top of page

Tagebuch März 2023

1. März 2023


Die Seilscheibe – Ausdruck einer Arbeitsform, mit der man gemein Anerkennung und Wertschöpfung verbunden hat. Die Epoche der Kohle ist im Ruhrgebiet vorbei, die Seilscheiben haben zu Fördertürmen von Zechen gehört, und diese Seilscheibe hat man im Duisburger Innenhafen zur Erinnerung aufgestellt, wie sehr die Kohle das Ruhrgebiet geprägt hat. Kohle war ein Allroundprodukt, bevor diese durch sauberere Energieträger abgelöst worden war. Aus der heutigen Zeit betrachtet, haben Bergarbeiter einen Wahnsinnsjob gemacht, der gefährlich war und lange Zeit Grundlage für viele Produktionsprozesse war. Seilscheiben haben den Takt der Arbeit bestimmt, sie haben die Arbeit ermöglicht und den technischen Fortschritt in die Produktionsprozesse hinein gebracht. Arbeit diente als Merkmal der Identifizierung, der Begriff „Maloche“ leitete sich aus dem jüdischen ab und drückte aus, dass die Arbeit schweißtreibend und anstrengend war. Am Ende des Tages wussten die Bergarbeiter, was sie geschafft hatten. Arbeit schuf ein Gemeinschaftsgefühl, das Sinn und Inhalt vermittelte. Gerne schauen die Menschen im Ruhrgebiet darauf zurück. Die Narrative der Arbeit sind stark und mit positiven Assoziationen belegt. Sie wirken bis in die Gegenwart nach, selbst wenn solche Relikte wie eine Seilscheibe allenfalls tauglich für Museen sind.

2. März 2023


Der Umgang mit der inzwischen 87 Jahren alten Mama wird zunehmend schwierig. Das betrifft in erster Linie den unter einem Dach wohnenden Bruder mit seiner Familie, der kaum Privatsphäre hat. Überall ist sie präsent, sie fragt nach, sie kontrolliert und fordert ein. Ist mein Bruder außer Haus, muss sie wissen, wohin er unterwegs ist. Ist er mit seiner Frau im Zimmer, tritt sie ohne anzuklopfen ein. Sie ist zunehmend dement. Dies wurde deutlich, als mein Bruder mich um einen Anruf gebeten hatte, als seine Nerven gerade blank waren. Als ich anrief, teilte mir die Mama sogleich mit, ihre 16-jährige Nichte sei bereits seit längerer Zeit zu einem Schüleraustausch in Dublin, und man habe ihr erst gestern davon erzählt. Davon hatte sie selbst uns erzählt, als wir im Dezember (Weihnachten oder vorher ?) bei ihr waren. Mit meinem Bruder diskutierte ich anschließend aus, was es damit auf sich habe, meine Mama glaubte, ihr Sohn wolle sie ins Pflegeheim abschieben. Dabei ging es um ein Formular. Wegen des Pflegegeldes musste die Krankenkasse sie zweimal im Jahr über einen medizinischen Dienst begutachten, ob das Pflegegeld weiter gewährt werden konnte. Um diesen medizinischen Dienst zu beauftragen, war wiederum ein Formular auszufüllen, wo in Ankreuzfeldern die persönlichen Daten zu hinterlegen waren. In einer dieser Ankreuzfelder war ein Kreuz zu setzen, falls die Mama in einer Pflegeeinrichtung untergebracht wäre. Da dem nicht so war, war auch nichts anzukreuzen. Also eigentlich kein Grund zur Besorgnis, aber meine Mama hatte mit Argusaugen das Wort „Pflegeeinrichtung“ wahrgenommen. Dieses Wort hatte sie sich so sehr eingeprägt, dass die Angstgefühle einer Abschiebung in ein Pflegeheim Panik erzeugten. So weigerte sie sich, das Formular zur Begutachtung durch einen medizinischen Dienst zu unterschreiben. Am Telefon erläuterte ich ihr die Folgen, dass irgendwann die Zahlung des Pflegegeldes eingestellt werden könnte. Dies hatte ihr mein Bruder bereits laufend und gebetsmühlenartig herunter gebetet, ohne Erfolg. Die Mama konnte endlos stur sein. Ob meine Antworten etwas bewirken würden, erschien fraglich. Mein Bruder war in der Tat nicht zu beneiden und ich konnte nachvollziehen, dass seine Nerven blank waren.

3. März 2023


Als ich mein Rennrad aus der Werkstatt abholte, wurde der Fahrradmechaniker redselig und plauderte, nachdem er das reparierte Rennrad vor die Ausgabetheke gestellt hatte. In der Werkstatt war gerade nichts los, als er mir die reparierten Teile erläuterte, das waren der Ersatz für die abgefahrenen Reifen vorne und hinten, die Bremsen hatte er eingestellt und die Gangschaltung wieder gängig gemacht. Ich müsse häufig damit fahren, damit die Gangschaltung wieder gängig bliebe, meinte er. Da keine weiteren Kunden kamen, erzählten wir weiter. Bei steigenden Temperaturen wäre dies sicherlich so, dass ich viel fahren würde, entgegnete ich, ich verwies aber auf den Herzinfarkt und nannte Touren quer durch die Eifel, die ich einst gefahren war. Er erzählte von seiner Lieblingstour von Godesberg bis hinter die belgische Grenze, hin und zurück waren dies 220 Kilometer. Er sei Rennradtouren aus Leidenschaft gefahren, mit einem Schnitt von 50 bis 55 Kilometer pro Stunde. Vom Schmitzebüdchen in Köln sei man oftmals losgefahren. Dass mir das Schmitzebüdchen vollkommen unbekannt war, das überraschte ihn. In ganz Köln und darüber hinaus sei das Schmitzebüdchen eine Legende. Ich musste mir erklären lassen, dass das Schmitzebüdchen ein Treffpunkt für Rennradfahrer war, von wo aus die Radsportbegeisterten ihre Touren machten. Das Schmitzebüdchen lag am Mauspfad in Köln, genau 11 Kilometer von der Werkstatt entfernt. Dann musste ich dort vorbei gekommen sein, denn den Mauspfad war ich einmal in seiner kompletten Länge von Dellbrück bis zum Flughafen gefahren. Er schaute auf seinem Smartphone nach und wir verorteten das Schmitzebüdchen im Stadtteil Rath. Er zeigte mir Fotos im Internet: es war ein ganz normaler Kiosk, der inzwischen zu einer Pizzeria umgebaut worden war, aber seine ursprüngliche Gestalt war erhalten geblieben. Als der nächste Kunde kam, brach das Gespräch ab, ich verabschiedete mich mit meinem aufgepeppten und wieder fahrbereiten Rennrad. Draußen musste ich mich warm einpacken in Schal, Handschuhe und dicker Jacke, da es kalt war.

4. März 2023


Zum Geburtstag meiner Frau hatte ich eine Spontan-Überraschung organisiert, die sich am Sonntag in der Woche zuvor ergeben hatte. Das Theaterstück „Dat Kölsche Hotel“ hatte ich im Kölner Senftöpfchen-Theater ausfindig gemacht. Lange hatte ich gesucht nach einem geeigneten Programm in Senftöpfchen-Theater oder sonstwo, entweder waren die Künstler zu unbekannt oder nicht der richtige Geschmack, oder die Veranstaltungen waren ausverkauft. Das Theaterstück „Dat Kölsche Hotel“ klang hingegen interessant, es war auf Kölsch gehalten, beinhaltete jede Menge Verwechslung und Klamauk, und es wurde viel gesungen. Vier Mitbesucher hatte ich begeistern können, und zuvor waren wir in einem Brauhaus essen, wobei ich Schwierigkeiten hatte, ein Restaurant mit einem freien Tisch für sechs Personen zu finden. Der Abend hielt, was er versprach. Die vollkommen unbekannte Theatergruppe beherrschte die Kölsche Sprache, wir lachten viel, der Gesang war bestens, lediglich die Pointe nach der Pause war etwas schwach, was den lustigen Grundcharakter und den exzellenten Gesang nicht trübte. Die 22 Vietnamesen, die sich angekündigt hatten, kamen nämlich nicht, ebenso blieb die ausgewanderte Tochter auf Mallorca. Das hätte ein totales Chaos erzeugt, da die Hotelzimmer wegen eines vorherigen Einbruchs von der Polizei abgesperrt worden waren und nicht betreten werden durften. Der Gigolo, der die Frauenherzen und das Personal durcheinander brachte, entpuppte sich als geplanter Störfaktor, womit sich der Hotelinhaber sich an seiner Gattin revanchieren wollte. Manche Gesangsstücke waren einfach brilliant – so ein Stück über die ausgewanderte Tochter auf Mallorca, die alles Geld, was sie besaß, drauf machte. Oder ein Musikstück über einen Flaschenöffner, um eine Flasche alkoholfreies Bier zu öffnen, die dem Gigolo überhaupt nicht schmeckte. Oder ein Stück, das die wahre Identität des Hotelinhabers als „Kniesbüggel“ offenbarte. Wir erlebten einen sehr unterhaltsamen Abend in dem geselligen Theater in der Kölner Altstadt, worüber sich auch meine Frau sehr gefreut hatte, und das war die Hauptsache.

