Tagebuch August 2020
1. August 2020
Bisweilen sind Ausdrucksformen im Dialekt deutlich, sie machen einen Sachverhalt griffiger, klarer und ausdrucksfähiger. Bevor wir am nächsten Tag in Urlaub fahren würden, holte ich unseren Leihwagen bei Hertz ab. Es war ein Ford Kuga, zu dessen Zündschlüssel ich Informationsbedarf hatte. Man steckte ihn nicht in das Zündschloss, um den Wagen zu starten, sondern der Startvorgang geschah über einen eigenen Startknopf, auf den man drücken musste. Wohin ich denn den Zündschlüssel stecken solle, der nicht im Zündschloss steckte, fragte ich den Mitarbeiter von Hertz, der mir die Handhabung des Ford Kuga erklärte. „En de Botzetäsch“, plätscherte es aus ihm heraus. Dies sei der sicherste Aufbewahrungsort, schwor er. Der Ford Kuga sollte danach zum treuen Begleiter unseres Urlaubes werden mit einem schönen Fahrkomfort. Als ich nach Hause zurückkehrte, wunderte ich mich, wie sehr wir die Ruhe weg hatten. Aus früheren Urlauben war ich gewöhnt, dass meine Frau Tag für Tag einige Wäschestücke in die bereitliegenden Koffer steckte. Über mehrere Tage ging die Prozedur, abgezählte Wäschestücke für die Anzahl der Urlaubstage, sorgsam gefaltet und liebevoll in der betreffenden Anzahl der Koffer zusammengelegt. An diesem Tag befassten wir uns mit sehr vielen verschiedenen Dingen - nur nicht mit dem Kofferpacken. Im Garten waren einiges an Pflanzen zu gießen, bevor diese in unserer Urlaubsabwesenheit unserem Sohn überlassen würden. Mit dem Staubsauger ging ich durch unser Treppenhaus, danach fiel uns ein, dass die Auswüchse der in den Fensterbereich hinein ragenden Trompetenblume zu beschneiden war. Und es wurde gewaschen, gewaschen, gewaschen. Mittags kochten wir Nudeln mit Gehacktessoße, und noch nie hatten sich die Reisevorbereitungen so chaotisch gestaltet. Alles hing an meiner Frau, die Wäsche zu waschen und zu bügeln. Das zog sich über den gesamten Nachmittag und den Abend hinweg. Meine Frau schimpfte mit mir, wie schlecht ich das Abendessen disponierte. Weil meine Frau nicht wusste, wie sie den Berg von Wäsche bewältigen sollte, wurde ich für zuständig für das Abendessen erklärt. Ich wusste aber nicht, welches Essen ich aus all den Zucchinis, Tomaten oder Gurken zubereiten sollte, die im Garten heran gereift waren, so dass ich der Einfachheit halber etwas in der Frittenbude holte. Noch bis gegen elf Uhr am Abend war meine Frau mit Bügeln beschäftigt, so dass gebügelte Wäsche auf dem Tisch in unserer Essecke lag. Keinen wirklichen Zeithorizont vor Augen, trank sie eine Flasche Sekt, während ich die Flasche Bier austrank und mir einen Glaskelch mit Rotwein vollschüttete. Kurz darauf geschah nach Mitternacht das große Malheur: durch eine ungeschickte Handbewegung berührte ich den Glaskelch so unglücklich, dass er umfiel und sich der Rotwein über das auf dem Stuhl ausgebreitete Handtuch und den Parkettboden ergoss. Voller Zorn rafften wir alles an Küchenrolle und Küchenhandtüchern zusammen, was wir kriegen konnten. Während der Rotweinfleck auf den Parkettboden dauerhaft zurückbleiben würde, hatte der Stuhl mit dem darauf liegenden Handtuch Glück gehabt, und wir warfen den Knubbel, womit wir das Gesöff aufgesogen hatten, kurzer Hand in den Flur. Völlig deprimiert und planlos, schütteten wir weiteren Alkohol in uns hinein und vergaßen all die Dinge, die wir am Abreisetag noch zu erledigen hatten, bevor wir in den Urlaub losfahren konnte.
2. August 2020
Von dem Vorspiel nahm ich zunächst keine Notiz, weil unsere Tochter im Badezimmer hauste. Zusammen mit meiner Frau, so als ob zwei Frauen gemeinsam etwas aushecken. So ignorierte ich das Stöhnen hinter der geschlossenen Badezimmertüre, das anwuchs, schwerfälliger wurde und allmählich in ein Schreien überging. Bei zwei Frauen im Badezimmer dachte ich an nichts Schlimmes, bis die Türe sich öffnete und unsere Tochter auf mich zukam, um mich um meine Frau zu kümmern. Ich erblickte eine krumm gebeugte und nach vorne gebückte Gestalt vor dem Waschbecken, die leise „Scheiße“ vor sich her fluchte. Meine Frau wollte sich in unserer Ferienwohnung die Haare gewaschen haben. Als sie sich aufrichten wollte, elektrisierte sie ein Schmerz, als ob man einen Nagel hinein gehämmert hätte, in der Wirbelsäule. Ein Nerv war eingeklemmt worden – ein Hexenschuss. Meine Frau verharrte eine Zeit lang in der unliebsamen gebeugten Position, bis sie ihren Körper zentimeterweise von ihrer Stelle bewegen konnte. Mit Mühe gelang es ihr, sich auf die Toilette zu setzen in einer aufrechten Sitzhaltung. Sehr lange konnte sie nicht sitzen bleiben, denn der zerreißende Schmerz kehrte zurück, so dass sie aufstehen musste und ihren Oberkörper in irgendwelchen noch zu findenden Positionen bewegen musste. Meine Frau quälte sich ab, bis die Sequenzen von Bewegungen, die sie bewältigte, länger wurden. Ein Großteil des Morgens hatte der Hexenschuss vermasselt, und weil wir sowieso in den Ort mussten, um in einer Apotheke Voltaren gegen den Hexenschuss zu kaufen, beschlossen wir, dort zu später Vormittagsstunde zu frühstücken. Die Kleinstadt Staufen im Breisgau, zwanzig Kilometer südlich von Freiburg gelegen, verzauberte uns auf Anhieb. Als Gäste einer Ferienwohnung war das Parken im Zentrum der 7.800 Einwohner zählenden Stadt kostenlos, und wir parkten auf dem großen Parkplatz an der Schnapsbrennerei Schladerer. Der Gang in die Stadt war für meine Frau immer noch qualvoll, und in dieser Kleinstadt am Fuß des Schwarzwaldes lag alles dicht beieinander. Zunächst begleitete uns auf unserem Fußweg der Bach, der sich Neumagen nannte. Dann bogen wir am Café Decker nach rechts ab, das unglücklicherweise genau am Montagmorgen geschlossen hatte, um frühstücken zu können. Nach einem eben solchen Café, um frühstücken zu können, brauchten wir nicht allzu lange zu suchen. Ein historisches Ambiente, schöne Plätze und gemütliche Cafés lagen in Staufen ganz eng beisammen, und so wurden wir am Rathausplatz fündig, den der weiße Renaissancebau des Rathauses beherrschte. Das Nachbargebäude beherbergte ein Café, in dessen Inneren wir uns niederließen. Das Innere war hell, durch die geöffneten Fenster konnten wir auf den Rathausplatz schauen, und die schlimmsten Schmerzen des Hexenschusses hatten nachgelassen. Der geografischen Lage entsprechend, nannte sich das Café „Schwarzwaldschön“, und das Ambiente des Frühstücks war dort wundervoll, urlaubsmäßig, locker, leicht – einfach schön an den Hängen des Schwarzwaldes. Es gab Lachs zum Frühstück, Körnerbrötchen, Sekt – und natürlich die üblichen Frühstücksbeilagen wie Käse, Schinken, Salami oder auch Camembert. Wir frühstückten ausgiebig, wir schauten nicht auf die Uhr und ließen uns urlaubsgemäß Zeit. Bis in den frühen Nachmittag zogen wir das Frühstück in die Länge. Auf dem Rückweg zu unserem Leihwagen sogen wir das historische Ambiente dieser wundervollen Kleinstadt ein, die mit ihren Bächle ein bißchen eine Kopie der größeren Stadt Freiburg war. Der Hexenschuss war noch nicht entscheidend verschwunden, aber er hatte uns wenigstens ein solch üppiges Frühstück ermöglicht.
