Tagebuch Februar 2018
1. Februar 2018
In Rheinbach, der Stadt, die eigentlich keine Römerstadt ist, sondern eine mittelalterliche Stadt mit mehreren Überresten aus dem Mittelalter, dreht sich dennoch vieles um das Erbe aus der Römerzeit, und das ist der Römerkanal. Ein Gutshof, eine „villa“, wird erstmals erst 762 in einer Urkunde erwähnt, als die Germanen die Römer längst aus dem Rheinland vertrieben hatten. Beim Bau der mittelalterlichen Stadt müssen die Erbauer auf den Römerkanal gestoßen sein, als sie Stadttore und die Stadtbefestigung gebaut hatten, weil er quer durch die Stadt verlief. Als Namensgeber prägt der Römerkanal heute stärker die Stadt Rheinbach als die mittelalterliche Stadt. Es gibt einen Wohnpark am Römerkanal und ein Altenheim am Römerkanal. Und auch die Bahn ziert sich mit dem Römerkanal, nachdem vor einigen Jahren ein eigener S-Bahn-Haltepunkt eröffnet wurde.
2. Februar 2018
Die Gelegenheiten sind seltener geworden, dass wir zu Geburtstagen oder anderen geselligen Ereignissen eingeladen werden. An diesem Tag, am 2.2., gab es eine solche Gelegenheit, als eine gute Freundin ihren Geburtstag feierte. Etwas mehr als zehn Gäste hatte sie eingeladen in ihre Wesselinger Wohnung, die im dritten Stock mittendrin in der Wesselinger Fußgängerzone lag. Die Geburtstagsgesellschaft war bunt zusammen gewürfelt, darunter eine Arbeitskollegin, ihren Lebensgefährten und eine Tante, die mit ihrer Verbundenheit über die Verrwandtschaft ein Kuriosum darstellte: um die 40 Jahre alt, war sie als Tante deutlich jünger als unsere Freundin, die am 2. Februar genau 48 Jahre alt geworden war. Sie hatte den Bruder ihrer Mutter geheiratet, der um Jahrzehnte jünger war. Die Tante, schmal und zierlich, sprach meine Zuneigung für Frankreich an, denn sie war am Stadtrand von Lille, der Hauptstadt des Départements Nord, aufgewachsen. Ihr französischer Akzent war unüberhörbar, und sie hatte ihren 15-jährigen Sohn mitgebracht. Am Samstag und Sonntag wollten die beiden, die nun in Hamburg beheimatet waren, den Kölner Karneval kennen lernen. Aber auch über den Lebensgefährten unserer Freundin erfuhren wir Kurioses. Über mehrere Jahre war er nämlich im Fernsehen zu sehen, und zwar bei RTL in der Trödelserie „Alles muss hier raus“. Mit einer Art von Trödeltrupp war es ausgerückt, er entrümpelte Haushalte und stieß dabei auf so manche alte Schätzchen, wie sie etwa heute die ZDF-Sendung „Bares für Rares“ anbietet. Natürlich hatte unsere Freundin – wie es sich bei solchen Feierlichkeiten oft ergibt – viel zu viel aufgetischt. Sie hatte so viel Salate, so viel Frikadellen, so viel Kürbissuppe, so viel frisches Brot und eine so große kalte Platte mit Wurst, Käse, Fisch zubereitet, dass sie die Einwohnerschaft in dem Mietshaus, wo sie wohnte, hätte einladen können. Als wir unseren Hunger gestillt hatten und die Gesprächssequenzen in einen lockeren Plauderton übergegangen waren, regte der 15-jährige Sohn der Französin ein Gesellschaftsspiel an. „Black Stories“, ein Kartenspiel, bei dem auf jeder Karte eine Geschichte mit schwarzem Humor zu erraten war, hatte es ihm angetan. Die schwarzen Geschichten drehten sich um das Weihnachtsfest, und zeitweilig waren sie so weit hergeholt und so schwer zu erraten, dass wir die großzügige Hilfe des Moderators benötigten. Was kann einen Weihnachtsmann zu einer schieren Verzweiflung bringen ? Wenn er in Australien bei über 30 Grad Hitze in seinem Weihnachtsmann-Outfit sich zu Tode schwitzt. Was ist eine böse Begleiterscheinung des Weihnachtsgeschenke-Kaufs ? Wenn bei der Online-Bestellung die Kreditkartendaten gestohlen werden und ein paar Tage später von einem fremden Besteller Waren von mehreren Tausend Euro bestellt werden. Bevor wir die Geburtstagsfeier verlassen wollten, wurden wir uns dessen bewusst, dass wir bei den wichtigen Dingen, die alle bewegten, kein Wörtchen mitreden konnten. Das Dschungelcamp. Wer würde als nächstes das Dschungelcamp verlassen ? Namen von Y- und Z-Promis kursierten, die uns überhaupt nichts sagten. Eine massive Bildungslücke. Mit ausgeleierten Scheibenwischern, die eine schlechte Sicht durch den prasselnden Regen ermöglichten, fuhren wir in unserem Auto nach Hause. Erst kurz nach ein Uhr nachts kamen wir wohl behalten an.
3. Februar 2018
In diesem Jahr sieht es so aus, als wäre ich auf den Wellen des Karnevals angekommen. Letztes Jahr hatte man mich das erste Mal zur Kostümsitzung des Garde-Korps Köln in Zündorf geschleppt, und diesmal gelang es all den Künstlern und Musikgruppen, mich als eingeschworenen Nicht-Karnevalisten für den Karneval zu begeistern. Unter den Auftritten waren viele Knaller dabei. Bernd Stelter als Allround-Künstler brachte mich sogleich auf Betriebstemperatur. Die Räuber und die Funky Marys, eine Kölsche Musikgruppe aus fünf Power-Frauen, von denen ich zuvor nie etwas gehört hatte, brachten den Saal zum Kochen. Dass Karneval eine lange Tradition hat, bewiesen die „Hellige Knäächte un Mägde, eine sehr alte Traditionstanzgruppe des Kölner Karnevals mit ihren Trachtenfarben Rot, Weiß und Schwarz, deren Gründung man bis in das 13. und 14. Jahrhundert zurückverfolgen kann. Nach der Pause ließen mich Kasalla endgültig auf den Wellen des Karnevals ankommen. „Us de stadt met K …. Schalalah …“, dieser Refrain, den der ganze Saal endlos mitsang, hatte mich erobert und ging mir nicht aus den Ohren. Hände klatschten im Rhythmus, eine Symbiose von Band und Publikum, die Stimmung hatte ihren Höhepunkt erreicht. Mich zu begeistern, das hatten Kasalla und all die anderen Karnevalisten im Handumdrehen geschafft.
