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Tagebuch Mai 2022

1. Mai 2022


Die verpatzte Rückfahrt unserer Tochter sollte uns einige Zeit kosten. Von ihrer Rückfahrt von Dortmund hatte sie sich gegen 17 Uhr am S-Bahnhof von Köln-Porz-Wahn angekündigt. Von Köln aus teilte sie uns zuerst mit, dass sie nach dem Umsteigen in Messe/Deutz die S-Bahn in die falsche Richtung genommen hatte. In die Richtung von Düren anstelle Hennef, und als sie dies bemerkte, stieg sie am Hansaring aus, nahm einen Zug in die Gegenrichtung und stieg dann wiederum am Hauptbahnhof aus, wo sie sich eine Flasche Mineralwasser kaufte. Einige Zeit später nahm sie dann dir richtige S-Bahn-Linie nach Au an der Sieg. In Köln-Porz-Wahn wartete ich allerdings vergeblich, dass sie aus dem Zug ausstieg. So ziemlich gleichzeitig schrieb sie mir eine SMS, dass sie versehentlich eine Station davor, in Köln-Porz, ausgestiegen war. Dies brachte eine enorme Zeitverzögerung, da die S-Bahnen sonntags in Köln-Porz nur alle halbe Stunde fuhren. Als nach der halbstündigen Wartezeit die nächste S-Bahn einfuhr, stieg unsere Tochter abermals nicht aus. Und abermals erhielt ich parallel eine SMS, in der sie schrieb, dass sie in einen Zug eingestiegen war, der gar nicht in Köln-Porz-Wahn gehalten hatte. Das war der Regionalexpress in Richtung Siegen, den ich kurz zuvor mit seinen Doppelstock-Waggons gesehen hatte. Ich sagte unserer Tochter, dass sie in Troisdorf wieder aussteigen solle. Dass sie in die Gegenrichtung in die S-Bahn einsteigen sollte, das wagte ich nicht, ihr vorzuschlagen. Lieber fuhr ich mit dem Auto nach Troisdorf, um sie am Bahnhof einzusammeln. Rund zwei Stunden hatte ich auf diese Art und Weise mit Warterei verplempert.



2. Mai 2022


Einigermaßen langsam geht es in unserem Garten vorwärts, sieht man einmal ab von dem Kopfsalat auf unseren Hochbeeten. Und genau dies reicht unserem Kater Rambo, um sich dort sauwohl zu fühlen. Alle unsere Katzen streifen gerne in unserem Garten herum, und besonders nutzen sie unsere noch nicht bepflanzten Hochbeete. Sie scharren in der losen Komposterde mit ihren Pfoten herum, buddeln ein Loch, hinterlassen dort ihre Exkremente und scharren ihre Hinterlassenschaften wieder zu. Das ist schöner als jeder Katzentoilette, wenn sie in keinem künstlichen Granulat von Katzenstreu herum wühlen müssen, sondern live in der Natur in hochwertiger Komposterde herum buddeln, wegscharren und Stuhlgang sowie Urin wieder zudecken. Unsere Hochbeete können aber auch als ganz normale Ruheplätze dienen. Was mit Kopfsalat bepflanzt ist, ist als Katzentoilette tabu, dort lassen sich unsere Katzen gerne nieder. An diesem Ort kann unseren Kater Rambo nichts aus seiner Ruhe bringen. Während unser Kopfsalat Tag für Tag ein kleines Stückchen wächst und sein helles Grün darauf hindeutet, wie lecker er nach seiner Ernte schmecken wird, blickt unser Vierbeiner zufrieden durch den Maschendrahtzaun zum Nachbargrundstück hindurch.



3. Mai 2022


Mein Fotomotiv hatte ich ins Visier genommen, die letzten Fritten in der Papptüte tauchte ich in die Mayonnaise ein, dabei genoss ich den Gaumenschmaus, um meinen Hunger in der Mittagspause loszuwerden. Beim ausklingenden Verspeisen der Fritten war mir eine jüngere Frau aufgefallen, die auf den Boden starrte, eine Flasche Bier hielt sie in der Hand, orientierungslos irrte sie im Kreis herum. Fotografieren wollte ich den Hochbunker aus dem Zweiten Weltkrieg, der rückseitig gegenüber dem C&A lag, dessen Zusammenschau mit dem rankenden Efeu mich zuletzt fasziniert hatte. Diesem Koloss aus Beton vorgelagert war eine kleinere Grünanlage, wo ein Sandweg im Kreis herum führte. Einen anderen, kleineren Kreis, näher dem Bunker zugewandt, zog die vielleicht 30-jährige Frau, die keinen Ruhepunkt auf einem der Sitzbänke suchte, sondern in all ihrer Orientierungslosigkeit zu einem Mülleimer irrte. Ich hätte erwartet, dass sie nach leeren Pfandflaschen suchen würde, doch das tat sie nicht: anstattdessen spuckte sie einen Strahl mit einem widerlichen Sekret aus ihrem Mund hinein. Als ich ein Foto von all dem rankenden Efeu mit der rauhen Betonwand, die ich durchaus als ausdrucksvoll empfand, machen wollte, ließ sich ein Näherkommen mit der ziellosen Gestalt nicht vermeiden. Ihre Ziellosigkeit änderte sich schlagartig, als sie die Begegnung mit mir suchte. Bevor sie ihr erstes Wort loswerden konnte, brach ich sie ab. Ich habe kein Geld, antizipierte ich, dass sie mich danach fragen würde. Mir waren zu viele Bettler in der Stadt unterwegs, davon viele junge Burschen oder Mädels, die im arbeitsfähigen Alter waren. Sie sei abgestürzt, murmelte sich vor sich her. Nachdem ich das Foto geschossen hatte, machte ich mir so wenige Gedanken über die umhergeisternde Frau wie über dieses Betonungetüm eines Hochbunkers, den ich krass fand angesichts der Zeitdauer, dass er als Monolith aus dem Zweiten Weltkrieg bis heute überlebt hatte.  



4. Mai 2022


„Support your local bookshops”, dieses Schild möchte auf die Situation der Buchhandlungen in unserer Stadt sensibilisieren. Schwer bis sehr schwer haben es kleinere Buchhandlungen in den vergangenen Jahren gehabt – wegen des Buchriesen Thalia am Marktplatz. Seit der Schließung der Buchhandlung Bouvier um die 2000er-Jahreswende hatte sich die Buchkette Thalia am Marktplatz in den Räumlichkeiten des früheren Metropol-Theaters etabliert. Auf drei Etagen erschlägt einen das Buchangebot, in einem Café kann man bei einem Kaffee ausspannen, in vielerlei Sitzecken kann man herum schmökern. Dagegen anzukommen, ist kleineren Buchhandlungen misslungen. Diese hielten sich nur für kurze Zeit in der Innenstadt und verschwanden alsbald wieder. Diesmal hat es eine Buchhandlung direkt neben der Universität erwischt, die vor allem juristische Fachbücher in der Schaufensterauslage ausgebreitet hatte. All die Schilder weisen in die Richtung anderer kleinerer Buchhandlungen in die Stadtteilen, die nicht dasselbe Schicksal einer Schließung erleiden sollen.