5. März 2023


Wir waren zu viert, als wir den gestrigen Geburtstag meiner Frau mit einem Frühstück fortsetzten. Auch im Winter, ohne dass wir draußen sitzen konnten, bot das Café im Nachbarort einen schönen Rahmen. Da wir uns seit September letzten Jahren nicht gesehen hatten, hatten wir jede Menge zu erzählen. Unser Freund war weit gereist, er war in vielerlei Themen bewandert, über alles konnte man sich mit ihm unterhalten, er zeigte Interesse an Kultur, kurzum: er war ein Gesprächspartner, um seine eigenen Ansichten auf den Prüfstand zu stellen, wovon wir nur wenige hatten. Einen großen Teil der Gespräche nahm unsere Dreier-WG ein, wo der Redebedarf groß war und wovon es ständig etwas zu berichten gab. Wir erfuhren etwas von der Herkunft seiner Eltern, seine Mama kam aus Thüringen und sein Papa aus Köln. Er fuhr regelmäßig zu seiner Tante nach Thüringen, und bei seinem letzten Besuch warf sie eine Frage zum Unterhalt auf, die er an uns weiter reichte. Sein Neffe war behindert, er arbeitete in einer Behindertenwerkstatt, Mutter und Vater lebten getrennt, und der Vater zahlte nun keinen Unterhalt mehr, weil sein Neffe die Ausbildung im Behindertenwohnheim abgeschlossen habe und nun Geld verdiene. Wir befanden, dass es sich normalerweise um keine Ausbildung handeln könne, man müsse aber den Einzelfall kennen, wie fit der Neffe wirklich war, damit es sich um eine Ausbildung im Sinne des Berufsausbildungsgesetzes handeln könne. Unser Freund reiste gerne, so hatte er im Jahr 2019 Russland bereist. Er war in St. Petersburg und in Moskau, die den Eindruck ganz normaler westlicher Großstädte vermittelten. Trotz des Krieges gegen die Ukraine dürfte das Erscheinungsbild heutzutage nicht viel anders sein, und zum Ukraine-Krieg meinte unser Freund, er würde gar nicht mehr hinschauen, so viel Schrecken und so viel Leid würde in den Nachrichten gezeigt. Und das schlimme sei, niemand könne den Wahnsinnigen in Russland stoppen, seine Macht sei gefestigt durch all seine Gefolgsleute, eine Revolution sei nicht in Sicht. Seine letzte Reise hatte ihn nach Oman geführt, und er schwärmte von dem Wüstenstaat. Er hätte nicht gedacht, dass Wüste so schön sein kann. Mit einer Reisegruppe war er quer durchs Land gereist, und zu zweien aus der Reisegruppe hatte er noch intensiven Kontakt. Er hatte auch unangenehme Dinge zu erzählen, er musste sich nämlich einer Prostata-Operation unterziehen. Bei seiner jährlichen Krebsvorsorge war das Karzinom entdeckt worden, danach musste eine Biopsie mit einer Gewebeprobe gemacht werden. Das Krankenhaus riet ihm zu einer Entfernung der Prostata, was die Variante mit dem geringsten Risiko war. Die Operation stand im April relativ dicht bevor, und dementsprechend froh war er, wenn er die Sache hinter sich gebracht haben würde. Danach musste sich die Verdauung umgewöhnen auf die Darmabschnitte ohne Prostata, was allerdings bei einem früheren Arbeitskollegen unkompliziert geschehen sei, der denselben Eingriff über sich ergehen lassen musste. Fast vier Stunden hatten wir zusammen gefrühstückt, und als wir nach draußen zu unseren geparkten PKWs zurück schritten, stellten wir fest, dass wir unabhängig voneinander kurz hintereinander in dem benachbarten chinesischen Restaurant gegessen hatten, er am gestrigen Tag und wir eine Woche zuvor. Wir wünschten ihm alles Gute für die Operation in einem Monat, und danach verabschiedeten wir uns in die Richtung des Parkplatzes, wo unsere PKWs standen.

6. März 2023


Nervige und wenig kundenfreundliche Vorgehensweisen beim Schlüsseldienst neben dem HIT-Supermarkt in Troisdorf. Für die Zimmer im Haus der Dreier-WG hatten wir insgesamt vier Schlüssel nachbestellt. Diese waren nicht vorrätig, sie mussten bestellt werden, wofür wir insgesamt 48 Euro zahlten. Der Mitarbeiter würde uns anrufen, wenn die Schlüssel da seien, meinte er. Dazu notierte er sich unsere Festnetznummer, doch nichts tat sich. Als nach mehr als einem Monat kein Anruf kam, fuhr ich vorbei. Er habe mit der Lieferfirma telefoniert, die Bestellung sei wohl irgendwie verschütt gegangen, und er habe die Schlüssel nochmals bestellt. In den letzten Tagen seien Schlüssel dieser Lieferfirma angekommen, es seien aber nicht unsere Schlüssel dabei gewesen. So warten wir denn heute noch auf unsere Schlüssel. Obschon der Mitarbeiter unsere Rufnummer notiert hat, hält er es nicht für erforderlich, uns zu informieren, was der Stand der Schlüsselbestellung ist. Wir müssen entweder selbst mit ihm telefonieren oder dort vorbei fahren. Mittlerweile haben wir uns innerlich darauf eingestellt, dass eine Nachbestellung der Schlüssel wohl nicht möglich ist und dass wir uns anderweitig behelfen müssen. Zumindest werden wir unser Geld und die zur Verfügung gestellten Musterschlüssel zurück haben wollen, wenn die Lieferung ausbleibt.

7. März 2023


Wie schnell die Zeit vorbei geht, das ist in diesen Tagen am Zeitplan der Schule abzulesen. Die erste von zwei Klassenarbeiten in den Hauptfächern sind geschrieben, bald sind Osterferien, die zentralen Abschlussprüfungen liegen Anfang Mai, die Abschlussfeier findet im Juni statt und danach ist die Schulzeit vorbei. Und zwischen alledem macht die Schulklasse unserer Tochter noch eine Klassenfahrt. Dazu gab es an diesem Abend eine Informationsveranstaltung in einem Klassenraum der Realschule. Was die Klassenlehrerin vortrug, hörte sich alles gut, harmonisch und der Klassengemeinschaft dienend an. Weit weg war das Geschehen meiner eigenen Klassenabschlussfahrt auf dem Gymnasium in die Normandie. Damals war so einiges an Rotwein geflossen, nun war Alkohol strikt verboten. Grandiose Landschaften hatten wir in der Normandie und in der Bretagne kennen gelernt, nun ging es an die dröge Nordsee. In Bungalows zu jeweils sechs Personen waren die Schüler nun untergebracht, und außer dem Frühstück mussten sie sich selbst verpflegen, also vor allem selbst kochen. Uns hatte man hingegen bekocht, mit der landestypischen französischen Küche, die ich schätzen gelernt hatte. Dennoch glaubte ich daran, dass die Klassenfahrt allen gut gefallen würde und dass sie sich als Gemeinschaftserlebnis der zu Ende gehenden Schulzeit einprägen würde. Ich machte Notizen und schrieb alles wichtige mit, die Abfahrtszeit, was alles zu packen war oder welche Unternehmungen geplant waren.