4. Februar 2018
Premiere in unserem Hause. Couscous ist eine arabische Spezialität, die Kölner Imbissbuden an jeder Straßenecke in Angebot hat, während hiesigen Imbisse nirgends diese Spezialität bereit halten. Nach dem Geburtstag unserer Freundin sollte sich dies ändern, denn unter all den Speisen, die übrig waren, nahmen wir eine ganze Schüssel Couscous mit für die Karnevalsfeier der Behinderten im Nachbarort mit. Einen Rest durften wir am Sonntag zu unserem Mittagessen ausprobieren. Es war überhaupt nicht der Geschmack unserer Tochter sowie mein Geschmack. Der Grieß oder die Hirse, dessen Kügelchen die große Masse des Couscous formten, schmeckte ganz fade. Das Gericht schmeckte alleine nach Paprika und nichts anderem. Das war zu wenig für den Gaumen und den Magen. Die Premiere war misslungen. Von der Glasschale mit dem Couscous haben wir kaum etwas gegessen.
5. Februar 2018
Im Grunde genommen, waren wir uns auf der Stelle handelseinig. Der Onkel eines früheren Arbeitskollegen meines Schwiegervaters, der auf unserer Straße wohnte, war verstorben. Er besaß ein Elektromobil, das noch flammneu war. Wenig, vielleicht ein halbes Jahr gefahren, keine nennenswerten Gebrauchsspuren, stand es in einem Innenhof und war zum Verkauf angeboten worden, Neupreis 5.000 €, Verkaufspreis 2.000 €. Also fuhren wir mit dem Schwiegervater und seinem früheren Arbeitskollegen hin zu dem Haus, das ein Stück ortsauswärts lag von unserer Ortsmitte. Nachdem wir in kleinen Schritten herausfanden, wie es funktionierte, und nachdem wir wegen des Akkus herum telefoniert hatten, fand der Schwiegervater Gefallen an dem Elektromobil, so dass man sich danach über den Verkauf für einen nochmals reduzierten Preis handelseinig wurde. So weit, so gut, das Elektromobil sah perfekt und wie geleckt aus, der Preisunterschied von Neu zu Gebraucht war riesig, doch im Grunde genommen war ich deprimiert. Wie schön, dass es solche Hilfsmittel für eine altersgerechte Fortbewegung gibt. Aber wie deprimierend, dass der Alterungsprozess so sehr fortschreitet, dass man diese Hilfsmittel braucht. Seit etwas mehr als ein Jahr fährt der Schwiegervater kein Auto mehr. Einiges länger fuhr er kein Fahrrad mehr, sondern nur noch e-Bike, auf dem er sich mittlerweile auch nicht mehr fort bewegt. Gehen ist mittlerweile nur noch mit dem Rollator und mit dem Gehstock möglich. Der Alterungsprozess ist nicht mehr aufzuhalten.
6. Februar 2018
Der Kenianer, dessen Gestalt während der Abfahrt die verzerrten Fensterrahmen verdeckte, hatte mir in der U-Bahn gegenüber gesessen. Es war eine Situation, die mich aus der Haut fahren ließ, was ansonsten selten bei mir geschieht. Getrennt durch den Mittelgang im Fahrgastraum der U-Bahn, saß er gleichzeitig einem etwas pummeligen Mädchen gegenüber, das vielleicht dreizehn oder vierzehn Jahre alt war. Ein Trinkpack von Capri Sonne hielt er in seiner Hand, über den Strohhalm schlürfe er das süße Getrank in sich hinein, dann reichte über den Mittelgang dem Mädchen das Trinkpack. Ob sie auch davon trinken wolle, es schmecke ausgezeichnet. Irritiert von der Geste des Hinüberreichens, schaute das Mädchen unbestimmt in den Fahrgastraum. Der Afrikaner, vielleicht Mitte zwanzig, wühlte darauf in seiner linken Hosentasche herum, er kramte eine Ein-Euro-Münze heraus und reichte sie dem Mädchen: ob sie sich davon eine Packung Capri-Sonne kaufen wolle. Daraufhin wies ich ihn zurecht, was ihm einfallen würde, ein minderjähriges Mädchen, das weit vom Erwachsenenalter entfernt war, auf diese Art und Weise anzusprechen. In Kenia sei dies normal, meinte er. Ich wies ihn nochmals auf einen möglichen kulturellen Dissens hin, dass hierzulande Annäherungsversuche von Männern an solche Minderjährige eine ganz andere Kategorie seien. Ich forderte ihn auf, so etwas bis auf weiteres zu unterlassen. Dies tat er auch und verwickelte mich anstatt dessen in eine Unterhaltung. Leichen könne er nicht mehr sehen, meinte er. Ich suchte die Zusammenhänge, ich dachte an Krimisendungen und die Gerichtsmediziner, die ermordete Leichen sezieren mussten. Ich lag nicht unrichtig, denn an der Universität hatte er irgend etwas mit Leichen zu tun. Den Intelligenzquotienten, den ich bei ihm vermutete, passte allerdings nicht auf das intellektuelle Niveau, das für die Zulassung zum Medizinstudium nötig war. War er irgendeine Hilfskraft an der medizinischen Fakultät, die etwas mit der Untersuchung von Leichen zu tun hatte ? Dann begann er zu jammern, wegen all der Leichen sei er depressiv geworden. Bevor ich an der Haltestelle Universität/Markt ausstieg, sah ich, wie eine angetrunkene Bierflasche aus seiner Jackeninnentasche heraus schaute. Da war das irritierte Mädchen mit den schulterlangen blonden Haaren längst ausgestiegen.