5. Mai 2022


Es war ein Tag, an dem meine Frau zwar frei hatte. Dennoch war sie so sehr mit Telefonaten und Terminen beschäftigt, dass sie zu kaum etwas anderem kam. Ein brisanter Termin war ein Zahnarzttermin mit ihrem Bruder. So etwas ähnliches wie eine Paradonthosebehandlung musste durchgeführt werden, wobei Zahnarzttermine bei ihm grundsätzlich kritisch waren. Wenn ihm die Behandlung unangenehm wurde, dann schloss er den Mund, so dass die Behandlung permanent unterbrochen werden musste. Dass meine Frau dem ständig gestörten Fortschritt beiwohnen musste, blieb ihr erspart, weil sie einen Anruf des Möbelhauses erhielt, dass das Bett im Haus der Dreier-WG aufgebaut wurde. Wir hatten bei Möbel Porta das Ausstellungsstück eines französischen Bettes für den neuen WG-Bewohner ausgesucht, auf dem er zusammen mit seiner Freundin schlafen konnte. Nachdem dieses geschehen war, teilte ihr der Zahnarzt mit, dass er mit elektrischen Geräten nicht hätte arbeiten können, weil ihr Bruder so oft den Mund geschlossen hätte. Die Paradonthosebehandlung hätte manuell durchgeführt werden müssen, was bei weitem nicht so effektiv sei. Noch drei weitere Zahnarzttermine standen dem Bruder bevor. Für den Rest des Tages telefonierte meine Frau einiges herum und schrieb e-Mails. In der Kommunikation war bei den Betreuern des neuen WG-Bewohners nicht angekommen, dass für das Bett in der Größe von 90 cm mal 2 Meter eine Matratze vorhanden war. Diese Matratze von 90 cm mal 2 Meter war nochmals beschafft worden und stand nun überzählig herum, zumal wir für das heute aufgebaute französische Bett eine Matratze von 1,60 Meter mal 2 Meter in unserer Nachbarschaft organisiert hatten. Zu der neu beschafften Matratze von 90 cm mal 2 Meter schrieb meine Frau diverse e-Mails, dass die Beschaffung an für sich unsinnig gewesen war.



6. Mai 2022


In einer gewissen Sofortaktion gelang es unserem Freund, zwei Lattenroste für das am Vortag aufgebaute Bett in der Dreier-WG zu organisieren. Lattenroste und Matratze fehlten für das aufgebaute Ausstellungsstück, die Matratze hatten wir organisiert, über eBay Kleinanzeigen gelang dies heute unserem Freund, der zwei Lattenroste mit den Maßen 0,80 Meter mal 2 Meter mit seinem PKW in Köln-Deutz abgeholt hatte. Als wir diese in dem Bett mit dem Rahmen 1,60 Meter mal 2 Meter hinein legten, hakte und klemmte etwas. Sie passten nicht hinein, weil die Bretter des Bettrahmens mit einem Winkel aus Metall verbunden waren, der in den Rahmen hinein stand. Wir überlegten hin und her, die Matratze höher zu legen oder die Auflegehaken für die Lattenroste tiefer zu legen. Doch am späten Abend weit nach 22 Uhr war die Zeit zu sehr fortgeschritten, um einen machbaren Plan zu entwerfen. Die entscheidende Idee realisierten wir erst am Folgetag. Von jedem einzelnen Brett des Lattenrostes sägten wir 1,5 cm ab, und nun passten die beiden Lattenroste gut in den Rahmen hinein. Unser dritter WG-Bewohner war mit dieser Lösung super-zufrieden, und nun hatten er und seine Freundin in dem neuen Bett sehr viel Platz.



7. Mai 2022


Tanz in den Mai, Musikkonzerte, volle Bundesligastadien, Bierbörse in der Rheinaue: es ist erleichternd, dass all die Corona-Einschränkungen quasi aufgehoben worden waren. Veranstaltungen durften wieder unter normalen Bedingungen statt finden. Auf Abstände brauchte man nicht mehr zu achten, Masken brauchten nicht getragen zu werden, ganz zu schweigen davon, dass Veranstaltungen abgesagt wurden oder erst gar nicht statt fanden. Die Freude war groß, dass Feste wie die Erstkommunion – so wie wir es mit unseren eigenen Kindern erlebt hatten – in einem wie vor Corona üblichen Rahmen abliefen. So versammelten sich die Kommunionkinder in ihren weißen Kleidern und adretten Anzügen vor der Kirche, umringt von den Familien und auch Freunden. Man freute sich auf festliche Momente in der Kirche, der Fotograf machte erste Fotos und die Messdiener standen zum Einzug in die Kirche bereit. Der familiäre Anhang redete viel, in ihrer Kleidung waren alle festlich heraus geputzt und alle durften sich über das schöne Wetter freuen, das einen herrlichen Rahmen für diese Feier abgab. Die Feier konnte beginnen und niemand dachte mehr an Corona.



8. Mai 2022


Eigentlich sollte diese Feier für uns einen schönen Rahmen an einem ganz anderen Ort abgeben. Der Freund unserer Tochter wollte seinen 17. Geburtstag feiern, dazu hatte er Freunde eingeladen sowie seine Mutter und seinen Vater mit den jeweiligen Partnern, außerdem die Schwester seines Vaters mit ihrem Freund/Lebensgefährten. Die Geburtstagsgesellschaft hatte sich im Garten des Vaters in Dortmund versammelt, der ein Spanferkel auf einem Drehgrill schmoren ließ. Alles war bestens, das Spanferkel schmeckt lecker. Die Freunde des Freundes unserer Tochter tranken ordentlich Bier, sie saßen unter dem Bierpavillon friedlich zusammen und gröhlten nicht. Gegen 20.30 Uhr, nachdem wir die Feier verlassen hatten, nahm das Unheil seinen Lauf. Ein Unheil, dass uns unsere Tochter am nächsten Morgen per Whatsapp mitteilte. Der Vater ihres Freundes war, als wir bereits angekommen waren, so ziemlich alkoholisiert. Er trank weiter, und als wir während eines Regenschauers drinnen saßen, hatte er eine Flasche Whisky in der Hand. Zunächst hatte er begonnen, über das Dach zu klettern (er war gelernter Dachdecker). Später kam es mit den Freunden seines Sohnes im Garten zu Meinungsverschiedenheiten, wobei er handgreiflich wurde. Diese Handgreiflichkeiten setzten sich gegenüber seinem Sohn fort und gingen über in eine Prügelei. Vater und Sohn prügelten sich schließlich so sehr, dass der Freund unserer Tochter durch das Fenster seines Kinderzimmers die Flucht ergriff und auf die Straße gelangte. Als er dort bewußtlos wurde, wurde ein Krankenwagen gerufen, gleichzeitig die Polizei. Unsere Tochter rief auf dem Handy seine Mutter an, die kurz nach uns mit ihrem Partner weggefahren war und sofort erschien. Die Rettungskräfte hatten die Verletzungen von Vater und Sohn versorgt, die Polizisten hatten eine Anzeige wegen schwerer Körperverletzung aufgenommen. Eine Anzeige gegen beide, Vater und Sohn, weil sie nicht wussten, wer der Verursacher der Prügelei war. Dabei war der Vater so stark alkoholisiert, dass er nicht mehr wusste, was er im Suff getan hatte. Mit dem Trauma dieser Prügelei, die unsere Tochter vor ihren Augen miterlebt hatte, holten wir sie am Folgetag in Dortmund ab.  