8. März 2023


Weiße Überraschung am heutigen Morgen, mit einem Mal hatten wir mächtig Schnee, etwaige Kälteperioden waren im Winter hingegen stets kurz gewesen. Schon am Vortag hatte Schnee eingesetzt, als ich das Büro verlassen hatte. Als ich auf den Bus wartete, war das Schneetreiben dichter geworden, und als ich zu Hause aus dem Bus ausstieg, war ein erster kleiner Hauch von Schnee liegen geblieben. Über die Nacht hatte es durch geschneit, und das Schneetreiben hatte nicht aufgehört, während wir schliefen. Als der Wecker klingelte und ich Brötchen holte, war alles in Weiß eingehüllt. Eine geschlossene Schneedecke hatte sich gebildet, ich musste durch den Schnee hindurch stapfen, um zum Auto zu gelangen, wo ich die Scheiben erst vom Schnee befreien musste. Vorsichtig musste ich mich mit unserem Auto durch den Schnee hindurch tasten, und der Schneegestöber ließ nicht nach. Auch nicht, als ich unsere Tochter zur Schule fuhr. Ich fuhr über Neben- und Seitenstraßen, denn auch die Hauptstraßen waren nicht befreit vom Schnee. So kam ich auf den Seitenstraßen in einem etwas langsameren Tempo vorwärts, aber ohne nennenswerten Autoverkehr benötigte ich nur wenig länger. Auf der Rückfahrt von der Schule nahm ich die Umgehungsstraße, wo die Fahrspur nur mäßig frei gefahren war, so dass ich mich kaum schneller als mit einer Geschwindigkeit von 70 Stundenkilometer vorwärts bewegte. Verkehrsunfälle waren keine am Straßenrand geschehen, und im Endeffekt war ich froh, heil zu Hause zurück gekommen zu sein. Entsprechend der Witterung arbeitete ich im Home Office, denn die Autoschlange in Richtung des Arbeitsplatzes, wo auch der Bus gestanden hätte, war lang gewesen. An diesem Tag genoss ich die Vorzüge eines Home-Office-Arbeitsplatzes, und zur Mittagszeit schmolz allmählich die Schneedecke dahin.

9. März 2023


In diesen Tagen erledige ich am Arbeitsplatz eine Tätigkeit, die einen sichtbaren Bezug zur Außenwelt aufweist. Überall sind nämlich die Plakate der Außenwerbung zu sehen zum Glasfaserausbau. Es läuft eine Aktion bis zum Jahresende, dass die Kunden kostenlos Glasfaser ins Haus gelegt bekommen. Normalerweise betragen die Kosten einen hohen dreistelligen Bereich. Eingesunken in Zahlen und jede Menge Kostendaten, fällt es mir bei meiner Alltagsarbeit normalerweise schwer, einen Bezug zu den originären Telekommunikationsdienstleistungen herzustellen, die wir den Kunden bereitstellen. Wenn mich Freunde irgend etwas zu Handytarifen oder zu Festnetzanschlüssen fragen, dann muss ich oft passen. Nun führen wir in unserem Team unsere geballte Intelligenz zusammen, um die Kundenkontakte zu zählen, die mit dem Ausbau des Glasfasernetzes zu tun haben. Zum einen gibt es eine Hotline zum Glasfaserausbau, es kommen Kunden aber auch über unsere gewöhnlichen Hotlines herein. Zum anderen entstehen Nachbearbeitungstätigkeiten, die der Kunde so nicht sieht, was im Hintergrund geschieht. Bei der Zählung liegt der Teufel im Detail, die Kundenkontakte richtig und vollständig zu zählen. Am Arbeitsplatz haben wir uns die Köpfe darüber heiß geredet, ob wir etwa weiter geleitete Kundenanrufe auch mitzählen wollen, wie Doppeltzählungen ausgeschlossen werden können und bis wohin man all die Nachbearbeitungen dem Produkt Glasfaser zuordnen kann. Das verursacht zwar reichlich Stress und viel Arbeit innerhalb eines kurzen Zeitraums, dennoch ist es eine durchaus spannende Recherche, weswegen ich stolz bin, all diese Berechnungen und Ermittlungen mit gestalten zu können.

10. März 2023


Bereits im Vorfeld hatten wir den heutigen Tag heiß diskutiert, an dem der medizinische Dienst den Schwager begutachten sollte. Normalerweise ist solch eine Begutachtung zweimal jährlich verpflichtend, damit die Krankenkasse das Pflegegeld weiter zahlt. Im Falle des Schwagers hatte sich meine Frau außerhalb der Halbjahrestaktung an die Krankenkasse gewandt, da sich der Zustand des Schwagers durch den Lagerungsschwindel so verschlechtert hatte, dass er nur noch mit Hilfe des Rollators gehen konnte. Die Dame vom medizinischen Dienst hatte sich in einem Zeitfenster von zwei Stunden angekündigt, und es ergab sich so, dass sie in dem Moment einfuhr, als gerade der Betreuer des einen WG-Bewohners ankam. Meine Frau hatte schlimmste Befürchtungen gehabt, dass ihr Bruder mit einem Mal in Situationen vollkommen versiert war, die er ansonsten nicht beherrschte. Die Begutachtung lief unerwartet positiv ab. Die Verschlechterung des Zustandes, die meine Frau am Telefon der Krankenkasse erzählt hatte, wollte die Dame dokumentieren, wobei es um die Einstufung in einer höhere Pflegestufe ging mit einem höheren Pflegegeld. Es war ein Gespräch, in dessen Verlauf sie in einer Art von Checkliste die Tätigkeiten des Alltags abfragte, wie selbstständig oder unselbstständig er diese erledigen konnte. Verschlechtert hatte sich insbesondere die Mobilität, da das Gehen ohne Rollator nicht mehr möglich war. Anfangs, nach dem Einsetzen des Lagerungsschwindels, war er im Ort herum geirrt, er hatte seiner Schwester eine falsche Stelle angegeben, wo er sich befand, er hatte sich an Häuserwänden vorwärts getastet und war kaum noch fähig, weiter zu gehen. Die Dame fragte ab, wie das Einkaufen funktioniere, die Essenszubereitung oder das Waschen. Mein Schwager war auf die Betreuer angewiesen, so beim Einkaufen, beim Kochen der Mahlzeiten halfen die Betreuer hingegen selten. Sich alleine zu waschen, war nicht mehr möglich, dies erledigte einmal wöchentlich das Rote Kreuz. Ebenso wurde das Rote Kreuz beim Verabreichen der Augentropfen und beim Anziehen der Stützstrümpfe benötigt. Sie fragte den Schwager nach sozialen Kontakten und dem Set von Medikamenten, die er täglich nehmen musste. Wie er die Handgriffe des Alltags beherrschte, das musste er so gut wie nicht zeigen. Zeigen musste er lediglich mit den Händen, wie er Schritt für Schritt die Treppe hinauf- und hinunterging, aber er musste diese nicht hoch gehen. Abschließend bekräftigte die Dame des medizinischen Dienstes, dass die Selbstständigkeit / Unselbstständigkeit des Schwagers so aussähe, dass diese zur Einstufung in eine höhere Pflegestufe passen würde. Entscheiden würde darüber aber die Krankenkasse. Wir waren gespannt, wie denn die Entscheidung später ausfallen würde.

11. März 2023


In Zeiten der Inflation, möchte man meinen, bleibt kein Geld übrig, um sich teurere Dinge leisten zu können. So essen gehen, zum Beispiel. Unter der Woche hatten wir Hochzeitstag gehabt, und so hatten wir geplant, Freitags oder Samstags diesen festlichen Tag mit einem Essen nachzuholen. Ich hatte an das Chinesische Restaurant zwei Orte weiter gedacht, das am Wochenende ein Buffet anbot. Aus dem Freitag wurde ein Samstag, und so wurde zunächst die Parkplatzsuche in dem Stadtviertel zum Problem, das vor etwa 15 Jahren auf der grünen Wiese aus dem Boden gestampft worden war. Weitaus problematischer wurde es mit den Sitzplätzen im Restaurant, da ohne Reservierung nichts zu machen war – wir hatten nicht reserviert. Der Suche nach freien Sitz- und Parkplätzen überdrüssig, versuchten wir es im davor gelegenen Nachbarort im Chinesischen Restaurant am Rhein. Die Parkplatzsuche gestaltete sich nicht so chaotisch, im Inneren des Restaurants hatten wir so gerade noch Glück: zwei Tische waren in dem sehr gut besuchten Restaurant noch frei. Wie immer, war es sehr lecker, und mit unserer Tochter machten wir uns einen schönen Abend. Mich wunderte dennoch, wie locker das Geld bei den Gästen im Restaurant saß, das zuletzt kräftig seine Preise angehoben hatte. Huhn fing mit 14 Euro an, Ente und Rind mit 17, 18 Euro, Reis musste extra bezahlt werden. War in unserer Umgebung die Anzahl der Gutverdiener überdurchschnittlich ausgeprägt ? Viele redeten über die Spaltung unserer Gesellschaft durch die Inflation. Billig-Jobs befeuerten ebenso diese Spaltung, wenn die Löhne über sehr, sehr viele Jahre nicht angehoben wurden. Billig-Jobs und 570 Euro-Jobs – so manche Familien konnten sich so gerade noch über Wasser halten. Und essen gehen ? All die, die hier saßen, mussten zu einem exklusiven Zirkel von Besserverdienenden gehören, Ehepaare ohne Kinder oder Omas, Opas, Onkel oder Tanten, die reich waren und einen springen ließen. Da ich noch nicht im Ruhestand war, konnten wir uns so etwas leisten, aber was würde nach dem Ruhestand kommen ? Einstweilen genossen wir den Pfeffertopf, das Huhn süß-sauer und das Nasi Goreng, und wir blendeten all diese Verzerrungen aus, wer hier alles an den Tischen saß und wer sich solch einen Restaurantbesuch nie und nimmer leisten konnte.

