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Tagebuch April 2024

1. April 2024


Mit dem Enkelkind war es das erste Mal seit einigen Jahren, dass wir unser Haus ostermäßig schmückten. Im Baumarkt hatte meine Frau einen Strauß von Weidenkätzchen gekauft, den sie in eine Vase steckte, an den Zweigen hing sie Osterdeko auf. Obschon mir als Mann Dekorationen fremd waren, war mir das verwandelte Aussehen auf dem Tisch in unserer Essecke höchst angenehm. Die aufgehängten Hasen und Eier betonten die Feierlichkeit des Osterfestes, und man konnte sich ganz andersartig an diesen Festtagen christlichen Ursprungs erfreuen. Um das Osterfest och stärker heraus zu heben, war die Hauptperson in unserem Haus allerdings noch zu klein. Als Ostergeschenk an unseren kleinsten Erdenbürger, der am gestrigen Tag genau zwei Monate alt geworden war, hatte meine Frau in einer Bekleidungskette einen Strampler, Hosen und Oberteile gekauft. Zusammen mit zwei großen Schokoladenostereiern bekam er diese am Ostersonntag geschenkt. Unsere Tochter kommentierte das Muster der Anziehsachen dergestalt, dass unser kleinstes Kätzchen darauf abgebildet wird in einer Pose, dass sie Vögel fangen wollte. Außerdem sollte ihr Sohn Ostereier in unserem Garten suchen, wofür er noch zu klein war. Er schaute zwar immer interessierter. Was da zu welchem Anlass draußen zu suchen gewesen wäre, das dürften seine Sinnesorgane wohl noch zu wenig wahrgenommen haben. Einstweilen begnügten wir uns mit gekochten Eiern, die wir selbst aßen. So wie allgemein bei uns üblich, standen wir viel zu spät auf und frühstücken viel zu lange. Vielleicht war dies genau der richtige Stil, wie wir das Osterfest zu würdigen wussten.

2. April 2024


Um die Kirche hatte ich zuletzt eher einen Bogen gemacht, unter anderem wegen der Missbrauchsskandale, aber auch, weil ich mich schwer tat mit der Übertragbarkeit der aus der Bibel geschöpften Botschaften in unsere heutige Zeit. Was hat uns die Kirche noch zu sagen ? Als ich neulich die Plakate von Misereor auf einem Supermarktparkplatz erblickte, fand ich, dass zumindest das von den Kirchen finanzierte Hilfswerk Misereor ein ganzheitliches Denken hat, das wir selbst in der Focussierung auf den eigenen Haushalt und die eigene Arbeit nicht haben. „Mit Ignoranz oder mit Menschen ?“, diese Frage stellt auf dem Plakat eine 30-jährige Lehrerin, die in Kenia Kinder unterrichtet hat. Laut ihrem Konzept sollen Menschen durch Bildung teilhaben an der Gesellschaft, durch die Begegnungen mit Menschen in einem afrikanischen Land traten die Ungleichgewichte zwischen Nord und Süd, zwischen Arm und Reich, zwischen Europa und Afrika hervor. In den Zielen von Misereor geht es immer wieder um diese Ungleichverteilungen, um den Aufriss globaler Strukturen und um die Erkenntnis, dass wir global gesehen eine Welt sind. An solch einer Erkenntnis mangelt es uns hierzulande, dass wir nur den einen Tunnelblick haben auf unser Zuhause oder unseren Betrieb. Des weiteren setzt sich Misereor ein für Demokratie und Menschenrechte, Europa hält Misereor für das größte Friedensprojekt in der Geschichte, in dem europäischen Denken müssen aber auch koloniale Strukturen überwunden werden. Agrarpolitik muss global gerecht gestaltet werden. Das Thema Migration soll mit Hilfe von Migrationspartnerschaften gelöst werden. Sucht man die Welt in ihrer Ganzheit zu erfassen, so verlagern sich die Blickwinkel jenseits von Gewinnmaximierungen, Welthandelsbeziehungen, Produktinnovationen oder dem technischen Fortschritt. Solche globalen Blickwinkel können einen Mehrwert liefern, der letztlich von einer kirchlichen Organisation angestoßen wird.

3. April 2024


Die Kirschblüte der Zierkirschenbäume ist in diesem Jahr vollends an mir vorbei gegangen, fast. Nicht nur, dass sie in diesem Jahr ein paar Wochen früher los gegangen war im Vergleich zu den Vorjahren. Es ist vielleicht auch so selbst verständlich, dass alles so früh blüht und grünt und dass die Natur einfach nur da ist, weil sie so ist. Weil es geregnet hat, habe ich in dieser Woche den Bus genommen und bin in Beuel nicht mit dem Fahrrad durch die Straßenzüge gefahren, wo die Zierkirschenalleen besonders beeindruckend blühen. Ebenso sind wir – anders als im letzten Jahr – dem Kirschblütenfest in der Altstadt ferngeblieben, als wir mit dem Schwager und einem WG-Bewohner durch die Straßen der Altstadt flaniert waren, auf dem Street Food Festival waren wir eingekehrt, an Thitas thailändischen Imbissstand hatten wir es uns lecker schmecken lassen. In diesem Jahr muss ein ganz banaler Blick aus dem Fenster des Großraumbüros reichen. Zwischen den Gebäudetrakten unseres Bürokomplexes hat man ebenso die Freiräume zwischen den Fensterreihen verschönert, indem man punktuell Zierkirschenbäume gepflanzt hat. Nun stehen sie in voller Blüte, die Farbtöne in Rosa schwellen an. Sie leuchten hell, wenn die Sonne scheint, und kräftig ballen sich ihre Konturen zusammen, wenn Regen und Nässe das Tageslicht eintrüben. Die Blütenpakete wiegen sich im Wind, die so fest in sich zusammengepackt sind, dass sich die Blütenblätter weigern, fortgeweht zu werden. Noch stehen die Zierkirschen in voller Blüte, in ein paar Wochen wird dies Geschichte sein.