3. August 2020
Konus-Gästekarte – so hieß dieses Zauberticket, das allen Urlaubsgästen die kostenlose Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel erlaubte. Was die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel betraf, war unser Urlaubsort Staufen durchaus günstig gelegen. Die Kleinstadt lag an der Bahnlinie von Münstertal nach Bad Krozingen, von dort aus konnte man mit dem Zug entweder in die Richtung von Basel oder in die andere Richtung von Freiburg weiter fahren. An diesem Tag wollten wir uns mit unserer großen Tochter in Freiburg getroffen haben, wo sie in der Universitätsklinik an ihrer Doktorarbeit arbeitete. Dazu wollten wir vom Bahnhof in Staufen den Zug nehmen. Wie ein wenig zu erwarten war, stießen wir auf Probleme, den Treck unserer Urlauber so in Bewegung zu bringen, um denjenigen Zug zu erreichen, den wir nach Freiburg nehmen wollten. Bis zum Bahnhof hatten wir einen Fußweg von 20 Minuten zurück zu legen, zudem verkehrte der Zug um die Uhrzeit am späten Morgen nur einmal pro Stunde. Weil uns dies nicht gelang, trotten wir etwas weniger als eine Stunde die Fußgängerzone auf und ab und hin und her, bis wir unsere Konus-Gästekarte in den weiß-gelben Waggons mit dem Baden-Württembergischen Löwen und der Aufschrift „bwegt“ ihrer Verwendung zuführten. In Bad Krozingen mussten wir eine Umsteigezeit von 12 Minuten verkraften, eine Viertelstunde später waren wir am Freiburger Hauptbahnhof. Von dort aus mussten wir mit der Straßenbahn weiterfahren in den Stadtteil Stühlinger, wo sich unsere Tochter in den Gebäuden der Universitätsklinik in der Elsässer Straße mit ihrer Doktorarbeit herum schlug. Straßenbahnfahren hatte ich in Freiburg stets als unkompliziert empfunden, weil die Straßenbahnen tagsüber im 10 Minuten-Takt verkehrten und es quasi nie zu Störungen gekommen war. Wir trafen uns mit unserer Tochter in einer Pizzeria wenige Gehminuten von der Universitätsklinik entfernt in einem Einkaufszentrum. Die Pizzeria warb damit, dass sie die Pizza nach einem originalen neapolitanischen Rezept zubereitete. Die Pizza Calzone, die ich bestellt hatte, war jedenfalls sehr lecker und den anderen hatte es auch geschmeckt. In den Innenräumen des Restaurants, wo das Vorderteil einer Vespa aus der Wand heraus guckte, verquasselten wir uns, so dass die Zeit am frühen Nachmittag bereits fortgeschritten war. Durch Freiburg sollten wir an anderen Tagen bummeln, so dass wir uns entschieden, in unsere Ferienwohnung zurück zu kehren. Über die Zugverbindungen und die Umsteigemöglichkeiten in Bad Krozingen konnte uns unsere große Tochter aufklären, da sie täglich mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Universitätsklinik pendelte. Da die Umsteigezeit in Bad Krozingen zu lang war, nahmen wir den Bus am Busbahnhof, dessen Fahrzeit etwas kürzer war als die Umsteigerei in Bad Krozingen. Vom Bus aus genossen wir die Fahrt durch die Weinberge des Markgräfler Landes, gegen 17 Uhr waren wir in Staufen zurück gekehrt. Von dort aus mussten wir noch den mittelmäßigen Fußweg zur Ferienwohnung laufen. So waren wir den ganzen Tag mit der Konus-Gästekarte unterwegs gewesen.
4. August 2020
An diesem Tag benutzten wir wieder die Konus-Gästekarte – aber diesmal etwas anders als am Vortag. Wir fuhren nicht mit dem Zug ab Staufen, sondern setzten uns in unseren Leihwagen und fuhren in den Stadtteil Vauban zu einer Straßenbahnhaltestelle. Die Straßenbahn brauchte von dort aus kaum zehn Minuten, und wir standen im Zentrum am Bertholdsbrunnen. Ein wenig bummelten wir hier und dort, die Uhr mussten wir aber im Auge behalten, da wir Karten für das Planetarium organisiert hatten. Um 14 Uhr sollte uns jemand etwas über schwarze Löcher im Weltall erzählen. Über die Bertoldstraße trotteten wir zum Hauptbahnhof, wo das Planetarium untergebracht war. Teleskope und andere Geräte der Astronomie waren vor dem Eingang des Planetariums zu sehen. Nachdem allen der Eingang gewährt wurde, saßen die Besucher im Kreis, wobei nach den Abstandsregelungen von Corona Familien zusammen sitzen konnten und dazwischen ein Platz frei blieb. Alle schauten nach oben, wo an der Decke des Planetariums der Sternenhimmel erzählt wurde. Was waren schwarze Löcher ? Durch ihre starke Gravitation krümmen Schwarze Löcher den Raum um sich herum. Daher verlaufen Lichtstrahlen in ihrer Umgebung nicht mehr geradlinig, sondern werden gebogen. Die Allgemeine Relativitätstheorie von Albert Einstein hatte solche Raumkrümmungen vorhergesagt und Astronomen konnten diese inzwischen vielfach durch Himmelsbeobachtungen bestätigen. Je größer die Anziehungskraft eines Objekts, desto größer auch der Ablenkeffekt – bis die Lichtstrahlen bei einem Schwarzen Loch auf eine Kreisbahn gezwungen werden und dieses nicht mehr verlassen können. In einem Schwarzen Loch haben Raum und Zeit keine Bedeutung mehr, die bekannten Naturgesetze werden völlig außer Kraft gesetzt. Nachdem wir anderthalb Stunden den Sternenhimmel erklärt bekamen, waren wir vollends aufgeschlaut in den Einzelheiten der Astronomie. Den restlichen Nachmittag verbrachten wir damit, indem wir ein Stück weit durch die Innenstadt bummelten und dann aßen. Diesmal wählten wir ein orientalisches Restaurant in der Nähe des Stadttheaters sowie des Kinos, wo es uns vorzüglich schmeckte. Am späten Nachmittag fuhren wir dann zuerst mit der Straßenbahn, und von der Haltestelle im Stadtteil Vauban mit dem Leihwagen in die Ferienwohnung zurück.
5. August 2020
Dreimal waren wir tagsüber nach Freiburg gefahren, und abends hatte sich direkt in den ersten Tagen dasselbe Procedere eingespielt. Entweder kochten wir selber oder wir aßen in Staufen in einem Restaurant (wobei wir suchen mussten, bis wir kein überteuertes Restaurant gefunden hatten, deren Auswahl sich auf zwei Restaurants beschränkte). Der Weg nach dem abendlichen Essen führte uns allabendlich zu einer Gartenwirtschaft, welche die Einheimischen „Weinbrunnen“ nannten. Diese Gartenwirtschaft war typisch für diese Gegend des Markgräfler Landes und wäre bei uns im Rheinland quasi undenkbar gewesen. Es war der Ausschank eines Weingutes, wo man deren Weine probieren konnte. Die Weinkarte war umfangreich und allumfassend, sie umriss alles, was auf dem einen Weingut auf den hiesigen Weinbergen rund um Staufen wuchs und gedieh und zu besten Weinen verkeltert wurde. Ich probierte Weißburgunder, Grauburgunder und Gutedel, der Schwager und meine Frau verkosteten ebenso Portugieser Weißherbst oder Gewürztraminer. Schön gekühlt bei heißen Außentemperaturen war der Geschmack Spitzenklasse. Da schütteten wir gleich mehrere 0,25 Liter-Gläser in uns hinein. Auf der Speisekarte gab es Kleinigkeiten zu essen, wobei wir gerne Käsewürfel zu den vollmundigen Weinen aßen. Etwas benebelt von all dem Alkohol, tat der Spaziergang an der frischen Luft zu unserer Ferienwohnung gut, wenn gegen 23 Uhr der Ausschank in der Gartenwirtschaft beendet wurde. Oder wir wechselten kurzerhand zum Bahnhöfchen, wenn unser Durst noch nicht gestillt war. Die Gaststätte „Bahnhöfchen“ lag direkt am Staufener Bahnhof genau auf dem Weg zu unserer Ferienwohnung.
6. August 2020
Wie bei unseren anderen Freiburg-Urlauben, war der Europa-Park in Rust zum festen Urlaubsbestandteil geworden. Diesmal fuhren wir in der Gruppierung von unseren beiden Töchtern, dem Schwager und meiner Frau dorthin. Sogleich, nachdem wir den Parkplatz verlassen hatten, wurde uns der Blick auf die Höhenflüge der Achterbahn des Silver Star schwindlig. Im Park mussten wir uns in unserer Gruppierung sortieren und orientieren. Dabei hing die Sortierung ab von der Neigung oder Abneigung gegen Achterbahnen oder alles, was allzu wild aussah. Alles, was weiblich war, ging gerne auf Achterbahnen, die Männerwelt, wozu der Schwager und ich gehörten, hingegen nicht. So drehten wir zuerst mit der kleinen Eisenbahn eine Runde durch den Park, danach zog es die Frauen auf die Weltraumachterbahn Mir, und danach wiederum hatten wir bereits die Mittagszeit erreicht. Wir fanden die Idee gelungen, im Themenbereich Spanien Tapas zu essen. Bei den heißen Außentemperaturen war es im Inneren des Restaurants kühl, und wir konnten uns Chorizo, Paprikawurst, Patatas Bravas, Tortillas und vieles mehr so zusammen stellen, wie wir die Tapas haben wollten, und gemeinsam davon essen. Mit Plakaten von Stierkämpfen oder großbauchigen Weinflaschen wirkte die Bodega im Inneren total spanisch, das war genau das Originelle am Europa Park: die Authentizität der europäischen Staaten. Nach dem Mittagessen teilten wir uns auf oder machten die Dinge auch gemeinsam. Auf die Achterbahn der Nordlandsaga gingen die Damen, gemeinsam gingen wir später auf die Marionetten-Bootsfahrt. Die Dschungel-Floßfahrt führte auf Flößen auf einem See durch die Kulturen der Südsee, wie die Menschen dort lebten, wie sie sich kleideten und wie ihre Häuser auf dem Wasser gebaut waren. Wir spazierten durch den Märchenwald, wir fuhren mit den Gondeln von Arthur und den Minimoys, was dann für die Männer wieder zu schwindelerregend wirkte, obschon es nicht allzu sehr in die Höhe ging. Das Abschlussfinale fand auf dem Silver Star statt. Unsere kleine Tochter zog es gleich mehrfach hintereinander auf diese Höllen-Achterbahn, die nur die Hartgesottenen unter den Schwindelfreien meisterten. Mit Bravour und Begeisterung stürzte sich sie auf den Silver Star und jedesmal strahlte sie auf ihrem hellen Gesicht, als sei sie dem Himmel nahe gewesen. Der Europa-Park, ein Freizeitpark, der mich wegen der filigranen Gestaltung der einzelnen europäischen Themenbereiche auch fasziniert hat.