9. Mai 2022


Der 9. Mai hat in diesem Jahr eine ganz anders geartete Symbolik, dabei sind die Blicke auf den Roten Platz in Moskau gerichtet. Dass es der 9. Mai in Russland ist, ist ein Versatz um einen Tag, da infolge der Zeitzonen die Kapitulation einen Tag vorher am 8. Mai 1945 vollzogen worden war. In den vergangenen Jahren hatte ich dieses Datum kaum wahrgenommen, im Umfeld des Ukraine-Krieges gewinnt dieser Tag nunmehr eine vollkommen neue Bedeutung. Beruhigt kann ich feststellen, dass Russland weit hinter seinen Kriegszielen in der Ukraine zurück liegt, ja, dass es mit all seiner Zerstörungswut genau das Gegenteil von dem erreicht, was die eigentlichen Kriegsziele betrifft. Die Ukrainischen Soldaten verteidigen tapfer, das Territorium der Ukraine ist einige Nummern zu groß für die militärischen Ressourcen der Russen, der Krieg hat den Westen geeint, Russland muss einen Nadelstich nach dem anderen über sich ergehen lassen. Die Kriegstage werden in einer Zahlenreihe herunter gezählt, dass sich Russland so viele Kriegstage nicht hätte träumen lassen. Panzer, jede Menge Artillerie und schwere Waffen zur Verteidigung der Ukraine werden kommen, und leichte Parallelen sind zum Kriegsverlauf im Ersten Weltkrieg zu erkennen: nach den ersten Wochen größerer Geländegewinne steht die Front still, in einem Stellungskrieg neutralisieren sich die militärischen Ressourcen. So schrecklich der Krieg ist: das Durchhaltevermögen des ukrainischen Volkes nährt die Hoffnung, Russland die Grenzen seiner eigenen Möglichkeiten vorzuführen. Um zu einem Frieden zu gelangen, wird es wohl noch eine längere Zeit des Stellungskrieges bedürfen – im Ersten Weltkrieg waren es immerhin vier Jahre. Russland protzt mit Atomwaffen, Hyperschallraketen und Interkontinentalraketen, die eine Geschwindigkeit von 25.000 Stundenkilometern erreichen können. Russland als Staat, der nur Waffen und Militär kennt, schreckt ab. Das erinnert an düstere Zeiten des deutschen Kaiserreichs, in denen Waffen und Kanonen mehr bedeutet hatten als eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, und um einen Wohlstand für breite Schichten der Bevölkerung zu schaffen. Russland, ein düsterer Staat des Nationalismus, den wir in Europa glaubten, nach dem Kriegsende des Zweiten Weltkrieges überwunden zu haben.



10. Mai 2022


Mit dem Dorfplatz in unserem Nachbarort ist es wie mit all den anderen Plätzen in unseren Stadtteilen: von der Vergangenheit dieser Plätze ist nichts mehr übrig geblieben, die mickrigen Reste der Vergangenheit sind den Abrissbaggern zum Opfer gefallen, die neuen und wenig identitätsstiftenden Gebäuden gewichen sind. Was einst gewesen ist, davon erzählen anstatt dessen Schautafeln. Große Produktions- und Lagergebäude hatten den Dorfplatz eingenommen, die zu Korbflechtereien gehörten. Zur Weiterverarbeitung verwendete man Rohstoffe aus der hiesigen Umgebung, namentlich der Siegaue. Dort wachsen heute noch Korbweiden, aus dessen Zweigen man Körbe oder andere Gebrauchsgegenstände flechten kann. Betrachtet man die Größe der Halle, wurden damals ganz schön viele Körbe hergestellt, zumal der Rohstoff Plastik noch nicht erfunden worden war. Man produzierte ökologisch sinnvoll, ohne Müllberge oder Müllverbrennungsanlagen und ohne Mikroplastik, das Flüsse und Ozeane verschmutzt und in die Nahrungskette zu gelangen droht. Stünde auf den Dorfplatz nicht die Tafel mit der stattlichen Fassade des Lagergebäudes, würden die Korbweiden vollends in Vergessenheit geraten.



11. Mai 2022


An diesem Tag erledigte ich eine Fahrt, wozu wir in der zweiten Osterferienwoche noch heftige Diskussionen geführt hatten. Einmal wöchentlich hatte der Schwager einen Termin bei der Logopädin, und in der Woche nach Ostern wollte meine Frau mit ihm mit dem Fahrrad dorthin gefahren sein. Er hatte abgelehnt, obschon er bis in den Herbst des letzten Jahres dorthin das Fahrrad genommen hatte. Er wollte nicht, er lehnte es ab, auf das Fahrrad zu steigen, ließ das Fahrrad stehen und wollte lieber im Auto mitfahren. Meine Frau hatte noch mit ihm diskutiert über Spritpreise und dass mit Öl russische Panzer und Raketen finanziert würden, es nützte aber nichts. Heute unternahm ich erst gar keinen neuen Versuch des Fahrradfahrens. Die Autofahrt zur Praxis für Logopädie geschah vollkommen unaufgeregt, der Schwager stieg aus dem Auto, er klingelte an der Praxis, der Summer ertönte und die Türe ließ sich öffnen. Ich parkte derweil unser Auto auf dem Dorfplatz und nutzte die Leerzeit, um in dem Café gegenüber der Kirche einen Kaffee zu trinken. Die 45 Minuten Therapiezeit für die Logopädie passte gut, um zum Café zu laufen, einen Kaffee zu trinken und für zwei Tage an meinem Tagebuch zu schreiben. Als ich zur Praxis für Logopädie zurück kehrte, standen der Schwager mit der Logopädin vor der Eingangstüre. Ich sammelte den Schwager ein und brachte ihn nach Hause zurück. Als meine Frau bei uns von der Arbeit nach Hause zurück kehrte, fragte sie nach, wieso ich ihren Bruder direkt nach Hause zurück gebracht hätte. Sie selbst hätte gerne mit seiner Logopädin geredet, was sie genau gemacht hätten. Wie ihr Bruder sich verhalten hätte und wie er mit den Übungen zurecht gekommen sei. Seine Sprache zu verbessern, war ein essentielles Anliegen. Und seine Art und Weise, wie er kommunizierte, war auf manchen Ebenen verbesserungsbedürftig.



12. Mai 2022


Zu all den Arztterminen gesellte sich einer unserer Tochter, der einiges nach sich ziehen würde. Bereits vor einigen Jahren hatte sie eine Zahnklammer getragen, so dass die gesamten Zahnreihen am Unterkiefer zurück gesetzt worden waren. Nun hat sich die Stellung der Schneidezähne erneut verschoben, so dass das ständige Beißen die Schneidezähne vollkommen versetzt nach vorne verschoben hat. Der Biss auf die Backenzähne passt hingegen vollkommen perfekt zusammen. Aber genau weil dies bei den Backenzähnen so ist, ist es problematisch, die Schneidezähne durch eine Klammer zurück zu setzen, weil der Platz in den Zahnreihen fehlt. Genau zu diesem Anlass hatten wir heute einen Termin bei der Kieferorthopädin. Wie dies behandelt werden könne, dazu hatte sie nur unangenehme Vorschläge. Erstens: nichts tun, dann könnte sich die Fehlstellung der Schneidezähne verschlimmern, so dass diese früher oder später ausfallen könnten. Zweitens: es mit einer Klammer zu versuchen, das würde voraussichtlich wenig bringen, weil der Platz zur Zurückstellung der Zähne fehlt. Drittens: vier möglichst kleine Backenzähne ziehen und dann eine Klammer setzen, das war die Variante, wozu sie uns riet. Viertens: alle Weisheitszähne ziehen, davon riet sie uns ab, weil das Ziehen eines Weisheitszahns einiges schwieriger war. Mit ganz viel Diskussionsbedarf, den wir mit unserer Tochter zu führen hatten, schickte sie uns nach Hause. Vier gesunde Zähne ziehen, das war eine ganz harte Nummer. Wir befürworteten diese Lösung, aber entscheiden musste unsere Tochter.