4. April 2024


In diesen Tagen verliere ich so langsam den Überblick über Termine und To do’s. Am Wochenende ist die Uhr umgestellt worden, aber nicht nur deswegen häufen sich die To do’s. Es droht so wie im Vorjahr zu werden, dass ich aus all den Erledigungen nicht rauskommen werde, dazu kommt noch all die Fürsorge und Hinwendung an unser Enkelkind. Im Garten ist sowieso ständig etwas zu tun, Porree und Salat und Steckzwiebeln und Kartoffeln und Sellerie und zwei Tomatenpflanzen stehen zum Einpflanzen bereit, allerdings ist es für einen Teil dieser Pflanzen zum Einpflanzen noch zu früh. Am Wochenende haben wir es hingekriegt, über das Internet einen Rasenmäher (für den Rasen der Dreier-WG) zu bestellen, diesen müssen wir bis heute im toom-Baumarkt abgeholt haben. Dies müssen wir genau heute erledigen, da wir nur heute einen 20 Euro-Gutschein extra bekommen. Gestern zerschoss das Ereignis unsere Abläufe, dass die Außenbeleuchtung im Haus der Dreier-WG flackerte. Es war ein gräßliches, nervöses Flackern der Leuchte, dass sich die Nachbarin dadurch gestört fühlte. Ich selbst konnte nur soviel ausrichten, dass ich die Sicherung der Außenbeleuchtung ausschaltete, was allerdings zum nächsten Problem führte – mit dem Stromkreis verbunden war die Klingel, die demzufolge ausgeschaltet war. So rief mich denn meine Frau heute im Büro an, dass der eine WG-Bewohner heute seinen dritten Arbeitstag in der neuen Werkstatt hätte haben sollen, er säße aber noch in seinem Zimmer. Ob dies mit der ausgeschalteten Klingel zu tun hätte ? Glücklicherweise nicht, erfuhr ich, nachdem ich ihn angerufen hatte. Ihm war im Zubringerbus übel geworden, so dass er wieder zurück gefahren worden war. Der Elektrofirma, die die Außenbeleuchtung angebracht hatte, hatte ich im übrigen auf den Anrufbeantworter gesprochen. Einen weiteren nötigen Reparaturbedarf haben wir in unserem Hause, für gleich drei Reparaturtätigkeiten muss eine Sanitärfirma ran: erstens ist das Thermostat im Wintergarten defekt, zweitens funktioniert die Spülung in der Toilette neben dem Hauseingang nicht mehr richtig, drittens ist das Abflussrohr des Waschbeckens im Bad im ersten Geschoss abgebrochen. Dazu müssen die Bäder geputzt werden, für mich wäre dies eine äußerst unbeliebte Tätigkeit, wofür ich andere Dinge nach hinten schieben müsste. Dann waren wir nicht weitergekommen bei der Suche Einlegeböden für den Kleiderschrank in unserem Gästezimmer. Im Baumarkt waren die Maße für die Bretter mit dem richtigen Furnier zu klein, daraufhin hatte ich einen Freund gefragt, der wiederum seine Kontakte zu früheren Arbeitskollegen von Möbelmonteuren aktivieren wollte; er hatte aber nicht nachgefragt, so dass ich ihn daran erinnerte. Des weiteren haben wir eine größere Maßnahme ins Auge gefasst, dass wir unser Treppenhaus streichen wollten. Ende April/Anfang Mai hatte ich für den Beginn dieser Renovierungsmaßnahme ins Auge gefasst. Noch keinerlei Gedanken hatte ich mir zu Material und Logistik gemacht, was wir denn alles in welcher Menge besorgen müssen. Dann wartet noch ein gewisses – an für sich schönes – Großereignis auf uns, dass nämlich am 12. April unsere kleine Tochter Geburtstag feiern wollte. Im Wintergarten wollte sie mit Freunden feiern, der noch vollkommen chaotisch aussieht. Auf der Terrasse wollte sie grillen, wozu ziemlich ungünstig ist, dass eine Terrassentüre sich weder öffnen noch schließen läßt. Alleine diese Geburtstagsfeier hinzukriegen, dürfte einige Kraftanstrengung erfordern. Schließlich haben wir noch einen Punkt, der sich bis in den Mai nach hinten verschieben wird, weil er nicht anders organisierbar sein wird. Mit Tochter und Enkelkind wollten wir bei meinem Bruder vorbei schauen, der im März seinen 60. Geburtstag gehabt hatte. Ein Sonntag fällt dafür flach nach dem Geburtstag unserer Tochter, an einem Sonntag müssen wir den Schwager zum Geburtstag fahren, an einem weiteren Sonntag hat er Kegeln, am letzten Sonntag im April findet der nächste Dorftrödel statt. Mithin wird es für diesen Besuch beim Bruder Mai werden. Einstweilen werden wir heute erst einmal schauen, dass wir den Rasenmäher im Baumarkt abholen werden.

5. April 2024


Wer diejenigen sind, die die Gesellschaft schädigen, zeigt dieses Plakat an der Litfaßsäule auf, das für Nachwuchskräfte beim Zoll wirbt. Steuerhinterziehung mag hin und wieder als häufiger Ausrutscher bei der Steuererklärung deklariert werden, die Verhältnisse liegen aber anders, zumindest in großem Maßstab. Letztlich fehlen dem Staat Steuern, die er in seiner Rolle als Umverteilungsapparat braucht. Der Bürger zahlt ein, und am anderen Ende sucht der Staat über eine gerechte Verteilung die Gelder dorthin so umzuverteilen, wo die Bedürftigen diese benötigen. Der Staat verteilt Kindergeld an Familien mit Kindern, Bürgergeld und Wohngeld an Menschen mit zu niedrigem Einkommen, der Staat schafft Kindergartenplätze, Schulen, der Staat bezuschusst den öffentlichen Personennahverkehr und vieles mehr. In großem Maßstab wird Steuerhinterziehung von Unternehmen betrieben, die ihren Firmensitz in Länder – so in die Karibik – verlagern, wo sie nahezu keine Steuern zu zahlen brauchen. Aber auch Kapitalanleger können von diesen Steueroasen profitieren, indem sie sich den Steuern in ihren Heimatländern entziehen. Schummeleien und Ungenauigkeiten bei der hiesigen Einkommensteuererklärung sind genauso denkbar, alles auf Kosten der Allgemeinheit. Profitieren von Steuerhinterziehung dürften weitgehend Reiche und Superreiche, die sich auf Kosten des Staates bereichern. Den hitzig geführten Diskussionen über Ungleichheiten und Verteilungsgerechtigkeit in unserer Gesellschaft dürfte dies Auftrieb geben. Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich, wozu die Steuergesetzgebung und die Anwendung in der Praxis eine Ursache sind. Teilweise sind die Zoll- und Finanzbehörden hilflos, weil ihnen Personal fehlt. Andererseits will aber wohl niemand Gesetzeslücken schließen und sicherstellen, dass sich Reiche und Superreiche dem Prinzip der Steuergerechtigkeit nicht entziehen können. Was will der Staat ? Schau man vom Blickwinkel der kleinen Mannes auf die Materie, so hat dieser den Eindruck, dass man die Großen gewähren läßt, während der kleine Mann auf ein paar Cent Kapitalertragssteuer sitzen bleibt, weil er an seinen Freistellungsauftrag nicht gedacht hat.   

6. April 2024


Irgendwie komme ich nicht umhin, die Nachbarn zum Haus der Dreier-WG als spießbürgerlich zu empfinden. Was ich verstehe, ist, dass das Flackern der LED-Leuchte neben dem Hauseingang nervös macht. Eine Elektrofirma hatte sich dies angeschaut, eine neue LED-Leuchte war bestellt, ein paar Tage werden sich alle bis zur Reparatur gedulden müssen. Dann war da noch das Problem mit dem Löwenzahn. Der Rasen solle gemäht werden, bevor der Löwenzahn Samen zu werfen beginne, das meinte die eine Nachbarin. Schaut man auf die Rasenflächen der drei Nachbargrundstücke, so sind diese allesamt wie geleckt. Absolut grüne Flächen, von Anfang bis Ende beherrscht von diesem grünen Einheitsfarbton. Rasen als makellose Teppiche, wo eine biologische Artenvielfalt im Ansatz unterdrückt wird. Uns in diese Richtung zu drücken, die gelbe Farbenpracht in Form des Löwenzahns von unserem Rasenmäher abzurasieren, musste mit einem verklärten Blick zu tun haben, das eigene Zuhause mit seiner innewohnenden, gottgegebenen Ordnung betrachten zu wollen. Wie der Zufall es wollte, hatten wir am Tag zuvor im Baumarkt unseren neuen Rasenmäher abgeholt, den wir über das Internet reserviert hatten. An diesem hochgewachsenen, in diesem Jahr noch nicht gemähten Rasen, würde sich der Rasenmäher mit seinen 1.700 Kilowatt und den anderen Leistungskriterien abarbeiten können, Gras war dazu reichlich vorhanden. Über die Kabeltrommel und das Verlängerungskabel in der Garage am Stromnetz, würde der Elektromotor bald loslegen können. Rücksichtslos würde er über die Artenvielfalt hinwegfahren, der Löwenzahn würde keine Samen mehr werfen können, die Nachbarin wäre dann beruhigt.