7. August 2020
Diesmal wählte die Bloggerin, die ich über meinen eigenen Blog kennen gelernt hatte, die Anreise mit der Bahn. Sie musste von Münstertal nach Staufen fahren, was mit dem Zug gut zu schaffen war. In Zeiten von Corona begrüßten wir uns, indem wir uns mit den Ellbogen berührten, und im weiteren Verlauf redeten wir auch viel über Corona. Dass die Inzidenzzahlen wieder im Steigen begriffen waren. Dass all der Tourismus, worauf die Region des Schwarzwaldes angewiesen war, die Inzidenzzahlen fleißig durchmischte und dass wohl gerade Münstertal trotz seiner kleinen Einwohnerzahl ein gewisser Hotspot sei. Wir diskutierten ebenso, wie ignorant manche das Virus wahrgenommen hätten. Es sei nicht so – wie beim Grippevirus – dass es im Sommer ganz verschwinden würde. Und die Wirkungen mit schweren Verläufen und Langzeitwirkungen würden in der Bevölkerung kaum wahrgenommen. So täten viele in der Zeit Anfang August, als gäbe es das Virus gar nicht mehr. Maske tragen und Abstand halten seien entbehrlich, was so nicht zuträfe. Um einen gewissen Plan zu haben, hatte ich vorgeschlagen, das Keramikmuseum zu besuchen. Wie allgemein üblich, kennt man die nächsten Sehenswürdigkeiten in der eigenen Umgebung nicht, und so war für uns alle das Keramikmuseum Neuland. Was dort gezeigt wurde, war durchaus sehenswert und auch bedeutend. Im Jahr 1453 wurde in Staufen eine Hafnerzunft gegründet, was gleichbedeutend war mit dem Töpferhandwerk. Im Keller konnten die Besucher eine Werkstatt besichtigen, wo einige typische Tonarbeiten und -krüge ausgestellt waren. Auch Öfen und -kacheln wurden gefertigt. Vertrieben wurden die Produkte im gesamten Raum des Oberrheins von Basel bis Karlsruhe, von Straßburg bis in die Vogesen hinein. Maler wie Kandinsky oder Picasso hatten ihre Gestaltungsformen ebenso in Formen des Tons ausgedrückt. Ihre Exponate waren zusammen mit denjenigen weiterer Künstler wie Maillol, Dufy, Laeuger in einer Sonderausstellung zu sehen. Alles in allem, war es ein interessantes Museum zur Thematik von Tonarbeiten und Töpferhandwerk, das für uns alle neu war. Im Anschluss unterhielten wir uns weiter im Café Schwarzwaldschön am Rathausplatz. Natürlich ging die Zeit viel zu schnell vorbei, und unsere Bekannte ging schließlich zu Fuß zurück von Staufen nach Münstertal, ohne den Zug oder irgendein anderes öffentliches Verkehrsmittel zu nehmen.
8. August 2020
Nach einer problemlosen Rückreise fast ohne Stau wartete eine ärgerliche Überraschung auf uns. Bis wir zu Hause angekommen waren, waren die Gegensätze zwischen der Anspannung auf der Hinreise und der Entspannung auf der Rückreise gravierend. Die Koffer packten wir rasch, das Verstauen im Kofferraum unseres Leihwagens geschah unproblematisch, die Ferienwohnung verließen wir mit einer eher geringen Verzögerung nach 10 Uhr. Ein paar Töpfe brachten wir bei unserer Tochter in der Rathausgasse vorbei, dazu ein Sieb, Gurken, Zucchini, Tomaten aus unserem Garten. Wir gabelten sie auf und fuhren sie zur Uni-Klinik in der Elsässer Straße in Freiburg, weil sie dort für ihre Doktorarbeit noch etwas zu erledigen hatte. Nachdem wir uns von unserer Tochter auf dem Parkplatz der Universitätsklinik verabschiedet hatten, setzten wir unsere Heimreise fort. Anfangs, bis zum dreispurigen Ausbau der Autobahn A5 bei Offenburg, stockte die Autobahnfahrt. Mal schneller, mal langsamer kamen wir vorwärts, aber alles ohne wirklichen Stau, den wir allerdings auf der Gegenfahrbahn bei Freiburg-Teningen beobachten konnten. Einen anderen Stau meldeten dann die Verkehrsnachrichten zwischen Bruchsal und dem Autobahnkreuz Walldorf. Diesen Stau nutzten wir, indem wir die Autobahn bei Bruchsal verließen und bei Mc Donald’s einkehrten, um einige Burger-Menus zu essen. Dabei ließ auch ich es mir nicht nehmen, einen Mc Rib zu verspeisen. Weiter ging die Autofahrt über ausgebaute Bundesstraßen, um den Stau zu umkurven. Bei Speyer befuhren wir wieder die Autobahn A61 und fädelten uns in den flüssig daher fließender Verkehr ein. Bisweilen ging es auf der Überholspur etwas langsamer, bis die Autobahn A61 in Rheinhessen sich leerte und wir freie Fahrt hatten. Als wir gegen 17 Uhr zu Hause ankamen, erwartete und die ärgerliche Überraschung, dass unser Garten die Hitze und die Trockenheit nicht ausgehalten hatte. Man hätte es auch so ausdrücken können, dass unser Sohn mit dem Gießen nicht ausreichend nachgekommen war. Ganz schlimm sahen die Zucchini aus, die unser Sohn nicht abgeschnitten hatte. Sie waren zu Riesengewächsen heran gereift, die man nicht mehr essen konnte. Da die Wachstumstriebe verdorrt waren, drohten sich keine neuen Pflanzentriebe mehr zu bilden. Die Selleriepflanzen ließen traurig die Blätter herunter hängen, die Stangenbohnen waren gelb und überreif und nicht gepflückt worden. Die Gurken waren kümmerlich gewachsen. Alleine die Tomaten ließen zwar auch ihre Blätter hängen, die Hitze hatte aber ganz viele rote Tomaten an ihren Stauden reifen lassen. Auch die Paprika sahen mit ihren großen Früchten nicht schlecht aus. Das abendliche Gießen verschlang jede Menge Zeit. Und wir konnten nicht beurteilen, ob sich durch die Hitze geschädigte Pflanzen wie die Stangenbohnen oder die Zucchini wieder erholen würden.
9. August 2020
Der letzte Urlaubstag, an dem keine wirklichen Urlaubsgefühle aufkamen. Von der Hitze war unser Haus aufgeheizt, so dass ich schlecht geschlafen hatte. Gegen halb sieben rannte meine Frau auf Toilette, danach schlief ich mit großer Verzögerung wieder ein und wurde erst kurz vor 9 Uhr wieder wach. Mit dem Fahrrad holte ich Brötchen, dann goß ich das im Garten, was meine Frau übrig gelassen hatte, dann frühstückte ich. Wie des öfteren, bestimmte um die Mittagszeit das Mittagsessen den Gang der Dinge. Jede Masse Tomaten hatten wir geerntet, so dass wir eine Tomatensuppe kochten. Dabei gestaltete sich das Abkochen, das Häuten und das Herausholen des Tomaten-Fruchtfleisches aufwändig. Viertel nach eins begannen wir mit der Zubereitung des Mittagessens, gegen halb vier aßen wir. Damit war der größte Teil des Tages bereits vorbei, um noch etwas unternehmen zu können. Dazu kam die Affenhitze, welche die Auswahl der in Frage kommenden Unternehmungen stark einschränkte. So beließ ich es dabei, unseren Leihwagen bei Hertz in der Justus-von-Liebig-Straße in Bonn zurückzugeben. Hätte ich die Tagesabläufe am letzten Urlaubstag erahnt, dass wir wenig urlaubsmäßiges unternehmen würden, hätte ich besser auf die Anmietung an diesem Tag verzichten sollen. Das kostete zusätzlich bei null Nutzung. So stand der Ford Kuga in der prallen Hitze vor unserem Haus herum und wurde ausschließlich zu dem Zweck bewegt, um nach Hertz zurück gefahren zu werden. Es war ein Mietwagen, dessen Komfort und Fahrgefühl ich schätzen gelernt hatte, obschon der Kofferraum noch geräumiger hätte ausfallen können. So mussten wir etwa auf die Mitnahme der Kartoffeln aus dem eigenen Garten verzichten, weil der Platz nicht ausreichte. Das Fahrgefühl war geschmeidig, das Fahrzeug lag auf der Straße wie ein Brett, die Automatik-Schaltung empfand ich mit der niedrigeren Anzahl von Schaltvorgängen als eine Erleichterung. Mit den sonntäglich geschlossenen Geschäftsräumen war die Rückgabe bei Hertz ein Novum. Keine Prüfung und kein Rücknahmeprotokoll, anstatt dessen schob ich den Fahrzeugschlüssel in ein Schubfach vor dem Eingang. Mit der Straßenbahn-Linie 18 und dem Schnellbus ging es nach Hause zurück, wo abends eine Gewitterwolke mit einem mäßigen Regenschauer für eine mäßige Abkühlung sorgte. Zuvor hatte ich unseren Garten noch gegossen, und die zusätzlichen Regentropfen dürften bewirkt haben, dass sich meine Frau das Gießen des Gartens am nächsten Morgen erspart haben dürfte.
