzte angetroffen habe. Eine absurde Situation, wenn Ärztenachwuchs in Deutschland über den sehr strengen Numerus Clausus knapp gehalten würde. Zunächst froh und dann ernüchtert war mein Bruder, als ein Arzt namens Esser ihm als Ansprechpartner genannt worden war. Er hatte allerdings nicht genau hingehört, denn der Arzt hieß nicht „Esser“, sondern „Esra“ und stammte aus irgendeinem anderen Teil unserer Erde wie so viele andere Ärzte. Nach Hause zurück gekommen, schoben wir abends all den Papierkram von uns, den wir in großem Umfang abzuarbeiten hatten. Die Zeit drängte, den unterschriebenen Darlehensvertrag an die Sparda Bank zu schicken. Unserem eigenen Rechtsanwalt hatten wir ein paar Tage vorher wegen des Notarvertrages zur Erbauseinandersetzung angeschrieben, außerdem hatten wir Erbschaftssteuerkontrollmitteilungen bei der Raiffeisenbank nochmals angefordert. Des weiteren war ein längeres Schreiben in der Mache, in dem wir uns über die unzureichende Pflege und Betreuung des Schwagers im Behindertenwohnheim beschweren wollten.

13. Januar 2020

Es war die Rückkehr von einer unerwarteten Stippvisite in Freiburg. Dabei war etwas schief gelaufen bei der Abschlussfeier unserer Tochter, als sie in der Freiburger Universität ihr Abschlusszeugnis überreicht bekam. Zu dieser Abschlussfeier wollte sie ihren Freund mitnehmen, während sie uns darüber nur am Rande erzählt hatte. Es war etwas schief gelaufen, weil der Schichtdienst ihres Freundes so fiel, dass er nicht dabei sein konnte, und ein Tausch seiner Schicht war nicht möglich. Zuerst fragte unsere Tochter uns, ob wir für die Abschlussfeier am Freitag um 16 Uhr dabei sein wollten, dabei signalisierte unser Sohn Interesse. So bekamen wir am Donnerstag spontan organisiert, dass unser Sohn über das Mitfahrportal BlaBla am Freitag eine Mitfahrgelegenheit nach Freiburg hatte. So nahm er an der Abschlussfeier in Freiburg teil, und am Wochenende schaute er sich gemeinsam mit unserer Tochter Freiburg an. Am Montag ging es dann mit dem Eurocity zurück von Freiburg nach Bonn. Um 18.44 Uhr fuhr der Zug pünktlich am Bonner Hauptbahnhof ein.

14. Januar 2020

Als ich die Tafel in der Teeküche unseres Großraumbüros näher betrachtete, war ich sogleich entsetzt, als ich den allerersten Kasten las. „Ohne mein Smartphone kann ich nicht arbeiten“, diese Aussage traf ganz und gar nicht auf mich zu. Smartphones sind zwar wahre Wunderwerke der Technik. Außer zum Telefonieren oder zum Schreiben von SMSn nutze ich sie gelegentlich, um ins Internet zu gelangen. Genial sind Smartphones, um Youtube-Videos entweder auf dem Fernseher zu schauen oder, wenn ich Musik über Youtube höre, diese über den Kopfhörer zu hören. Ansonsten muss ich mich mit meinem Smartphone zurechtfinden, dass all die Funktionalitäten so wollen, wie ich es will. Der Einfachheit halb behaupte ich, dass ich gerade 10% des technischen Schnickschnacks meines Smartphone benutze. Der Rest ist mir fremd, zu umständlich, um mich damit zurecht zu finden. Oder ich bin in meinem Alter schlichtweg zu dumm dazu. Den ganzen Büroalltag über mein Smartphone abzuwickeln, das liegt daher außerhalb meines Vorstellungsvermögens. Nur mit dem Smartphone arbeiten ? Ohne Laptop ? Alles unterwegs ? Von überall aus ? Unterwegs ja, flexibel ja, aber ohne Smartphone bitte. Was ich an Apps habe, geht gegen Null. Mit den Jahren bin ich skeptisch gegenüber der Technik geworden. Ein bißchen analog muss sein. Es kann nicht sein, dass man alles über Bord wirft und mit seinem ganzen menschlichen Wesen auf eine andere technische Plattform überschwenkt.

15. Januar 2020

Wie wahr doch dieser Spruch ist. Entschleunigen, den Stecker ziehen oder die Seele baumeln lassen, so würde ich es formulieren. Einfach offline gehen, dazu fordert das Schild vor dem Kreuzgang der Münsterkirche auf. Der mittelalterliche Kreuzgang als Ruhepunkt in unserem viel zu schnelllebigen, ruhelosen und viel zu geschäftigen Alltag. Gezielt setze ich im Büroalltag solche Ruhepunkte, um vom entfremdeten Charakter der Arbeit mit all seiner Umtriebigkeit wieder zurück zu mir selber zu finden. Es muss nicht der Kreuzgang sein, oft sind es Cafés, wo bei einer Tasse Kaffee die anders geartete Umgebung lockert und entspannt. Die Gedanken lernen, von Themen loszulassen und sich frei zu entwickeln. Geist und Verstand sammeln sich, schöpfen neue Kraft und sind bereit, wieder eingeschaltet zu werden. Bereit für neue Taten. Aus Offline wird dann wieder Online.