7. April 2024


In der 15. Kalenderwoche ging die Erkältung des Schwagers effektiv nicht weg. Meine Frau hatte ihm Hustentabletten vorbei gebracht, die er aber nicht nahm, wenigstens ging er zur Sprachtherapie. Wr machten allerdings allgemein die Erfahrung, dass Erkältungen in diesem Frühjahrsmonat besonders hartnäckig waren. Ich selbst hatte drei bis vier Wochen einen Schnupfen – meine Nase war immer noch nicht frei. Schlimm hatte es auch unsere Nachbarin erwischt. Sie und ihr Mann hatten eine einwöchige organisierte Reise an den Gardasee gebucht, die auch Wanderetappen beinhaltete. Unsere Nachbarin war indes noch so erkältet, dass sie am liebsten zu Hause geblieben wäre. Im Endeffekt machte sie bei der Reise zwar alle Ausflüge mit, kürzere Strecken wanderte sie auch mit, die restliche Zeit verdrückte sie sich auf ihrem Zimmer und hielt sich von den Unternehmungen der Reisegruppe fern. Ein sehr wichtiges Ereignis hatte die Freundin unserer Tochter zu vermelden, sie gebar nämlich am Freitag um 9 Uhr morgens ihren Sohn. Sein Name war Elias. Mit demselben Anfangsbuchstaben wie unser Enkelkind hatte sie sich einen sehr schönen Namen ausgesucht. Da sie nur bis einschließlich Sonntag im Krankenhaus verblieb, bekam unsere Tochter es nicht organisiert, sie dort zu besuchen. Sie zu Hause zu besuchen, das würde sie bestimmt zeitnah nachholen. Am Freitag organisierte ich, das Badezimmer zu putzen, da ich am folgenden Montag die Sanitärfirma kontaktieren wollte, um die nötigen Reparaturen in unserem Haus zu erledigen. Den Sonntag verbrachten wir damit, den Schwager zum Geburtstag eines Freundes zu fahren. Da genügend Kuchen gebacken war, durften wir bleiben und ein bis zwei Stücke mitessen.


8. April 2024


Spaziergang durch den sozialen Wohnungsbau in Troisdorf. Zur Autobahn hin erstreckten sich mehrstöckige Bauten bis hin zu Hochhäusern, die Mietswohnungen umfassten. Diese Straßenzüge verkörperten gemeinhin, wie der Grundsatz des sozialen Wohnungsbaus, nämlich kostengünstig Wohnraum für die unteren Einkommensschichten bereitzustellen, umgesetzt wurde. Wenngleich der Wohnblock im Vordergrund schlimm bis ramponiert aussah, waren die Erbauer bemüht gewesen, dass die geometrisch angeordneten Mehrfamilienhäuser nicht zu abweisend aussahen. So waren Fassaden verklinkert mit rotbraunen Ziegelsteinen, Blumenkübel hingen an den Balkonen, Grünflächen umgaben die Häuserblocks. Schließlich wohnten Menschen in diesen Häuserblocks, die Wohnungen würden sie nach ihren eigenen Wünschen gestalten, ganz gewöhnliche menschliche Schicksale würden die Bewohner dort erleben. In der Normalität des sozialen Wohnungsbaus würden diese Menschen mitten in unser Leben eintreten, nichts würde dort abgeschottet sein, der soziale Wohnungsbau war eingebettet in ein ganz normales Nebenher von Einfamilienhäusern und Nachbarn. Der Häuserblock im Vordergrund, der so ramponiert aussah, störte unsere Freundin dann doch. Sie wohnte in einer Mietwohnung der gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaft Troisdorf, der ramponierte Mietsblock war verkauft worden an einen anderen Eigentümer. Dieser wusste anscheinend nicht, was er wollte. Die Fassade hatte er begonnen auszuflicken, danach tat sich nichts mehr. Erdreich war aufgebaggert worden – dieses blieb liegen. LKWs hatten Sand ausgekippt – dieser war wieder abgeholt worden. Sintis und Romas bewohnten den Mietsblock, sie waren dermaßen laut, dass man sie selbst nachts hörte. Verantwortlich waren sie jedenfalls nicht für das Parkplatzchaos, worüber ich mich selbst ärgerte. Es war nahezu kein Parkplatz zu finden, nur in sehr weiter Entfernung. Ordnung und Strukturen dieser Siedlungen des sozialen Wohnungsbaus lösten sich so auf. Verkehr und Wohnen standen in einem Dilemma zueinander, viele Bewohner dürften diesem Parkplatzchaos aber indifferent gegenüberstehen, da sie gar kein Auto besaßen.  

9. April 2024   


Ein Stück griechischer Mythologie an einer Häuserwand in Troisdorf. Dargestellt ist die Tochter des Zeus, Europa, die auf einem Stier reitend, erkennbar ist. In ihrer reitenden Position ist eine Landkarte mit den europäischen Staaten eingeblendet – mit Ausnahme des südeuropäischen Zipfels von Griechenland. Dort ist die älteste Referenz des Mythos von Europa hinterlegt, als Europa in der Ilias von Homer entführt wurde. Laut Homer hatte sich Zeus in einen Stier verwandelt, der mit seinem schneeweißen Fell und seinen kleinen Hörnern äußerst friedlich aussah. Zeus mischte sich unter eine Herde königlicher Stiere, die Hermes zuvor zum Strand getrieben hatte. So näherte er sich Europa, die mit ihren Gefährtinnen am Strand war. Europa fürchtete sich nicht vor dem Stier, sie spielte mit ihm, füttert ihn, streichelt ihn und umwindet seine Hörner mit Blumen. Schließlich traute sie sich, auf seinen Rücken zu steigen – da ging der Stier ins Wasser und schwamm aufs offene Meer hinaus. Er brachte sie nach Kreta, wo er seine Stiergestalt ablegte und sich als Gott Zeus offenbarte. Der Vergewaltigung durch den Gott entsprangen drei Kinder: MinosRhadamanthys und Sarpedon. Aufgrund einer Verheißung der Aphrodite wurde der fremde Erdteil nach Europa benannt. So wurde die Ausnahme, Griechenland, als Hochkultur der Antike prägend für das restliche Europa. Ideen, Kultur, Demokratie und vieles mehr wurden nach heute übernommen und bildeten den Grundstein für die Entstehung Europas.