12. März 2023


In diesen Tagen knubbeln sich in der Tat Aktivitäten von Essen und Ausgehen – heute wurde gefrühstückt. Meine Frau hatte Geburtstag gehabt, und eingeladen hatte sie die Dreier-WG, wovon der eine WG-Bewohner seine Freundin mitgebracht hatte. So waren wir zu sechst, für jeden bestellten wir ein Einheitsfrühstück, welches das Genießerfrühstück umfasste. Zu Beginn des gemeinsamen Frühstücks gab der eine WG-Bewohner ein Ständchen, und das Frühstück war gut und reichlich. Es gab so viel Käse und Wurst, wie wir nicht essen konnten, und der Kaffee war meiner Frau und mit etwas zu kalt geraten. Was mir allerdings vollkommen zu schaffen machte, das war der eine WG-Bewohner mit seiner Freundin: sie redeten nämlich unablässig, ihre Mundwerke standen nicht still, davon war seine Stimme so laut, dass seine Stimme quer durch das Eiscafé dröhnte. Während seines Redeschwalls musste ich mich wahnsinnig konzentrieren, weil er gezielt Zwischenfragen an die anderen richtete, und seine Aussprache war nicht immer zu verstehen. Das gut gemeinte Frühstück wurde auf diese Art und Weise höchst anstrengend, und ich wusste nicht mehr, wo mir der Kopf stand. Der eine WG-Bewohner hatte bereits vorzeitig das Eiscafé verlassen, der Schwager kam erst gar nicht zu Wort, und ich war erleichtert, als meine Frau bezahlte. Bei einem Spaziergang draußen sollte ich mein Gehirn wieder auffrischen, doch dann folgte der zweite Teil. Wir spazierten zum Haus der Dreier-WG und kamen dem Wunsch des WG-Bewohners mit seinem Mitteilungsdrang und seiner exorbitant lauten Stimme nach: mit seinem Mikrofon nahm er eine weitere Gesprächssequenz des Märchens „Dornröschen“ auf. Anschließend sollte ich so platt sein, als hätte ich den ganzen Tag Schwerstarbeit geleistet.

13. März 2023


Insgesamt fünf Vorstellungstermine für eine Ausbildungsstelle hatte unsere Tochter hinter sich gebracht, die kombiniert waren mit einem Einstellungstest. Die Berufszweige, wofür sich unsere Tochter interessierte, waren die Pflegefachfrau und die medizinische Fachangestellte. Bei zwei potenziellen Arbeitgebern war der Eindruck positiv, es mangelte aber an Praxis. Das lag wiederum an Corona, weil während der Pandemie keine Praktika an Krankenhäusern, bei Ärzten oder auch an Einrichtungen für Behinderte absolviert werden konnten. Ein Arbeitgeber, wo der Eindruck unserer Tochter positiv gewesen war, hatten ein Einsehen mit ihrer Situation und bot ihr eine einjährige Ausbildung zur Pflegefachassistentin an. Hierdurch konnte unsere Tochter die fehlende Praxis nachholen, gleichzeitig konnte dies als Voraussetzung für die dreijährige Ausbildung zur Pflegefachfrau dienen. Mit der Post war der Ausbildungsvertrag bei den GFO Kliniken zur Pflegefachassistentin bei uns eingegangen. Wir alle sind glücklich, dass wir wissen, wie es nach der Realschule mit unserer Tochter weiter gehen wird. Ein paar Tage, nachdem der Vertrag bei uns eingegangen ist, hat unsere Tochter und wir den Vertrag unterschrieben und diesen an die Personalabteilung der GFO Kliniken zurück geschickt. Bis die Ausbildung am 1. September beginnen wird, muss unsere Tochter noch einige formale Dinge erledigen. So eine Untersuchung nach §32 Arbeitsschutzgesetz, eine Bestätigung über den Impfschutz gegen Masern, eine Belehrung durch das Gesundheitsamt oder die eigene Versicherung bei einer eigenen Krankenkasse. Dafür hat sie aber noch mehr als fünf Monate Zeit. Und bis dahin kann sie sich auf die zentralen Abschlussprüfungen für den Realschulabschluss konzentrieren.

14. März 2023


Nicht bei allen Mitschülern ist die Suche nach einer Ausbildungsstelle so glatt verlaufen wie bei unserer Tochter. Viele hatten sich beim Berufskolleg wegen einer weiter führenden Schulausbildung angemeldet, so auch unsere Tochter. Die Anmeldung an der Fachoberschule für Gesundheit und Soziales in Troisdorf hatte sie über das Internet und per Post erledigt, und ließ das Berufskolleg von sich hören. Sie kam auf eine Warteliste, weil mehr Bewerber als Plätze vorhanden waren. Unserer Tochter konnte dieser Platz auf der Warteliste egal sein, da sie eine Ausbildungsstelle hatte. Andere Mitschüler hatten allerdings ebenso diese Mitteilung erhalten, auf der Warteliste zu stehen, ohne dass sie einen Ausbildungsplatz hatten. Hier kam nun Druck auf den Kessel, einen Ausbildungsplatz, Schule, soziales Jahr oder sonst was zu finden, zumal die Realschule einen Nachweis einforderte, wie es nach der Schulausbildung weiter gehen sollte. Unsere Tochter konnte sich indes beruhigt zurück lehnen. All die Prozeduren über Vorstellungsgespräche und Eignungstests hatte sie hinter sich gebracht. Diese hatte Energie und auch Können erfordert. Andere steckten noch in der Schleife dieser Prozeduren und waren zumindest zu langsam für eine Rückmeldung gegenüber der Schule, wie es weiter gehen sollte.


15. März 2023


Zerlegt durch eine Signalanlage, kommt einem die ganze Monotonie des Wohnungsbaus entgegen. In Rheinbach explodiert der Wohnungsbau geradezu, unweit des Ballungsraumes der Großstädte Köln und Bonn. Und die Schönheit der architektonischen Häuserformen müssen sich dem Kostendiktat beugen, dass Wohnraum in unserer Gegend quasi unbezahlbar geworden ist. Die technische Kälte der Signalanlage unterstreicht die regen Bauaktivitäten, denn es wird großflächig gebaut. Hinter diesen weißen, schnörkellosen und platten Häuserfassaden werden bald neue Baugruben ausgehoben werden, die die Hoffnung der Menschen auf neuen Wohnraum nähren werden. Rheinbach, eine Stadt der Gegensätze. Geht es im Innenstadtkern noch schön beschaulich zu, mit ansehnlichen Fachwerkhäusern, hübschen Winkeln und Ecken sowie den Resten der mittelalterlichen Stadtmauer, welche die reiche Geschichte der Stadt bewahrt haben. An der Peripherie, aber auch in direkter Bahnhofsnähe, wuchert dann die Stadt mit mehr oder weniger glanzlosen Häuserfassaden, die die Bewohner durch eine individuelle Note aufzulockern versuchen. Vergleicht man mit umliegenden Städten wie Meckenheim oder Euskirchen, dürften die Gegensätze noch stärker ausgeprägt sein, da in Meckenheim oder Euskirchen noch mehr platt gemacht worden ist – sei es durch Kriegseinwirkung oder durch den Menschen. Wo übrigens ebenso viel platt gemacht worden ist, das ist in meinem Heimatort, den ich gerne als Negativbeispiel für seine Unansehnlichkeit nenne. So wie in Rheinbach, so wie in Meckenheim, so wie in Euskirchen oder so wie in meinem Heimatort, geht der Trend dahin, möglichst viele Wohneinheiten auf möglichst engem Raum aus dem Boden stampfen zu wollen. Und wenn dann noch die technische Kälte dieser Signalanlage dazu kommt, droht der Mensch in dieser Dissonanz zerrieben zu werden.