10. August 2020
„Das Fahrrad bitte an die Reling oder auf die Wiese stellen“ wies mich die Kellnerin an, als ich im Biergarten „Zum Rheinblick“ einkehren wollte. Das Rennrad hatte ich über den geteerten Platz geschoben, wo man an Vierertischen Platz nehmen konnte mit einem verzaubernden Blick auf den Rhein. Nur von einem schmalen Weg vom Rhein getrennt, verzauberte der Ausblick auf den Strom, der sich am früheren Abgeordnetenhaus und dem Posttower wand und hinter der Schleife bei Beuel den majestätischen Ausblick auf das Siebengebirge bereithielt. Ich folgte den Anweisungen der Kellnerin, ich kettete mit dem Fahrradschloss das Rennrad an der Reling an und nahm Platz an diesem bewundernswerten und inspirierenden Ausblick, den all die Romantiker, Dichter, Denker und Künstler vor rund 200 Jahren in diese Gegend gelockt hatte, wenngleich die baulichen Relikte der früheren Bundeshauptstadt erst in einer deutlich späteren Epoche dazugekommen waren. In diesem Biergarten, wo die Weintrinker die Biertrinker überwogen, war wenig los, so dass es kaum der Mühe Wert gewesen wäre, auf die Einhaltung der Corona-bedingten Abstände zwischen den Tischen zu achten. Trotz der Affenhitze ließ es sich hier überraschend gut aushalten. Der Schatten einer mächtigen Platane ließ der Sonne keine Chance, dazu wehte ein deutlich spürbarer Wind, der die Hitze ganz einfach wegblies. Eine seltene Unart der Gastronomie hatte an diesem reizvollen Ort allerdings um sich gegriffen. Serviert wurde der Kaffee nicht in einer Tasse, sondern in einem Kännchen. Das bescherte dem Biergarten zwar einen höheren Umsatz, verdarb aber den Genuss des Kaffees, weil die zweite Tasse nur noch lauwarm war. Während die Lastkähne über den Rhein tuckerten, überlegte ich, ob es sich lohnte, an solch einen Ort wieder zu kehren.
11. August 2020
Was für ein Gehopse. Unwillkürlich fühlte ich mich an meine Reha erinnert, als ich in die Richtung des ausgedörrten Rasens vor der Oper schaute. Ich war kurz davor, die Kennedybrücke mit dem Rennrad zu überqueren, als die sauber verteilte und angeordnete Gruppe von Menschen Sport trieb. Dabei machte der in der Hitze versengte Rasen einen noch angestrengteren Eindruck als die Menschengruppe, die die Hitze unbeeindruckt ließ. Erinnert fühlte ich mich an die Kardio-Gymnastik in der Reha. Es war wie so oft im nachhinein, dass die positiven Eindrücke die negativen überwogen und um so nachdrücklicher haften blieben. Als ganzheitlicher Ansatz, hatte die Reha den ganzen Körper mit Bewegung fit gemacht, die viele Körperteile von den Muskeln über den Atem, den Rücken und vieles, vieles mehr erfasst hatte. Einer Trainerin in der Reha machte es Spaß, den Körper tanzend in Bewegung zu bringen. Brasilianische Samba-Rhythmen, die sie auf ihrem Handy abspielte, versetzte sie in flammende Leidenschaften mit den Energien eines Vulkans. Dieses lodernde Feuer der Bewegung suchte sie an die Teilnehmer der Reha zu übertragen, die dann auch, so gut sie es konnten, mitmachten. Auf dem hoffnungslos niedergestreckten Rasen vor der Oper war nicht nur die Gymnastik, sondern auch die Musik einiges plumper. Die monotonen Rhythmen eines „Summer Jam“ plätscherten aus dem Lautsprecher, es folgte der alte Sommerhit von Mungo Jerry „In the Summertime“, den ich eigentlich sehr mochte. In dieser Version war er dermaßen mit Disco-Versatzstücken hinterlegt, dass ich ihn verabscheute. Die tanzende Menschengruppe störte dies indes nicht. Ihre Bewegungen folgten denjenigen der Vorturnerin, Füße links, Füße rechts, Arme runter, Arme hoch, in die Beuge, alles schön im Takt der Musik. Die Hitze konnte ihnen nichts anhaben, und scheinbar hatten sie auch ihren Spaß dabei.
12. August 2020
Erster Schultag, normaler Rhythmus. „Denkste“ von den drei Fellnasen sind nur zwei „Tiger“ zum Frühstück gekommen. Unser Jüngster schwarzer Kater hat die Gelegenheit genutzt, durch die geöffnete Balkontür (Lüften bei den Temperaturen) wahrscheinlich zum Garagendach und das Abenteuer Nachtausflug kann beginnen. Das eine oder andere Mal hat er das schon gemacht. Pünktlich steht er dann morgens ausgehungert vor der Tür oder sitzt am Fenster und freut sich auf ein leckeres Frühstück. Er ist etwas über 2 Jahre, vielleicht hat er einen längeren Ausflug gemacht? Ich werde immer unruhiger 9 Uhr, 10 Uhr, einige Besorgungen machen, danach in der Nachbarschaft nach Jumbo gesucht, 11 Uhr, 12 Uhr, andere Richtung durch die Nachbarschaft, 13 Uhr, Mittagessen, 14 Uhr, 15 Uhr …. Kein Jumbo in Sicht. Erledigungen, Anrufe gemacht, …. Immer noch kein Jumbo. Mein Entschluss steht, ich mache den Laptop an, gehe auf Facebook und reihe uns in die vielen Fälle der vermissten Tiere ein. Es klingelt. Ein Nachbar von gegenüber, der unterm Dach wohnt. „Sie haben doch Katzen?“ „Ja“ „Auch eine Schwarze?“ „Ja“ „Die liegt bei uns im Treppenhaus. Seit heute Morgen, wie ich zur Arbeit bin.“
Ich gehe mit dem Nachbarn rüber und da liegt unser Jumbo auf dem letzten Treppenabsatz. Er muss dort den ganzen Tag so gelegen haben. Wie der Nachbar sagt. Er ist ganz verkrampft, die Vorderpfote ist zwischen Fensterscheibe und dem Treppenabsatz, ganz verkrampft. Zu Hause hat er getrunken, der Nachbar hatte ihm Wasser hingestellt, welches er nicht angerührt hat. Er hat gut gefressen, danach hat er sich entspannt und jetzt ist alles wieder in Ordnung. Wir werden diese Nacht die Rollläden unten lassen, bei geöffneter Balkontür.
13. August 2020
Es war ein Tag, an dem die Atmosphäre brodelte. Seit einer Woche hatte sich die Hitze angestaut, sie hatte Feuchtigkeit aufgesogen. Ich suchte an Orten zu entkommen, wo ein gewisser Luftzug wehte und dem hoffnungslos verschwitzten Körper einen Hauch von Abkühlung bescherte. Diese Ausflucht suchte ich im Biergarten „Zum blauen Affen“, wo ich ein großes Glas Apfelsaftschorle in mich hinein schüttete. Das tat meinem Körper gut, und auf der anderen Rheinseite waren bereits die ersten dickeren Wolken aufmarschiert. Auf meinem Nachhauseweg fuhr ich geradewegs in die dicken Wolken hinein, die sich verdüsterten. Ein Gewitter zog auf, erste Donnerstöße regten sich, die allerdings so zögerlich waren, dass ich es trocken nach Hause schaffte. In Zeiten des Klimawandels sind solche Vorboten des längst ersehnten Regens bedenklich. Die Trockenheit hat die Natur im Würgegriff, und ein Landregen über mehrere Tage oder Wochen würde gut tun. Doch was in den Medien berichtet wird oder was wir selbst zu Hause erleben, liegt fernab ausgewogenen Regens, der der Natur wieder auf die Beine verhilft. Entweder verziehen sich die Gewitter wieder, oder es regnet ein paar kärgliche Tropfen, so dass kaum die Straße nass wird, oder die Gewitter gipfeln in Unwettern mit sintflutartigen Regenfällen, die alles überschwemmen. Das Wetter kennt nur noch Extreme und kein Mittelmaß mehr. Solche aufziehenden Gewitterwolken signalisieren eine Gefahr, die in ein Katastrophenszenario münden kann. An diesem Tag blieb die Katastrophe aus. Die Gewitterwolke brachte den seltenen Fall, dass der Himmel mit dem benötigten Mittelmaß an Regen seine Schleusen öffnete. Eine halbe Stunde lang schüttete es ordentlich, dann regnete es anderthalb Stunden kräftig weiter. Meine abendlichen Einkäufe bei HIT zog ich bewusst in die Länge. Im Schritttempo fuhr ich mit dem Fahrrad dorthin und ließ mich nassregnen. Ich genoss, wie die dicken Tropfen auf meinen Körper platschten. Wie sich die Nässe in meine Klamotten einsog und von außen für Kühlung sorgte.
14. August 2020
Am Tag vorher war das Gewitter bei uns zu Hause glimpflich abgelaufen, und unser Garten hatte sich über ganz viel Regen gefreut. In der Rheinaue hatte ich mir heute ein Bild davon verschafft, dass Gewitter lokal sind und dass es auch anders kommen kann. Am schlimmsten hatten das Unwetter in Bonn-Kessenich gewütet, das hatten die Nachrichten berichtet. In der Rheinaue hatten sich weggewehte und abgebrochene Äste auf dem Rasen verteilt, die an manchen Stellen kniehoch zusammengehäuft worden waren. Für die Fahrradfahrt war dies kein wesentliches Hindernis, das Gewitter hatte Spuren von Laub und Ästen hinterlassen, die abseits der Wege einen wüsten Eindruck hinterließen. Auf der Höhe des Biergartens „Zum blauen Affen“ hatte das Unwetter vor zwei Tagen dann doch Spuren hinterlassen. Der große Crash hatte einen Baum erfasst, umgerissen von Windböen. Die Fallrichtung des Baumes wies genau auf den Biergarten „Zum blauen Affen“. Der Kracher war riesig und kam ein Stück vor dem Biergarten zu Fall. Der Stamm ist nun zersägt, der Radweg ist frei, die Auswirkungen des Unwetters sind in geordnete Bahnen gelenkt worden.
