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John J. McCloy-Ufer

"Wenn man ihn bei einer Konferenz oder auf einer Sitzung beobachtete, konnte man meinen, er schliefe: stundenlang hockte er in der Stellung eines Buddhas, unbeweglich, die Augenlider gesenkt – doch dann regte er sich plötzlich, schob Papiere und Notizen beiseite, redete mit gedämpfter Stimme." genau so beschrieben ihn damalige Zeitzeugen wie die Publizistin Gräfin Dönhoff. Handelte es sich um ein komplexes Thema, dann lautete seine erste Frage gewöhnlich: „What makes sense ?“ Die zweite Frage: „What is fair ?“ Ging es darum, einen Sachverhalt zu strukturieren, Ordnung in ein gedankliches Chaos zu bringen, dann gab es niemanden, der dies so leicht, so selbstverständlich und so überzeugend konnte wie John J. McCloy.

Am 31. März 1895 als Sohn eines Versicherungsangestellten in Philadelphia, USA, geboren, war er nach seinem Jurastudium und der Eröffnung einer Anwaltskanzlei lange Zeit im öffentlichen Dienst tätig. Das war im Verteidigungsministerium, als Sonderberater des Präsidenten in Rüstungsthemen, er war beim Beschluss der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki mit dabei, als Unterhändler beim Potsdamer Abkommen, das die Nachkriegsordnung in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg regelte. Privat kooperierte er mit großen internationalen Anwaltskanzleien, er war „Chairman“ der Ford Foundation, war Chef der „Chase Manhattan Bank“, brachte es zum Präsident der Weltbank.

John J. McCloy-Ufer an der Fähre von Mehlem nach Königswinter

Aufgestiegen in den Kreis der engeren Berater des amerikanischen Präsidenten Truman, trat dieser an ihn heran, um General Lucius D. Clay als amerikanischen Alliierten Hochkommissar abzulösen. Nach Kriegsende waren die Militärregierungen der Siegermächte faktisch an der Macht, und die drei Hochkommissare, ein britischer, ein französischer, ein amerikanischer, sollten die militärischen Machthaber ablösen durch eine zivile Beaufsichtigung und Kontrolle.

Das war in der Nachkriegszeit, als die Bundesrepublik Deutschland in den Anfängen des Gründungsprozesses steckte, und die Herausforderungen waren elektrisierend und spannend, unter den Rahmenbedingungen von Kriegszerstörungen und Verwüstungen: die Bereinigung nationalsozialistischer Strukturen, Entnazifizierung, Kriegsverbrecherprozesse, Wiederaufbau, Aufbau der Demokratie, verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen, Aufbau eines Parteiensystems, Wahlen, Aufbau der Bundesrepublik als föderalen Bundesstaat, Pressefreiheit, Neudefinition der Stellung Deutschlands zu den westlichen demokratischen Nationen, Verteidigung und vieles mehr.

Am 1. Juli 1949 traf John J. McCloy auf dem Frankfurter Flughafen ein. „Mister McCloy erschien in schlichtem, grauem Straßenanzug, blauem Hemd und mit einer schwarzen Krawatte“, so sah ihn ein Journalist damals. Seit Kriegsende agierte die US-amerikanische Militärregierung von Frankfurt aus, so dass er als Wohnort die Villa seines Vorgängers Lucius D. Clay in Bad Homburg übernahm, eine 1937/1938 gebaute Industriellenvilla.

Mit dem Aufbau einer Nachkriegsdemokratie hatten sich allerdings längst die Standortverhältnisse verschoben. Die Alliierten Militärregierungen hatten zugestimmt, dass am 16. August 1948 Bonn zum Tagungsort des Parlamentarischen Rates ausgewählt worden war, wo später das Grundgesetz beschlossen werden sollte. Am 10. Mai 1949 hatten diese ebenso zugestimmt, dass Bonn als „Provisorium“ Sitz der noch zu wählenden Bundesregierung werden sollte.