7. Februar 2018
An den wenigen Tagen im Jahr, wenn es geschneit hat, wirkt der Hofgarten noch schöner, noch beschaulicher, noch beeindruckender. Das Bauwerk des Akademischen Kunstmuseums schiebt sich majestätisch neben die Baumreihen, der klassizistische Baustil erhebt sich mit Glanz und Schönheit über der Schneefläche, die Rotunde schwebt gelassen zwischen Baumwipfeln. Der Hofgarten in einer winterlichen Traumlandschaft.
8. Februar 2018
Was für ein anstrengender Tag. Zwei Stockwerke durch das Treppenhaus herauf- und herunterlaufen, um in das kuschelige Bett unserer Tochter zu finden. Dann ein Abstecher in den Keller, um in den Ecken unserer Waschküche herum zu stöbern. Zwischendurch ein langer Ausflug nach draußen in den Schnee. Ein vorsichtiges Herumtappsen, die Pfoten tasten sich in die weiße Masse hinein, dann Wegrennen in Nachbars Garten, wo die Entdeckungstour weiter. Am Abend totale Erschöpfung. Auf dem Rücken liegend, erholt sich der Schlaf von den Strapazen des Tages. Regungslos streckt unser Kater Rambo auf dem Sessel alle Viere von sich.
9. Februar 2018
Das Café ist online, zwei Monitore ermöglichen den Zugang ins Internet, die WLAN-Anbindung funktioniert. Und dann schwebt da noch der Bildschirm über alles, er hängt in der Höhe, Nachrichten von N24 flackern auf. Braucht die Menschheit so etwas ? Muss die Menschheit dauerhaft berieselt werden mit Neuigkeiten, überall, an allen Orten, in jedem Moment, bei jeder Gelegenheit ? Ich lese, dass es im US-Bundesstaat Pennsylvania einen Gottesdienst zu Ehren des Maschinengewehrs AR-15 gibt. Die Kirchgänger erscheinen bewaffnet mit den Maschinengewehren in der Kirche. Wen interessiert das ? Wer kann diese Informationen noch verarbeiten ? Oder rauschen sie einfach nur vorbei, ohne dass sich irgend jemand dazu etwas merken kann ? Die Explosion von Informationen überfrachtet uns, diese richtig zu filtern, zu verarbeiten oder wegzulassen, gehört sicherlich zu den Herausforderungen unserer Zeit. Und so ist es meiner eigenen Intelligenz zu überlassen, den Gottesdienst mit Maschinengewehren in den USA für wichtig zu befinden oder nicht. Es sieht so aus, als seien Religionen in der Schnelllebigkeit unserer Zeit eine der wenigen Konstanten. Zudem sind sie flexibel und passen sich dem Strom der Zeit an. Einem Zeitgeist, der in diesem Fall in ein militärisches Gehabe vergangener Jahrhunderte zurück fällt. Dieser Zeitgeist könnte auch ein Indiz sein für eine Verbindung von Religion mit Fanatismus, wie etwa beim Islam, eine christliches Säbelrasseln sozusagen. Die nächsten Neuigkeiten flackern auf, und dem Betrachter bleibt nichts anderes übrig als den Berieselungsmodus einzuschalten.
10. Februar 2018
Vom morgendlichen Ausflug brachte unser Oskar seinen ersten Jagderfolg mit nach Hause. Bevor wir ihn rein ließen, beschränkten wir seinen Präsentationsraum auf den Wintergarten. Ganz stolz kam er herein und spielte mit seiner Jagdbeute. Später kam Rambo, nach eingehender Untersuchung fing er an Oskars Maus zu fressen.
11. Februar 2018
Viele „Strüsschen“, ein Nebeneffekt des Karnevalstreibens. Weiberfastnacht war meine Frau im Ort auf der „Großen Damensitzung“, wo ihr ein Bud „Strüsschen“ spendiert wurde. Am Karnevalszug in unserem Ort ging es dann weiter. Es wurden nicht nur Kamelle geworfen, sondern auch „Strüsschen“ und eine Primel. An dieser bunten Vielfalt von Blumen erfreuen wir uns nunmehr in unserem Haus.
12. Februar 2018
Rosenmontag = Sturm auf die Möbelhäuser Rosenmontag, einer der Karnevalstage, den die Schüler frei haben, ein Brauchtumstag, all die Karnevalisten, die schon das ganze Jahr ihre Freizeit opfern, um in der fünften Jahreszeit für die Zuschauer in den Sitzungen und jetzt beim Endspurt, dem Straßenkarneval, alles zu geben. Spaß und Freude am Fastelovend nicht nur in Köln. Am Rosenmontag, wo nicht nur in Köln der Rosenmontagszug geht, wo viele Jecken zuschauen und feiern. Aber am Rosenmontag gibt es noch eine Besonderheit, der Rosenmontag gehört mit zu den umsatzstarken Tagen eines Möbelhauses. In den Werbeanzeigen werden die Kunden zum Karneval feiern eingeladen, hin gehen aber nur wahre Karnevalsmuffel. Bei so einem großen Kundenandrang kann man sich vorstellen, dass Mitarbeiter an so einem Tag kaum Urlaub nehmen können, um vielleicht Fastelovend zu feiern. Schüler haben also an so einem Tag frei, um sich dem Brauchtum zu widmen, anstatt dessen schickt unsere Konsumgesellschaft sie in den Möbeltempel. Was für ein Verrat am „RHEINISCHEN BRAUCHTUM“. ICH MÖCHTE ALLE AUFFORDERN, DIESEM VERRÄTERISCHEN TREIBEN EIN ENDE ZU MACHEN.
13. Februar 2018
Noch einmal ein Loblied auf den sonst so verschmähten Konrad-Adenauer-Platz, der sicherlich nicht zu den Schönheiten in der Stadt zählt. Das Café in der Bäckerei beim EDEKA hat in der Tat eine geniale Lage. Bei einer Tasse Kaffee und einem interessanten Buch kann man an dem prallen Leben rund um den Platz teilhaben. An dem runden Tisch ist es urgemütlich, wo die Fensterscheibe das gemütliche Innere elegant trennt von all dem Verkehrstreiben draußen auf dem Platz, wo man den kommenden und wegfahrenden Straßenbahnen zuschauen kann. Der Verkehr rollt, die Busse halten und verlassen die Bushaltestelle in einem kurzen Takt. Die Menschen vermischen sich und die Anonymität der Masse löst sich in Individuen und Persönlichkeiten auf.