16. Januar 2020

Berge von Post aus dem Briefkasten hatten sich heute auf unserem Tisch in der Essecke angesammelt. Das meiste waren Kontoauszüge von der Bank, es war aber auch ein wegweisendes Dokument dabei, dass sogleich als Postzustellungsauftrag im Briefkasten gelandet war. Die Post war von Landschaftsverband, der eine (relativ gesehen niedrige) Summe einforderte für die Unterbringung des Schwagers im Behindertenwohnheim bis zum Jahresende. Heftig stieß uns allerdings auf, dass er im Notarvertrag über die Erbauseinandersetzung eine Pfändungserklärung im Grundbuch hinterlegt haben wollte. Entscheidende Dinge hatten sich ebenso außerhalb des Posteingangs getan. Die Bank hatte die Erbschaftssteuerkontrollmitteilung ausgehändigt, die wir für die Erbauseinandersetzung benötigten, bei den weiteren Banken sollten diese obsolet sein, da der Gesetzgeber diese nur ab Beträgen oberhalb 5.000 Euro als erforderlich betrachtet. Dann hatte meine Frau einen Anruf mit der Sparda Bank wegen des Hypothekendarlehens geführt. In der nächsten Woche werden die Hypothekenzinsen ansteigen, und wenn wir die Anträge noch in dieser Woche unterschreiben, werden die niedrigeren Zinssätze zugrunde gelegt. Es kommt Bewegung in die Sache. Am späten Nachmittag hatte meine Frau einen Anruf von der Lebenshilfe erhalten, die sie auf eine potenzielle Vermietung des Hauses des verstorbenen Schwiegervaters angesprochen hatte. Mit der Dame von der Lebenshilfe hatte sie einen Termin für eine Hausbesichtigung gemacht. Der nächste Knackpunkt dürfte sein, die Zustimmung des Ergänzungsbetreuers für den Notarvertrag in der Form, wie wir ihn wünschen, zu erlangen.

17. Januar 2020

Was für ein Kraftakt. Das Zahlenwerk in einem stinknormalen Bescheid unserer Stadtverwaltung zu ändern, gleicht einem Versuch, einen Öltanker um 180 Grad zu wenden und eine andere Richtung zu geben. Ein Koloss muss bewegt werden, der schwerfällige Staatsapparat muss in die gewünschte Richtung gebracht werden, das komplexe Räderwerk der Gesetzgebung muss in Gang gesetzt werden. So wie bei vielen anderen Dienstleistungen der Stadtverwaltung, werden die Dinge von höchster Ebene geregelt. Kaum etwas hat sie selbst zu entscheiden, wenn sie lediglich ausführendes Organ der Belange des Staates ist, der die Dinge bis in allen Kleinkram hinein vorschreibt. Der Bürgerwille hatte sich geregt, als die ungerechte Besteuerung bei der Grundsteuer vor dem Bundesverfassungsgericht eingeklagt wurde. Die Einheitswerte der Immobilien waren von Anno-dazumal, mithin veraltet, wodurch die Bewertungsgrundlagen komplett schief lagen. Der Bürger wollte Gerechtigkeit, was das Bundesverfassungsgericht bestätigte. Die Maschinerie der Gesetzgebung muss nun in Gang gesetzt werden, da der Gesetzgeber das Gesetz zur Erhebung der Grundsteuer ändern muss. Alleine dies ist bereits eine Wahnsinns-Prozedur. Der zuständige Ausschuss muss einen geänderten Gesetzesvorschlag erarbeiten, und dem geänderten Gesetzeswerk müssen Bundestag und Bundesrat zustimmen. Dafür benötigt das neue Gesetz Mehrheiten. Um die Handlungsfähigkeit der Kommunen sicherzustellen, tut sich die Demokratie mit dieser Schwerfälligkeit keinen Gefallen. Es kommt aber noch dicker. Die Grundsteuer soll ausgeweitet werden auf baureife Grundstücke. Dieser Tatbestand ist neu und greift in die Eigentumsrechte des Grundgesetzes ein. Dazu musste mit einer Zweidrittelmehrheit des Bundestages das Grundgesetz geändert werden. Dies ist nun geschehen, und der kompletten Neuregelung der Grundsteuer steht nun nichts mehr im Wege. Als wir den Grundsteuerbescheid für dieses Jahr erhielten, hatten wir mit allen möglichen Szenarien gerechnet, vor allem mit einer Erhöhung der Grundsteuer. Aber nichts von alledem. Der Steuerbetrag der Grundsteuer hatte sich nicht geändert, weil der Gesetzgeber vor der Komplexität der Materie kapituliert hatte. Sämtliche Immobilien in unserer Republik neu zu bewerten und darüber hinaus baureife Grundstücke zu erfassen, das wird eine wahre Herkules-Aufgabe sein, womit sich ganz viele Beschäftigte in Ministerien und anderswo befassen werden. Wahrscheinlich werden dadurch auch große Scharen von Beratern reich werden. Ein in sich erstarrtes System muss aufgerissen werden und sich flexibel, an den Marktpreisen, orientieren. Da klingt es logisch, dass der Gesetzgeber eine Frist in sein Gesetz eingebaut hat. In diesem Jahr tut sich nichts, so dass alles beim alten bleibt. Erst 2022 soll diese Herkules-Aufgabe gestemmt worden sein und Bescheide der Grundsteuer ergehen, in die realistische Marktpreise für Immobilien und keine veralteten Mondpreise einfließen.

18. Januar 2020

In etwas mehr als 14 Tagen hatte sich Besuch angekündigt, der in keinem totalen Chaos statt finden sollte. Einmal jährlich führt die Krankenkasse Pflegeberatungen durch, was in unserem Fall das Pflegegeld für den Schwager betrifft. Jemand von der Krankenkasse wird uns dann zu Hause aufsuchen und ein solches Gespräch durchführen. So war denn ein großer Hausputz angesagt, so dass wir uns bemühten, alle Ecken wieder fein sauber zu bekommen. Stockwerk für Stockwerk und Zimmer für Zimmer beackerten wir, und mit dem Wischaufsatz für den Vorwerk-Staubsauger, womit ich überhaupt nicht klarkomme, bearbeitete meine Frau die Böden. Ich kümmerte mich derweil um die Badezimmer und suchte alles so sauber zu wischen, dass die Bäder wieder in einem vorzeigbaren Zustand waren.