15. August 2020
Es war ein Tag, an dem die Kartoffel ganz im Mittelpunkt stand. In den Tagesablauf, der vollgestopft war mit Einkäufen und Kleinkram, brachte ich unter, die Kartoffeln aus der Erde auszubuddeln. Abwechselnd hatten meine Frau und ich uns durchgeackert. Dabei galt es, mit der Gabel möglichst tief in das Erdreich einzugraben. Erfahrungsgemäß waren die Kartoffeln so tief gewachsen, dass sich einige versteckten. Diese nicht geernteten Kartoffeln trieben dann im nächsten Jahr aus, was dann die Aussaat anderer Anbauformen durcheinander brachte. Geduldig hatte ich mich Kartoffelstrauch für Kartoffelstrauch durch gearbeitet und all die Knollen ausgehoben, die ich finden konnte. Das nächste Jahr würde dann zeigen, wie gründlich ich die Arbeit vollbracht hatte. Für die geernteten Kartoffeln fanden sich rasch Verwendungszwecke. Als erstes dachte meine Frau an unseren Nachbarn im gegenüberliegenden Mietshaus, der unseren Kater Jumbo im Treppenhaus vorgefunden hatte, nachdem unser Vierbeiner sich in das falsche Haus verlaufen hatte. Dann waren unsere Nachbarn von nebenan aus dem Urlaub zurück gekehrt. Wir erzählten über ihren Urlaub und über unsere Kartoffeln. Neugierig auf unsere Kartoffeln, brachte meine Frau ihnen ebenso ein Körbchen mit unseren frisch ausgemachten Kartoffeln vorbei. Bestens hätten sie geschmeckt, ganz weit weg vom Geschmack derjenigen aus dem Supermarkt, das bescheinigten sie uns am nächsten Tag. Zum Abend gab es dann eine weitere Kartoffelspezialität zu essen. Nachdem wir die kleinen Kartoffeln aussortiert hatten, bratete meine Frau Pellkartoffeln in heißem Speiseöl. Dazu aßen wir Schwedenfisch mit Tomaten und Zwiebeln aus dem eigenen Garten. Ein Klassenkamerad unserer Tochter, der zufälligerweise mitaß, bestätigte uns den herausgehobenen Geschmack der Kartoffeln aus unserem eigenen Garten. Ein Leckerbissen.
16. August 2020
Langsam machen sich Hektik und Panik breit, weil wir in einer Woche an dem zweiten Dorftrödel in unserem Ort teilnehmen wollen. Unverändert türmt sich im Keller im Haus des verstorbenen Schwiegervaters all der Hausrat auf, den wir nach dem ersten Dorftrödel vor einem Jahr hinterlassen haben. Es sind zwar auch Möbel in dem ungeordneten Haufen im Keller dabei, die in dem zu renovierenden Haus wieder verwendet werden sollen, aber die Menge an Hausrat ist erheblich, die noch an den Mann oder die Frau zu bringen ist. Diese Herausforderung ist groß, zumal meine Frau arbeiten muss. In Begleitung mit einer Freundin aus St. Augustin, die ihren eigenen Hausrat verkaufen möchte, soll ich dies bewerkstelligen. Zwei Flohmarktstände beabsichtigen wir aufzubauen, jeder einen für sich, und am heutigen Tag befasste ich mich damit, im Keller einige Laufwege freizuräumen und die beiden Tapeziertische nach oben zu schaffen. Dazu räumte ich im früheren Wohnzimmer Tische und herum stehende Materialien beiseite, ich fegte aus, und stellte dorthin die im Keller die Laufwege versperrenden Sachen. Hausrat, der besser verkäuflich ist, steht im Keller unseres Hauses. Und so wollen wir schauen, was wir aus beiden Häusern so wegkriegen. Bis daher ist viel Hausrat noch sauber zu machen, so dass er verkauft werden kann, und vor dem Haus, wo die beiden Tapeziertische stehen werden, ist einiges Unkraut auszumachen.
17. August 2020
Seit Mitte letzter Woche hat die Schule wieder begonnen, und seitdem unsere Tochter die Klasse wiederholt und somit einer anderen Schulklasse zugehört, hat sich grundlegendes verändert. Letzten Donnerstag ist sie erst sehr spät nach Hause gekommen, wobei sie sich auf ihrem Handy nur zeitweise gemeldet hat. Es ist nämlich zu einer Regelmäßigkeit geworden, dass sie einen Mitschüler mitbringt. Die neue Schulklasse hat die Verhältnisse grundlegend aufgemischt. Die beiden sind unzertrennlich, sie verbringen ihre Freizeit zusammen und sie machen zusammen Hausaufgaben. Mit dem Jungen, 14 Jahre alt, der einen sehr vernünftigen Eindruck macht, unternehmen sie Dinge wie etwa dass sie nach Köln fahren. Eine Win-win-Situation, so könnte man es betriebswirtschaftlich ausdrücken. Ein Glücksfall für beide Seiten. Für unsere Tochter, dass sie endlich Anschluss an Bekannte und Freunde gefunden hat. Dass ihr Alltag an Ordnung und Struktur gewinnt. Wir hoffen, dass dieser Zustand so lange wie möglich andauert.
18. August 2020
In Zeiten von Trockenheit und Dürresommern war es eine Situation, die ich sehr lange nicht mehr erlebt hatte. Glücklich, mich auf dem Rennrad zum Büroarbeitsplatz bewegen zu können, hatte ich gerade aus meinem Schließfach die Fahrradbekleidung heraus geholt, um mich umzuziehen. Ich wollte Feierabend machen, hatte noch geplant, vor dem Haus des verstorbenen Schwiegervaters Unkraut zu entfernen, da bemerkte ich Regentropfen an den Fensterscheiben zur Friedrich-Ebert-Allee hin. Ich betrachtete das Wettergeschehen näher: unstrukturiertes und zerfasertes Gewölk dehnte sich über die vierspurige Straße hinweg. Was nicht genau erkennbar war, was auf einen zukam, konkretisierte sich allmählich. Der Himmel verdunkelte sich, die Wolken senkten sich bleiern herab. Längst hatte ich gezögert, in die Fahrradbekleidung hinein zu schlüpfen, und beobachtete rundum das Wettergeschehen. Losfahren sah angesichts des Szenarios, klatschnass zu werden, sinnlos aus. Nachfolgend kam es dann noch schlimmer. Ein richtiges Gewitter zog auf. Blitzen folgten Donnerstöße, Wassermassen ergossen sich, von denen wir vor kurzem nur geträumt hätten. Es goß wie aus Kübeln und sah auch nicht aus, dass es aufhören würde. Es war nicht einmal daran zu denken, trocken zur Straßenbahnhaltestelle zu kommen, um mit öffentlichen Verkehrsmitteln anstelle des Fahrrads nach Hause zu gelangen. Es blieb mir nichts anderes übrig, als vor dem Eingangsbereich abzuwarten. Bis sich die ersten helleren Stellen am Horizont zeigten, dauerte es gewaltig. Und selbst als ich lostappste zur Straßenbahnhaltestelle, wurde ich noch gehörig nass.
19. August 2020
Alles, was sich durch den Herzinfarkt verändert hat – die Veränderungen bergen auch Chancen. Noch intensiver tue ich das, was ich immer schon mal tun wollte. Bereits in der letzten Woche hatte ich bei dem irre heißen Wetter einen Abstecher im Biergarten „Zum blauen Affen“ gemacht. Nach dem schönen Biergartenerlebnis in der letzten Woche war nun der nächste Biergarten an der Reihe. Biergärten gehören hierzulande nicht unbedingt zu den regionalen Ausprägungen des Rheinlandes, man verortet sie vielmehr typischerweise nach Bayern. Auf der linken Rheinseite gelegen, war ich an dem Biergarten „Zum Schänzchen“ nicht so oft vorbei geradelt wie an dem Biergarten „Zum blauen Affen“. Dafür war er noch einiges schöner. Der alte Baumbestand beeindruckte mich. Dass der Biergarten sich in einer alten preußischen Festung angesiedelt hatte, schuf eine historische Atmosphäre zwischen alten Gemäuern. Ich schritt von der Getränkeausgabe die Treppe hinunter. Vom Biertisch aus lag der Rhein direkt zu Füßen, nur getrennt durch den Fahrrad- und Fußgängerweg, welche bei dem sonnigen Wetter lebhaft frequentiert waren. Ein Ort zum Schauen, Ausspannen und Erholen. Ich genoss es, etwas zu tun, was ich schon immer gemacht haben wollte.
20. August 2020
„Hör auf dein Herz“, mit diesem Slogan eines Dr. Heart, den ich mir gerne auf Youtube ansehe, habe ich mir angewöhnt, in die feinen Töne der Anatomie meines Herzens hinein zu hören. Dieser Dr. Heart, ein Arzt aus Berlin, erklärt anschaulich die medizinischen Feinheiten rund ums Herz und hat mir so manche Einsicht in dieses zentrale Organ in der Mitte des Körpers beigebracht. Seit zwei Wochen, nachdem ich aus meinem Urlaub meine Arbeit wieder aufgenommen habe, höre ich besonders genau in dieses Organ hinein. In der letzten Woche bin ich jeden Tag, in dieser Woche an drei Tagen mit dem Rennrad ins Büro geradelt. In den ersten Tagen benötigte ich eine Phase des Warmfahrens, bis die Atmung und der Herzschlag eingetaktet waren. In diesen ersten Tagen glaubte ich ebenso, winzige Anzeichen des Angina Pectoris-Schmerzes zu spüren, wenn ich ganz tief durch atmete. Das war zeitweise und kurz, wohlgemerkt, beim Fahrradfahren, beim ganz tiefen Durchatmen ganz zum Schluss des Atemholens. Gemeint war der Schmerz im Brustkorb, der eindrückte und belastete, der sich in Wellen steigerte und in einen Herzinfarkt ausartete. In der zweiten Woche sind diese winzigen Ansätze des Angina Pectoris-Schmerzes komplett verschwunden. Das Gefühl, mich auf mein Rennrad setzen zu können und losfahren zu können, ist nunmehr doppelt so schön. Alles ist unbeschwert, wie vor dem Herzinfarkt, die kleinen Dinge im Alltag erleben zu können.