14. Februar 2018
Gestern Abend spät schreckte uns ein unangenehmes Geräusch auf. Es kam von unserem Kater Rambo, unserem Dickerchen, verteilt im Flur, die Treppe rauf, die Treppe runter, in unserem Schlafzimmer, später noch einmal im Wintergarten hat er erbrochen. Gefühlt war dies das Fressen des ganzen Tages. Heute Morgen war meine Frau mit ihm zur Tierärztin, die Diagnose lautete Magenschleimhautentzündung. Wie die Krankheiten von Mensch und Tier doch gleich sind. Mit zwei Spritzen wurde Rambo geärgert. Ab Sonntag muss er Tabletten einnehmen. Beim Einkaufen hatte meine Frau Baby-Katzenfutter besorgt. Wir hoffen, dass es bekömmlicher für einen angeschlagenen „Kater-Magen“ ist, jedenfalls hat er es schon ganz aufgefressen. Positives Ergebnis: Unser Kater Oskar war mit beim Tierarztbesuch, hier stand noch eine Kontrolle der Augen aus. Die zweite Infektion mit dem Herpesvirus ist abgeklungen.
15. Februar 2018
„Rheinische Autofahrer und Schnee, das passt nicht zusammen“, so beschrieb ein Fahrgast sehr treffend die Wetter- und Verkehrssituation, worunter alle im Schnellbus zu leiden hatten. Weiß geschneit war es heute Morgen, die Flocken tanzten, bestimmt zwanzig Minuten musste ich warten, bis sich ein Bus an der Bushaltestelle sehen ließ. Und der war dann gleich so vollgestopft, dass ich in den ihm nachfolgenden Schnellbus einstieg. Die Fahrgäste mussten im morgendlichen Berufsverkehr ordentlich Geduld mitbringen. Wenn es überhaupt vorwärts ging, dann im Schritttempo. Der Fahrgast mit dem etwas schnalzenden Zungeneinschlag, dessen Herkunft ich grob in den Raum Stuttgart einordnete, scherzte: „Wir parken mehr als dass wir fahren“. Er hatte die Ruhe weg und unterhielt sich mit seinem Sitznachbarn, dass er heute keine Termine habe. Zweieinhalb Stunden brauchte ich ins Büro, das war in etwa das dreifache der üblichen Fahrzeit. Andere taten es mir gleich, das Stehen im Stau zu überbrücken. „Endlich komme ich dazu, ungestört und in Ruhe zu lesen“, äußerte sich ein Mann mit zerzaustem Haar und breitem Rücken, indem er die Seiten in seinem Taschenbuch hastig umschlug. Die Gelassenheit übertrug sich auf meine Sitznachbarin, die vielleicht Studentin war und auf ihren Ringbuchblättern etwas über Ionisierungsenergie nachlas. Dann griff sie nach ihrem Handy und telefonierte. Sie habe von zu Hause aus eine Strecke zurück gelegt, worauf sie mit dem Auto zehn Minuten bräuchte. Zehn Minuten seien es wiederum bis gleich, wenn sie ihre Klausur schreiben müsse. Es sei utopisch, in zehn Minuten dort zu sein. Danach vertiefte sie sich wieder in ihre Mitschrift über die Ionisierungsenergie. Sie meinte, sieben Kommilitonen wären für die Klausur anwesend gewesen. Wahrscheinlich sei der Lehrer um 4 Uhr aufgestanden, um pünktlich am Ort der Klausur zu sein. So gerne ich im Bus las, nervte mich die Situation doch irgend wann. Schließlich packte ich mein Laptop aus und mühte mich, in irgendwelchen Excel-Dateien etwas Produktives für die Arbeit zu tun.
16. Februar 2018
„ … das Ganze verströmte Licht und Helligkeit, fast wie ein kluger Geist, der sich mit Komplexem befasst …“, so beschreibt Alain de Botton, ein englischer Philosoph, ein Terminal des Londoner Flughafens Heathrow, wo er eine Woche lang verbrachte. Er schilderte aus seinem Blickwinkel eines Philosophen die Menschen und den Tagesbetrieb auf dem Flughafen. Die banale Schönheit der Verkehrsinfrastruktur nahm er auf seine eigene Art und Weise wahr. Wie auf dem Flughafen London-Heathrow, muss man auch hierzulande den Blick schärfen und sich den Tagesstimmungen hingeben, um das Schöne in der Verkehrsinfrastruktur zu entdecken. So auf dem Konrad-Adenauer-Platz, der inmitten von Verkehrslärm und Hektik schwer zugänglich ist für Stimmungen und menschliche Gefühle. Über der Kennedybrücke drängeln sich Autoscheinwerfer und Rücklichter, die Fahrzeugkolonne schiebt sich diszipliniert in einer Einerreihe zusammen . Die Morgenstimmung dominiert die Oberleitung der Straßenbahn, die Schönheit und technische Faszination entwickelt. Wirr klebt das Gestänge aneinander und hängt in den fahlen Morgenhimmel hinein. Fast wie ein kluger Geist, der sich mit Komplexem befasst, fügen sich die Oberleitungen zu einem Ganzen zusammen. Mit dem Geist, den sie versprühen, liegen die Beschreibungen von Alain de Botton in London und die Kennedybrücke in Bonn-Beuel gar nicht einmal so weit auseinander.
17. Februar 2018
Eine Spontanaktion vor dem Geburtstag unseres Sohnes am nächsten Montag. Er wünschte sich einen neuen Monitor für seinen Rechner, und mein Schwiegervater erklärte sich bereit, ihm diesen zu schenken. So fuhren alle nach VV nach Troisdorf-Spich. Schneller als ich vermutet hatte, war die Abteilung wieder zurück. Unser Sohn berichtete, dass die Auswahl an Monitoren nicht unbedingt riesig war, doch er fand auf Anhieb genau das, was er suchte. So kehrten alle nach weniger als 45 Minuten nach Hause zurück, den Monitor im Gepäck und die zurück gelassene Verpackung in unserem Flur.