13. Mai 2022


Was für ein Wirbel um eine KFZ- und Tuningwerkstatt, die in unserem Ort neu eröffnet wird. Was für ein Wirbel um ein Gewerbe, das mich im Grunde genommen wenig interessiert. Wir haben unsere Autowerkstatt, die zuverlässig unsere Inspektionen und schnell unsere Reparaturen erledigt, damit unser Auto wieder läuft. Noch eine Werkstatt ? Der Gegensatz zwischen unserem Desinteresse und dass unser Ort regelrecht zugepflastert ist mit Plakaten, dass die Neueröffnung bevor steht, ist groß. Mit großem Tamtam wird die Neueröffnung begangen. Ganz viele Gäste werden erwartet, wenn Special Guests geladen sind. Barbeque vom feinsten wird angerichtet werden, damit das Geknubbele von Gästen nicht zu verhungern braucht. Es gibt kaum eine Stelle in unserem Ort, wo man der Ankündigung nicht entkommen kann. An sämtlichen Straßenlaternen prangern die Plakate, schlimm ist der Aufmarsch an Parkplätzen. Dort sind die Plakate noch aufdringlicher als die Werbung der Supermärkte, sie verstellen die Sicht und der schwarze Schriftzug hebt sich streng von dem Layout in Beige ab. Dieser Wildwuchs von Plakaten stört und verwundert, dass unser bürokratischer Staat, der streng alles nur Denkbare regelt, so etwas zuläßt.



14. Mai 2022


Bisweilen suche ich nach solchen Ebenbildern von Künstlern, deren Kunst mir gefällt und deren Einstellungen und Weltbild ich teile. Im WDR2-Zeitzeichen wurde während der Autofahrt über einen solchen Künstler berichtet, das war der US-amerikanische Maler Edward Hopper, sein Anlass für den Radiobericht war sein Gemälde „Nighthawk“. Zunächst verwechselte ich ihn mit Dennis Hopper, der war ein Filmregisseur, und so ganz brachte ich nicht übereinander, ob Gemälde von ihm im Kölner Museum Wallraf zu sehen waren. Sein Gemälde „Nighthawk“ war eine Wucht. Dort war ein Café zu sehen, wo Menschen einzeln und für sich alleine an der Theke saßen. Ebenfalls einzeln saß ein Besucher an einer Tischgruppe. Die Straßenecke, wo das Café lag, war in einer eckigen und streng geometrischen Form. Die Straße war beängstigend menschenleer, die Häuserfassaden schmucklos und abweisend. Hopper hatte eine zeitlang ab 1909 in Paris gelebt, er hatte die großen niederländischen Maler des 17. Und 18. Jahrhunderts schätzen gelernt, ebenso die französischen Maler des Impressionismus, dazu hatte er in Paris die Alltagsszenen in den Cafés studiert. Danach kehrte er zurück und nahm seine Eindrücke einer sich wandelnden Gesellschaft mit in die USA. In seinen Gemälden, die der Stilrichtung des amerikanischen Realismus zugeordnet werden konnten, thematisierte er die Leere des modernen Lebens, was in seinem Gemälde „Nighthawk“  exzellent zum Ausdruck kam. Sein Gesamtwerk war gerne interpretiert worden als Ausdruck der Isolation, Einsamkeit und Ausgrenzung des Einzelnen. Seine Protagonisten lasen, schauten aus dem Fenster, schauten aneinander vorbei. Die abgebildeten Menschen schienen oft in Melancholie versunken zu sein. Seine Gemälde zeigten häufig das Individuum in Diners, Hotelzimmern, Eisenbahnabteils, Büros, Wartehallen oder vor Hausfassaden, daher oft im öffentlichen Raum. Die Blicke von mehreren dargestellten Personen gingen meist aneinander vorbei und veranschaulichten so Distanz trotz räumlicher Nähe. Es waren Eindrücke, die sich bei mir in den 1980er Jahren festgesetzt hatten. Familie und soziale Bindungen halten unsere Gesellschaft weniger fest zusammen, während sich Parallelgesellschaften und Ghettos gebildet hatten. Unsere Gesellschaft vereinzelte sich, sie erodierte und drohte, in sich zusammen zu fallen. 


15. Mai 2022


Gerne habe ich mich in meinen Posts darüber moquiert, dass man auf Wahlplakaten nur solche austauschbaren, identitätslosen und wenig fotogenen Gesichter von Politikern sieht. Politik ist demnach austauschbar, und das Desinteresse für Politik erwächst nicht nur aus solchen Gesichtern, sondern auch daraus, dass manche Themenkomplexe viel zu schwierig sind. Man versteht sie nicht, vieles geht auch in einem Gerangele von Macht unter, und alle paar Jahre wird man dann als Wähler angesprochen, um genau über diese Qualität von Politik zu urteilen und das Kreuzchen an der richtigen Stelle zu machen. So an diesem Wochenende bei der Landtagswahl in NRW. Wenn diese Unmöglichkeit, sich ein politisches Urteil zu bilden, darin mündet, zu kapitulieren und nicht wählen zu gehen, dann habe ich dafür keinerlei Verständnis. So sind in NRW so wenige Wähler wie kaum zuvor zur Wahlurne gegangen. Nicht zur Wahl zu gehen, dass ist unserer Familie fremd. Dagegen wird heutzutage gerne in der Weltpolitik diskutiert, welchen Wert eine Demokratie hat. Vom Untergang des Westens ist die Rede, weil Diktaturen flexibler und durchsetzungsfähiger sind, während demokratische Prozesse Zeit kosten und die Gewährung von Grundrechten die Handlungsfähigkeit des Staates lähmen kann. Totalitäre Staaten sehen aufgrunddessen Vorteile in deren Systemen. Mit dem Verhalten von vielen, die nicht zur Wahl gehen, stärken wir Diktatoren in China, Russland oder Syrien den Rücken, denen die Errungenschaften der Demokratie wie Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Menschenrechten oder Wahlen nichts bedeuten. Politische Themen wird man in den Tagebuchaufzeichnungen selten vorfinden, aber zu Zeiten von Wahlen, wenn all die identitätslosen Plakate unübersehbar sind, sind es diese Themen dann doch Wert, darauf einzugehen.



16. Mai 2022


Ich hatte die Tage nicht mehr gezählt, wie lange es nicht mehr geregnet hatte. Die Trockenheit hatte unseren Garten im Würgegriff, ganz viel Sonne hielt das Wetterprogramm bereit, und wenn Regengebiete im Anmarsch waren, dann machten sie um das Rheinland einen großen Bogen. So trocknete die Erde in unserem Garten immer mehr aus, so dass wir tagtäglich gießen mussten. Gespannt hatten wir den Wetterbericht verfolgt, was es denn endlich noch einmal regnen könnte, und heute war es endlich soweit, dass uns ein kurzer und kräftiger Gewitterschauer überquerte. Der Himmel verdüsterte sich mit einem Mal, wenige Blitze und mehrere Donnerstöße ließen einen erschrecken. Als der Regen prasselte, war die Erleichterung groß. Unser Garten bekam ordentlich Nässe von oben ab und feuchtete die oberen Bodenschichten etwas an. Das Gießen konnten wir uns an diesem Tag sparen. Auf unserer Straße hinterließ der Regen größere Pfützen. Die Regentropfen platschten in die Pfützen hinein und sammelten das Wasser zusammen, das dann durch den Kanaldeckel in die Kanalisation lief. Gespannt würden wir den Wetterbericht für die Folgetage verfolgen, ob der Regen eine Einmalerscheinung war oder ob wir demnächst mit mehr Regen zu rechnen hatten.