21. August 2020
Es war Zufall, dass ich auf dem Nachhauseweg vom Büro durch das frühere Regierungsviertel unterwegs war. Vorbei am Posttower und auf meinem Rennrad auf den Platz der Vereinten Nationen zusteuernd, erblickte ich die Überraschung: das „Bundesbüdchen“. Wie der Zufall es wollte, kam ich genau am Tag der Wiedereröffnung vorbei. Das Kiosk, das vor 14 Jahren dem Neubau des WCCB weichen musste, war eine feste Institution der Bonner Republik gewesen. Viele bedeutende Politiker verkehrten an dem Kiosk, alleine Joschka Fischer soll dort morgens täglich 16 Zeitungen gekauft haben. Helmut Kohl kaufte dort die Käsebrötchen, Franz Josef Strauß schmeckten die Brühwürstchen besonders lecker, Norbert Blüm liebte die spontane Kommunikation an diesem inspirierenden Ort. Als ich vorbei kam, bereitete sich das Kiosk auf festliche Momente vor. Das Kiosk war in Bornheim ausgelagert worden und in seinem Original-Zustand nach Bonn zurück transportiert worden. Die Stehtische waren mit weißen Tischdecken gedeckt. Noch stolzierten nur wenige Menschen vor dem Kiosk, doch an einem Tisch deutete ein Mikrofon darauf hin, dass sich dies bald ändern würde. Presse, Rundfunk und Fernsehen würden über den würdigen neuen Ort berichten, eine neue Zweckbestimmung des alten Kiosks mit neuer Perspektive. Eine Bäckerei sollte die Räumlichkeiten des Kiosks für den Verkauf seiner Backwaren nutzen. Ich wurde neugierig, in den nächsten Wochen dort den Kaffee zu probieren und morgens dort die Brötchen zu kaufen. Abends, als ich längst zu Hause angekommen war, schaute ich dem Bericht in der Aktuellen Stunde im WDR-Fernsehen ganz gespannt zu.
22. August 2020
Von Dienstag bis Donnerstags hatte ich das Äußere im Haus des verstorbenen Schwiegervaters auf Vordermann gebracht, um am 2. Dorftrödel übermorgen teilzunehmen. Jede Menge Unkraut hatte ich weggemacht, unser Sohn hatte die Hecke geschnitten, und heute wollten wir den zum Verkauf anstehenden Hausrat in das frühere Wohnzimmer hinein stellen. Im Verlauf der Umräumaktion stellte sich heraus, dass alles äußerst ambitioniert war. Viele Spielsachen schafften wir aus unserem Keller mit dem Auto herüber. Dazu kamen Kartons aus dem Keller, die immer zahlreicher wurden, je mehr wir sie gesichtet hatten. All der Hausrat kam hoch, den wir bei derselben Aktion vor einem Jahr nicht verkauft bekommen hatten. Das waren vor allem Geschirr, Porzellan und Gläser, an denen ich verzweifelte. Weil meine Frau am nächsten Tag arbeiten musste und ich beim Aufbau am nächsten Morgen auf mich alleine gestellt sein würde, bedurfte es eines genauen Durchdenkens der Vorgehensweisen, damit der Hausrat beim Beginn des Dorftrödels um 10 Uhr auf dem Tapeziertisch bereit stehen würde. Das Wohnzimmer stand rappelvoll mit Kartons, Gläsern, Porzellan, Spielsachen und vieles mehr. Gegen halb 7 verließen wir diese Unmasse von Kram und Hausrat, danach aßen wir zu Hause, danach befasste ich mich mit der Säuberung von Vorwerk-Staubsauger-Zubehörteilen. Gegen 11 Uhr war Schluss. Gegen 12 Uhr ging es ins Bett, um am nächsten Tag halbwegs fit zu sein für die Herkulesaufgabe.
23. August 2020
Am Ende des Tages konnte ich nur noch die Beine hochlegen. Bis halb 11 auf mich alleine gestellt, war der Tag Stress pur gewesen, wozu sich den Kardiologen die Haare gesträubt haben dürften. Ziemlich genau gegen 8 Uhr war ich am Haus, und den Tapeziertisch aufzubauen, war noch eine kleinere Aktion. Um 10 Uhr begann offiziell der Dorftrödel, und das weitaus größere Problem war das Sichten der Kartons im Wohnzimmer, die Auswahl des zu verkaufenden Porzellans, Gläser und sonstigen Hausrats, was bei weitem die vorhandene Stellfläche überstieg. Aufwändig war ebenso die Auspackerei der zerbrechlichen Einzelstücke, das Herausschleppen aus dem Haus und das Anordnen auf der viel zu knappen Verkaufsfläche. Dazu kam die Gewissheit, dass meine Frau, die arbeiten musste, vieles im Detail anders gemacht hätte. Im Detail wusste ich aber nicht, wie. Während die linke Hälfte des Tapeziertisches den ausrangierten Spielsachen gehörte, standen auf der rechten Seite Porzellan, Gläser und so weiter. Auf den Seiten der Garageneinfahrt deponierte ich die sperrigen Teile wie zum Beispiel das Sideboard, die Truhe oder die Schultafel. Die Abläufe ähnelten ein wenig denen im Vorjahr. Zuerst kamen die professionellen Händler, die nach Uhren, Schmuck, Silberbesteck oder militärischen Orden fragten, was wir aber bereits im letzten Jahr verkauft hatten. Danach lief das Geschäft schleppend an. So gegen halb elf steigerte sich das Kundenaufkommen schlagartig. Dennoch bekam ich nur wenig verkauft. Lange Zeit waren ein Chepeau-Claque-Zylinder und ein Stoffbär die einzigen verkauften Gegenstände. Als sich so langsam eine Porzellankanne, vier Eierlikörgläser und ein Elektrogrill verkauften, hatte sich ein Reporter unter die neugierig schauenden Passanten gemischt. Er fand so sehr Gefallen an dem geschäftigen Treiben, dass er mich und meinen Schwager interviewte, der mich mittlerweile unterstützte. Ob es das erste Mal für uns sei, wie es uns gefalle, wie viel wir verkauft hätten, das fragte er uns. Dass unsere Verkäufe noch nicht allzu viel versprechend waren, begründeten wir damit, dass wir im Vorjahr die schöneren und besseren Teile bereits verkauft hätten. Darüber hinaus hielten wir den Dorftrödel für eine feine Sache, vor allem deshalb, weil sie gut organisiert war. Über unseren Ort verteilt, ergäbe sich ein in sich geschlossenes Gefüge von Anbietern mit mehr als 250 Ständen im Ort. Die Bewohner unseres Ortes hätten die Trödelatmosphäre gut angenommen und erfreuten sich an der breitgefächerten Vielfalt der angebotenen Waren. Dennoch registriert ich mit leichter Skepsis, dass womöglich das Foto in der Wochenzeitung unseres Ortes gedruckt würde, denn ich war überhaupt nicht fotogen. Als meine Frau kurz nach 13 Uhr ihre Arbeit beendet hatte, war ich froh um ihre Unterstützung. Gleichzeitig holte ich bei uns zu Hause den Nudelsalat, damit wir uns stärken konnten. Ich weiß nicht, ob es am Charme, an der Ausstrahlung oder am Verkaufstalent meiner Frau lag, jedenfalls liefen danach die Dinge besser. Wir bekamen Mikadostäbe im Einmeterformat verkauft, eine Kinderbohrmaschine, eine alte Schreibmaschine und einiges mehr. Nachmittags störte der zeitweilig aufkommende Regen erheblich, weil wir vieles zudecken oder weglegen mussten und kurz darauf wieder auslegen konnten, wenn die Regen aufgehört hatte. Wir quasselte hier und unterhielten uns dort, bis wir nach 17 Uhr alles in das Haus wegräumen mussten, weil sich mein Schwager um 18 Uhr zum Kegeln traf. Es war in der Tat ein Tag, an dem alles auf einmal eintraf: meine Frau musste arbeiten, der Dorftrödel fand statt und abends war Kegeln. Wie so oft fand meine Frau bei aller Mühe und allem Stress Gründe, unzufrieden zu sein. Vieles hatte ich aus Platzgründen nicht vor die Garageneinfahrt stellen können, und das war natürlich genau derjenige Hausrat, den wir am besten hätten verkauft bekommen. Zu Hause stand ich unter Hochspannung, ich war wie elektrisiert und konnte nur noch die Beine hochlegen. Alles in allem war es sehr schön, aber wahnsinnig stressig.
24. August 2020
Die nächste Ad-hoc-Aktion stand an, wenngleich der Aufwand überschaubarer war und ich auf Hilfe zählen konnte. Während die Stellungnahme des Verfahrensbetreuers bei der Erbauseinandersetzung auf sich warten läßt, haben die Handwerker Kapazitäten frei. Die Fliesenleger können ihre Aufträge auf anderen Baustellen nicht fortführen, so dass sie Arbeiten im Haus des verstorbenen Schwiegervaters dazwischen schieben können. Sie wollen in den nächsten Tagen die Terrasse fliesen. Einigen Restmüll, Styropor, Holz, Bauschutt, Metall hatte ich bereits vor 14 Tagen zur RSAG gefahren. Nun haben wir all den Unrat, der auf der Terrasse lagerte, in den Hof unterhalb der Terrassenmauer gestellt. Der größte Teil davon sind zersägte Türen, die ich demnächst zur RSAG transportieren werde. Etwa eine Stunde haben wir benötigt, die Terrasse freizuräumen, damit die Fliesenleger loslegen können.