18. Februar 2018
Morgens eisig kalt, nachmittags ein rauher Wind, ganz viel Sonne. Was die Sonnenstunden betrifft, holt der Winter nun all den blau geputzten Himmel nach, der in so viel trüben Tagen untergegangen war. Der Frühling ist noch fern, der Winter will sich mit seinen frostigen Nächten noch nicht verabschieden. Der Rauhreif läßt die Landschaft hinter dem Rheindeich so aufblühen, als wäre sie mit Puderzucker bestreut. Die Gräser glitzern im Morgengrauen. Die Felder erstarren unter einer Schicht von Eiskristallen.
19. Februar 2018
Wir hatten uns den falschen Tag ausgesucht. Der Eingang zur Pizzeria Franco neben der Tennishalle war verschlossen, alles dunkel in der Pizzeria „Zum Bootshaus“ neben dem Fischereimuseum, in der Pizzeria in Bergheim an der Kirche waren die Rolläden ebenso herunter gelassen. Montag war Ruhetag, aber es war der Wunsch unseres Sohnes, dass wir zu seinem Geburtstag ein Pizza holen sollten – die geschmacklich zu den Ursprüngen traditioneller Pizzaherstellung zurück finden sollte. In Mondorf am Rhein hatte ich schließlich Glück: in der Pizzeria „da Pino“ regte sich Leben, doch sie führte keine Pizza Calzone im Angebot, welche ich meiner Frau mitbringen sollte. Ich telefonierte nach zu Hause mit dem Handy, und wir beschlossen, dass ich in der „Pizza Cars“, die als Schnellimbiss im Schatten der Kirche hell erleuchtet geöffnet war, die Pizzen besorgen sollte. Der Herstellung von Pizzen im Fast-Food-Betrieb stand ich skeptisch gegenüber. Schon der Verkaufsraum war eng in sich zusammen gequetscht. Nur einen Stehtisch gab es, der das Essgewohnheiten dieses Kundenklientels knapp und kurz beschrieb, dass sie ihr „Fast Food“ lediglich abholten, wenn sie es nicht gleich nach Hause liefern ließen. So herrschte Hektik im Imbissbetrieb, alle paar Minuten bimmelte das Telefon, und alle paar Minuten erhöhten sich die Lieferzeiten. Anfangs war es noch eine halbe Stunde, dass die Kunden zu Hause warten mussten. Später, als ich den Verkaufsraum verließ, hatte sich die Wartezeit auf eine Stunde ausgedehnt. Was meine eigene Wartezeit betraf, zeigte sich der türkische Pizzabäcker freundlich, bestimmt und zuverlässig: die zwanzig Minuten, die er versprochen hatte, hielt er auch ein. Als ich, um unsere Bestellung aufzugeben, den Flyer mit dem Speiseangebot studierte, war ich zugleich skeptisch, überrascht und fasziniert. Ich war in einen Fast-Food-Betrieb hinein geraten, auf dessen breit gefächerter Speisekarte es ungefähr nichts gab, was nicht angeboten wurde. Pizzen wurden in klein und groß angeboten, unter denen von Pizza Margerita, Salami, Champignons, Tonno, Frutti di Mare oder auch Calzone nichts fehlte. Nudeln und Spaghetti in großer Auswahl, chinesische Ente, Bami Goreng und gebratenen Reis mit Nudeln und allerlei Gemüse. Schnitzel mit Pommes für den deutsch-gewöhnlichen Geschmack, Döner für den türkischen Inhaber, der bestimmt, zuvorkommend und höflich meine Bestellung entgegen nahm. Als wir zu Hause unser Essen verspeisten, mussten wir feststellen, dass wir im wahrsten Sinne des Wortes „Fast Food“ gekauft hatten. Die Zubereitungsformen des Essens im Strom der Zeit: schnell. Quick and Dirty: ich dachte an falsche, aber im Zeitdruck nie gänzlich zu vermeidende Vorgehensweisen am Arbeitsplatz, dass Schnelligkeit höher bewertet wurde als die Gründlichkeit. Bei solchen Vorgehensweisen war mir am Arbeitsplatz stets unwohl zumute, dass Qualitätsmängel nicht zu vermeiden waren und dies später auffallen würde. Dass die Schnelligkeit beim Belegen der Pizzen im Vordergrund gestanden hatte, dass schmeckten wir auf Anhieb. Ich hatte eine mit Gyros gefüllte Pizza Calzone mitgebracht, bei der einfach alles nicht durch gegart oder vielleicht sogar roh war. Endlos kaute ich auf dem Gyros-Geschnetzelten herum, die Paprika schmeckten nach nichts, die Tomatensoße war eine ungewürzte rote Pampe. Nachdem ich die halbe Pizza aufgegessen hatte, kapitulierte ich. Dem Rest unserer Familie erging es nicht viel anders als mir.
20. Februar 2018
Wie groß war der Aufstand, als vor einigen Wochen das Abrisskommando anrückte und den Immerather Dom platt machte ? Aktivisten von Greenpeace hatten ihren Widerstand formiert, sie wollten nicht aufgeben gegen den Braunkohletagebau, sie hatten die St. Lambertus-Kirche besetzt, die nach dem 705 verstorbenen ersten Lütticher Bischof benannt worden war. Außerdem stellten sie sich den Baggern in den Weg, indem sie sich daran angekettet hatten. Doch all der Aufstand gegen den Klimakiller Braunkohle und für die Heimat war vergeblich. Der Staat griff durch, mit Gesetzen, die er in einem demokratischen Rechtsstaat für Großkonzerne und gegen seine Bürger erlassen hatte. Als die Aufständischen von Greenpeace festgenommen wurden, behandelte der Staat sie wie Verbrecher. Hausfriedensbruch, Landfriedensbruch und gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, was ihnen vorgeworfen wurde, waren nicht irgendwelche Lappalien, sondern diese Lappalien waren in Kategorien einzuordnen, die auf Augenhöhe zu sehen waren mit Betrügern, Einbrechern oder Dieben. Nachdem Greenpeace von der Bildfläche verschwunden war, gelang dem Abbruchkommando in zwei Tagen, was die Bomben im Zweiten Weltkrieg nicht schafften. Nur einen kleinen Berg von Schutt haben die Bagger vom Immerather Dom zurück gelassen. Die gespentische Leere in Immerath ist mit diesem klaffenden Loch im Ortskern erdrückend.