19. Januar 2020

Was wir uns ansehen wollten, war gar nicht zu sehen, weil ich auf eine weitere Recherche verzichtet hatte. Mein Schwager hatte von der Lindenstraße im Haus der Geschichte gesprochen, und so waren wir Sonntags Nachmittags auf und davon in das Haus der Geschichte. Die Lindenstraße war dort nur zu sehen in der Dauerausstellung in Form von kurz eingeblendeten Szenen beliebter Fernsehserien, die Mitte der 1970er Jahre begannen. Das Flashlight verflog unversehens, während der Schwager sich erdrückt fühlte von all den Exponaten und Dokumenten der deutschen Nachkriegsgeschichte, so dass er nichts damit anzufangen wusste. Bevor wir Kaffee und Kuchen im Museumscafé verspeisten, schleppte ich ihn noch mit in die Sonderausstellung „very british“. Im Schnelldurchlauf bugsierten wir uns durch die interessante Ausstellung, an dessen Ende ich dann doch inne hielt. Zunächst ging es um die Beatles, und dann um die Rolling Stones. Nicht alle Stücke der Rolling Stones vermochten mich zu begeistern, aber eine größere Auswahl. Begeistern konnte mich ebenso die ausgestellte Gitarre, die wohl nicht von den Stones stammte, aber von ihnen signiert war. Für ein Open-Air-Konzert hatten sie einen Piloten engagiert, der Filmaufnahmen aus der Luft machte. Anstelle eines Honorars hatten die Stones vorgeschlagen, ihm eine Gitarre zu signieren, was der Pilot dankend angenommen hatte.

20. Januar 2020

Unversehens und unverhofft waren wir in der LVR-Landesklinik am Kaiser-Karl-Ring gelandet. Die Größe des Geländes war nicht ganz so groß wie an der Uni-Klinik, aber groß genug, dass ich mich zu Fuß verlaufen konnte. Genau den Bach entlang musste ich spazieren, zum Haus 12, mit Blick auf Rasen des Fußballstadions des Bonner SC, wo mich der Rest der Familie erwartete. Geschlagene drei Stunden mussten wir auf die Ärztin warten, was den Rahmen jeglichen Zeitmanagements sprengte. Uns die Zeit totzuschlagen im Wartebereich hinter der Eingangstüre, wurde dadurch erschwert, dass bald ein autistisch veranlagter Jugendlicher vom Rettungswagen eingeliefert wurde. Während die drei Sanitäter verschwanden, fiel das Wort „Autist“. Anfangs zog ich meinen Richard David Precht mit seinem dritten Band der Geschichte der Philosophie aus meinem Rucksack und war froh, dass sich ein ungeahnter Freiraum zum Lesen öffnete. Doch als ich die letzten dreißig Seiten zu Ende gelesen hatte, ahnte ich, dass ein sich endlos dehnender Zeitraum vor uns lag. Außer Richard David Precht hatte ich nur noch bereits ausgelesenen Tippeltouren entlang der Ahr im Gepäck, wozu ich keine Lust verspürte, diese nochmals zu lesen. Die merkwürdigen Geräusche des Autisten, dessen Begleitperson – war es sein Vater ? – unbeteiligt und regungslos am Tisch saß, hatten längst unsere Aufmerksamkeit erregt. Der Autist, ein molliger Jugendlicher, noch nicht ganz 18 Jahre alt, vergrub seinen Kopf in seinem Kapuzenshirt und hatte seinen Schädel auf seine Arme auf der Tischplatte gestützt. In dieser Stellung brabbelte er merkwürdige Laute aus sich heraus. Harte, stoßweise geformte Töne ergaben keine Wörter. Abends diskutierten wir, dass er uns im Grunde genommen Leid getan hatte. Er stapfte mit den Füßen, stand auf und ging den Eingangsbereich auf und ab. Später wurde er, am Tisch sitzend, lauter. Er brüllte Wörter vor sich hin, die wir nicht verstanden und möglicherweise einer osteuropäischen Sprache zuzuordnen waren. Ob sie einen Sinn ergaben, entzog sich somit unserer Kenntnis. Er schrie den Wartebereich zusammen, und auch dabei regte sich die Begleitperson nicht und ließ alles über sich ergehen. Anschließend biß er sich in seine Hand, die am Zeigefinger dick angeschwollen war. Er zog sein Kapuzenshirt hoch und entblößte dabei seinen Oberkörper. Er biß in das Kapuzenshirt hinein und zog es wieder herunter. Uns war ein Rätsel, wie seine Familie tagaus, tagein mit ihm zusammen leben konnte. Und er tat uns unendlich Leid.

21. Januar 2020

In diesem Winter ist man froh, wenn wenigstens ein Hauch von Winter über die Natur gestrichen ist. An Schnee wagt niemand zu denken, und knackig kalte Nächte sind ebenso ausgeblieben. An Frühlingstemperaturen im Januar werde ich mich nie gewöhnen können, und Frühlingsgefühle werden bei mir erst in den Monaten des Frühjahrs aufkommen, das ist frühestens ab März. So wandelt sich schlagartig meine Stimmungslage, dass der Winter es dennoch geschafft hat, ein wenig sein Gesicht zu zeigen. In der Nacht hatte es gefroren, und die Autos waren mit einer dicken Schicht von Reif bedeckt. In der frostklaren Luft war der Atem leichter. Bei den zur Jahreszeit passenden Temperaturen kamen Körper und Geist in Schwung. Obschon kein Schnee lag, prickelten bei der Fahrt im Zug die Elemente des Winters vor sich hin. Rauhreif, der neben Autos die Natur eingehüllt hatte, zeigte mit seinen Eiskristallen die Facetten des Winters. So weiß wie die Natur in der Gestalt des Rauhreifes aussah, brauchte ich nur noch wenig Fantasie, um mir eine Winterlandschaft voller Schnee vorzustellen.