16. März 2023


Wir haben versucht, unsere Wocheneinkäufe anders zu organisieren – mit mäßigem Erfolg. Normalerweise ist der Samstag unser Wocheneinkaufstag, den wir in dieser Woche auf den Donnerstag verlegt haben. Gegen 17 Uhr waren wir losgefahren, bei REWE & Co war es auch angenehm ruhig. Wegen diverser Angebote gestalteten sich die Einkäufe umfangreicher – im Angebot waren zum Beispiel Schlemmerfilet Gehacktes gemischt oder Großpackungen Putenschnitzel. REWE, ALDI, LIDL klapperten wir ab, Boxen und Kühltaschen füllten sich, und wir hatten so viel Gefriersachen eingekauft, dass wir nicht alles in unseren Kühltaschen untergebracht bekamen. Getränke, Gemüse, Wurst, Käse, für diese Einkäufe waren wir etwas länger unterwegs und kehrten gegen 19 Uhr nach Hause zurück. Noch in dem hastigen Rhythmus des Abarbeitens der Wocheneinkäufe häuften sich zu Hause die Missstimmungen. Bestimmte Gefriersachen waren nicht in der Kühlbox – diese mussten schnellstens in den Gefrierschrank gebracht werden. Wir mussten auseinander dividieren, welche Einkäufe für den Schwager bestimmt waren. Bei der Wurst für den Schwager hatten wir aneinander vorbei geredet. Er hätte sie am Samstag an einem mobilen Stand holen sollen, weil unser Metzger dauerhaft geschlossen hatte, ich hatte aber seine Wurst mit eingekauft. Hier entspann sich eine heftige Diskussion mit meiner Frau, bei der ich den Nutzen bezweifelte, dass wir die Wocheneinkäufe auf den Donnerstag vorgezogen hatten. Wir mussten schauen, wie zielführend die Einkäufe am Donnerstag waren. Bis auf kleinere Rest-Einkäufe wie Getränke, hatten wir uns jedenfalls das Wochenende frei geschaufelt für andere Aktivitäten. Wie etwa im Garten, wofür das Zeitkontingent ansonsten viel zu knapp bemessen war.

17. März 2023


Schon als ich die ersten Meter gelaufen war, spürte ich, was mir gefehlt hatte: Bewegung. Im letzten November war ich von Leutesdorf bis nach Rheinbrohl gelaufen, und während des gesamten Winters hatte ich nur drinnen gesessen, Wege zum Einkaufen und für Besorgungen zurück gelegt, und es war kaum Zeit übrig geblieben für einen längeren Spaziergang. Heute nun sollte es über den Rotweinwanderweg von Bad Bodendorf nach Bad Neuenahr gehen. Bewegung nach einem überstandenen Herzinfarkt sieht leicht anders aus. Schmerzen in der Brust begleiteten den ersten Kilometer. Insbesondere, wenn es bergauf ging, setzte eine leichte Atemnot ein, doch nach dieser Anfangsphase verschwanden diese Symptome, und der Takt des Körpers entsprach ziemlich genau demjenigen vor dem Herzinfarkt. Auf mein Herz hatte ich den ganzen Winter nicht mehr geachtet, es hatte an Bewegung gemangelt und auch an frischer Luft, weil ich zu viel drinnen gehockt hatte. Das Herz sollte ich fordern, hatte mein Hausarzt gesagt, und in der Vergangenheit hatte ich geschaut, etwa alle zwei Monate eine längere Wanderung oder Fahrradfahrt zu unternehmen, dazu kamen ab dem Frühjahr die Fahrradfahrten ins Büro. Was für eine Strecke ich an diesem Tag erwandern wollte, das hatte ich vielfach hin- und herüberlegt, wozu ich die Tippeltouren von Peter Squentz studiert hatte. Rund um Sinzig, auf die Erpeler Ley oder von Unkel nach Bruchhausen wären Alternativen gewesen. Die Vielfalt an Wanderzielen war in der Tat sehr üppig.

18. März 2023


Wenn ich nach Schnittmengen der heutigen Wandertour zu dem Buch von Andrea Wulf „Die fabelhaften Rebellen“ suche, werde ich schnell fündig. Das Buch handelt von einem Kreis von Dichtern und Denkern in Jena, allen voran Goethe und Schiller, die sich durch die Natur inspirieren ließen. In der Literaturwissenschaft kann man diese Form von Dramen, Romanen und Gedichten der Romantik zuordnen. Der Mensch und die Natur stehen im Vordergrund, die Verbindung des Menschen mit der Natur und seine Gefühle gegenüber einer in sich vollendeten Natur. Goethes Farbenlehre befasst sich im Endeffekt mit der Natur, Schellings Naturphilosophie setzt auf den Beobachtungen des Menschen in der Natur auf, Novalis erhebt seine Gefühle in der Natur über technische Errungenschaften. Während ich über den Rotweinwanderweg in der Natur daher schritt, wurde mir bewusst, dass die Natur Freiräume läßt für Beobachtungen. Reizüberflutungen wie in der Stadt blieben aus. Kein Lärm, keine Baustellen, der Autoverkehr floss abseits im Ahrtal, keine Staus und kein Gedrängele. Anstatt dessen konnte man die noch kahlen Bäume und die noch kahlen Weinstöcke bewundern, der roten Rebe des Rotweinwanderwegs folgend, auf der Höhe der Ruine der Burgruine Landskron im Hintergrund. Es war Platz, wo sich die Natur ausbreiten konnte. Dörfer lagen abseits, die Landschaft war wohl geformt in den ansteigenden Berghängen oberhalb des Ahrtals, das ja auch Romantiker wie Gottfried Kinkel oder Ernst Moritz Arndt erwandert hatten. Der Geist solcher Dichter und Denker ist längst begraben, aber in mir selbst leben solche Gefühle für diese atemberaubende Landschaft wieder auf.

19. März 2023


Manchmal gibt es solche Tage, an denen man eine Bestätigung erfährt, dass sich all der Papierkrieg lohnt. Dieser Kampf gegen die Mühlen der Bürokratie, dem Ausfüllen von Formularen, dem Beifügen von Unterlagen und Bestätigungen, das Erringen von Nachweisen und das Mitbringen von Geduld, denn die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam. So kam Post von der IKK, wobei wir mit Schriftwechsel mit dieser Krankenkasse zuletzt überschwemmt wurden. Diese Post war diesmal absolut Kriegs entscheidend: die Pflegestufe war beim Schwager nämlich erhöht worden, und zwar vom Pflegegrad 2 auf den Pflegegrad 3, wodurch sich das Pflegegeld nicht unerheblich erhöhte. Die Mühe hatte sich also gelohnt. Das Gutachten des medizinischen Dienstes, das beigefügt war, beschrieb seine Unselbstständigkeiten im Alltag, seine verminderte Sehkraft, seine dauerhaft beeinträchtigte Mobilität und seine psychischen Beeinträchtigungen nach den Vorfällen in der Behindertenwerkstatt. Als ob dies noch nicht genug wäre, erhielt der Schwager einen weiteren Geldsegen, wozu er überhaupt nichts beigetragen hatte. Er bezog nämlich Wohngeld, und hierzu hatten sich Betragsgrenzen geändert. Von Januar bis März diesen Jahres erhöhte sich das Wohngeld, und zwar um etwas mehr als einhundert Euro. An diesem Tag atmeten wir erst einmal tief durch. Was wir an Papier produzierten und auch von Behörden, Krankenkassen usw. erhielten, das ging nicht auf die berühmte Kuhhaut. Von einer Digitalisierung waren die Beteiligten kilometerweit entfernt. Über die Euros, die der Schwager mehr an Transferleistungen erhielt, waren wir wahnsinnig stolz.