10. April 2024


In unserer Umgebung findet man nur Einzelexemplare, beheimatet sind sie im Rheinland schwerpunktmäßig am Niederrhein. Als Kopfweiden sind Weidenbäume gebräuchlich, um sie zu beschneiden, man kann aber auch Eichen, Eschen oder Erlen für den Schnitt verwenden. Am Niederrhein sind die Landschaften großartig, wenn Flussläufe von Reihen von Kopfweiden gesäumt werden. Dort zergliedern sie das Landschaftsbild auf eine monumentale Art und Weise, hierzulande biete die Siegaue zwar einen großflächigen Raum für Feuchtigkeit, es überwiegt aber eine andersartige Vegetation in Form von Kleingehölzen, Pappelforsten, Auwaldresten oder Silberweidengebüschen. Die Kultivierung von Korbweiden hatte sich hier nie etabliert. Die Bewirtschaftungsform, Bäume abzuschneiden und zu köpfen, wurde bereits in der Bronzezeit gehandhabt. Waren diese geköpft, wuchsen Zweige aus dem Stamm heraus. Im Mittelalter wurden die Zweige gebunden und geflochten. Man stellte nicht nur Körbe daraus her, sondern sie dienten auch als Material für Werkzeuge oder Holzschuhe. Man konnte die Zweige als Brennholz verwenden oder als Befestigung für den Lehmputz zwischen den Gefachen von Fachwerkhäusern. Untergebracht wurden die Zweige ebenso an Uferbefestigungen. An der Sieg hatten sich Korbweiden nie durchgesetzt. Man kümmert sich aber um die wenigen Einzelstücke. Sie werden regelmäßig beschnitten, und es wachsen Zweige heraus. Für den Naturschutz sind sie immens wichtig, wenn seltene Vogel- und Insektenarten in den Hohlräumen Schutz finden. Sie werden kultiviert und gepflegt und erhalten das Landschaftsbild.

11. April 2024


Auf der Suche nach ungeselligen Orten in unserer Stadt (davon gibt es so einige). Parkplätze sind ja nach ihrer Bestimmung keine Orte, wo man sich länger aufhält. Man parkt sein Auto, verschwindet, kehrt irgend wann wieder und fährt mit seinem Gefährt wieder weg. Per Definition ist es ein Abstellort, dessen Umfeld man lediglich beim Kommen und Gehen erlebt, Wahrnehmungen geschehen im Vorbeigehen auf einem höchst unterschwelligen Niveau. Dieses untere Niveau haben die Planer dahingehend verinnerlicht, dass sie sich bei der Ausgestaltung eines solchen Ortes keine besondere Mühe zu geben brauchten. Auf einem Parkplatz muss nichts hübsch aussehen, jegliche Verzierungen können vernachlässig werden. Buntes und Farbtupfer wären hier völlig fehl am Platze, der abweisende Charakter verstärkt sich gegenseitig, denn die Verweildauer beschränkt sich auf wenige Momente. Den Planern gelingt es sogar, was an anderen Orten undenkbar wäre, technische Sichten in das Zentrum der Beobachtungen zu rücken. Das sind vier Kühlaggregate eines Supermarkts, die die Rückseite der Gebäudefront dominieren. Die Blätter der Ventilatoren suggerieren eine solche technische Kälte, die die Gefühle erstarren läßt. Sie bilden einen Höhepunkt der Ungeselligkeit, dass man an einem solchen Ort eigentlich gar nicht sein will und so schnell wie möglich wieder weg will. Dreht man die Perspektive um, dass in den Häuserblöcken auch Menschen wohnen, so werden sie sich früher oder später an den Ausblick gewöhnen, wenn sie tagaus, tagein zum Fenster hinaus auf diesen Parkplatz schauen. Der Mensch, ein (im Rheinland) geselliges Wesen über einem ungeselligen Ort.

12. April 2024


Alles vermasselt auf dem Geburtstag der Tochter. Als ich sie mit ihrem Sohn und einer Freundin in unserem Auto zur L’Osteria brachte, war die Welt noch in Ordnung. Als ich sie abholte, drehte sich die Stimmung. Ich zeigte Überreaktion und Angst, als sie ihren Sohn zu Freunden mitnehmen wollte. Dort wollten sie den Geburtstag unserer Tochter weiter feiern. Anstatt die Lösung anzubieten, ihren Sohn zu uns mit zu nehmen, entstand dieser giftige Wortwechsel, bei dem ich sie gegenüber ihren Freunden bloß stellte. Im Endeffekt zogen alle los und gegen 22.30 Uhr kehrte sie mit zwei Freunden bei uns zurück. Ihren Geburtstag hatte ich aber vollständig vermasselt und es würde eine längere Zeit dauern, bis sich die Wogen wieder glätten würden.

13. April 2024


Am Tag nach dem Geburtstag hellte sich die Stimmung etwas auf, da die älteste Schwester am Vortag zum Geburtstag der Tochter aus Freiburg angereist war. Es war so gut wie normal, nachmittags bummelten die Frauen samt Enkelkind durch Bonn. Abends um 19 Uhr hatte ich einen Tisch im chinesischen Restaurant reserviert, wo wir es uns lecker schmecken ließen. Bereits am Vortag hatte unser Sohn es arrangiert, dass wir bei Amazon Prime auf die Mediathek zugreifen konnten. Ansonsten hatte ich bei Netflix, Amazon & Co Probleme gehabt, geeignete, interessante Filme zu finden, doch diese Filmserie war in der Tat ein Kracher, obschon sie eine äußerst düstere Zukunftsvision zum Thema hatte. Bewusst wollte ich Zukunftsvisionen denken, neben dem Geschehenen der Vergangenheit und den Ereignissen der Gegenwart. „Fallout“ nannte sich die Filmserie auf Amazon Prime, die sich an ein Videospiel anlehnte. Diese Filmserie, dessen Inhalt ein Atomkrieg zwischen den USA und China war, beschwor eine Endzeitstimmung hervor.  Im Jahr 2077 tobte ein zweistündiger Atomkrieg, die USA wurden dabei verwüstet und wurden unbewohnbar. Menschen konnten aber in sogenannten Vaults überleben – das waren sehr großräumige unterirdische Bunker mit Häusern, Eigenheimen und Schulen. Mehrere Generationen von Menschen lebten fortan in diesen Vaults, ohne auf die Erde zurückkehren zu können, weil diese atomar verseucht und verwüstet war. Nach mehr als 200 Jahren konnten die ersten Menschen wieder auf die Außenwelt der Erde zurückkehren, um diese zu besiedeln. Diese Erde zeigte sich in einem grauenvollen Zustand, die Endzeitstimmung auf diesem Stück Erde war geprägt von Menschen, die sich in der atomaren Verseuchung in Feinde verwandelten und den Tod bringen konnten. Ebenso konnten Lebewesen und Tiere mutiert sein, selbst einst harmlose Kakerlaken konnten zu Menschenfressern mutiert sein. Von den damals stolzen Skylines amerikanischer Städte standen nur noch Stümpfe, das Ende der Welt manifestierte sich in Kratern, die erst am Ende des Horizontes endeten. Alles war öde, kahl und zerstört, in den wenigen bewohnten Gebäuden lauerte Gefahr. Zahlreicher wie die Gebäude waren die Eingänge zu den Bunkern, den Vaults, die nach hunderten von Jahren ihre Abschottung aufgeben sollten. Dieses Ende der Welt war sehr düster beschrieben und wahrscheinlich vergleichbar mit anderen Katastrophenfilmen wie etwa „the day after“, die ich weder im Fernsehen noch im Kino gesehen hatte. Voller Spannung saßen wir abends vor dem Fernseher und wohnten den Endzeitstimmung, wohl wissend, dass alles nur Science Fiction war, allerdings vor einer bitteren Realität, dass der russische Präsident sehr leichtfertig die Drohung einer atomaren Eskalation aussprach und damit die inneren Ängste befeuerte. Wir registrierten aber, dass Kriege eine Zukunftsvision waren und hofften, dass die Erde am besten in alle Ewigkeit ohne solche Zerstörungen überdauern würde.