17. Mai 2022


Gelb und blau: vielerorts sichtet man die Nationalfarben der Flagge der Ukraine, in gelb und blau erklärt man sich solidarisch mit dem ukrainischen Volk, man verteufelt den russischen Aggressor, der einen unmotivierten Angriffskrieg führt gegen den viel, viel kleineren Nachbarstaat. 144 Millionen russische Bevölkerung gegen 44 Millionen ukrainische Bevölkerung, auf diese Proportionen könnte man den Kampf der viel größeren Angriffsmacht zurückführen. Autokennzeichen der Ukraine in gelb und blau haben sich in unseren Straßen vervielfacht, hin und wieder wehen Flaggen der Ukraine in gelb und blau. In denselben Farben laden Handzettel vor Kirchen zu Friedensgebeten ein. Die Farben sind längst zum Symbol geworden für Krieg und Zerstörung, für Leiden und die Gefahr für Leib und Leben. Was sich in den ukrainischen Nationalfarben gelb und blau zeigt, das ruft bisweilen Verwunderung hervor. Ungewohnte Ideen entstehen, was man in gelb und blau gestalten kann. Dieses Objekt ungewohnter Ideen kann zum Beispiel eine Litfasssäule sein. Wo ansonsten Reklame die Aufmerksamkeit erregt, ist nun in den beiden Farben gestrichen. Die obere Seite allumfassend in gelb, die untere Seite in blau sauber daher gepinselt. Dass die ukrainischen Nationalfarben vor einer Kirche stehen, mag für sich sprechen. Die frohe Botschaft eines Friedens dürften gerade die Kirchen in die ganze Welt verbreiten, mit Ausnahme von russischen linientreuen Patriarchen.



18. Mai 2022


Große Fußballereignisse gehen hierzulande auch deswegen in der Aufmerksamkeit unter, weil der FC Bayern München zu sehr dominant ist. Zum zehnte Male hintereinander ist er nun deutscher Fußballmeister geworden, und wer außerhalb des FC Bayerns in der Liga oder auch in der Champions League mitspielt, der scheitert und verliert und versinkt in einer relativen Bedeutungslosigkeit. An diesem Abend war alles anders. Eintracht Frankfurt gewann gegen die Glasgow Rangers und wurde zum Sieger der Europa League. Nachdem meine Frau eingeschlafen war, konnte ich die Verlängerung schauen und das darauf folgende Elfmeterschießen. Gebannt wie ein kleines Kind schaute ich, wie Kevin Trapp einen Elfmeter hielt, während Borree den entscheidenden fünften Elfmeter verwandelte. Bei der Überreichung des Pokals fühlte ich eine Genugtuung, die mich den Triumph der Spieler, des Trainers und der feiernden Fans spüren ließ. Ich fühlte mich in meine Schulzeit zurück versetzt, als Erfolge auf europäischer Ebene eine ganz andere Qualität hatten. Das waren noch keine Starensembles, die sich die besten Fußballspieler auf der ganzen Welt zusammen gekauft hatten. Auf Youtube schaute ich das Endspiel 1974, als Bayern München den Europapokal gegen Atletico Madrid gewonnen hatte – mit dem 1:1 in der letzten Minute der Verlängerung durch Georg Schwarzenbeck. Ich schaute den Gewinn des UEFA-Cups 1980 durch Eintracht Frankfurt, als ganz viele Namen über den Platz rannten, an die ich mich nur noch düster erinnern konnte. Körbel und Borchers waren bekannte Namen, auch der Weltmeister Bernd Hölzenbein. Der Reporter konnte genau benennen, aus welcher Gegend in Hessen die einzelnen Spieler kamen. Allgemein befasse ich mich in meinen Tagebucheinträgen wenig mit dem Thema Fußball, obschon ich ziemlich interessiert bin. Eintracht Frankfurt war es mir aber Wert, weil die Mannschaft in diesem Jahr ein verdienter Gewinner der Europa League war.  



19. Mai 2022


Es war ein ganz besonderer Tag, der unser Hochzeitstag war. An diesem ganz besonderen Tag besuchten wir Guido Cantz, der im Eltzhof in Köln-Porz-Wahn ein Gastspiel gab. Vor seiner Veranstaltung „Das volle Programm“ aßen wir im angrenzenden Brauhaus. In dem Brauhaus war es rappelvoll, so dass es eine geraume Zeit dauerte, bis wir unser Essen serviert bekamen. Dass noch einigermaßen viele Plätze im Eltzhof in Köln-Porz-Wahn frei waren, das lag wohl an einer verbliebenen Rest-Angst aus Corona-Zeiten, dass sich so mancher potenzieller Zuschauer abgeschreckt gefühlt haben dürfte. So wie wir es aus Vor-Corona-Zeiten kannten, lief Guido Cantz mit all seinen Witzen und Späßen zur Hochform auf. Amüsant und urkomisch zappte er sich durch die deutsche Fernsehgeschichte – vom ersten Testbild bis zum letzten Dschungelkönig. Neben Fernseh-Ikonen wie Peter Frankenfeld oder Florian Silbereisen kamen auch lauter Vierbeiner vor: Lassie und Black Beauty, aber auch tierische TV-Helden ohne Beine in der Gestalt von Flipper. Der Blondschopf setzte sich auf die Couch der 1970er Jahre, er ließ Fernsehserien unserer Kindheit Revue passieren und erklärte, was ihm Pan Tau, Daktari und die zauberhafte Jeannie bedeutet hatten. Er erzählte Anekdoten, wie etwa sein Vater reagierte, als 1974 mitten im WM-Finale das Bild ausfiel. Es war ein unterhaltsamer und schöner Abend mit Guido Cantz genau an unserem Hochzeitstag. Corona war noch nicht so weit weg, und wir waren froh, dass all die Kabarettisten und Komiker wieder aus dem Vollen schöpfen konnten.



20. Mai 2022


Ein neuer Versuch, mich in der Anonymität zu sammeln und dem Klein-klein des Alltags zu entkommen. Nach den Einkäufen bei REWE trank ich in der angrenzenden Bäckerei einen Kaffee, ein nicht wirklich gemütlicher Ort mit dem Blick auf den Parkplatz und die in den Supermarkt einströmenden Kunden. Der Ort, wo ich saß und den Kaffee trank, belegte, dass nötige Erledigungen und eine Reduktion auf das wesentliche nicht einfach waren. Konzentrieren konnte ich mich auf die Erledigungen, nachdem meine Frau zur Arbeit gefahren war und nachdem unsere Tochter mit ihrem Freund zum Sportfest in der Realschule gefahren waren. Danach zu Apotheke und Altglas entsorgen, dann hier das Abarbeiten der Einkäufe. Ein nicht wirklich inspirierender Ort, die Ruhe fehlte, die Zeit drängte, um nach Hause zu fahren und anschließend zu kochen. Ideen kamen an diesem Ort keine auf, der Kopf war leer. Es war wie oft so, wenn einen die Zeit vor sich hertrieb. Die Zeit verging im Fluge, man wusste nicht mehr, was man tatsächlich geschafft hatte und konnte auf kein Ergebnis zurück blicken. Man wurde getrieben von einer Sehnsucht nach einem Ort, wo es nicht so ungesellig war. Weg, raus von hier. In der Bewegung zu schöneren Orten als diesem funktionierte dies. Aber zu Hause zu bleiben oder an den so zahlreichen ungeselligen Stellen in unserer Stadt, so funktionierte das nicht.