22. Januar 2020

Aachen, die erste von den Nationalsozialisten befreite deutsche Großstadt. Genau neun Tage dauerte die Eroberung durch die Alliierten Truppen, die in der Schlacht um Aachen am 12. Oktober 1944 begann und am 21. Oktober 1944 endete. Nachdem die Alliierten am 12. September 1944 die deutsche Grenze überschritten hatten, hatten sie strategische Vorarbeit geleistet, indem die Truppen Stellungen rund um Aachen erobert hatten und die Stadt eingekreist hatten. Nach der Umzingelung unterbreiteten sie am 10. Oktober 1944 ein Kapitulationsangebot, welches der deutsche Kommandant von Aachen, Gerhard Wilck, allerdings ablehnte. Der Forderung des Führers, bis zum letzten Mann zu kämpfen, konnte er sich aber nicht widersetzen. Obschon die militärische Lage vollkommen aussichtslos war, durfte dem Gemetzel des Krieges kein vorzeitiges Ende bereitet werden. In diesen neun Tagen der Schlacht wurde die Stadt ausgiebig bombardiert, in Häuserkämpfen wurden Nester von Widerstandkämpfern durchkämmt, bis am 19. Oktober 1944 die Allierten Soldaten in einem Sturmangriff bis zur deutschen Kommandozentrale am Fuße des Lousbergs vordrangen. Wie der Sohn des amerikanischen Kommandanten, Lieutenant Corley, bei einem Besuch der Stadt Aachen mehr als 50 Jahre später erzählte, bedurfte es einer Flasche Whisky, damit der Aachener Stadtkommandant, Gerhard Wilck, am 21. Oktober 1944, die Weisung zur Kapitulation unterschrieb. Die beiden setzten sich bei einer Flasche Whisky zusammen, doch zunächst lehnte der deutsche Befehlshaber ab. Erst beim dritten Glas Whisky wurde Gerhard Wilck gefügig, er stimmte zu und unterschrieb. Dabei lobte er den wirklich ausgezeichneten Whisky seines amerikanischen Gegenübers.

23. Januar 2020

Besuch im Aachener Museum Charlemagne. Dort dreht sich nicht nur alles um Karl den Großen, sondern auch um seine Nachfolgeherrscher. Mit Beinamen, worüber man bisweilen schmunzelt, hat die Nachwelt seine Kinder, Enkelkinder und deren Kinder geschmückt, die zu Königen und Kaisern gekrönt worden sind. Der Wunsch Karls des Großen, sein großeuropäisches Reich in seiner Einheit zu erhalten und an seinen Sohn Ludwig zu vererben, wurde drei Jahre nach seinem Tod obsolet. Das Museum zeigt die Reproduktionen zweier Buchmalereien, die Originale entstanden in den Jahren 831 und 842 im Kloster Fulda und in Rom. Sein Sohn Ludwig auf der einen Buchmalerei, an den er sein Reich vererbte, trug den Beinamen „der Fromme“. Den Machtkampf mit seinen Kindern wiederum hielt er nicht stand, so dass das großeuropäische Reich 817 zwischen den Enkeln Karls des Großen, Lothar I., Ludwig dem Deutschen und Karl dem Kahlen aufgeteilt wurde. Lothar I. ist die zweite Buchmalerei im Museum. Mit den Beinamen der beiden anderen Herrscher ist es dann wieder so eine Sache. „Kahl“ hat nichts mit der Frisur oder dem Haarausfall von Karl dem „Kahlen“ zu tun, sondern mit dem Besitzstand, der „kahl“ im Sinne von „landlos“ oder „besitzlos“ war. Dementsprechend wurde er bei der Reichsaufteilung weniger berücksichtigt. „Deutsch“ wurde sein Bruder Ludwig erst viele Jahrhunderte später. Im 18. Jahrhundert waren es die bayrischen Könige, die sich darauf besannen, dass Ludwig wesentliche Eroberungen gelang. Ludwig wurde deutsch, weil diese Eroberungen die Kerngebiete des deutschen Staatsgebietes betrafen. Die Beinamen von Herrschern trieben bisweilen erstaunliche Blüten. Herrscher waren dick, so Karl der „Dicke“, sie waren zänkisch, so Heinrich der „Zänker“, oder sie betraten als Kind den Thron, so Ludwig das „Kind“. Die Herrscher haben gestammelt oder sie waren blind, so dass die Beinamen „der Stammler“ oder „der Blinde“ entstanden. Einstweilen ist die Reproduktion des sehr alten Originals aus dem Jahr 831 von Ludwig dem „Frommen“ in dem Aachener Museum zu sehen.

24. Januar 2020

Elftausendvierhundertfünfundvierzig Euro – ein außergewöhnlich hoher Betrag, der mit dieser Überweisung bewegt wurde. Schon das Ausfüllen der Überweisung flößte Ehrfurcht ein. War in der Ziffernfolge der IBAN kein Übertragungsfehler drin ? War die Ziffernfolge und der Rechnungsbetrag so sauber geschrieben, dass alles klar und deutlich lesbar war ? Was wäre, wenn der Rechnungsbetrag beim Empfänger doch nicht ankäme ? All die Fragen gingen beim Bewegen des Kugelschreibers durch den Kopf, es war kein Routinevorgang, der in aller Schnelle abgehakt wurde. Hatte ich jemals für solch einen hohen Betrag eine Kontobewegung getätigt ? Selbst der Kaufbetrag unseres Gebrauchtwagens vor drei Jahren war vier- und nicht fünfstellig gewesen. Zu überweisen war die Rechnung für meinen Zahnarzt, der mir mit der teleskopierenden Brücke weitergeholfen hatte, wieder normal zubeißen zu können und so gut wie alles wieder essen zu können. Teurer und kostbarer Zahnersatz, der sich auf elftausendvierhundertfünfundvierzig Euro belief. Voller Respekt händigte ich die Überweisung am Schalter meiner Hausbank aus, ich erwartete skeptische und prüfende Blicke der Bankmitarbeiterin, obschon das Geld auf dem Konto war. Als sie den Ausweis geprüft und die Überweisung entgegengenommen hatte, versicherte sie mir, dass alles gut und in Ordnung war. Beruhigt würde ich abwarten, bis ich die Belastung in dieser enormen Größenordnung in Online-Banking sehen würde.