14. April 2024


Das wichtigste Ereignis in der 16. Kalenderwoche war der vermasselte Geburtstag unserer Tochter, es ereigneten sich aber noch andere Dinge. So gab es im Haus der Dreier-WG einen Wasserrohrbruch im Keller. Die Wand war feucht, was den Donnerstag bei meiner Frau durcheinander brachte. Donnerstag hatte sie frei, aber sie brachte null und gar nichts zustande. Sie schlief lange, dann erhielt sie einen Anruf, dass um 12 Uhr eine Sanitärfirma kommen würde. Um 12 Uhr erschien aber kein Installateur, sondern meine Frau musste warten. In dieser Zeit staubsaugte sie mit dem Schwager, wobei der Staubsauger vollkommen verstopft war, unter anderem war ein Stützstrumpf in den Staubsauger hinein gesaugt worden. Wie bei anderen Situationen, konnte der Schwager nichts dazu sagen, wie dies geschehen war. Als der Installateur erschien, konnte er die genaue Stelle des Wasserrohrbruchs nicht feststellen, am besten könne man dies mit einem Ortungsgerät machen. Dieses Ortungsgerät wiederum würde über die Wohngebäudeversicherung organisiert – zwischenzeitlich hatte meine Frau den Schaden der Versicherung gemeldet. Nachdem der Installateur nichts festgestellt hatte, aber einen größeren Teil der Wand im Keller aufgestemmt hatte, fuhr meine Frau unsere Tochter nachmittags um 15 Uhr zu einem Arzttermin, anschließend erledigte sie mit dem Schwager bei dm seine WG-Einkäufe. Als ich vom Büro nach Hause zurück gekehrt war, trug sie soeben die dm-Einkäufe ins Haus, welche auch die eigenen Einkäufe umfassten. In der 16. Kalenderwoche erhielt unser Enkelkind endlich seine Versichertenkarte der Krankenkasse. Wenige Tage nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus hatte unsere Tochter diese Versichertenkarte beantragt, mithin hatte die Zusendung mehr als zwei Monate gedauert (davon gab es eine Verzögerung, weil der Beginn der Krankenversicherung falsch ausgefüllt war). Mit dem Säuglings-Untersuchungsterminen hatte unser Enkelkind bereits die ersten Arztleistungen in Anspruch genommen. In dieser Kalenderwoche hatte unser Enkelkind einen weiteren Arzttermin, das war ein Impftermin. Es waren gleich sechs Impfungen von der Anzahl, wobei die Impfungen diesmal nicht so glimpflich als Schluckimpfung gemacht wurden. Diesmal wurde mit einer Spritze richtig gepiekst, was bei unserem Enkelkind einen dementsprechenden Protest und heftiges Schreien hervorrief. Dafür verlief der Rest des Tages so ziemlich normal, Anzeichen von Fieber zeigten sich nicht, er war lebhaft und mobil wie sonst immer. Welche sechs Impfungen es waren, dazu müsste ich im Impfpass nachsehen. Meine Frau meinte, es wäre Keuchhusten, Kinderlähmung und einiges mehr. Der nächste Untersuchungstermin für die U4-Untersuchung war für Anfang Mai festgelegt worden. Ein weiteres wichtiges Ereignis in der 16. Kalenderwoche war für den Schwager, dass sein Rollator nach der Reparatur abgeholt werden konnte. Das Radlager musste erneuert werden, und wenige Tage später, nachdem wir den Anruf aus dem Sanitätshaus erhielten, holte ich den Rollator ab und brachte den für die Reparaturzeit bereitgestellten Ersatzrollator zurück.


15. April 2024


Am Sonntag erfuhr ich, dass die Welt von Gegensätzen geprägt war, was sich in Begriffspaaren äußerte. Wenn in Filmserien wie „Fallout“ Endzeitstimmungen über den Fernsehbildschirm flimmerten, dann gab es auch Aufbruchstimmungen. Eine solche Aufbruchstimmung erlebten wir auf dem Kindersachenbasar in Troisdorf. Dieser Kindersachenbasar fand diesmal in einem Kindergarten statt, der diese Aufbruchstimmung symbolisierte. Kinder, so unser Enkelkind, wuchsen auf und würden irgend wann in den Kindergarten gehen. Dort fanden Kinder mit anderen Kindern zusammen, sie spielten zusammen, sie lernten und erkundeten die Welt, der Tag erhielt eine Struktur, angeleitet wurden sie von ihren Kindergärtnern und Kindergärtnerinnen. Was gab es dort alles zu erkunden ! Die Tafel, die ich fotografierte, enthielt die Schlaglichter für den Monat März, was die Kindergartenkinder in diesem Kindergarten alles gemacht hatten. Vieles hatte mit dem Frühling und mit Ostern zu tun. Die Kindergartenkinder hatten Lieder gesungen, darunter das Lied „immer wieder kommt ein neuer Frühling“. Zum Osterfest hatten sie Eier gefärbt, ein Osterfrühstück hatten sie zubereitet. Aus einem Quark-Öl-Teig hatten sie Hasen gebacken, aus dem Buch „der Hase mit der wilden Nase“ hatte man ihnen vorgelesen. Dann hatten sie noch aus Eiern Rührei gemacht. Das waren ganz viele schöne interessante Dinge, die sie im Kindergarten erlebt hatten. Daraus lernte ich, dass es nicht nur Dinge im Leben gibt, die einen herunter ziehen und deprimieren. Unsere eigenen Kinder waren längst in den Kindergarten gegangen. Dass unser Enkelkind irgend wann in einen Kindergarten gehen würde, der mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in Troisdorf liegen würde, diese Vision reichte aus, um die Endzeitstimmung der Vortage in eine Aufbruchstimmung zu drehen.

16. April 2024


Unsere Tochter hat es schwer, was die Bürokratie betrifft. Für den Monat März hatte sie die letzten Zahlungen des Mutterschaftsgeldes erhalten, im April waren es nur noch 250 Euro Kindergeld, die restlichen Zahlungen stockten in ihrer Beantragung. Zum Teil lag es an unserer Tochter, überwiegend lagen die Fehler aber im System. Gestern musste sie sich zusätzlich damit herum schlagen, dass der Drucker nicht druckte. Ein Papierstau verstopfte den Drucker, außerdem war die schwarze Patrone leer, die wir erst bestellen mussten. Dennoch bekam sie Unterlagen wie Ausbildungsvertrag, EC-Karte oder Gehaltsabrechnungen kopiert, es fehlten aber Unterlagen, so dass die Zahlungen von Elterngeld, Unterhaltsvorschuss und Bürgergeld weiter auf sich warten lassen würden. Vor allem fehlte der Bescheid des Arbeitgebers über die Dauer der Elternzeit, ebenso brauchte sie von ihrer Krankenkasse noch ein Schriftstück über die Dauer und die Höhe des Mutterschaftsgeldes. Wie stellten sich die Behörden das vor ? Unsere Tochter wohnte zwar bei uns, so dass sie nichts mit Miete oder Nebenkosten zu tun hatte, aber mit 250 Euro monatlich über die Runden kommen ? Jeder ließ auf sich warten, anstatt dessen wurden Fragen gestellt, die unsere Tochter nur fragmenthaft beantworten konnte. Die Behörden schieben dies auf die lange Bank, sie handeln nach Vorschrift und interessieren sich nicht für die Belange ihrer Bürger. Eine höchst unbefriedigende Situation.