21. Februar 2018
Hypocaustum – dass die Römer die Bau- und Gebäudetechnik mit ihrem Erfindungsgeist revolutionierten, ist weithin bekannt. So konzipierten sie in ihren Badeanlagen einen Vorläufer unserer heutigen Zentralheizung. Ein Brennofen in einem zentralen Heizraum – auch Hypocaustum genannt - versorgte die Bäder über Lüftungsschächte unter dem Fußboden mit Wärme. Mit dieser Beheizungsform waren die Römer ihren Nachfahren zwar um Jahrhunderte voraus, aber im Umfeld heutiger Klimaschutzdiskussionen hätten sich Energieberater die Haare gerauft. Oft lag das Hypocaustum außerhalb des Gebäudes, Holz musste man in einem Stapel von einem halben Meter aufeinander schichten und ständig nachschichten. Je nach Größe der Badeanlage benötigte das Hypocaustum einen oder vielleicht sogar mehrere Tage, bis die Wärme durch alle Lüftungskanäle geströmt war. Um einige römische Badeanlagen herum mussten ganze Wälder abgeholzt werden, damit sich der Adel und die Patrizier dem Badevergnügen hingeben konnten, welches dem Volk von der Straße, dem „plebs“, verschlossen blieb. In ihrer Vollständigkeit haben sich in Bonn nur wenige Überreste aus der Römerzeit erhalten, darunter eine Badeanlage am Collegium Albertinum, dem Priesterseminar. Die Überreste wurden 1895 bei der Erweiterung des Priesterseminars gefunden. Eine Treppe führt nach unten, wo man eine solche Hypocaustum-Anlage besichtigen kann. Der Brennofen liegt ein Stück entfernt irgendwo im Erdreich. Durch den Heizkanal ist die Wärme in den Baderaum nach oben geströmt. Auf den Ziegelplatten, die sich aufeinander türmten, ruhte der Fußboden des Baderaums mit seinen Natursteinplatten. Ein System mehrerer Baderäume liegt nebeneinander, das die Hypocaustum-Anlage zentral beheizte. Der Ablauf des Badens folgte einem oft praktizierten Ritual. Die Badenden sprangen nicht, wie bei heutigen Schwimmbädern üblich, direkt ins Wasser, sondern sie stimmten sich langsam und in Einzelschritten auf die Badeprozedur ein. Nach dem Ablegen der Kleider, die in abschließbaren Boxen (loculi) verstaut werden konnten, wärmten sich die Badegäste gerne auf einer Sportanlage (palästra) auf. Anschließend gingen die Besucher in Holzschuhen, mit Badeutensilien und Handtuch zunächst in den Kaltbaderaum (frigidarium), um sich zu reinigen. Danach folgte ein Warmbaderaum (tepidarium) mit einer Raumtemperatur von 20 bis 25 Grad Celsius, in dem es Bänke und Wasserbecken gab. Hier konnte man sich auch von Bediensteten einölen und massieren lassen. Es folgte die Nutzung des laconicums mit trockener Wärme oder des feuchtheißen sudatoriums. Der zentrale Raum war das Warmbad (caldarium) mit einer Temperatur von rund 50 Grad. Wegen der Fußbodenheizung trugen die Besucher häufig Holzschuhe, um sich nicht die Füße zu verbrennen. Den Abschluss des Bades bildete wieder das Kaltbad.
22. Februar 2018
Damit ich mich zum Arzt begebe, dazu muss es mir ganz schön dreckig gehen. Gewöhnlich setze ich auf die Selbstheilungskräfte des Körpers, was üblicherweise auch funktioniert. Der Schutzschild des Körpers wehrt Bakterien, Erkältungen und Krankheiten ab, und erspart gleichzeitig erlahmende Sitzungen in Wartezimmern von Ärzten, deren Sprechstunden gar nicht mit den Büroarbeitszeiten harmonieren. Das Zögern, zum Arzt zu gehen, erspart gleichzeitig unspezifische Diagnosen, die im Umkehrschluss vorgehen, welche Krankheiten sie ausschließen können, während sie die richtige Krankheit nicht wirklich benennen können. Gestern war es dann doch so weit, dass ich mich zwar nicht dreckig fühlte, aber die Erkältung, die ich am Tag des Karnevalszuges am Karnevalssonntag einfangen hatte, auf- und abgewogt hatte und sich beinahe zwei Wochen lang hartnäckig durch gehalten hatte. Im Zuge der allgemeinen Erkältungswelle zirkulierte sie in unserer Familie, unsere Tochter hatte sich angesteckt, gestern meine Frau, und das Erkältungsbild zeigte bei unserer Tochter dasselbe Auf und Ab, dass wir sie in der Schule krank gemeldet hatten, ein paar Tage ging sie wieder in die Schule, um dann wieder von Husten und Schnupfen lahm gelegt zu werden. Fotos, die eindeutig Afrika zuzuordnen waren, demonstrierten die Bescheidenheit des Wartezimmers unseres Hausarztes. Die Stunde, die ich warten musste, dehnte sich in die Länge. In dem eng zusammen gequetschten Behandlungsraum war ich etwas überrascht , als eine Medizinstudentin der Universität Bonn anstelle des Hausarztes mein Krankheitsbild begutachtete. Sie war im Praxiseinsatz, voller Tatendrang machte sie sogleich meinen Oberkörper frei und hörte meine Lunge ab. Während sie meine Ohren durch leuchtete und in meinen Rachen hinein schaute, fragte sie mich nach der Ausprägung und der Intensität meiner Erkältungsbeschwerden. Ich beschrieb das Auf und Ab, dass die Einschränkung bei meinem Bürojob nicht allzu groß sei. Lästig sei aber, dass irgendetwas Hartes in meinen Bronchien stecke, was ich nicht so einfach weghusten könne. Die Atmung sei normal, meinte sie, kaum Anzeichen einer Erkältung, der Rachen sei leicht gerötet, die Ohren frei, nichts besorgniserregendes also. Um die Bronchien frei zu bekommen, dagegen verschrieb sie Tabletten, die ich dreimal täglich einnehmen sollte. Wir hoffen, dass wir alle bald zu Hause unsere Erkältungen los sein werden.