25. Januar 2020

Besuch bei unserer Tochter in Freiburg – diesmal Fahrt mit der Bahn. Auf der Hinfahrt hatte der ICE vierzig Minuten Verspätung, die Rückfahrt war pünktlich. Ein lohnenswertes Experiment, denn die Fahrt vom Bahnhof Siegburg war mit zwei Stunden fünfzig Minuten deutlich kürzer als mit dem Auto, selbst wenn man die Anfahrt zum Bahnhof Siegburg dazu zählt. Nicht selbst – und das in der Dunkelheit – am Steuer über die Autobahnen A61 und A5 sitzen zu müssen, war mehr als erholsam. Wie bei anderen Aufenthalten, hatte uns der Charme dieser Stadt in ihren Bann gezogen. Nachdem wir einen Koffer mit Geschirr bei unserer Tochter abgelegt hatten, marschierte unsere Gruppe durch die Bahnunterführung am Hauptbahnhof und am Colombi-Schlössle vorbei geradewegs in die Innenstadt. Unser Ziel war zunächst der Wochenmarkt, wo ich eine Flasche Grauburgunder und den original Schwarzwälder Schinken kaufte. Als wir hungrig wurden, diskutierten wir über die Auswahl des Restaurants. Inder oder Brauhaus, das war die Frage, und die Mehrheit entschied sich für das Brauhaus. Da mit der Bahn unterwegs, konnte ich das Brauhausbier probieren, dabei begeisterte mich das Red Ale-Bier aus der Karte der Craft-Biere. Das Essen war sehr lecker, und wir aßen einen Bratwurstteller, Wiener Schnitzel, Medaillons, Knöpfle und Maultaschensuppe. Der Brauhauskeller war allerdings rappelvoll, so dass es dementsprechend laut war, was auch am Fußball-Bundesligaspiel des SC Freiburg lag. Fußballfans des Gegners SC Paderborn bevölkerten die Nachbartische mit ihren blauen Trikots, und der Anpfiff des Bundesligaspiels lag noch zu weit weg, dass es ruhiger und besinnlicher würde in dieser ansonsten schönen Lokalität. Nachdem wir das Lokal verließen und der Hunger gestillt war, stürzten sich die Damen in die Modeläden. Etwas Geduld war gefragt beim Bummel bei Orsay, bis die passenden Pullover gefunden waren. Im gegenüber liegenden Geschäft hätten mein Schwager und ich Rucksäcke gut gebrauchen können, da unsere eigenen Rucksäcke verschlissen waren, doch wir verzichteten auf eine weitere Inaugenscheinnahme der im Preis reduzierten Rucksäcke. Bei Kaufhof schauten wir nach Bettwäsche, danach stöberten wir längere Zeit in der Buchhandlung Rombach auf der Bertholdstraße, wo die Verkäuferin bei unserer kleinen Tochter genau hinschaute. Sie hatte sich ein paar Manga-Comics von Attack on Titan ausgesucht, doch die Literatur war erst ab 16 freigegeben, so dass die Verkäuferin den Verkauf an unsere 14-jährige Tochter verweigerte. In Anschluss wussten wir nicht genau, wie wir unseren Bummel fortsetzen sollten, und da wir zufälligerweise an einem Café Schmidt vorbeikamen, dass ich wegen seiner Schwarzwälder Kirsch-Torte in dem Buch „111 Orte in Freiburg, die man gesehen haben muss“ entdeckt hatte, legten wir dort eine weitere Pause ein. Wir tranken Kaffee, Kakao und Mineralwasser, und unsere kleine Tochter und ich waren die einzigen, die ein Stück Kuchen aßen. Dabei war die zufällige Auswahl des Cafés nicht einmal so glücklich, weil mein Schwager Probleme mit dem engen gebogenen Treppenaufgang hatte. Mit meiner Frau war er bereits ein Jahr zuvor in dem Café gewesen und hatte kein sonderliches Interesse für das Café bekundet. Nicht ganz ziellos, hin und her, kreuz und quer, trotteten wir anschließend durch die Innenstadt. Es ging durch Seitenstraßen, die mich stets reizten und all die Mühe und all den Aufwand zeigten, wie die Freiburger ihre im November 1944 fast komplett zerstörte Innenstadt mit viel Liebe zum Detail wieder aufgebaut hatten. Trotz des Misserfolges in der Buchhandlung Rombach zog es unsere kleine Tochter in die nächste Buchhandlung, das war Thalia auf der Kaiser-Joseph-Straße. Ich nutzte dieses neue Ziel, um in zeitgeschichtlicher Literatur herum zu schmökern. Das Buch „Wendezeit“ von Kristina Spohr, das ich derzeit las, war exzellent geschrieben. Es befasste sich aber nur mit dem Zeitraum von 1989 bis 1992, während es die Gegenwartsepoche danach ausließ. Ich schmökerte herum in dem letzten dicken Wälzer von Heinrich August Winkler „Die Werte des Westens“, doch die Inhalte waren einigermaßen deckungsgleich zu dem Buch „Achterbahn“ von Ian Kershaw, das ich regelrecht verschlungen hatte. Weder ich noch unsere Tochter wurden fündig, und so schoben wir uns in den Karstadt hinein, wo wir abermals nach Bettwäsche umschauten. Wir fanden Bettwäsche für unsere große Tochter, die auch stark reduziert war im Preis. Weitere Einkäufe folgten im Untergeschoss bei REWE, wo ich die Ruhephase dazu nutzte, um auf meinem Smartphone die Stände in der Fußball-Bundesliga zu studieren. Ich staunte nicht schlecht, dass der Tabellenletzte Paderborn 2:0 in Freiburg führte, das war sicherlich eine Überraschung. Erst spät, sehr spät, fiel mir auf, dass das Chaos von Baustellen verschwunden war, als wir uns auf dem Weg zurück zur WG unserer Tochter befanden. Und noch überraschter war ich, dass in diesem Jahr, im Jahr 2020, das große Stadtjubiläum von Freiburg stattfand. Die Ankündigung dieses Großevents, der Verleihung der Marktrechte durch den Zähringerherzog Konrad vor 900 Jahren, war in unserem Freiburgurlaub vor zwei Jahren nicht zu übersehen. Das Baustellenchaos von damals war katastrophal gewesen, überall war die Straße aufgerissen, und nun war die Innenstadt wie geleckt, die Bauzäune waren komplett verschwunden. Für das Jubiläum war alles schön und sauber heraus geputzt, und im Gegensatz zu Bonn mit seinem Beethovenjahr, wo Pylone und klotzige Schautafeln das Stadtbild verunstalteten, war mir die weniger aufdringliche Form der Werbung sehr passabel. Am Rotteckring, wo die Schaufenster der Volkshochschule mit Plakaten zum Stadtjubiläum zugehangen waren, schritten wir über eine Parallelstraße zur Bundesstraße zur WG-Wohnung unserer Tochter zurück. Die vier Stockwerke des Mietshauses hoch gekrochen, konnten wir uns der Einkaufstüten entledigen und diejenigen Sachen umpacken, die wir auf der Rückfahrt mitnehmen wollten. Am Freiburger Hauptbahnhof mussten wir eine gewisse Wartezeit in Kauf nehmen, weil wir überpünktlich am Bahnhof waren. Auf der Rückfahrt störten die nach dem 2:0 Auswärtssieg bestgelaunten Fußballfans des SC Paderborn nicht, weil sie weit genug weg im Nachbarwaggon saßen. Sie stießen Siegeshymnen hinaus und waren damit beschäftigt, einen ganzen Kasten Bier leer zu trinken. Ohne Stress auf der Autobahn rauschte die Bahnfahrt im Hochgeschwindigkeitstempo über die Dunkelheit hinweg nach Hause zum Bahnhof Siegburg.