Foto John J. McCloy, Quelle Wikipedia

Eine zivile Kontrolle all dieser Aufbauaktivitäten einer Demokratie konnte schlecht von Frankfurt aus geschehen, wenn die politischen Verantwortlichen Konferenzen und Sitzungen auf dem Petersberg, im Museum König oder sonst wo im Stadtgebiet von Bonn abhielten. So wurde beschlossen, dass insgesamt 560 US-Angestellte, die mit der Ablösung des Besatzungsstatus zivile Aufgaben wahrnahmen, von Frankfurt nach Bonn umziehen mussten. Daraufhin entstanden 1951 in Bonn-Mehlem amerikanische Wohnsiedlungen, die zu dem eigenen Bürokomplex des High Commissioner of Germany gehörten.

In Zeiten des Besatzungsstatuts war die Bereitstellung von Wohn- und Büroräumen denkbar einfach - trotz der Kriegsschäden, die mehr oder weniger schnell wieder auf gebaut wurden. Die Alliierte Militärregierung beschlagnahmte in großem Stil Gebäude für Konferenzen, Tagungen oder auch als Wohnraum.

Unter dem beschlagnahmten Villen am Rheinufer gehörte auch die Villa Capell in Bonn-Plittersdorf, die um die 1900er-Jahrhundertwende für die super-reiche Industriellengattin Johanna Cappell gebaut wurde. 1945 war die Villa praktisch unzerstört, sie war als Mehrfamilienhaus in acht Wohnungen aufgeteilt worden und verfügte über 24 Räume bei einer Wohnfläche von 700 m². Nach dem Zweiten Weltkrieg beherbergte sie zunächst die Militärpolizei, danach belgische Divisionsgeneräle. Herbst 1949 bestimmte John J. McClay dieses Anwesen zu seiner Wohnresidenz. Am 12. Oktober ging beim Baubüro der Bundeshauptstadt Bonn der Auftrag für die erforderlichen Umbauarbeiten statt. Sie umfassten unter anderem die Einrichtung eines Tearooms sowie die Neuanlage eines Tennisplatzes. John J. McCloy war ein sportlicher Typ, und das Tennisspielen schätzte er besonders. Zudem wurde die Inneneinrichtung auf Wunsch von McCloys Ehefrau Ellen umgestaltet.

Villa Cappell vom Rheinufer aus

Beinahe symbolhaft und demütig hinauf schauend lag der Villa auf der anderen Rheinseite der Petersberg gegenüber. In der Region hätte es keinen besseren Standort für die Tagungen des Kontrollgremiums der Alliierten Kommissare geben können als den Petersberg, hoch über dem Bonner Politikbetrieb gelegen und doch so weit auf Distanz zu Parlament und Regierung, dass die Vormundschaft nicht ständig sichtbar blieb. Vorteilhaft war zudem, dass das hoch gelegene Bergplateau einfach gegen den Zutritt Unbefugter zu sichern war.

John J. McCloy, der nicht nur Sport trieb, sondern auch gerne jagte und angelte, bewältigte einen Teil der Strecke zum Petersberg lieber zu Fuß, als dass er sich von großspurigen Limousinen auf den Petersberg kutschieren ließ. Denjenigen Abschnitt am Rheinufer zwischen Bonn-Plittersdorf und Mehlem, der heute John J. McCloy-Ufer genannt wird, schritt der amerikanische Hochkommissar gerne zu Fuß auf dem Weg von seiner Villa zur Fähre in Mehlem ab, um all seine schwergewichtigen Themen reflektieren zu können und den Kopf frei zu bekommen.