23. Februar 2018
Es sieht so aus, als sei ich in den systemischen Fehler der Zweiklassenmedizin hinein geraten, wobei ich als Beamter eigentlich ein privilegiertes Dasein als privat Versicherter mit den Vorzügen genießen darf, schneller Arzttermine zu bekommen oder ein größeres Leistungsspektrum beanspruchen zu dürfen. Den Fehler im System stellen Kassenpatienten dar, da viele Arztpraxen, würden sie nur Kassenpatienten behandeln, unrentabel wären, da die auf zentraler Ebene verhandelten Pauschalen die Kosten nicht abdecken. So ist es unumgänglich, dass Kassenpatienten durch Privatpatienten quer subventioniert werden müssen. Die Quersubventionierung zeigt sich auf meinen Arztrechnungen, bei denen in der letzten Zeit diejenigen Fälle zunehmen, dass die Krankenkasse die Erstattung ablehnt. Mal ist es Kleinkram, mal zehn Euro oder auch einiges mehr. Bei der letzten Zahnarztrechnung hatte ich mir einen tieferen Einblick erlaubt, welche Positionen aus welchen Gründen nicht in vollem Umfang erstattet werden. Es ist ein hohes Maß an Expertenwissen erforderlich, was der Arzt abrechnen kann und was wiederum nicht. Die erste Position umfasste eine Speichelentnahme im Mundraum, um den Speichel auf das Vorhandensein bestimmter Bakterien zu untersuchen. Die Krankenkasse erstattet insgesamt fünf Abstrichstellen, der Zahnarzt hatte aber an zehn Stellen einen Speichelabstrich vorgenommen. In der zweiten Position ging es um eine professionelle Zahnreinigung. Der Zahnarzt hatte eine Zahnreinigung für 22 Zähne in Rechnung gestellt, es waren aber nur 21 Zähne vorhanden. Bei der dritten Position handelte es sich um den Speicheltest, wozu mich der Zahnarzt vorab informiert hatte, dass dieser nicht erstattet würde. Als ich den Text der abgelehnten Erstattung las, hätte es dennoch Hoffnung geben können. Ein externes Labor, das zu einem weltweit tätigen Versandhandel für Laborausstattung gehört, hatte die Ergebnisse des Speicheltestes aufbereitet. Die Krankenkasse hatte dazu ausgeführt, dass sie nur bei Laboren, die von Medizinern geleitet werden, die Kosten erstattet. Bei dem Versandhandel handelt es sich aber um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, in der die beiden Gesellschafter eine kaufmännische Vorbildung haben. So gestaltet sich das Studium extrem mühselig, wie die Zuzahlungen verhindert werden können.
24. Februar 2018
„Folgende Freunde nehmen an Veranstaltungen in Deiner Nähe teil“, gut vernetzt studiere ich mitunter, wer was in unserer Gegend veranstaltet und welche Facebook-Freunde daran teilnehmen. Björn Heuser war mir so lange unbekannt, bis mir meine Friseuse von ihm erzählte. Regelmäßig veranstaltet er Mitsingkonzerte im Kölner Brauhaus „Gaffel am Dom“, wo er ein breites Spektrum Kölner Lieder singt, von denen ein Teil Karnevalslieder sind. Der Hinweis „Veranstaltungen in Deiner Nähe“ in Facebook hatte die Friseuse zuletzt mit ihrem Mann zum Björn Heuser-Mitsingkonzert nach Köln gelotst. Dort kamen sie mit einem Pärchen ins Gespräch, welches ebenso über den Facebook-Hinweis „Veranstaltungen in Deiner Nähe“ auf Björn Heuser aufmerksam geworden war. Wie oft das andere Pärchen schon hier gewesen sei, entwickelte sich das Gespräch. Es sei das allererste Mal, ein „blind date“ sogar. Ein „blind date“ an einem solch belebten Ort ? Die Friseuse samt ihrem Mann stutzten. Ein „blind date“ hätten sie eher mit einem romantischen, ruhigen, stillen Ort verbunden und nicht in einer Menschenmenge stehend oder sitzend und Lieder mitsingend. Über das Internet hätten sie sich kennen gelernt. Noch nie seien sie sich begegnet, und die Skepsis und die Vorsicht überwogen, wie die allererste Begegnung verlaufen würde. Vielleicht war es sogar die richtige Strategie, die Berührungsängste abzubauen.