20. März 2023


Der Kreis an Interessenten, den meine Frau für den Laach Ovend des Kabarettisten Christoph Brüske gewinnen konnte, wurde immer größer. Insgesamt 19 Personen kamen zusammen, und für diese Anzahl hatten wir einen Tisch zum vorherigen Essen im Restaurant Zur Linde bestellt. Dabei hatte es kurzfristig wenige Ausfälle gegeben, wofür meine Frau aber wieder Ersatz fand. Bis meine Lachmuskeln sich eingeschwungen hatten, das sollte diesmal bis nach der Pause dauern. Die beiden Gäste Götz Frittrang aus Bamberg und Waltraud Ehlert aus Bochum legten zwar ordentlich los, meine Stimmung, die ich mitgebracht hatte, erwies sich diesmal allerdings als zu träge. Nach der Pause lockte mich dann Götz Frittrang aus der Reserve. Vom Bodensee kommend und nach Franken eingeheiratet, machte er sich über den Hausrat seiner Großeltern lustig. Berge von Porzellan und Geschirr hatten in Schränken gelagert, und all seinen Humor und all seine Pointen ließ er an einer Suppenterrine aus. Sie hatte einen Goldrand, es war streng verboten, sie zu benutzen, mit der Ausnahme an einem Weihnachtsfeiertag, und der Kabarettist rätselte, was für Fälle eintreten mussten, wann seine Großeltern diese hinter den gut behüteten Schranktüren heraus gekramt hätten. Ihm kam der Papst in den Sinn oder der Bundespräsident, die urplötzlich vor der Haustüre gestanden hätten und geklingelt hätten. Bei all diesen Witzen über den überquellenden Hausrat kam ich aus dem Lachen nicht mehr heraus, und der Franke mit dem Vollbart, der zuletzt einen Kleinkunstpreis erhalten hatte, kam mir sogleich viel sympathischer vor. Gefallen hatte mir diesmal auch die Ansammlung von 19 Personen, wozu auch die Katzeninhaberin der Mama unseres kleinen Kätzchens gehörte. Oder ein früherer Klassenkamerad meiner Frau, der genau an demselben Tag Geburtstag hatte wie meine Frau. Trotz der Anlaufphase, war der Laach Ovend mit dem Kabarettisten Christoph Brüske genauso unterhaltsam und schön wie die vorherigen Abende.

21. März 2023


Erinnerungen kamen hoch bei der Klassenfahrt unserer Tochter an die Nordsee. Der Bus stand bereit, und bevor der Bus losfuhr, durfte ich mit dem Fahrrad noch einmal nach Hause zurück kehren. Unsere Tochter hatte ihr Ladekabel fürs Handy vergessen. Meine Frau hatte sie mit dem Auto zur Realschule gebracht, ich fuhr mit dem Fahrrad hinterher, und als ich etwa 2/3 der Wegstrecke zurück gelegt hatte, erreichte mich der Anruf meiner Frau auf dem Handy. Als ich eintraf, stand der Bus noch bereit, die Schüler standen in Grüppchen zusammen, niemand war eingestiegen. Fast keine Eltern waren zu sehen, die sich verabschiedeten, und so verabschiedete ich mich von unserer Tochter kurz. Eine kurze Umarmung, ich wünschte ihr alles Gute, zuvor hatte sie sich angeregt mit ihren Mitschülern und Mitschülerinnen unterhalten. In mir kamen Erinnerungen hoch an meine eigene Abschlussfahrt auf dem Gymnasium, die prägende Eindrücke für den Rest meines Lebens hinterlassen hatte. In der Oberstufe waren wir alle volljährig gewesen, die Klassenfahrt ging nach Frankreich in einen Ort, der an der Grenze von der Normandie in die Bretagne ging. Die Erlebnisse waren fulminant. Wunderschöne Landschaften, ich kann mich noch gut an den Mont St. Michel erinnern, an die Festungsstadt Fougères oder an Saint-Malo, wahnsinnig schöne Städte und Landschaften. Im Alltag mit der französischen Sprache klar zu kommen, daran haperte es noch etwas, dafür entdeckte ich meine Leidenschaft für das Essen und den Rotwein. Wir hatten oft Karten gespielt, die Klassengemeinschaft stimmte, allerdings würde unsere Tochter ihre Abschlussfahrt nicht genau in dieser Form erleben, weil es an die Nordsee ging und weil so ungefähr alle Schüler noch minderjährig waren. Alkohol war verboten, und nichtsdestotrotz ging ich davon aus, dass die Schüler genauso ihren Spaß und schöne Erlebnisse haben würden in einer Gegend, wo wir als Familie noch nie Urlaub gemacht hatten. Jedenfalls harmonierte die Klassengemeinschaft bei unserer Tochter, was ich Vor-Corona-Zeiten noch komplett anders gewesen war. Guten Gewissens fuhr ich mit dem Fahrrad zurück, indem ich unsere Tochter der Gruppe von Schülern überließ, wohl wissend, dass sie in der guten Obhut ihrer Klassenlehrerin und die anderen mitfahrenden Lehrer sein würde.

22. März 2023


Trotzig wie ein kleines Kind, so kam mir die Reaktion der Lebenshilfe vor auf die Mängelliste meiner Frau, was die Betreuer nicht richtig oder in einer schlechten Qualität erledigten. Einen Termin zu diesem Thema, wozu meine Frau eine dreiseitige E-Mail abgefasst hatte, hatte bei einer Betreuungsstelle in St. Augustin statt gefunden. Nun traf man sich mit zwei Betreuerinnen bei der Behindertenwerkstatt, und meine Frau sollte unerwartet schnell zurück kehren. Wieso diese schnelle Rückkehr, darauf antwortete sie, dass das Thema eine unerwartete Wendung genommen hatte, die Betreuung für ihren Bruder sei nämlich gekündigt worden. Anfangs war ich entsetzt und sah weitere Konfliktpotenziale. Dauerhaft hatte eine Betreuerin den Staubsauger falsch bedient, sie hatte zu viel Reinigungskonzentrat eingefüllt und dauerhaft würde der Staubsauger beschädigt werden. Die beiden anderen WG-Bewohner hatten, um Fehlbedienungen zu vermeiden, ihren eigenen Staubsauger, aber nun gab es Probleme beim Reinigen des Laminatbodens. Nebelfeucht musste dieser gereinigt werden, was in der Praxis nicht geschah. Oftmals wurden Dinge auf Kosten des Schwagers benutzt, die er auf seine Kosten eingekauft hatte, so etwa Waschpulver. Meiner Frau stand noch die Erstattung von Ausgaben für zwei Fruchtfliegenmonitore zu, ebenso Wischmöppe für den Staubsauger. Bislang war diese Erstattung abgelehnt worden, dies würde sie nun einfordern. Der Tisch auf der Terrasse war durch Zigarettenasche beschädigt worden, der Stubenbesen war durch Zweckentfremdung unbenutzbar geworden, die Fenster waren noch nie von außen geputzt worden, dies war lediglich der Auszug dieser Mängelliste, die meine Frau aufgestellt hatte. Mit der Kündigung würden wir uns arrangieren können, dennoch hielten wir dieses Verhalten für kindisch. Ausgesprochen war diese Kündigung für Ende April, die Pflegetätigkeiten des Roten Kreuzes von Waschen, Stützstrümpfe anziehen und Augentropfen verabreichen waren davon nicht betroffen, und bis dahin mussten wir einen neuen Auftragnehmer finden für die Hilfe beim Putzen und Waschen. Kochen hatte nicht wirklich funktioniert, Einkaufen war ständig schief gelaufen, weil er sich nicht äußern konnte, was er wirklich brauchte. Da hatten wir mit dem Schwager andere Lösungen gesucht und gefunden. Schlimm war nicht die Kündigung, schlimm war, wie die Dinge weiter laufen würden. Unabhängig von dem Auftragnehmer der Lebenshilfe. Auch ein anderer Auftragnehmer würde die Dinge nicht besser erledigen.


23. März 2023


Einfach nur lieblos daher geklatscht, die Funktion steht über der Schönheit, Wegschauen anstelle Hineinschauen in die wohl geformte Landschaft. „Das sieht doch Scheiße aus“, an diesen Ausspruch eines Handwerkers erinnerte ich mich, als er unwinklig verlegte Fliesen kommentierte. Diese Betonwand stützt den steilen Berghang des Weinbergs ab, und irgend jemand hatte die Idee, genau diese Stelle könnte der ideale Platz für eine Pause auf einer Bank sein, um in die Weite der Landschaft zu schauen und die Schönheit des Ahrtals einzusaugen. Das mag zutreffen, denn der Blick in die Weite ist nicht schlecht, aber diese Kombination ? Landschaftsplaner mögen gedankenlos sein, die Funktionalitäten einer Sitzbank und einer Betonwand zur vollkommenen Harmonie zu erklären. Das schlimme ist, dass dieser Flickenteppich von Scheußlichkeiten zunimmt, je mehr Planer unabhängig von einander etwas machen, wenn niemand dies koordiniert oder einen abschließenden Blick darauf wirft, dass dies „Scheiße“ aussieht. Planer denken dann in Bausteinen, wo jeder Baustein an für sich richtig ist und seine Berechtigung hat. Aber das Ganze sieht dann scheußlich, krumm, schief, unsinnig, eben halt „Scheiße“ aus. Und es kommt noch schlimmer: ganze Städte sehen wie solch ein Flickenteppich von Scheußlichkeiten aus, wenn niemand auf das Ganze geachtet hat und jedem Planer alle Freiheiten gewährt werden.