Ab der Fähre von Königswinter war ein Buszubringerdienst auf den Petersberg organisiert. Jeden Morgen um 8.45 Uhr wurden auf dem Petersberg die Flaggen der drei Mächte aufgezogen. Zu den turnusmäßigen Sitzungen des Alliierten Rates im Marmorsaal versammelten sich die Hochkommissare, zur Rechten und zur Linken durch je zwei Berater flankiert, um einen großen runden Verhandlungstisch. Um diese Hauptpersonen herum gruppierten sich in verschiedenen Ringen weitere Teilnehmer: sonstige Berater, Sekretäre und je ein Dolmetscher und Stenograph. Da in drei Sprachen übersetzt werden musste, Englisch, Französisch, Deutsch, zogen sich die Verhandlungen dementsprechend dahin.

John J. Mc Cloy-Ufer in Mehlem und Plittersdorf

Anfangs misstraute McCloy den Deutschen wegen ihrer autoritären Neigungen. Er war auch vor der Gerissenheit Adenauers gewarnt worden und hatte sie bestätigt gefunden, als dieser ihn wiederholt und penetrant darauf aufmerksam machte, dass seine verstorbene Frau und Frau McCloy entfernt miteinander verwandt seien. Doch mit der Zeit verschwand McCloys Distanz zu Adenauer. Zwar hegte er bis zum Ende seiner dienstlichen Tätigkeit 1952 noch gewisse Zweifel, aber die Verlässlichkeit Adenauers an der Bündnistreue zu den USA stand für ihn außer Frage. McCloy war zu einem der wichtigsten Vermittler der Bonner Wünsche in den Washingtoner Regierungskreisen geworden. Noch lange nach dem Ausscheiden McCloys als Hoher Kommissar pflegte Adenauer seine Beziehungen zu ihm, um sich geeignete Zugänge zu wichtigen Repräsentanten der USA zu verschaffen.

In den Jahren 1949 bis 1952 wurden entscheidende Weichen für den zukünftigen außen- und militärpolitischen Kurs der noch jungen Bundesrepublik gestellt, und John J. McCloy begleitete alle wichtigen Meilensteine auf dem Weg in eine Demokratie: die ersten Wahlen zum Deutschen Bundestag am 14. August 1949, das Petersberger Abkommen vom 22. November 1949, das der Bundesrepublik weitgehende Souveränitätsrechte als eigener Staat zugestand, die Erweiterung der Befugnisse in Auswärtigen Angelegenheiten am 6. März 1951 oder der Vertrag über die Gründung der europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl am 18. April 1951. Es wurden Debatten geführt über die Stellung Berlins, über die Herauslösung des Saarlandes aus dem französischen Staatenverbund, über verbotene und erlaubte Industrien, über die Einbindung Deutschlands in die westliche Verteidigungsarchitektur, über die künftige Vision eines neuen, friedlichen Europa und vieles mehr.

an der Mehlemer Fähre Blick auf den Petersberg

Nachdem John J. McCloy im Juni 1952 seinen Abschied von Deutschland kundtat, um sich neuen Aufgaben zuzuwenden, hagelte es Abschiede und Ehrungen. Nicht Bonn oder Frankfurt, sondern Rothenburg ob der Tauber riss ihn hin als Lieblingsort in Deutschland. „Es wäre für mich undenkbar, Deutschland zu verlassen, ohne noch einmal Rothenburg ob der Tauber gesehen zu haben“, so verabschiedete er sich von der Rothenburger Bevölkerung. Am 17. Juli 1952 verlieh ihm die Universität Frankfurt die Goethe-Plakette. Die Universität Bonn hatte ihm bereits am 11. Juli 1952 die Ehrenpromotion verliehen.

Am 21. Juli verließ John J. McCloy Deutschland mit dem Schiff ab Bremerhaven. Professor Dr. Shepard Stone, ein Weggefährte John J. Mc Cloys, der damals in einem Berliner Beraterinstitut arbeitete, fragte ihn in einem Interview 1984, welche Epoche er besonders wichtig und zufriedenstellend hielt. Er antwortete: „Sein Dienst von 1949 bis 1952 als Hoher Kommissar in Deutschland.“ Das sagt wohl alles über die Bedeutung seiner Position in Bonn, Deutschland und der Weltpolitik.

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