die Eremitage in der Wahner Heide
Vom Schützenhaus war der Weg einfach und ziemlich idiotensicher. Geparkt hatte ich unser Auto am Troisdorfer Schützenhaus, das in die Jahre gekommen war, ein barackenähnliches Erscheinungsbild bot, aber das Gasthaus hatte in den Nachmittagsstunden und am Wochenende bereitwillig für Wanderer und die Öffentlichkeit geöffnet. Den Teerweg zum Parkplatz lief ich zurück, ich querte die Landstraße, von wo aus ein hölzerner Pfeil den Weg wies zur Eremitage. Auch nun war es einsam hier, was der Idee der Eremitage entsprach. Keine Menschenseele war zu sehen, keine Vogelstimme war zu hören, selbst der Wind wehte unmerklich mit kaum einem Luftzug. Nur der nicht erlahmende Autoverkehr wühlte die Stille ein wenig auf der Landstraße auf.
hölzernes Hinweisschild zur Eremitage
Der Waldweg, der mit einer satten Schicht von Herbstlaub bedeckt war, strebte stetig, aber nicht anstrengend, den Berg hinauf. Wie in der übrigen Wahner Heide, markierten Anstiege und Berge das Gelände. Berge, die in der gewellten Landschaft unspektakulär waren, aber aus der Topografie des Geländes heraus ragten. So der Ravensberg, der zum Stadtgebiet von Troisdorf gehörte und nicht weit entfernt lag vom Kreuzungspunkt des Mauspfades und der Altenrather Straße. Auf 123 Metern Höhe gelegen, ließen sich dort die Spuren erster menschlicher Besiedlung zurück verfolgen. Aus dem dortigen Quarzitgestein ließ sich nachweisen, dass vor 200.000 Jahren, also in der Altsteinzeit, Jäger und Sammler aus dem Gestein Werkzeuge und Waffen gefertigt hatten.
Der Fußweg zum Ravensberg war kurz, gerade einmal zehn Minuten waren zu laufen vom Parkplatz am Schützenhaus. Auf dem Berg, der auf seiner Erhebung als solcher wenig erkennbar war, stieß ich alsbald auf zwei Hinweistafeln, von denen die eine die Prähistorie erzählte und die andere die Geschichte der Eremitage.
Inmitten von knorrigen Baumstämmen erinnerten zwei Fußfallsteine an das einstige Kloster im Wald. 1670 als Franziskanerklause gegründet, stand hier einst neben einer Kapelle ein zweigeschossiges Wohnhaus. Die Brüder lebten als Bettelmönche und sollen so wild gezecht und gefeiert haben, dass die Kölner Erzbischöfe die Einsiedelei 1808 auflösten und 1831 abreißen ließen. Seit 2001 erinnern zwei alte Fußfallsteine an das kleine Kloster. Einer beherbergte einen Abdruck des Gemäldes „Gnadenbild Mariahilf“ von Lukas Cranach, welches er im Original 1537 gemalt hatte. Die bedeutendste Zeit seines Lebens hatte Lukas Cranach als Hofmaler am sächsischen Hof verbracht.
die beiden Fußfallsteine:
Heiliger Abbas (oben rechts und unten links), Gnadenbild Maria Hilf mit Kind von Lukas Cranach (Mitte rechts),
beide Fußfallsteine (oben links, Mitte links und unten rechts)
Das Madonnenbild von Cranach, eines der am häufigsten kopierten Motive des Mittelalters, zeigte eine in der Art der einfachen Bevölkerung gekleidete, nach halblinks gewandt sitzende junge Frau in Dreiviertelfigur vor dunklem Hintergrund, die ein nacktes Kind auf ihrem Schoß hielt. Der Kopf der Muttergottes war von einem dünnen transparenten Schleier bedeckt, der auch über den Kopf des Kindes fällt, das aufgerichtet und zur Mutter gewandt ist und mit der Rechten nach deren Wange greift. Die Kopie des Originals, welches im Hochaltar des Innsbrucker Doms steht, vermittelte an der Erhebung des Ravensberges eine vertraute Einsamkeit im Wald. Die Großbuchstaben der Inschrift auf dem Fußfallstein verewigten sich in der Stille, klar und deutlich trat ein Ansatz von Moos in den Schriftzeichen hervor, die einen Franz Gerhardt Egon Freiherr von Cortenbach aus dem Deutschritterorden als Stifter des Fußfallsteins erkennen ließen.
In dieser mystischen Einsamkeit stach der andere Fußfallstein heraus, der des Gründers des Eremitenordnens gedachte, des Heiligen Antonius Abbas. Er hatte seinen Besitz verkauft, sein Geld den Armen gespendet und sich um das Jahr 300 am Rand der Wüste am östlichen Nilufer zurück gezogen. Zwanzig Jahre lang verbrachte er dort, und nachdem im Jahr 561 sein Grab aufgefunden wurde, brachte man seine Reliquien nach Alexandria und später nach Konstantinopel.
Fußweg zurück zum Parkplatz am Schützenhaus
Das Fundament des verschwundenen Gotteshauses ist eine geologische Besonderheit. Die Bodenplatte vor den beiden Fußfallsteinen ist mächtig, sehr mächtig. Es handelt sich um eine Quarzitplatte, dessen Grundfläche 5,5 Meter mal 8,5 Meter beträgt. Das Alter der Platte haben Geologen auf ehrwürdige 15 Millionen Jahre geschätzt. Zahlreiche Legenden ranken sich um diese steinerne Bodenplatte, und es wird vermutet, dass der Platz rund um die Bodenplatte, die auch als Ringelstein bezeichnet wird, bereits unseren steinzeitlichen Vorfahren als Kultstätte diente.
So lautlos wie ich gekommen war, spazierte ich zurück zum Parkplatz am Schützenhaus. Nachdem ich die nachdrücklichen und ausdrucksstarken Überreste der Eremitage zurück gelassen hatte, war die Stille perfekt. Sie bedeckte den eingetretenen Fußweg, wo sich das feuchte Laub zwischen verwelktem Farn kräuselte.