24. März 2023


Ganz viel Kampf und Krampf mit der Grundsteuererklärung. Auf den letzten Drücker, am letzten Tag der Abgabefrist, hatten wir die Erklärung mit der Post an das Finanzamt geschickt, weil Fehlermeldungen uns in ELSTER gequält hatten. Ohne Bereinigung dieser Fehler war die Software des Finanzamtes sperrig und verweigerte die Absendung der Erklärung. So glaubten wir, unserer Pflicht mit der Versendung in Papierform mit der Post genüge getan zu haben, zuletzt kam aber eine Erinnerung mit dem Hinweis auf zu begründende Ausnahmen, die Erklärung mit der Post zu schicken. Blicke ich darauf zurück, welche Verzweiflung sich bei der erfolglosen Fehlersuche angesammelt hatte, hielt ich die Erinnerung des Finanzamtes für eine Frechheit. Man orientierte sich nicht an den Fähigkeiten seiner Bürger, sondern bestimmte, wo es entlang ging. Gängige Drohpotenziale wurden in der Erinnerung zum Ausdruck gebracht. Wahrscheinlich blieb mir nichts anderes übrig, als mich mit ELSTER erneut zu befassen. Bei der normalen Steuererklärung war ich jedenfalls bestens damit klar gekommen, und ich schätzte die Vorteile einer elektronischen Steuererklärung. Nach einer längeren Suchaktion entdeckte ich den Grund für die Fehlermeldung: es fehlte eine „1“, welche darauf verwies, dass das Wohnhaus in der Erklärung weitere Daten in der Anlage Grundstück enthielt. Dieses Feld mit der Überschrift „enthalten in“ zu finden, war allerdings nicht ganz trivial. Es versteckte sich nämlich unter der Kategorie „Gemarkung und Flurstück des Grundvermögens“, die aufgeklappt werden musste, indem diese geändert werden sollte. Darauf musste erst einmal ein Mensch kommen ! Bestimmt eine halbe Stunde war ich die Erklärung mit der Anlage rauf- und runtergegangen – zunächst ohne Erfolg. In der Vergangenheit habe ich gerne meine Einstellung gepostet zum gestörten Verhältnis zwischen dem Bürger und den Behörden. Solche Vorgehensweisen des Finanzamtes leisten sicherlich keinen Beitrag zur Verbesserung dieses Verhältnisses.


25. März 2023


Voller Neugierde, die unser Wochenblättchen geweckt hatte, fuhr ich durch die Premnitzer Straße in unserer Stadt. Dieser nach den Kleinstadt in Brandenburg benannten Straße hätte ich ansonsten keine Aufmerksamkeit geschenkt, wäre da nicht dieser Bericht in unserem Wochenblättchen gewesen über die Blütezeit der Zierkirschen. In Bonn wurde im April ein Volksfest rund um die Kirschblüte veranstaltet, und unsere Stadt wollte dem nicht nachstehen, da es hier genauso schöne Alleen von blühenden Zierkirschen gab. Um diese zu bestaunen, machte ich einen Abstecher von unseren Wocheneinkäufen, doch anscheinend war ich einige Wochen zu früh. Nichts blühte, nur kahles Geäst anstatt der Blütenpracht auf der Premnitzer Straße. Die Allee umschloss die schmale Straße gegenüber der Schule, wo unser Sohn auf die Hauptschule gegangen war, aber ohne Blüten und nur sehr spärlich bespickt mit Trieben von grünen Blättern sah das Neubauviertel reichlich unattraktiv aus. So fuhr ich denn weiter zur Ortsmitte über einen Kreisverkehr, den ich oftmals passiert hatte. Hier standen dann einige schöne Exemplare von Zierkirschen. Ich fand genau das, was ich mir an anderer Stelle an der Premnitzer Straße erhofft hatte. In all ihrer Eleganz umstanden die Bäume die Runde des Kreisverkehrs, während sich der fließende Autoverkehr an dieser Insel vorbei schlich. Ein Volksfest für die Kirschblüte würde hier nicht veranstaltet werden, aber diese Stelle war ein Beweis, wie man ganz banale Dinge aufhübschen konnte.

26. März 2023


Unsere Überlegungen, an der frischen Luft eine Runde zu drehen, machten ein paar Wendungen. Zunächst hatte ich als Ziel die Rheinaue ausgemacht, auf dem Weg fuhren wir weiter bis Godesberg, um die Godesburg zu erklimmen und dann einen Kaffee zu trinken, doch es regnete zu stark. Dieser ließ merklich nach auf dem Rückweg über die Rheinaue, so dass wir beschlossen, dort unseren Spaziergang zu machen. Ich selbst war fixiert auf den japanischen Garten, doch wir parkten diesmal anders und spazierten aus einer anderen Richtung zum Rhein hin. Die Regentropfen vereinzelten sich, die Luft war klar und wie reingewaschen. Es sah so aus, als hätten sich die Regenwolken ausgeregnet, und eigentlich war dies genau mein Wetter, um durch zu atmen. Die Temperaturen waren mäßig bis kühl, so dass ich mit Schrecken an die kommenden Sommermonate mit ihren schrecklichen Hitzewellen dachte. In der nassen und feuchten Witterung hatte die Natur genug Wasser von oben bekommen, und so spazierten wir unter einer Allee von Zierkirschen hindurch, die den Frühling von seiner bunten und angenehmen Seite zeigten. All die Gehölze und Sträucher, die am blühen waren, erfreuten uns. Auf meine Nachfrage identifizierte meine Frau einen Strauch als Azalee, der in seiner vollen und hellrosanen Blütenpracht stand. Und der Blickfang all der gelben Narzissen faszinierte mich. Sie standen in langen Reihen auf Rasenflächen, aber auch zwischen Bäumen und Gehölzen, die teilweise noch winterkahl waren, aber auch in voller Blüten standen. Erneut stellte ich fest, dass der März genau in der Phase, wenn das Grün und all die Blüten austrieben, ein wunderbarer Monat war, um die Natur zu bestaunen. Insbesondere dann, was für mich persönlich galt, wenn es nass war und regnete, aber bitte in Maßen und nicht allzu ergiebig. Auf dem Rückweg zu unserem Auto fegte uns noch ein heftiger und kalter Wind ins Gesicht, was höchst unangenehm war. In Summe, war es aber ein schöner Spaziergang am Sonntagnachmittag, der den Kopf freiräumte und die Gedanken wieder in Gang setzte.

27. März 2023


Inspiriert durch das Buch von Andrea Wulf „Die früher Romantiker und die Erfindung des Ich“, suchte ich ebenso Orte der Romantik in unserer näheren Umgebung auf. Gelesen hatte ich in den Büchern des Wanderbuchautors Peter Squentz über das Wohnhaus von Karl Simrock in Bad Honnef. Simrock, der von 1802 bis 1876 gelebt hatte, war Professor an der Bonner Universität, er übersetzte das Nibelungenlied aus dem Althochdeutschen, er verfasste Gedichte und er gab unter anderem die Zeitschrift „Die deutschen Volksbücher“ heraus, eine Sammlung deutscher Volkslieder. Sein Wohnhaus am Stadtrand von Bad Honnef, das er „Haus Parzival“ genannt hatte, war heutzutage in Privatbesitz und man konnte es nicht besichtigen. Namhafte Persönlichkeiten verkehrten in seinem Privathaus, so Alexander von Humboldt, die Gebrüder Grimm, Heinrich Heine oder Hoffmann von Fallersleben. Eine besondere Freundschaft pflegte er mit Ferdinand Freiligrath. Er wohnte in Unkel am Rhein und betrieb von dort aus den Wiederaufbau des Rolandsbogens, der bei einem Unwetter eingestürzt war. Er sammelte Spenden und organisierte Helfer, die den Rolandsbogen wieder aufbauten. Der sogenannte „literarische Simrock-Freiligrath-Weg“ verband die beiden Wohnhäuser miteinander, dasjenige von Karl Simrock in Bad Honnef mit demjenigen von Ferdinand Freiligrath in Unkel. Sechs Kilometer lagen die beiden Wohnhäuser auseinander, und der literarische Weg verfolgte die Gehstrecke zwischen den beiden Wohnhäusern. So massiv und dann doch so unscheinbar am Standrand von Bad Honnef, erinnerten einen die Netzwerke dieses Wohnhauses von Karl Simrock entfernt an die Wohngemeinschaft in Jena, die Andrea Wulf in ihrem Buch „Die frühen Romantiker und die Erfindung des Ich“ beschreibt.