26. Januar 2020

Wie die Überschätzung der eigenen militärischen Stärke die Zähringerstadt Freiburg mehr als 450 Jahre lang an das Herrschaftshaus Habsburg übergab. Verbündet mit den Herzögen aus Neuenburg am Rhein, Basel und Bern planten die Freiburger die Eroberung von Endingen am Kaiserstuhl, doch die Belagerung platzte bereits. Habsburgische Truppen kamen zur Entsetzung zur Hilfe und schlugen vernichtend das Gemengelage aus Neuenburgern, Baselern, Bernern und Freiburger Soldaten. Daraufhin wollten die Habsburger mehr, nämlich die Eroberung Freiburgs. Dies misslang freilich, weil die Festungsmauern zu stark waren und ausreichend Soldaten zur Verteidigung vorhanden waren. Die Habsburger verpassten den Freiburgern allerdings einen Denkzettel, der die Geschicke der Stadt entscheidend in andere Hände legen sollte. In einem Vertrag, der 1368 mit den Habsburger Herzögen Albrecht III. und Leopold III. geschlossen wurde, verlor Freiburg seinen Status als freie Reichsstadt und musste sich mit Herzögen aus dem Herrschaftshaus Habsburg verbünden. Das Herrschaftshaus Habsburg hatte seinen Machtbereich bereits über weite Teile Süddeutschlands, Bayerns, Österreichs, Mährens, Böhmens bis nach Osteuropa hinein ausgedehnt. In den 450 Jahren habsburgischer Herrschaft lag Freiburg weit genug entfernt von österreichischen Kerngebiet der Habsburger, so dass an der Peripherie gewisse Freiheiten erhalten blieben. Die Stadtrechte galten fort, die Stadtherren durften ihre Privilegien behalten, der habsburgische Reichsverweser erlaubte eine eigenständige Verwaltung. Man konnte das Verhältnis zwischen Freiburgern und Habsburgern geradezu als harmonisch bezeichnen, was auch für die aus dem Herrscherhaus der Habsburger gekrönten römisch-deutschen Kaiser galt. Mit den Markt- und Zolleinnahmen war der wirtschaftliche Aufschwung enorm, und als Außenposten gegenüber Frankreich hatte Freiburg eine hohe strategische Bedeutung. Bereits bevor 1530 das Kaufhaus am Marktplatz gegenüber der Münsterkirche vollendet wurde, statteten mehrere römisch-deutsche Kaiser aus der Habsburgerdynastie der Stadt Freiburg Besuche ab. In der Erbfolge der Habsburger waren dies Kaiser Maximilian I., sein Sohn Philipp der Schöne – der im Alter von 27 Jahren verstarb und nicht die Kaiserkrone erhielt - sowie dessen Söhne, die römischen-deutschen Kaiser Karl V. und Ferdinand I. All die Skulpturen diese vier Habsburger Könige und Kaiser thronen unter einem Baldachin an der Fassade des Kaufhauses auf dem Freiburger Marktplatz. Erst 1805 endete übrigens die Herrschaft der Habsburger in Freiburg, als Napoleon in vielen Gebieten Europas die Herrschaftsansprüche neu definierte. In den Napoleonischen Koalitionskriegen blieb Freiburg zunächst österreichisch, bis die Stadt samt der Ortenau an das Herzogtum Baden übergeben wurde.