25. August 2020
Es war ein Abend der Vergeblichkeiten. Zunächst hatten wir einen Beratungstermin beim BHW. Meine Frau hatte den Termin bestätigt, wobei ich keinerlei Beratungsbedarf sah, weil wir einen Bausparvertrag abbezahlten und ich nicht beabsichtigte, irgendwelche neuen Verträge abzuschließen. Als wir am Gebäude der BHW/Postbank in Troisdorf-Spich ankamen, klingelten wir vergeblich, niemand öffnete uns, die Rolläden waren heruntergelassen und anscheinend hatte man uns vergessen. Das fand ich überhaupt nicht tragisch, weil ich keinerlei Beratungsbedarf sah und das Verkaufsgespräch sinnlos vergeudete Zeit gewesen wäre. Zu Hause schauten wir nach, ob wir uns beim Termin verhauen hatten. Nein, der Termin war richtig, und ich gab meiner Frau mit, dass solche Beratungsgespräche derzeit zu der untersten Kategorie der Prioritäten gehörten. Nachdem wir gegessen und gespült hatten, befasste ich mich mit Übertöpfen. Meine Frau wollte einen neuen Anlauf wagen, Übertöpfe los zu werden. Schaut man in Ebay hinein, ist das Angebot groß und fast nie finden sich Käufer. Über Whatsapp hatte sie Kontakt zu einer Kaufinteressentin aufgenommen, die sich später nicht mehr gemeldet hatte. Acht, neun, zehn Übertöpfe hatte sie vom Haus des verstorbenen Schwiegervaters mitgenommen. Etwas verschmutzt waren sie von innen und von außen, so dass ich sie in einer Wanne mit heißem Spülwasser säuberte. Eine vergebliche Aktion, das vermutete ich. Der Eifer meiner Frau, sie vernünftig sauber zu bekommen, stand im Gegensatz zu meinem Desinteresse, den Schmutz wegzureiben, weil ich ahnte, dass kein Mensch die Übertöpfe würde haben wollen. Nach dieser Aktion standen all die Übertöpfe auf unserem Tisch in der Essecke, und unser Kater Rambo erfreute sich daran.
26. August 2020
Die Fürsten des Barock waren eitler als so mancher Promi heutzutage. Im Blitzlichtgewitter der Öffentlichkeit stehen, sich fein herausputzen und auf dem roten Teppich flanieren – Promis, von Andrea Berg bis Zara Philipps – wissen, wie sie die Blicke des breiten Publikums einfangen und sich in Szene setzen. Sich in Szene setzen, das konnten genauso die Fürsten und Herrscher des Barock, die den Prunk liebten, mit aufwändigen Festen in ihren protzigen Schlössern und den umliegenden Gartenanlagen, wo sie lustwandeln konnten und ausspannen konnten von ihren Tätigkeiten des Regierens und des Herrschens. Der typische Vertreter des allein herrschenden Monarchen, der prunkvolle und verschwenderische Schlossbauten im Rheinland schuf, das war der Kurfürst Clemens August. Die Gartenanlagen des Poppelsdorfer Schlosses, ein Bauwerk dieses Kurfürsten, beherbergen nun den Botanischen Garten der Universität. Dabei verschwand der Barockgarten, um den akklimatisierten Pflanzenarten aus der ganzen Welt zu weichen. Der Kurfürst Clemens August hielt es wie die Promis heutzutage. Er spazierte gerne und suchte sich in Szene zu setzen. Der Teil des Gartens an der Westseite des Poppelsdorfer Schlosses war dem „jardin secret“ vorbehalten. Heute sieht man von dem „jardin secret“ nichts mehr, weil die Überreste in der Nachkriegszeit vollständig umgestaltet wurden. Dieser „jardin secret“, auf Deutsch „geheimer Garten“, war für den privaten Bereich vorgesehen, wo sich der Kurfürst Clemens August aber gleichzeitig der Öffentlichkeit zeigen wollte. Nicht unähnlich war der barocke Privatgarten an der Westseite des Schlosses in seiner Struktur: unterhalb der Terrasse grenzte ein Wasserbecken an, darunter, an der Stelle der Gewächshäuser, befand sich ein Tiergehege. Dazwischen schlängelte sich ein Laubengang, wo der Kurfürst sich gerne in seinen Gewändern und in seiner Bischofstracht sehen ließ und auch gerne gesehen wurde. Zwischen den Heckenreihen öffnete sich der Laubengang großzügig, so dass sein Hofstaat den Kurfürsten erspähen konnte. Die Presse, Fotografen und Paparazzis hätten an dieser Stelle über ihn herfallen können. Fotoshootings ohne roten Teppich, hingewandt zum Laubengang.
27. August 2020
Schaut man auf die Erdgeschichte in Horizonten von hunderttausenden von Jahren, gehören Veränderungen des Klimas zur Normalität. In solchen unvorstellbaren Zeitspannen zeigen sich Extreme. Es gab Eiszeiten, als große Teile Nordeuropas unbewohnbar waren. Und in Zeiten der Klimaerwärmung herrschte in Mitteleuropa ein subtropisches Klima, indes dürfte in den Wüstenregionen von Afrika und Asien kein Mensch in der Lage gewesen sein, sich dort aufzuhalten. Dabei sind die Zeitspannen höchst unterschiedlich. Sind die Zeithorizonte der Klimaerwärmung, als sich die Vorkommen von Kohle und Braunkohle gebildet haben, achtstellig, so bewegen wir uns in der heutigen Klimaerwärmung gerade im dreistelligen Bereich von rund einhundert Jahren. Zu solchen Zeiträumen im dreistelligen Jahrhundertbereich gehört die kleine Eiszeit, die vom Ende des 16. Jahrhunderts bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts gelegen hatte. Ganze andere Größenordnungen des Erdzeitalters nimmt die große Eiszeit ein vor zwei Millionen Jahren, als große Teile Nordeuropas bis nach Norddeutschland hinein mit einem Eispanzer bedeckt waren und somit unbewohnbar waren. Zeiten der Klimaerwärmung gab es genauso in solchen unvorstellbaren Zeitrechnungen des Erdzeitalters. In den achtstelligen Zeithorizonten, das war vor 65 bis 22 Millionen Jahren, als in Mitteleuropa das subtropische Klima herrschte, haben spezifische Pflanzenarten überlebt. Weil der Klimawandel noch nicht so fortgeschritten ist, dass wir in Mitteleuropa ein subtropisches Klima haben, findet man die Pflanzen aus der Zeit vor 65 bis 22 Millionen Jahren heutzutage noch in Nordamerika oder Ostasien. Im Botanischen Garten am Poppelsdorfer Schloss hat man solche Pflanzen aber angepflanzt. Sie wachsen und gedeihen prächtig in unserem zeitweise angehauchten, aber nicht dauerhaften subtropischen Klima. So zum Beispiel ein Gewächs, das sich Cathaya Argyrophylla nennt und in China wächst. Der Nadelbaum ähnelt einer Lärche und besitzt deutlich hellere grüne Nadeln.
28. August 2020
Koblenz, die Stadt, welche in der Kürze der Zeit die richtige Wahl war. Der Freitag war eng getaktet, ich wollte raus aus dem Büro und meinen Arbeitsrhythmus so gestalten, dass ich an einem sehenswerten Ort die Schönheiten und die Büroarbeit miteinander kombinieren wollte. Vom Arbeitsergebnis kam dies ungefähr auf dasselbe raus. Auswärts arbeitete ich konzentrierter und gezielt auf Arbeitsergebnisse hin, doch ließ ich mich von den Schönheiten anderer Städte und Orte beeindrucken. Am Arbeitsplatz ließ ich mich hingegen ablenken, hin und wieder hing ich den privaten Dingen nach. Wenn ich es irgendwie hin bekam, bevorzugte ich es, mich an einem schönen Ort in ein Café zu setzen und von dort aus zu arbeiten. An diesem Freitag war Koblenz meine Wahl, obschon ich gerade etwas mehr als drei Stunden dort verbringen konnte. Um neun Uhr hatte ich noch eine Telefonkonferenz, dann ging es mit dem RRX von Godesberg nach Koblenz. Der RRX war pünktlich, und genau um 10.45 Uhr war ich in Koblenz. Nachdem ich im Café Extrablatt an der neuen Abweichungsanalyse weiter gearbeitet hatte, schaffte ich es in Koblenz nicht bis zum Deutschen Eck. Die Fixpunkte in Koblenz sind ähnlich geartet wie Bonn. An zentralen Plätzen belebt sich das Stadtleben, Cafés und Restaurants haben sich dort in Hülle und Fülle etabliert. Der zentrale Blickfang ist der Rhein, die Seilbahn auf die Festung Ehrenbreitstein hatte ich mir ständig vorgenommen, es aber nie dorthin geschafft. Das Mittelrhein-Museum ist mit seinen Gemälden der Rheinromantik sehr sehenswert, in die Stadtbücherei im Mittelrhein-Forum kam man leider nur mit Bibliotheksausweis herein. Der heutige Gang durch die Stadt reichte aus, etwas von der leichten Lebensart, der Offenheit der Stadt und ihrer Schönheit zu erleben. Eine ideale Mischung zur Abwechslung. Um 14.18 Uhr fuhr ich mit dem RRX in die Gegenrichtung nach Bonn zurück. Einmal Koblenz hin und zurück halfen, all meine Gedanken neu zu durchmischen und neu im Alltag durch zu starten.
29. August 2020
Der September naht, und gewöhnlich ist es ein Monat, in dem es wüst in unserem Garten aussieht. Der Übergang vom Sommer in den Herbst geht einher mit ganz viel Wachstum. Die Hitzewellen sind abgeebbt, es regnet regelmäßiger. Das Unkraut sprießt, während alles Gemüse, das reif ist, entweder geerntet worden ist oder noch zu ernten ist. Das Unkraut lassen wir sich ausbreiten. Ab Oktober fällt es in sich zusammen. Es verwelkt, sackt auf den Boden und bedeckt im Winter die Erde. Im nächsten Frühjahr wird es entweder umgegraben oder abgesammelt auf den Komposthaufen. Wieder einmal sind bei der Ernte die Kartoffeln an der Reihe. Die Kartoffeln, die im Erdboden gewachsen sind, habe ich bereits geerntet. Heute habe ich mich an die Kartoffeln in den Paletten heran gewagt. Die Ernte war mäßig, viele Kartoffeln waren reichlich klein geraten. Bis in den Herbst hinein werden all die Körbe von Kartoffeln aber ausreichen, damit wir Selbstversorger sind.