21. Mai 2022


Heute fand sich ein Tag mit gewissen Lücken, an dem wir doch etwas in unserem Garten geschafft bekamen. An diesem Wochenende war der Freund aus Dortmund unserer Tochter bei uns, mittags hatte ich Spätzle gemacht, nach dem Essen und dem Spülen hatten wir nach 16 Uhr Zeit, um uns um den Garten zu kümmern. In der Reihe mit den Hochbeeten, wo viele Salate wuchsen, pflanzten wir in dem letzten Hochbeet Sellerie und Porree. Etwas mehr als eine Woche hatten dort zwei, drei Selleriepflanzen gestanden, diese füllten nun das komplette Hochbeet aus, dazwischen pflanzten wir die schmalen und dünnen Porreepflanzen, die zu ordentlich dicken Porreestangen heran reifen sollten. Auf der gegenüberliegenden Seite dieser Hochbeetreihe pflanzten wir auf zwei Hochbeeten Buschbohnen, nachdem wir Kompost durchgesiebt hatten und eine Schicht davon aufgetragen hatten. Auf einem anderen Hochbeet pflanzten wir zwei Paprika und eine Chili, in Summe aller Bepflanzungen schafften wir an diesem Tag mehr als über mehrere Wochenzeiträume davor. So spät bis in den Abend hinein waren wir im Garten tätig, dass zu wenig Zeit übrig blieb, um ausgiebig kochen zu können. Anstatt dessen ließen wir uns von der Pizzeria im Nachbarort mit Pizzas beliefern.



22. Mai 2022


Bei der Suche nach Cafés, die eine besondere Atmosphäre haben, bin ich heute fündig geworden. Mit meinem Schwager bin ich im Café Aroma in Troisdorf-Spich gelandet, dessen Aufmachung ein Stück Italien vermitteln soll. Auf der Eis- und Getränkekarte teilt sich der Schriftzug „Aroma“ in „Roma“, wobei als Assoziation von Rom ein Teil des Colosseums zu sehen ist. An manchen Stellen ist die Übersetzung „caffe“ auf Italienisch zu lesen. Weinflaschen stehen in Nischen und Regalen. Der Innenraum ist hell mit großen Flügeltüren. Die Musik, die gegen den Mainstream läuft, inspiriert. Dennoch läuft keine italienische Musik, wovon ich zum Beispiel Eros Rammazotti gehasst hätte. Zu hören war zum Beispiel „Call me“ von Blondie in einer schleppenden Version, die stark nach Soul klang, einige Elektronik-Klänge im Stil von Pat Metheny oder auch Reggae. Diese nicht ganz durchgängig italienische, aber stark ausländische Aufmachung war mehr als die bisweilen biedere deutsche Café-Atmosphäre, die so manche zu Bäckereien gehörenden Cafés verbreiteten. Bäckereien mit Cafés konnten auch einfallsreich sein, aber die Atmosphäre hier war unkonventionell und sie sprach mich an. Ein Café zum Wohlfühlen, sozusagen.  



23. Mai 2022


Mit meiner Frau diskutierte ich zuletzt, wie schnell Behinderte abbauen können. Genau gesagt, ging es um einen Behinderten aus dem Behindertenwohnheim, der im Dezember letzten Jahres an einem Darmverschluss operiert worden war. Nachdem er aus dem Krankenhaus entlassen worden war, kam er im Behindertenwohnheim nicht mehr auf die Beine. Vor der Operation hatte er in der Werkstatt gearbeitet, er war mehr oder weniger normal mobil.  Nach der Operation fiel ihm das Gehen schwer, so dass er einen Rollator benötigte. Es ging nur noch abwärts. Im Wohnheim saß er nur noch, er ging nicht mehr in die Werkstatt, schließlich konnte man ihn nur noch im Rollstuhl durch das Wohnheim bewegen. Die eigenen Antriebe hatten aufgehört, er lag nur noch im Bett, es ging ihm immer schlechter. Es folgte stets die nächste Stufe des Abbaus, Zurückdrehen ließ sich der Abbau nicht – dass sich etwa die Mobilität mit dem Rollator wieder verbesserte. In der letzten Woche starb er. Diagnose unbekannt, 65 Jahre alt war er geworden.


24. Mai 2022


Im Strom der Menschen fühlte sich die Sicherheitskraft in die Ecke gedrängt. Die schwarze Arbeitskleidung wirkte noch düsterer als die Eisentüre dahinter, gelangweilt wusste der Blick nicht wohin. Den lieben langen Tag vor dieser Türe stehen zu müssen, musste eine Tortur sein. Beileibe dürfte es weitaus spannendere und abwechslungsreichere Arbeitsplätze geben, als monoton drein zu schauen und genau diese Eisentüre im Blickfeld zu haben. Es tat such ja auch nichts. So ziemlich ein Jahr war es her, als ein Unwetter die unterirdische Passage im Maximilian-Center am Hauptbahnhof überschwemmte. Die ganze Elektrik hatte Schaden genommen, das war das Hauptproblem. Die Räume trocken legen, die Feuchtigkeitsschäden zu beheben und die Elektrik mit irgendwelchen Hauptverteilern zu erneuern, das sollte Zeit kosten. Dann kam das nächste Unwetter mit der nächsten Überschwemmung, welche zeitgleich das Hochwasser an der Ahr verursachte. Die in Mitleidenschaft gezogenen Gebäude wurde nach und nach saniert und wieder eröffnet, nicht so die unterirdische Passage. Hin und wieder wurden Zeitpunkte der Wiedereröffnung genannt, doch diese verschoben sich. Ein technisch gewagter Bau zog nun eine technisch anspruchsvolle Schadensbeseitigung hinter sich. Das schien so schwierig zu sein, dass die Betreiber der Ladenpassage wohl davor kapitulieren mussten. Sie dürften so resignieren wie die Sicherheitskraft vor der Eisentüre. Der Glaube, dass alles technisch machbar war, war erschüttert. Technische Systeme können so komplex sein, dass ihr Funktionieren nicht mehr sichergestellt ist. Ein technisches Räderwerk kann außer Kontrolle geraten, und so manch ein Ladenbesitzer in der unterirdischen Ladenpassage dürfte in den Ruin getrieben werden.