27. Januar 2020

Wie sehr die Technik in immer weitere Bereiche des Alltags vordringt, wie sehr man zwangsläufig darauf angewiesen ist und wie sehr manche Menschen damit überfordert sind. Der Fall wird des öfteren eintreten, dass sich während des Bummels durch die Innenstadt das menschliche Bedürfnis regt, zur Toilette gehen zu müssen. Dann wehren sich Cafés und Restaurants dagegen, dass Passanten ohne jeglichen Verzehr die Toilette benutzen. Manche Cafés und Restaurants verlangen in solchen Fällen eine Gebühr für die Toilettenbenutzung, doch die Bäckereikette Merzenich hat gegenüber dem Bonner Hauptbahnhof einen anderen Weg beschritten. An einem Automaten kann man sich für 50 Cent einen Coupon ausgeben lassen, der als Wertgutschein beim Kauf angerechnet wird. Soweit, so gut und so weit auch eine sinnvolle Idee. Dies stellte allerdings gestern einen älteren Herren vor massive Probleme, der nichts in der Bäckerei kaufen wollte, aber dringend die Toilette aufsuchen musste. Er hatte eine 50 Cent-Münze in der Hand und schritt damit direkt zur Toilettentür in der Annahme, man müsse irgendwo in den Kasten vor die Toilettentüre dieses 50 Cent-Stück einwerfen. Dieser Kasten war aber ein Gerät zum Einscannen, wohin man den Code des Verzehrgutscheins halten musste. Den Automaten, welcher den Verzehrgutschein ausgab, hatte der ältere Herr nicht bemerkt. Entsprechend seinem dringenden Bedürfnis des Toilettengangs hätte er wahrscheinlich auch keine Geduld gehabt, die Anweisungen, wie vorzugehen sei, über dem Automaten durchzulesen. Seine Verzweiflung stieg, als er an dem Gerät zum Einscannen keinen Einwurfschlitz für seine 50 Cent-Münze fand. Hände ringend flüchtete er zur Bedientheke, wo die Verkäuferin angesichts der Warteschlange unter Dauerstress stand. „Wann hilft mir endlich jemand weiter“ rief er solange quer durch den Verkaufsraum der Bäckerei, bis die Verkäuferin ein Einsehen hatte und die wartenden Kunden stehen ließ. Es war eine Angelegenheit von vielleicht zehn oder zwanzig Sekunden, den Coupon am Automaten ziehen und den älteren Herren aus seiner verzweifelten Lage zu befreien. Nun konnte er sich auf der Toilette erleichtern. Seine Harnblase musste ganz schrecklich gedrückt haben.

28. Januar 2020

Ein kleiner Exkurs in die griechische Mythologie vor dem Schloss Augustusburg in Brühl. Herrscher wie der Kölner Kurfürst Clemens August erhoben mit ihren prunkvollen Schlossbauten gerne den Anspruch, dass ihr Herrschaftsanspruch eingebunden war in Mythen, die sich bis in die Antike zurück verfolgen ließen. Die Mythen versinnbildlichen Charaktere, die bis in die Gegenwart fortwirken. So begrüßt den Besucher auf der rechten Seite des Eingangstores zum Brühler Schloss die Gestalt des Herkules, den die Römer aus dem ursprünglichen Herakles der griechischen Mythologie als Herkules in ihre Götterwelten adaptiert haben. Herakles, Sohn des Gottes Zeus, entwickelte bereits als Kind übersinnliche Kräfte und entschied, als Soldat erwachsen geworden, mit seinen Heldentaten Kriege. Sein Bekanntheitsgrad war groß, und vollends eifersüchtig wurde seine Mutter Hera, als ihm der König der Theber, Kreon, seine Tochter Megara als Ehefrau versprach. Als er diese geheiratet und drei Söhne hatte, verfiel er infolge eines Zaubers seiner Mutter dem Wahnsinn. Als er in einem Anfall von Wahnsinn seine Ehefrau und seine Kinder getötet hatte, fragte er wegen seiner schrecklichen Tat das Orakel von Delphi um Rat. Das Orakel wies ihm den Weg, seine Morde zu sühnen, indem er zwölf Jahre lang die Aufgaben, die ihm sein Cousin, der König Eurysthes, stellte, mit seinen Heldentaten zu bewältigen hatte. Er bewaffnete sich mit einer Keule, die er selbst geschnitzt hatte, und hält diese auf der Skulptur vor dem Brühler Schloss mit beiden Händen fest. Exzellent und ohne Fehl und Tadel, arbeitete er mit der Keule sowie mit Pfeil und Bogen, die er von Apollon erhalten hatte, seine Aufgaben ab. Am Fuße der Skulptur am Brühler Schloss sitzt Herakles auf mehreren Schlangenköpfen, deren Gesamtzahl einst neun betragen hatte. Diese gehören zu der Schlange Hydra, die die fürchterliche Eigenschaft hatte, dass jedesmal ein Kopf nachwuchs, wenn einer der neun Köpfe enthauptet worden war. Bei dieser Heldentat, die neun Köpfe zu entfernen, hatte ihm sein Neffe geholfen, indem er ein Feuer entfacht hatte und mit Pechfackeln die Wunden ausgebrannt hatte. Als Charakter steht Herakles für seine Heldentaten, die in unserer heutigen Zeit genauso gesucht werden wie in der Antike.