17. April 2024


In Deutschland fehlen Hunderttausende von Fachkräften, 570.000 offene Stellen konnten im vergangenen Jahr nicht mit Fachkräften besetzt werden, was wir im konkreten Fall der hauswirtschaftlichen Betreuung unseres Schwagers zu spüren bekamen (wegen Fachkräftemangel keine Betreuung). Wahrscheinlich spielte das Gehalt auch eine Rolle, dass der Unterschied zwischen dem gestiegenen Bürgergeld und den untersten Lohngruppierungen nicht allzu groß war. Zuletzt durfte ich einen andersartigen Auswuchs des Fachkräftemangels erleben. Und zwar wollte ich in dieser Bäckerei in der Nachmittagszeit – es war kurz nach 16 Uhr – einen Kaffee trinken. Ich stellte mich ganz normal an der Bedientheke an und äußerte gegenüber der Verkäuferin – einer jung und nett aussehenden Dame – meinen Wunsch nach einer Tasse Kaffee. Ich fühlte mich wie vor den Kopf gestoßen, als sie dies ablehnte. Sie sei alleine (wohl wegen des Fachkräftemangels), eine weitere Mitarbeiterin an der Kaffeeausgabe stünde nicht zur Verfügung. Und wenn sie alleine sei, könne sie nicht gleichzeitig an der Bedienausgabe für Kaffee und für Backwaren hin- und herrennen. Das fand ich an den Haaren herbei gezogen und fasste dies als Auflehnung gegenüber ihrem Arbeitgeber auf, dass sich ihre Anwesenheit und das Kundenaufkommen in einem Ungleichgewicht befanden. Sonst war ich es gewohnt, dass zwei Mitarbeiterinnen sich um die Kunden kümmerten (und nicht eine alleine). Fachkräftemangel in unserer Republik. Es blieb mir nichts anderes übrig als wegzugehen. Ich wagte es nicht, die Mitarbeiterin anzuschwärzen, da wohl auch ihr Arbeitgeber keinerlei Verständnis für ihre Verhaltensweise in meinem Fall gehabt haben dürfte. Womöglich hätte er ihr gekündigt, so dass sich der Fachkräftemangel dadurch noch verschlimmert hätte.


18. April 2024


Die Schwierigkeit, Orte und Personen miteinander zu verbinden. Denkmäler erinnern an bedeutende Persönlichkeiten, und beim Betrachten des Denkmals an diese Person öffnet sich eine komplette Biografie, ein Lebenswerk und viel zu viele Geschichten, welche diese Person geschrieben hat. In Koblenz hatte ich bei meinen früheren Besuchen diese Verbindung herzustellen versucht, indem ich über Joseph Görres, dessen Denkmal am Rhein steht, einen Tagebucheintrag verfasst hatte. So umtriebig ein Joseph Görres als Revolutionär, Schriftsteller, Publizist und Essayist in seinem Leben gewesen war, so sehr füllten seine Werke ganze Regale in Bibliotheken. Folglich war der Tagebucheintrag ein absolut geraffter Kurzeintrag, dessen Aussagekraft gegen Null gegangen sein dürfte. Eigentlich hätte es ein Joseph Görres verdient gehabt, sich ausführlich mit seinem Werk zu befassen. Ähnlich unmöglich dürfte es sein, solche gerafften Kurzeinträge über einen Kaiser Wilhelm I. (Kaiser-Wilhelm-Denkmal in Koblenz), die Kaiserin Augusta (Denkmal in den Rheinanlagen) oder den Fürsten Metternich (Haus Metternich) abzufassen. Nichtsdestotrotz habe ich es mir nicht nehmen lassen, beim heutigen Besuch von Koblenz das Denkmal des zweiten Rheinland-Pfälzischen Ministerpräsidenten Peter Altmaier nicht unweit vom Deutschen Eck näher zu betrachten. Dazu ein paar Fakten: Peter Altmeier wurde 1899 in Saarbrücken geboren, er lebte in Koblenz und starb 1977 dort, er gehörte der CDU an, von 1947 bis 1969 war er Ministerpräsident. Im Ersten Weltkrieg wurde er 1917 als Soldat eingezogen und geriet in französische Kriegsgefangenschaft, während der nationalsozialistischen Herrschaft war ein kein Mitglied der NSDAP, 1944 stand er als ehemaliger Zentrums-Abgeordneter nach dem missglückten Attentat auf Hitler auf der Liste derjenigen, die verhaftet werden sollten (was dann nicht geschah). In Koblenz wurde ihm zuliebe eine ganze Uferpromenade nach ihm benannt, die wie zu einem Stuhl zusammen gepferchten Steinquader lassen Größe und Monumentalität des Politikers vermuten. In meinem eigenen Weltbild, dass der Mensch das Maß aller Dinge ist, sind Biografien von Politikern oder Ministerpräsidenten bei weitem nicht so ausfüllend wie diejenigen von Literaten, Künstlern, Publizisten, Essayisten oder Komponisten. Denkmäler wie das eines Peter Altmeier halten einerseits Erinnerungen an das Lebenswerk dieser bedeutenden Person wach, dieses Lebenswerk näher zu beleuchten und in dessen Tiefen einzudringen, dies muss aber stückweise Seite für Seite geschehen. Ein Peter Altmeier dürfte bei mir allerdings bei weitem kein solches Interesse erzeugen wie ein Joseph Görres. 

19. April 2024


Liest man die Worte auf dem Brunnen gegenüber der mächtigen Kirche St. Kastor, die knapp am Rheinufer liegt, muss man der französischen Sprache kundig sein. Liest man und versteht man den französischen Text, verschlägt es einem erst einmal die Sprache. „Commandant russe de la ville de Coblentz le 1er Janvier 1814”, die Rede ist also von einem russischen Kommandanten am 1. Januar 1814. Tatsächlich muss es so gewesen sein, dass Koblenz an diesem besagten 1. Januar 1814 unter russischer Herrschaft gestanden hat. Blickt man auf die aktuellen Drohgebärden Russlands in der Person eines Wladimir Putin, so wäre dies eine Horrorvorstellung. Die Russen am Rhein, das wäre dieselbe Horrorvorstellung in Zeiten des kalten Krieges gewesen. Im Jahr 1814 befinden wir uns in der Epoche des Zerfalls und des Rückzugs des napoleonischen Reiches. Mit seinem Angriff auf Russland hatte sich Napoleon übernommen, worauf er in einem europäischen Kraftakt von Engländern, Preußen, Habsburgern und Russen zurück gedrängt worden war. Gemeinsam eroberten diese europäischen Mächte deutsches Territorium zurück, wozu auch Koblenz gehörte. Bis Ende 1813 herrschte ein französischer Kommandant in Koblenz, und unter den gesamteuropäischen Truppen, die Koblenz einnahmen, waren zuerst die Russen an Stelle und vor Ort. Die offizielle Übergabe von Franzosen an Russen geschah zum 1. Januar 1814. Damals wagte noch niemand, an eine UdSSR zu denken oder an dieses Restgebilde eines russischen Reiches, welches der UdSSR nachfolgen würde und mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine die westliche Welt in Angst und Schrecken versetzen würde. Spätestens 1815, mit dem Wiener Kongress, war das russische Intermezzo in Koblenz wieder vorbei. Das Rheinland wurde Preußen zugesprochen, und die Russen zogen sich auf russisches Territorium zurück.