25. Mai 2022


Die Suche nach dem Dreh, dass im Tagebuch nicht nur Unwichtiges, Banales, Oberflächliches erscheint. Ein gewisser Ausdruck der eigenen Seele sollte wiedergegeben werden, es sollten auch wichtige Themen unserer Zeit thematisiert werden. Was aber auch schwierig war, sie in der Kürze eines Textes abzuhandeln. Um dies erschöpfend zu erarbeiten, bräuchte man unter Umständen die Länge eines Dossiers. Einzelne, prägnante Gedanken könnten auch in kürzerer Form nieder geschrieben werden. Wonach ich ständig suchte und was mir kaum gelang, das war die Verbindung mit dieser Unmasse von Zeitungsartikeln, die ich ständig las und sammelte. Vieles drehte sich in der Tagespresse um die Themen Energieversorgung und Landwirtschaft, insbesondere die Kombination dieser Themenfelder. Dazu zwei Beiträge aus der Tagespresse, die sich vordergründig widersprachen: in diesen Tagen hatte unsere Umweltministerin gefordert, den Anbau von Pflanzen zur Gewinnung von Biokraftstoffen – wie etwa Raps – zu reduzieren, da die Ackerflächen in erster Linie für den Anbau von Nahrungsmitteln genutzt werden sollen. Ein zweiter Beitrag ging genau in die andere Richtung: auf Ackerflächen sollten verstärkt Solaranlagen gebaut werden, um die Klimaziele erreichen zu können. Selbst wenn sich die beiden Stoßrichtungen widersprachen, blieb eine Erkenntnis: Ackerboden war knapp, und man müsste dieselben Flächen mehrfach nutzen, um die Ziele von regenerativen Energien, Nahrungsmittelversorgung und ökologischer Landwirtschaft erreichen zu können. Im Umfeld dieser Erkenntnis war allerdings eine Anbaumethode in unseren Feldern pervers: es wurde Rollrasen in beängstigendem Umfang heran gezogen. Rollrasen, der im Umfeld dieser Erkenntnis kontraproduktiv ist, außer dass ein bestimmtes Kundenklientel schnell zu einem schönen und sauber aussehenden Rasen kam. Das Bild in unseren Feldern war nicht nur monoton, Kleingetier und Insekten mieden solche Lebensräume, Rollrasen stiftete keinerlei Nutzen für die Gesellschaft. Und niemand wagte es, dieser Nutzungsform von Ackerflächen dazwischen zu fahren.



26. Mai 2022


Heute steuerten wir ein Ziel an, das der Schwager mit dem verstorbenen Schwiegervater häufig besucht hatten. Einmal im Jahr fand in Linz ein Drehorgel-Festival statt, und unsere Neugierde war ausreichend, um uns anzuschauen, was die Drehorgel-Spieler zustande bringen würden. All die Drehorgel-Spieler verteilten sich in der Linzer Fußgängerzone, die wir einmal von unten bis oben abschritten. Unten, das war die Rheinseite mit dem Platz mit dem Strünzer-Denkmal, oben, das wir bis zum Neutor. Viele Drehorgel-Spieler hatten sich im Stil der 1920er-Jahre heraus geputzt, mit schwarzem Frack, einem schwarzen Zylinder oder einem weißen Hemd. Die Drehorgel-Spieler gaben ihr bestes, es waren ganz nette Stücke dabei, Hallelujah, das einst in der Version von Leonhard Cohen seine Vollendung erhalten hatte, der Nussknacker von Tschaikowski oder der Gefangenenchor aus der Oper Nabucco von Verdi. Das war ein ziemlich bunter Blumenstrauß von Musikstücken, der keine Langeweile aufkommen ließ. Zudem mochte ich den Klang der Orgel, der selbst der Rockmusik eine besondere Note verlieh. So spielten etwa ein John Lord bei den Deep Purple oder ein Ray Manzarek bei den Doors ihre Orgelsequenzen exzellent. Beim Drehorgelfestival in Linz waren es zwar nicht die Qualitäten eines John Lord oder eines Ray Manzarek, aber auch ein paar Stufen drunter hatte die Musik immer noch ansprechendes Niveau. So ziemliche Probleme hatten wir, in einem Restaurant einen Platz zu finden, da es am frühen Nachmittag zunehmend voller wurde. Am Marktplatz fanden wir schließlich in den Innenräumen in einem Restaurant Plätze für uns drei und wir aßen dort. Nachdem wir gegessen hatten, gaben die Klänge all der Drehorgeln dann doch ein anderes Bild ab. Sie wirkten zunehmend eintönig, und die Ohren hatten sich so sehr daran gewöhnt, dass sie um Abwechslung rangen.



27. Mai 2022


Als in der Ferne der Kirchturm der St. Peter-Kirche erschien, war die Erleichterung groß. Der Kirchturm ragte aus der Häuseransammlung von Sinzig heraus, am Horizont krochen die Berghänge des Westerwaldes aus dem Rheintal heraus, das eine gedachte unsichtbare Linie ausmachte. Dort endete das Ahrtal, über dessen Höhen ich auf dem Rotweinwanderweg daher schritt. Den Abschnitt von Bad Bodendorf nach Bad Neuenahr hatte ich ausgewählt, um auszutesten, wie belastbar mein Herz war. Im Dezember letzten Jahres hatte mir dieses nämlich einen Schrecken eingejagt, als nach einer ganz normalen Fahrradfahrt ins Büro Erschöpfungssymptome mit brennenden Schmerzen in der Brust aufgetreten waren. Das war nicht so schlimm wie beim Herzinfarkt, aber die ersten Schmerzen ähnelten sich. Danach konnten mich der Hausarzt und der Kardiologe beruhigen, weil sowohl das EKG wie die Ultraschallaufnahme des Herzens vollkommen normal aussahen. Nachdem ich mich monatelang gescheut hatte, machte ich heute einen etwas längeren Ausdauertest. Zehn Kilometer Rotweinwanderweg mit einigen ordentlichen Anstiegen auf der Wegstrecke. Ich hatte bereits Angst gehabt, dass ich mich bei meinen Wanderungen, an denen mir sehr viel lag, einschränken musste. Aber bei diesem Stück Rotweinwanderweg war alles vollkommen unspannend. Den Anstieg aus dem Tal von Bad Bodendorf hatte ich hinter mir gelassen. So zwei, drei Kilometer brauchte ich, um in den Rhythmus des Wanderns überzugehen. Das war normal, genauso beim Fahrradfahren, wo die ersten Kilometer dieselbe Mühe kosteten. Nun spazierte ich durch Waldstücke, wo zwischen Wiesen sich bemerkenswerte Ausblicke öffneten. Sinzig war ein häufiges Ziel von Rennradtouren gewesen, einmal war ich dort aber auch eine längere Strecke gewandert. Ab Lohrsdorf durchquerte der Rotweinwanderweg Weinberge, und als ich das Ziel Bad Neuenahr erreichte, freute ich mich auf weitere Wanderungen im Siebengebirge, an der Ahr, in der Eifel, an der Mosel oder sonstwo.



28. Mai 2022


Die Wanderung von Bad Bodendorf nach Bad Neuenahr hatte auch das Ziel, die Hochwasserschäden aus der verheerenden Flut im Sommer letzten Jahres in Augenschein zu nehmen. Nach der Flut hatte ich mich schlichtweg nicht in das Ahrtal getraut, das in Zeiten vor dem Herzinfarkt regelmäßig Ziel meiner Rennradtouren gewesen war. Noch im März letzten Jahres war ich von Altenahr nach Dernau gewandert, und nach der Flut wollte ich nicht in die Rolle eines Hochwassertouristen schlüpfen. Heute war es dann doch so weit, dass ich das Ziel des Ahrtales ins Visier genommen hatte. Nachdem der Rotweinwanderweg vollkommen unberührt von der Flut war, war Bad Neuenahr deprimierend. Je mehr man sich der Ahr näherte, um so mehr war alles verrammelt mit Sperrholzplatten. Weder Geschäfte, noch Lokale hatten wieder eröffnet, und man musste wahrscheinlich in Zeithorizonten von Jahrzehnten denken, bis alles so sei würde, wie es einmal war. Hier und da waren Handwerker zu sehen, aber die Ladenlokale waren leer, verrammelt, verschlossen. Man hatte keinen Einblick, was noch alles getan werden musste, um die Gebäude wieder herzustellen und zu sanieren. Am Ufer der Ahr waren die Fensterscheiben des Steigenberger Hotels zerstört, die Brücke war weggerissen, ein Stück weiter führte eine Behelfsbrücke über die Ahr. Dort, wo ich so oft auf dem Radweg geradelt war, war eine Behelfsstraße zum Dauerprovisorium geworden. In den einstigen Hotels und Gaststätten regte sich nichts. Die Flut war ein Beleg dafür, dass die Natur Schäden anrichten konnte, die jenseits jeglicher Kalkulationen lagen. Die Schäden waren so hoch, dass weder der einzelne sie tragen konnte, noch dass eine Solidargemeinschaft – wie sie auch geartet sein mochte – dafür aufkommen konnte. Fast ein Jahr war die Flut nun vorbei, die Sanierung kostete Zeit und es mussten sich Helfer finden, die das entsprechende Knowhow besaßen. Und der Flusslauf der Ahr war noch lang, Orte wie Dernau, Rech oder Mayschoß hatte ich noch nicht gesehen. Es gab noch ganz viel zu tun.