25. Februar 2018
Die Sonnenuhr, die ein oberflächliches Zeitverständnis vermittelt, wie es die Menschheit lange Zeit gehabt hatte. Heutzutage geht nichts mehr ohne Uhr. Unsere Arbeitszeit richtet sich danach, der öffentliche Personennahverkehr ist in Zeitplänen getaktet, ebenso das Fernsehprogramm oder die stündlichen Nachrichten im Radio. An öffentlichen Plätzen wird man Uhren finden, an Kirchtürmen oder Bahnhöfen. Wenn wir aufs Smartphone schauen, dann sticht die Uhrzeit deutlich hervor. Selbst auf der Menüleiste des Laptops kann man die Uhrzeit ablesen. Diese strenge Ausrichtung an der Uhrzeit geschah allerdings erst mit der Zeitenwende der Industrialisierung. In unserem fest verhafteten Denken, was wie lange dauert, kann man sich heutzutage schwerlich vorstellen, dass das grobe Zeitraster der Sonnenuhr einst ausgereicht hat. Die Menschen gingen ihren Arbeiten auch ohne Uhren und Zeitpläne nach und richteten sich nur nach der Sonne und den Wachstumskreisläufen der Pflanzen. Es gab keinen festgelegten Arbeitstag, und die unterschiedlichen Abläufe wurden von den Jahreszeiten bestimmt. Die Menschen wussten, wo die Sonne stand. Der Frühlings- und der Herbstanfang waren die markantesten Zeitensprünge im Jahr, aber die Menschen interessierten sich nicht für die Uhrzeit, nicht einmal für das Jahr, in dem sie lebten. Die Industrieproduktion brachte die Zeitenwende durch geänderte Abläufe und Rahmenbedingungen. Die Laufzeit von Maschinen setzte die Arbeitszeiten fest, dazu kam ein Ineinandergreifen von unterschiedlichsten Arbeitsschritten, so dass sich Zeiten aneinanderreihten, bis das Endprodukt fertig war. Arbeitsbeginn, Arbeitsende und Schichtenpläne wurden so geschaffen. Diese Vorgehensweisen, die Tagesabläufe mit Zeitplänen zu hinterlegen, übernahmen bald andere Arbeitgeber wie Schulen, Krankenhäuser, Behörden oder Einzelhandelsgeschäfte. Dies war der Anfang eines weltumspannenden Netzwerks von Zeitplänen, ohne die unsere Gegenwart undenkbar ist. Die „Modern Times“ regelten fortan den Alltag und zum Beispiel ein Charlie Chaplin musste in dem gleichnamigen Stummfilm vor dem Räderwerk von Maschinen und Zeit kapitulieren, dabei wurde er selbst zum Bestandteil des Räderwerkes. Selbst bei Kleinigkeiten des Alltags läuft die Zeit im Hintergrund mit. Zehn Minuten dauert ein Backvorgang für die Brötchen im Backofen. Lebensmittel haben Haltbarkeitszeiten, auf die wir achten müssen. Der Zahnarzt empfiehlt, drei Minuten lang die Zähne zu putzen. Bis 22 Uhr müssen wir zum Tanken im Nachbarort gewesen sein, da dann die Tankstelle schließt. Zeit ist unumkehrbar. In der Zeittaktung der Sonnenuhr leben höchstes noch unsere Katzen, die dann schlafen, wenn sie sich müde fühlen. Die sich verwöhnen lassen wollen, wenn es ihnen gut geht. Die auf Mäusejagd gehen, wenn ihnen danach zumute ist. Und die miauend in unserer Küche stehen, wenn sie Hunger haben und wenn es außer Mäusen nichts zu fressen gibt.
26. Februar 2018
Ein Wegekreuz und der ALDI, zwei Dinge aus unterschiedlichen Zeitwelten, die keine Verbindung haben und unaufgelöst nebeneinander stehen. Wen kümmert dies ? Was treibt die Menschen an ? Die Geschäftigkeit bestimmt den Alltag. Der Autoverkehr schlängelt sich an dieser Abbiegung vorbei, teilt sich nach links in das Industriegebiet und nach rechts zu den Parkplätzen von ALDI und dm, geradeaus versperren später Poller dem Autoverkehr den Weg. Am Wegekreuz vorbei, treibt die Arbeit, Besorgungen, Erledigungen und Einkäufe die Menschen. Sie vereinzeln, lösen sich in ihren PKWs in Einzelpersonen auf, legen motorisiert Wegstrecken zurück, treffen auf Arbeitskollegen, sind Bestandteil der anonymen Käufermasse und kehren nach Hause zurück. Ungerührt laufen all diese Bewegungen und Wegstrecken, die zurück gelegt werden, an dem Wegekreuz vorbei. Als Relikt aus längst vergangenen Zeit steht dieses starr und steif an derselben Stelle. Kein Wandel der Zeit wird es verändern, jahraus und jahrein sieht es die Sonne auf- und untergehen.
27. Februar 2018
Ein früherer Kolonialwarenladen, Vorläufer der Tante-Emma-Läden und genauso Vorläufer heutiger Supermärkte. Das sogenannte „Maretze-huus“ in Troisdorf-Bergheim diente ab 1832 als Schulgebäude. Nachdem die Schule geschlossen wurde, verkaufte die Gemeinde das Haus 1889 an ein Fischerei-Ehepaar. Ein Moritz Schell, der zur Familie gehörte, bewohnte zeitweise das Haus und gab dem Haus mit seinem Spitznamen „Maretze“ seinen Namen. 1891 eröffnete „Maretze“ Schell in diesem Fachwerkhaus ein Kolonialwarengeschäft, das als „Kaufhaus Schell“ bis Mitte der 1980er Jahre existierte. Obschon das deutsche Reich keine nennenswerte Anzahl von Kolonien besaß, blühte mit den Kolonialmächten Frankreich, England und den USA der Handel mit Kolonialwaren. Zum Beispiel waren es Zucker, Kaffee, Tabak, Resi, Kakao, Gewürze oder Tee, die in Mitteleuropa nicht angebaut werden konnten. Die Zollschranken waren innerhalb des deutschen Reiches längst obsolet geworden, und auch für viele Gebrauchsgüter des Alltags war der Warenverkehr über überseeische Handelsabkommen frei, dabei steuerten Frachtschiffe direkt deutsche Häfen an. Waren und Märkte waren globalisiert, wenngleich nicht in heutigem Umfang.
28. Februar 2018
Minus zehn Grad am Morgen, ein Kälterekord in diesem Winter. Sich seinem Ende zuneigend, dreht der Winter noch einmal voll auf. Beim Gang zur Bushaltestelle muss ich mich warm einpacken. Schal und Winterjacke hüllen mich ein, die Hände vergrabe ich tief in den Hosentaschen. Die eiskalte Luft dringt tief in die Lunge ein und fächelt als leiser Atemzug wieder heraus. An der Bushaltestelle heißt es: stehen, bis der Linienbus kommt. Der Schal hat den Hals warm eingepackt, die Winterjacke wärmt. Die Handschuhe schirmen die Kälte von den Fingern ab. Ungeschützt, ohne Mütze, sind die Ohren der Kälte ausgeliefert. Ich schreite auf und ab, um Beine und Füße in Bewegung zu halten. Doch die Ohren frieren regelrecht zu, ein unsichtbarer Kältepol umgibt die Ohrmuscheln. Sie müssen aushalten, bis der Bus in die Haltestelle einfährt und die Innenheizung mit einem Schwall angewärmter Luft um die Ohren säuselt.