20. April 2024


Eine mittlere Überraschung erlebte ich, als ich Ausschau hielt, um Getränke einzukaufen, während unsere Tochter an der Rückbildungsgymnastik im Troisdorfer Krankenhaus teilnahm. Kurz vor 19.30 Uhr setzte ich sie dort ab, anderthalb Stunden Zeit stand mir zur Verfügung, die leeren Getränkekisten hatte ich in den Kofferraum eingeladen, von dort aus wollte ich nach einem REWE-Supermarkt suchen (es hätte aber auch ein anderer Supermarkt sein können, aber kein ALDI oder LIDL). Irgend wie landete ich in Niederpleis. In Menden hatte ich einen REWE vermutet, es gab dort aber nur LIDL, daraufhin fuhr ich immer geradeaus bis nach Niederpleis. Dort war ich überrascht, dass ich dort gegen 20 Uhr neben dem Einkauf von Getränken auch einen Kaffee trinken konnte. So hatte ich zwei Tage zuvor in der Troisdorfer Fußgängerzone die Erfahrung gemacht, dass dort nach 19 Uhr alles dicht und ausgestorben war, zumindest Cafés, Eiscafés und Cafés an Bäckereien hatten allesamt geschlossen. Die Geschäfte waren sowieso geschlossen, und hätte ich etwas trinken wollen, hätte ich ein Restaurant aufsuchen müssen. So erlebte ich denn in der angeschlossenen Bäckerei bei REWE in Niederpleis eine positive Überraschung. So wie der REWE, hatte die Bäckerei bis 21 Uhr geöffnet. Einfach, unkompliziert und wie selbstverständlich händigte mir die Verkäuferin einen Kaffee aus. Ich hockte mich hin in die leere Sitzecke, schlürfte an meinem Kaffee herum und las in dem Buch „Triggerpunkte“, das mich nicht direkt von Stuhl riss, aber einige wichtige Detailbetrachtungen zu Konfliktarenen in der Gegenwartsgesellschaft beschrieb.

21. April 2024


In der 17. Kalenderwoche musste ich mich in der Planungsphase, unser Treppenhaus zu streichen, neu sortieren. Ein Freund wollte dabei mithelfen, unseren Sohn fragte ich ebenso um seine Mithilfe, er sah eine höhere Priorität in der Reparatur des Schlosses der Außentüre zum Keller im Haus der Dreier-WG. Ihm wollte ich folgen, da mir seine Mithilfe bei den Malerarbeiten wichtig war. Im Haus der Dreier-WG flackerte die Außenleuchte neben der Haustüre immer noch, die Reparatur des Wasserrohrbruchs war im Gang, und der eine WG-Bewohner arbeitete seit zwei Wochen in seiner neuen Stelle in der Behindertenwerkstatt in Siegburg, er war aber krank. Ab Mittwoch hatte er sich wegen Übelkeit krank gemeldet, weil seine Verdauung mit der Art und Weise seiner Ernährung überfordert war. So erschien es uns fraglich, ob er mit seinen 26 Jahren noch dauerhaft in der Lage sein würde, eine Beschäftigung in einer Behindertenwerkstatt auszuüben. Das System seiner Betreuer war jedenfalls nicht in der Lage, sein Ernährungsproblem in den Griff zu bekommen – er ernährte sich praktisch ausnahmslos von Lasagne und Pizza und war dementsprechend dick. Beim Schwager war der Rasierapparat defekt, daraufhin bestellte unser Sohn neue Rasierblätter – und der Rasierapparat funktionierte wieder. Erledigt war beim Schwager noch nicht die Weiterbewilligung des Wohngeldes. Es fehlte der letzte Guthabenstand seiner Lebensversicherung, den meine Frau dem Wohngeldamt zuschickte. In der 17. Kalenderwoche hatte ich Post vom Amtsgericht Erkelenz bekommen, der Inhalt war die Testamentseröffnung. Sofern der Besitz des Hauses an meinen Bruder übertragen werden sollte, war der im Testament hinterlegte, an mich auszuzahlende Betrag, viel zu niedrig. Was zu tun und zu veranlassen war, war noch zu klären. In der 17. Kalenderwoche nahm unsere Tochter erstmals an der Rückbildungsgymnastik nach der Geburt ihres Sohnes teil. Der Kurs fand statt im Troisdorfer Krankenhaus, wohin ich sie fuhr, während des anderthalbstündigen Kurses verweilte ich in Troisdorf und holte sie dort wieder ab. Am Sonntag in der 17. Kalenderwoche fand das Kegeln der Behinderten statt. Diesmal nahm meine Frau unsere Tochter und unser Enkelkind zum Kegeln mit, zumal unsere Tochter von einigen aus der Gruppe Geschenke zur Geburt ihres Sohnes erhalten hatte. Unser Enkelkind wurde dementsprechend bewundert, allerdings überlegte unsere Tochter, ob sie überhaupt mitkegeln könne.


22. April 2024


Eine frostige Überraschung an diesem frühen Morgen des 22. April. Der Klimawandel schlägt völlig unberechenbare Kapriolen, womit kein Mensch gerechnet hat. Bereits in den vergangenen Jahren war der April ein Monat gewesen, in dem späte Fröste vollkommen unerwartet aufgetreten waren. In diesem Jahr ist dies besonders überraschend, da es etwas mehr als einer Woche davor Temperaturen bis über 25 Grad gegeben hatte. Dass es noch einmal frieren könnte, hatte niemand auf dem Radar. Den ganzen März hatte es nicht gefroren, im April über 25 Grad, und dann dies. Für die Obstbauern hierzulande dürfte dies eine Katastrophe gewesen sein. Bei mir war es mehr die Langsamkeit, dass ich nicht mehr im Garten eingepflanzt hatte. Aber auch die Regel, mit Tomaten, Paprika und so weiter bis zu den Eisheiligen im Mai zu warten. Die Gegensätze des Klimawandels wirbeln das Wetter durcheinander. Wer gedacht hatte, dass im Trend eines immer wärmeren Klimas Nachtfröste im April nicht mehr vorkommen würden, der wurde heute eines besseren belehrt. Glücklicherweise hatte ich mir den Wetterbericht angehört und ihn auch ernst genommen. Salat und Kohlrabi hatte ich abgedeckt, den mehr oder weniger üppigen Salatpflänzchen hat der Frost nichts anhaben können.