29. Mai 2022


In diesen Tagen ärgerte ich mich, wenn die Sonntage zu ganz normalen Garten-Arbeitstagen wurden. Was dann wiederum daran lag, dass unsere Rückstände im Garten ziemlich groß waren. Ein weiteres Hochbeet war im Werden begriffen, Erdbeeren standen zum Einpflanzen bereit, genauso diverse Kohlpflanzen, außerdem kriegten wir an manchen Stellen das Unkraut nicht in den Griff. So hatten wir heute einen Teil des Sonntags dazu genutzt, Kohlpflanzen wie Weißkohl und Kohlrabi auf unserem höher gelegten Beet einzupflanzen. Von unserem Nachbarn hatte meine Frau vor rund einer Woche Rasenschnitt auf dem Beet verteilt, diesen entfernte meine Frau nun, um in den frei gelegten Reihen die Furchen zu ziehen. Fünf stattliche Reihen mit Kohlpflanzen hatte meine Frau heute geschafft anzupflanzen, angefüllt mit jede Menge Komposterde, und was sie eingepflanzt hatte, war nicht ganz alles, was noch einzupflanzen war. Nun mussten wir hoffen, dass die Pflanzen wuchsen und gediehen in der schönen Anordnung vom Rasenschnitt, den Pflanzen in der Erde und den Farnblättern, die den Kahlfraß von Schnecken verhindern sollen.



30. Mai 2022


Sequenzen von SMSn als der Versuch, über die Fahrstrecke unserer Tochter von Dortmund nach Hause die Kontrolle zu behalten. Dabei spürte ich eine innere Angst, sie könne verloren gehen, in den falschen Zug einsteigen, zu Hause nicht ankommen oder sonstwie in die Fänge Fremder hinein geraten. Mit ihren Rückmeldungen, wo sie sich befand, ging sie äußerst sparsam um. Eine SMS schrieb sie hinter Wuppertal, dass sie in die richtige RB48 umgestiegen war. Nach einigem Nachfassen äußerte sie sich, dass sie auf die S-Bahn warten würde. Womöglich schrieb ich ihr zu oft und ich kontrollierte sie zu sehr, so dass sie nicht mehr antwortete. Schließlich kam sie eine halbe Stunde früher zu Hause an als ich ausgerechnet hatte, anscheinend wollte sie beweisen, dass sie sich mit Fahrplänen von Bus und Bahn auskannte. So verlief der späte Nachmittag bis zum frühen Abend voller Anspannung, wo sich unsere Tochter befinden würde. Dies trug dazu bei, dass der Sonntag ausgefüllt war mit einem späten Aufstehen, mit Telefonieren, mit Gartenarbeiten und eben dieser Anspannung, während meine Frau mit ihrem Bruder kegeln war. Während unsere Tochter zwischen Wuppertal und Köln Messe/Deutz im Zug saß, schaffte ich es, bei meinem Onkel anzurufen, der am 13. Mai 90 Jahre alt geworden war. In anderen Jahren hatte ich diesen Anruf zu seinem Geburtstag nicht hingekriegt, in diesem Jahr musste es gelingen – wenngleich mit mehr als 14-tägiger Verspätung. Dass in meiner Verwandtschaft jemand ein solches Alter erreicht hatte, war einmalig, meinen Vater hatte er um fünf Jahre überlebt. Dass man in einem solchen Alter gebrechlicher wurde, war nicht zu verhindern, und dennoch mühte er sich, so einige Tätigkeiten im Alltag beizubehalten und nicht anderen zu überlassen. So kaufte er regelmäßig selbst ein. Ein Super- und Drogeriemarkt befanden sich im Ort, er fuhr aber auch mit seinem Auto bis Erkelenz. Weiter als diese zehn Kilometer im Umkreis seines Wohnortes wagte er sich mit seinem Auto nicht mehr hinaus. Um zu gehen, dazu benutzte er einen Gehstock. Für wichtig befand er seinen Garten, um sich dort zu betätigen. Eigenhändig mit seinem Spaten hatte er ihn umgegraben, und er schwärmte von seinen Bohnenstangen, wo diejenigen Bohnen heran wuchsen, die klein zu schnibbeln waren und die sich bestens für Bohnengemüse oder Bohnensuppe eigneten. Er fand es wichtig, in Bewegung zu bleiben und möglichst wenig zu sitzen oder zu ruhen. Als unsere Tochter in ihrem Zug in Köln Messe/Deutz ankommen würde, beendete ich das Telefongespräch mit meinem Onkel. Es war bewegend, mit einem Menschen, der die 90 Jahre überschritten hatte, zu reden.



31. Mai 2022


Genau zwei Jahre war es her, dass ich den Herzinfarkt erlitten hatte. Vieles war so weiter gegangen, wie es war, und doch gab es einige tiefe Einschnitte, die sich nicht leugnen ließen. Als erstes war da dieses Quantum an Tabletten, das ich täglich nehmen musste. Dann hatten Arzttermine zugenommen, um das, was es als Kontrollmöglichkeiten und Vorsorge gab, wahrzunehmen. Auf Ernährung achtete ich mittlerweile weniger, weil dann doch die Gewohnheit siegte, gelegentlich ein Stück Kuchen zu essen, gelegentlich Essen zu gehen, bei entsprechenden Stimmungslagen abends Alkohol zu trinken oder auch mal abends eine Tüte Chips zu essen. Und dann war da doch eine gewisse Angst, das Herz könne bei einer gewissen Überanstrengung kollabieren, so etwas wie ein plötzlicher Herztod könne eintreten. Die Fahrt mit dem Rennrad klappte, moderates Wandern klappte. Gewalttouren mit dem Rennrad durch das Siebengebirge, an der Ahr oder in der Eifel mussten nicht sein. Diese Zielsetzung, ein gewisses Quantum an Rennradtouren aus den Zeiten vor dem Herzinfarkt durchzuführen, war nicht erreicht. Mein Canyon-Rennrad stand seitdem unbenutzt in der Garage. Nach einigen Wanderungen – aber beileibe nicht bei allen – hatte ich einige Tage später danach noch Erschöpfungssymptome. Dennoch empfand ich die wahrgenommenen Einschränkungen in der Bewegungsfreiheit als gering. Man konnte leben mit einem Herzinfarkt, andere Krankheiten würden deutlich schrecklicher sein. Ein Stück Angst blieb aber vor einem neuen Herzinfarkt. Wenn das Herz dann in anstrengenden Phasen normal weiter schlug, wenn der Atemrhythmus eines tiefen Ein- und Ausatmens die Bewegung unterstützte, dann war das Glücksgefühl intensiv.



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