30. August 2020
Ganz klug tastete sich unser Sohn an den Kinofilm heran, den wir gesehen hatten. Wie uns der Film denn gefallen habe. Wir alle vier schwiegen vor uns hin. Als das Frage-Antwort-Spiel in ihren Anfängen stecken blieb, richtete er ganz oberflächliche Fragen an unsere Tochter und ihren Klassenkameraden. Zu viert, meine Frau und ich, sowie die beiden hatten wir uns den Kinofilm angesehen. Ob denn Bilder in dem Film zu sehen gewesen waren. Ob Menschen darin vorgekommen seien. Ob etwas geschehen sei. Bestimmt Action-Szenen mit Krach, Krawumms oder Explosionen. Dann schwieg er eine ganze Zeit lang. Ein Gespräch kam nicht in Gang, unser Sohn verschwand in sein Zimmer und anstatt dessen beleuchteten wir in unserer eigenen Sichtweise den Kinofilm. Sein Titel hieß „Tenet“, und er fiel in die Kategorie, dass er mich nicht so sehr mitzureißen vermochte, so dass ich zeitweilig einnickte. Es war aber wenigstens so, dass wir uns zu viert einigen konnten auf diesen Kinofilm, den meine Frau in einer Vorschau in einer Vormittagssendung gesehen hatte. Kinofilme, die eine Apokalypse, den Weltuntergang oder den Dritten Weltkrieg herauf beschwören, werden bisweilen gedreht. Es ging auch in diesem Film darum, dass ein Mensch, der eine Kapsel schluckte und damit sich selbst tötete, gleichzeitig ein Inferno auslösen sollte und die ganze Menschheit auslöschen sollte. Ein Wettlauf dagegen begann und das Ergebnis war, dass die Menschheit dennoch nicht unterging, nachdem dieser eine Mensch die Kapsel geschluckt hatte. So manche Action-Szene flackerte bis dahin über die Kinoleinwand, wo ich in Bruchstücken die Handlung zu verstehen suchte, die aus dem Kern einer invertierten Munition bestand. Die Inversion spielte alles Geschehen zurück, im Schnittpunkt der Gegenwart konnten die Protagonisten die Zukunft antizipieren und die Vergangenheit aufarbeiten.
31. August 2020
So richtig traute ich mich noch nicht, mich mit dem Rennrad die früher geübten Steigungen hinauf zu wagen. Nach meinem Infarkt sollte das Herz vieles mitmachen, das besagten jedenfalls die stabilen EKG-Werte und die hohen Wattzahlen, die ich auf dem Fahrradtrainer absolviert hatte. Mein Pensum wollte ich auf dem Rennrad steigern, doch dagegen stand der Rat der Kardiologen, dass der Ausdauersport in moderater Form genau das richtige sei. So überlege ich, mich umzugewöhnen bei der Art der Sportbetätigung und mich anzupassen. Die Überlegungen tendieren zum Wandern. Bereits im letzten Winter, rund ein halbes Jahr vor dem Infarkt, war ich zwei Abschnitte des Rotweinwanderweges an der Ahr gewandert. Die jeweils zehn Kilometer waren ein tolles Erlebnis, an die drei Stunden Wandern mit jeder Menge toller Landschaft. So hatte ich mir heute eine Strecke mit einem ordentlichen Berg ausgesucht. Mit der Ahrtalbahn ging es nach Bad Neuenahr. In einem Café stärkte ich mich bei einer Tasse Kaffee, und danach sollten mich meine Beine auf den Neuenahrer Berg tragen. Diese Strecke weckte Erinnerungen an eine gerne gefahrene Rennradtour. Bei dieser Tour war ich von Grafschaft nach Bad Neuenahr gefahren, von dort aus in einem lang anhaltenden und nicht enden wollenden Anstieg nach Königsfeld, von wo aus ich die Berglandschaft der Vulkaneifel perfekt überblicken konnte. Es waren durchweg schöne Erinnerungen an die Strecke von Bad Neuenahr nach Königsfeld und Sinzig, wo ich auf dem großen und weiten Kirchplatz mit der romanischen Kirche St. Peter, der eine unendliche Ruhe ausstrahlte, ein oder mehrere Weizenbier trank. Heute war also kein Rennrad, sondern zu Fuß angesagt. Vorbei am Kurpark, vorbei an der weißgestrichenen Willibrorduskirche mit dem romanischen Kirchturm, stieg der geradlinige Fußweg sogleich mächtig an. Ein solcher bissiger Anstieg war zu erwarten, da es aus dem Ahrtal auf den 340 Meter hohen Neuenahrer Berg gehen sollte, dessen Aussichtsturm bereits vom Kurpark aus zu sehen war. Mittendrin im Anstieg lebten Erinnerungen an die liebgewonnene Rennradtour von Bad Neuenahr über Königsfeld nach Sinzig auf. Ich kreuzte nämlich die Landstraße. An dieser Stelle hatte ich alternativ auf dem Rennrad den fulminanten Anstieg am Ortsende von Bad Neuenahr hinter mich gelassen. Nach einer Kehre schlängelte sich die Landstraße nur noch leicht, sie flachte ab. Wiesen und niedriges Gestrüpp schaufelten linkerhand den Blick frei auf die Autobahnbrücke der Autobahn A61. Im weiteren Verlauf der Landstraße spendete dichter Mischwald Schatten, wenn die Sonne allzu sehr einheizte. Auf meiner Wanderung flachte der Anstieg hingegen nicht ab, die Schilder zum Neuenahrer Berg wiesen auf einen Teerweg, wo das Wurzelwerk von hohen Laubbäumen in den Böschungswinkel hinein ragte. Der Berg baute sich über dem Teerweg auf, der mal bissiger, mal zahmer in die Höhe kletterte. Farn begleitete den Wegesrand, und das letzte Stück fächerte sich auf in Kurven und Kehren, die das Ziel des Berges näher kommen ließen. Steine aus Basalt, die sich unsystematisch am Berghang verteilten, querten den Fußweg. Auf der Bergkuppe ließ nichts erahnen, dass dort bis in das 14. Jahrhundert hinein eine Burg gestanden hatte. 1372 war sie von den Kölnern und Ahrweilern zerstört worden, unter französischer Herrschaft war sie im 18. Jahrhundert geschleift worden. Lediglich ein Stück tiefer, auf der Rückseite der Bergkuppe, deutet eine Vertiefung im Gelände den einstigen Burggraben an. Wo die Burg keinerlei Ruinen übrig gelassen hatte, dehnte sich nun ein Aussichtsturm in die Höhe, dazu eine Wanderhütte, wo ein Falke aus Holz Einlass gewährte. Nach dem Ortsvorsitzenden des Eifelvereins, Jakob Steinborn, nannte sich der 1958 gebaute Turm „Langer Köbes“. Die Aussicht von der Aussichtsplattform war wahrhaft genial. Zu Füßen lag die in das Tal gequetschte Stadt Bad Neuenahr, den Verlauf der Autobahn A61 konnte man gut über die Wellen der Hügellandschaft der Grafschaft verfolgen, zentral stemmten sich die Brückenpfeiler der Autobahn A61 über das Ahrtal, als Berggipfel vor der Grafschaft ragte die Landskron heraus, das Flusstal der Ahr war bis zur Mündung in den Rhein markant eingeschnitten. Auf dem Rückweg irritierte mich die Beschilderung der Wanderwege. Ich folgte keinem Wegesymbol, sondern der Beschilderung nach Bad Neuenahr. Diese wies von der Querung der Landstraße nach Königsfeld weg, die ich so oft mit dem Rennrad befahren hatte. Anstatt dessen wiesen mich die Hinweisschilder, wonach die Entfernung nach Bad Neuenahr drei Kilometer betrug, im Kreis um die Rückseite des Bergkegels herum. Stetig wies der Weg abwärts, dem man die Wegebezeichnung „Bischofsweg“ verpasst hatte. Längst hatte es begonnen zu regnen, und das dichte Laub der hohen Baumkronen hatten die Wirkung eines Regenschirms, der fast keine Regentropfen durchließ. Ein Stück weiter lernte ich, dass der Bischofsweg ganz und gar nichts mit dem Kölner Erzbischof oder einem anderen kirchlichen Bischof zu tun hatte. Es war vielmehr der Familienname desjenigen Geologen, der 1852 die Bohrung für den Apollinarisbrunnen durchgeführt hatte. Dieser Brunnen hatte mit seinen Heilquellen den Kurbetrieb in der Bäderstadt Bad Neuenahr eingeleitet. Im Kreis um den Neuenahrer Berg herum geführt, konnte ich den Waldkletterpark verorten, wohin ein Seitenweg abbog. Dorthin hatten vor einigen Jahren die Messdiener in unserem Ort einen Ausflug gemacht. Meine Irritation, mich hoffentlich nicht verlaufen zu haben, endete an der Landstraße, die ich zuvor wenige Meter weiter gekreuzt hatte. Hier war ich genau richtig, denn ich traf auf der anderen Straßenseite auf denselben Fußweg, der zu der Kirche mit dem romanischen Kirchturm zu Beginn meiner Wanderung führte. Ich hatte mir allerdings ursprünglich vorgenommen, einige Kilometer mehr zu laufen. Ich hätte gerne die Landstraße in Richtung Königsfeld einige Kilometer später gequert. Den sogenannten Kaiserweg wäre ich gerne gelaufen, der erst am östlichen Stadtrand zur Ahr gelangt wäre. Auf dieser Strecke, die ich nun gelaufen war, bekam ich gerade sechs oder sieben Kilometer zusammen. Eine kurze Strecke, zwar mit einem anspruchsvollen Anstieg, aber für meinen moderaten Ausdauersport, wie die Kardiologen es nannten, wäre mehr drin gewesen. Am Kurpark vorbei, über die Eisenbrücke mit den schönen Verzierungen über die Ahr, gelangte ich zurück in die Fußgängerzone von Bad Neuenahr.
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