28. März 2023


Bisweilen beklage ich mich darüber, dass von den Betreuern so gut wie nichts kommt, was gemeinsame Unternehmungen der Dreier-WG betrifft. Oder dass es lieblos dazwischen geschobene Veranstaltungen sind – wie etwa die Karnevalsfeier des betreuten Wohnens am Mittwoch vor Weiberfastnacht – wo sich die Anwesenden nichts als langweilten. An diesem Tag hatte das betreute Wohnen dann doch einen Knaller organisiert, es ging nämlich zum Zirkus Roncalli, der vor dem Alten Zoll gastierte. 8 Euro mussten die Bewohner zuzahlen, und mit PKWs wurden sie abgeholt. Dementsprechend begeistert waren die Bewohner der Dreier-WG, nachdem sie zurück gekehrt waren. Ein Bewohner fand allerdings schade, dass keine Tiere auftreten durften. Dafür hatten sich Tierschutzverbände eingesetzt. Da bei Wildtieren wie Bären oder Elefanten keine artgerechte Haltung und Unterbringung in Zirkussen sicher gestellt war, gab es eine EU-weite Empfehlung, auf Wildtiere in Zirkussen zu verzichten. Dieser Empfehlung war der Zirkus Roncalli gefolgt. Ein anderer Punkt hatte dem WG-Bewohner Furcht und Angst eingejagt: die Artisten vollzogen ihre Kunststücke nämlich ohne Netz. Ihre Akrobatik -insbesondere auf dem Hochseil – war atemberaubend, sie begeisterte und stieß in unvorstellbare Dimensionen vor. Aber offensichtlich ging dem Bewohner dieser Nervenkitzel zu weit. Wie dem auch sei, im nachhinein überwog die Begeisterung, alle waren zufrieden und wünschten sich weitere, ähnlich schöne Unternehmungen.

29. März 2023


Auf der Wanderung von Unkel nach Erpel lernte ich über die Wirren des Truchsessischen Krieges, der von 1583 bis 1588 dauerte. Gebhardt von Truchsess war zum Kölner Erzbischof ernannt worden, er verliebte sich aber in eine Gräfin, er wollte sie heiraten und trat zum reformatorischen Glauben über. Das Kölner Erzbistum wandelte er in eine weltliches Fürstentum um. Dabei suchte er Unterstützter für die Reformation und fand Verbündete in Hessen, im Westerwald und in Westfalen. Seine Weigerung, den katholischen Glauben wieder anzunehmen, beantwortete das Kölner Domstift mit einer Kriegserklärung, dabei riefen die Kölner Truppen aus den Niederlanden, aus Spanien und aus Bayern zu Hilfe. In der fünfjährigen Dauer des Krieges konnte die Koalition des Kölner Domstiftes Gebhardt von Truchsess besiegen, seine Truppen richteten aber immense Zerstörungen an Kirchen sowie Massaker an Katholiken an. Nachdem ich am Bahnhof Unkel angekommen war, war ich unter der Unterführung der Bundesstraße B42 in die Richtung des Stadtteils Scheuren gewandert. Der Ortskern war klein und fein, mit lauter hübsch heraus geputzten Fachwerkhäusern. Auf dem Dorfplatz ragte die zartgelb gestrichene Fassade der Kapelle St. Joseph heraus. Es geschah genau beim Ausbruch des Truchsessischen Krieges, also im Jahr 1583, dass die um 1500 gebaute Kapelle niedergebrannt wurde und ein ähnliches Schicksal erlitt wie umliegende Kirchen in Bad Honnef oder Rheinbreitbach. Der Haß der Protestanten ergoss sich über die Katholiken, beide Konfessionen bekämpften sich und sollten sich für Jahrhunderte feindlich gegenüber stehen und Flächenbrände in Europa wie im 30-jährigen Krieg auslösen. Als der Truchsessische Krieg 1588 endete, war im Erzbistum Köln mit dem Erzbischof Ernst von Wittelsbach wieder ein katholischer Bischof ernannt worden. Danach sollte das Rheinland eine „erz-katholische“ Insel bleiben und einen katholischen Erzbischof behalten. In der Einflusssphäre des „erz-katholischen“ Kölner Erzbistums wurde die Kapelle St. Josef in Scheuren von 1680 bis 1683 wieder aufgebaut, und heute glänzt sie mit einer Innenausstattung aus der Barockzeit. Ich verließ indes den Ortskern von Scheuren und bog im Ortskern nach rechts ab, wo der Teerweg einen mächtigen Anstieg nahm in die Richtung der Aussichtsplattform auf dem Elsberg.

30. März 2023


Im Inneren meiner Gefühlswelt spürte ich, wie sehr mich dieses Verkehrsschild mit den 12% Gefälle anzog. Diese Anziehungskraft hatte nicht nachgelassen aus der Zeit meiner Rennradtouren, als diese mit umgekehrtem Vorzeichen – als Steigung – meine Kondition heraus gefordert hatte. 12% Steigung, dieser Schwierigkeitsgrad war hoch, und der Stolz wäre enorm gewesen, wenn ich oben auf dem Berg angekommen wäre. Dieser Anstieg verlief von Erpel nach Orsberg, und nun stand ich oben auf dem Berg in Orsberg, dem Ziel, nachdem ich mich von Bruchhausen den Waldrand entlang über eine Nebenstraße massiv verlaufen hatte. So wie in Scheuren, hieß auch hier die Kapelle St. Josef, auch hier war sie in einem zartgelben Farbton angestrichen und auch hier war sie umsäumt von schmucken Fachwerkhäusern. So wie in Scheuren, musste ich feststellen, dass es hierzulande viele hübsche Orte gab, die mir vollkommen unbekannt waren und dass es so viel zu entdecken gab. Der Blick in das Rheintal war genial. Die Straße fiel geradeaus den Berghang hinunter, der sich in Reihen von Häuserzeilen auffächerte. Hinter diesen Häuserreihen versteckte sich der Ortskern von Erpel, aus denen mit etwas Mühe und Not der Kirchturm der Pfarrkirche St. Severin zu erkennen war. Dahinter breitete sich der Rhein mit seinem trägen Flussbett aus, und alsbald erschienen Schiffe auf dieser Flusslandschaft und verschwanden bald wieder. Es war ein Panorama zum Innehalten, nachdem ich mich so sehr verlaufen hatte. Die zufällig vorbei kommende Spaziergängerin hatte bei unserer Begegnung Mühe gehabt, mir den Weg zu erklären. Hier hatte ich nun die Orientierung wieder erlangt, und der Rhein unten im Tal gab mir Sicherheit.

31. März 2023


Im Garten ging es ziemlich unkoordiniert vorwärts, unterbrochen von Regenwetter, etwas Sonne und morgendlichem Frost. In unserem Garten wollten wir einige Hochbeete auffüllen, die in sich zusammengefallen waren. Dazu hatten wir zehn Säcke Pflanzerde im Gartencenter in unserem Ort gekauft, die nun in unserem Garten lagerten. Drei andere Hochbeete hatte ich mit einer Mischung aus durchgesiebtem Kompost und dieser Pflanzerde aufgefüllt, und nun benötigten wir Kleingehäckseltes zum Auffüllen. Dazu hatte ich mich in den Garten des Hauses der Dreier-WG begeben, um dort einen verkorksten Nadelbaum – eventuell eine Eibe – und einen Nadelbaum klein zu sägen. Genau dieses Kleinsägen war zeitkritisch, da dies ab dem 1. April nicht mehr erlaubt war wegen eventueller Vogelnester, die sich zwischen den Zweigen hätten befinden können. Der Haufen der abgesägten Äste und Zweige sah reichlich unsortiert aus, das Kleinhäckseln würde ich demnächst Stück für Stück erledigen. Höhere Priorität hatte derzeit der eigene Garten, um dort die Hochbeete umzugestalten und anschließend zu bepflanzen. In drei Hochbeeten standen nunmehr die ersten Salatpflanzen mitsamt ein paar Kohlrabipflanzen. Einen Folientunnel hatten wir darüber gelegt, außerdem hofften wir, dass die Schnecken keinen zu großen Schaden anrichten würden. In unserem Garten ging es nur allmählich vorwärts, meist ein bis zwei Stunden nach dem Arbeitstag, ein Teil der Samstage ging für Einkäufe drauf. Fest stand, dass der Umfang der Gartenarbeit in den nächsten Wochen weiter zunehmen würde.


Guten Tag ! Hallo ! Bonjour ! Prettige dag ! Buenas dias ! Willkommen auf meinem Blog !

SOZIALE NETZWERKE

  • Wix Facebook page
  • Wix Google+ page

BONNER BLOGS

NEUESTE POSTS

ARCHIV

bottom of page