29. Januar 2020

Für was Bauzäune gut sind, so in der Brühler Fußgängerzone. Außer seiner reinen Funktion als Bauzaun läßt sich noch ein weiter gehender Zweck mit einem inneren Sinn generieren. Vor der Großbaustelle des Rathausneubaus klären Informationstafeln über die Geschichte, den Wirtschaftsstandort oder Persönlichkeiten des Brühler Stadtlebens auf. Klar, an dem Bauherren des Schlosses, dem Kurfürsten Clemens August, kommt man nicht vorbei, aber auch wenig bekannte Persönlichkeiten erwecken das Interesse. Seit der 1900er-Jahrhundertwende blühten neue Stilformen in der Malerei auf, so der Expressionismus als Antithese zum Impressionismus. Weg von Harmonie und Natur, hin zu einem wilden und plakativen Farbspektrum, das die Formen in der Dynamik der Industrialisierung und des technischen Fortschritts überzeichnete. Die Künstlerszene des rheinischen Expressionismus war vielfältig, denen sich die Brühler Künstler Max Ernst und Will Küpper anschlossen. Während Max Ernst, dem in Brühl ein ganzes Museum gewidmet ist, einen hohen Bekanntheitsgrad erlangte, blieb Will Küpper weitgehend unbekannt. Beide kannten sich persönlich sehr gut, sie wohnten zeitweise in demselben Mietshaus in Brühl und sie erhielten ihren Malunterricht von demselben Zeichenlehrer. Nachdem Will Küpper 1918 mit schweren Verwundungen von der Westfront zurückkehrte, spielte die Zerrissenheit des Krieges in seiner Malerei eine gewisse Rolle. In manchen Gemälden verarbeitete er den Ersten Weltkrieg in einer ähnlichen Form wie Otto Dix. Auf dem Bauzaun vor der Baustelle des Brühler Rathausneubaus erinnert nun eine Hinweistafel an eben diesen Maler Will Küpper. Der Nachdruck seiner Grafik auf dem Bauzaun beeindruckt mich. Die innere Zerrissenheit kommt diesmal in einer Industrieanlage zum Ausdruck. Auf dem Villerücken bei Brühl hatte in den 1920er-Jahren der Braunkohletagebau seine Anfänge genommen, der die Elektrifizierung des Rheinlandes in die Wege leitete. Das Braunkohlekraftwerk hat auf der Grafik etwas Bedrohliches. Rauchwolken aus hohen Fabrikschornsteinen hüllen den Himmel ein. Eine Grafik mit einem Aufbegehren gegen Emissionen aus Fabrikschornsteinen, was der Zeit des Aufbegehrens gegen den Braunkohletagebau weit voraus war.

30. Januar 2020

In unseren unsicheren Zeiten, in denen die Welt aus den Fugen zu geraten scheint, stehe ich solchen Kriegsgedenkstätten voller Ehrfurcht gegenüber. Die Geschichte hat gelehrt, dass es stabile Konstruktionen von Friedenswerken gab, die einhundert Jahre oder länger einen Flächenbrand von Kriegen verhinderten. Diese einhundert Jahre einer Friedensperiode hielten auf europäischem Boden, abgesehen von bilateralen Kriegen zwischen zwei Nationen, nach dem Westfälischen Frieden 1648 oder dem Wiener Kongreß 1815. Die Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs sterben immer mehr hinweg, Zeitzeugen des Ersten Weltkrieges dürften nicht mehr unter den Lebenden gehören. Der Nahe Osten ist ein einziges Pulverfass, und die innereuropäischen Kriege haben sich an Rand, in die Ukraine, verschoben. Die Angstkurven steigen, wenn fremde Mächte daran drehen und schrauben, die Welt aus den Angeln zu heben. Die Gesellschaft reagiert nervös, indem jeder einzelne zuerst an sich selbst denkt. Hoffentlich schrecken solche Kriegsgedenkstätten so sehr ab, dass der Friedenszustand bis in alle Ewigkeit anhält.

31. Januar 2010

Ärger und Verzweiflung bei den Wocheneinkäufen bei Netto. Da vieles bei Netto im Angebot war und da es 7-fach-Punkte auf die Kundenkarte gab, hatte meine Frau die Idee, die Wocheneinkäufe bei Netto zu beginnen und im Anschluss die REWE-Einkäufe zu erledigen. Allein zog ich Freitags gegen 17 Uhr nach Netto los und fühlte mich sogleich überfordert, weil ich selten bei Netto einkaufte und nicht wusste, was wo zu finden war. Viele Angebote waren ausverkauft, darunter Lauch, Zwiebeln, Gurken und Backfisch in der XXL-Packung. Nach den Tortellini von Hilcona suchte ich mich dumm und dusselig, bis mich der Netto-Mitarbeiter zum dem Aktionsregal führte, wo die Tortellini ausverkauft waren. Denselben Misserfolg des Suchens erlebte ich bei den Knorr-Fix-Fertigpackungen. Die Auswahl im Sonderangebot war groß, doch das Knorr Fix für Ratatouille, das wir benötigten, war in der großen Angebotsauswahl einfach nicht vorhanden. Für den Milkana-Schmelzkäse klapperte ich sämtliche Wandkühlregale mit Käse ab, ohne fündig zu werden. Später fand ich den Milkana-Schmelzkäse zwischen der Milch und den Eiern. Beim Abarbeiten des Einkaufszettels standen mir die Haare zu Berge. Unter denjenigen Einkäufen, die ihren Weg in den Einkaufswagen gefunden hatten, war die Herausforderung zu bewältigen, für mindestens 25 Euro einzukaufen, da ab diesem Einkaufswert die Siebenfachpunkte gezählt wurden. Um diesen Wert zu erreichen, kaufte ich eine Flasche Wein dazu und fünf Tüten Chips – die diesmal vorrätig waren und auch im Angebot waren. An der Kasse passte wenigstens die Mathematik: auf 25,48 Euro zählten sich die Einkäufe zusammen. Als ich mit meinen unvollständigen Einkäufen zu Hause ankam, nahm meine Frau es mir sehr übel, dass ich mich beim Sonderangebot vom Iglo-Spinat hatte durcheinander bringen lassen. Auf ihrem Einkaufszettel hatte meine Frau dick und fett unterstrichen, dass zwei Packungen für zwei Euro im Sonderangebot waren. Ich hatte aber nur eine Packung Spinat gekauft, was dann wiederum teurer war als wenn ich eine Packung Iglo-Rahmspinat zum Normalpreis gekauft hätte. Das nächste Mal würde ich nur noch zusammen mit meiner Frau bei Netto einkaufen, das schwor ich mir bei diesen verpatzten Wocheneinkäufen.

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