23. April 2024


Am Freitag Telefonat mit einer Freundin von der Mosel, zu denen ich die Befürchtung gehabt hatte, der Kontakt könnte abbrechen. Bereits seit letzten Sommer hatte ich wiederholt versucht, die beiden telefonisch zu erreichen. Vergeblich, ich hatte auf den Anrufbeantworter gesprochen, es kam aber kein Rückruf. Gewöhnlich hatte sie sich zeitnah zurückgemeldet. Ich hatte schlimmeres befürchtet, dasselbe galt aber für sie. Sie hatte nämlich versucht, uns zurückzurufen, wir waren aber just zu diesem Zeitpunkt nicht zu Hause gewesen. Normalerweise zeigte unser Telefon entgangene Anrufe an, in diesen Fällen aber wohl nicht. Sie war seit Juni letzten Jahres im Ruhestand, aber sie hatte wenig davon. Sie war in einer Situation, die sich niemand herbei wünscht, dass nämlich Arzttermine und die Betreuung ihrer Schwester einen Großteil ihrer Zeit in Anspruch nahmen. Ihre ältere Schwester war blind und hatte Parkinson, außerdem war ihre Kniescheibe versetzt, so dass sie kaum noch laufen konnte, und sie wohnte bei den beiden im Haus. Zweimal pro Woche fuhr sie sie in die Tagespflege, an den übrigen Tagen musste sie sie bei jedem Gang unterstützen, mit ihr sank der Bewegungsradius entsprechend. Eine dementsprechende Menge von Arztterminen war zu absolvieren. Auch selbst war sie in eine Spirale von Arztterminen hinein geraten. Ihre Cholesterinwerte lagen weit außerhalb der Norm, obschon sie kaum fettreiche Kost aß. Arthritis hatte sie sowieso, bei einem Zahnarztbesuch war zuletzt der Bohrer im Zahn abgebrochen. Der Alltag war so erschöpfend geworden, dass sie gegen 20 Uhr in Bett ging. Und genau nach 20 Uhr hatte ich versucht, sie telefonisch zu erreichen. Außerdem war eine Zeitlang ihr Router defekt gewesen. Ihren Ruhestand dürfte sie sich anders vorgestellt haben. Andere Ruheständler holen all die Aktivitäten nach, wozu sie in ihren Arbeitsleben nicht gekommen waren, so dass sie weniger Zeit hatten als während ihres Arbeitslebens. Nicht so bei ihr. Sie fragte, wann wir och einmal a die Mosel kommen würden. Gerne würden wir wieder dorthin fahren, jedenfalls hatten wir unseren Moselwein ausgetrunken.  


24. April 2024


Eine merkwürdige Verwandlung in der Troisdorfer Fußgängerzone. Eine Metamorphose ist in Gang gesetzt worden, die ein Einkaufszentrum in einen vollkommen artfremden Verwendungszweck überlassen hat. Bei diesem Gebäude am Ende der Fußgängerzone werden ziemlich viele Erinnerungen wach: ein Drogeriemarkt hatte sich etabliert, und in dem New Yorker-Modeladen hatte unsere Tochter in ihrem Teenager-Alter Gelegenheiten genutzt, sich Klamotten zu kaufen. Der H&M war ein weiterer Modeladen gewesen, wo wir selbst nach Anziehsachen geschaut hatten. Aber auch die oberen, andersartig genutzten Geschosse hatte ich häufig frequentiert. Das war die Stadtbibliothek im Obergeschoss, dahinter verbargen sich Räume, wo ich mindestens sechs bis sieben Jahre den VHS-Kurs Französisch besucht hatte. Es war also ein größeres Bündel von Erinnerungen, die nun durch diese Metamorphose geschleust wurden. Mit Französisch lernen, Bücher lesen oder Klamotten kaufen hatte dies ganz und gar nichts mehr zu tun. Sah man ab von der Pizzeria, wo man sich in der viel zu großen Restaurantfläche verlaufen konnte, wusste ich mit der neuen Nutzung überhaupt nichts anzufangen. Man konnte gar nicht mehr hinein gehen, ohne zu bezahlen, denn den größten Teil des einstigen Einkaufszentrums nahm ein nicht identifizierbares Konstrukt ein. Die Umbauarbeiten mussten gewaltig gewesen sein, denn vom ursprünglichen Schnitt der Verkaufsräume sowie der hinauf führenden Rolltreppe war nichts mehr wiederzuerkennen. Schranken regelten den Zutritt, in das Innenleben dahinter konnte man nicht hindurch schauen. Den Sinn und Zweck des verwandelten Einkaufszentrums konnte ich somit nur anhand der Aufschriften auf der Fassade interpretieren. Ich las die Begriffssequenz „Ninja … Fitness … Kindertraining … Yoga … Parcours … Kindergeburtstage … unser Bistro … Calisthenics … leckeren Kaffee … Boulden … Ninja … Fitness“, darüber legte sich das dreieckige Logo „Stuntwerk“, das sich im Internet als Kletterhalle entpuppte. Eine Kletterhalle also ! Daher auch die Kindergeburtstage, nebenher konnte man als Ninja einen Hindernisparcours bewältigen oder in einem Yoga-Studio seinen Körper relaxen lassen. Das relativierte ein wenig den neuen Sinn und Zweck des Gebäudes, wenngleich ich mich mit dem Grad der veränderten Nutzung schwer tat. Es war so ungefähr, als würde man ein schickes Restaurant abreißen und dorthin eine Lagerhalle bauen. Andererseits brauchte unsere Gesellschaft neue Ideen, unkonventionelles Denken war ausdrücklich erwünscht, und selbst die schrägsten Einfälle konnten zum Tagen kommen. Besonders schwer tat sich mein Gedankengefüge mit dem Axtwerfen. Im benachbarten Raum zur Pizzeria konnte man sich im Axtwerfen üben. Bei dieser Metamorphose eines Einkaufszentrums zur Arena einer geradezu exhibitionistischen sportlichen Betätigung verbog sich mein Vorstellungsvermögen. Ich wendete mich ab und fand sogar die Pizzeria gar nicht mehr so einladend.   

25. April 2024


Dies ist also der Ort, wo Goethe am 18. Juli 1774 in Koblenz übernachtete. Er übernachtete in dem Hotel „Zu den drei Reichskronen“, das genau an dieser Stelle in der Koblenzer Altstadt stand, 1944 wurde dieses Hotel zerstört und nicht wieder aufgebaut. In der Epoche der Romantik nahmen Denker, Dichter, Schriftsteller und Künstler Rheinreisen zum Anlass, um sich zu begegnen. Zu Zeiten, als die Eisenbahn als Verkehrsmittel noch nicht erfunden war, waren Fahrten mit dem Schiff die einfachste machbare Form des Reisens. Wo sich der Dichterfürst Goethe und der Züricher Pfarrer Lavater, der gleichzeitig Philosoph und Schriftsteller war, kennen gelernt hatten, ist unbekannt. Es existiert ein umfangreicher Briefwechsel der beiden befreundeten Literaten, und 1774 beschloss Lavater, Goethe in seinem Frankfurter Wohnhaus zu besuchen. Lavaters Gesundheit war angeschlagen, in Bad Ems bei Koblenz wollte er eine Kur machen, fünf Tage verbrachte er bei Goethe in Frankfurt, gemeinsam mit dem Pädagogen Basedow und dem Maler Schmoll brach die Gruppe am 18. Juli 1774 zu einer Rheinreise auf einem Schiffsdampfer auf. In Koblenz übernachtete die Gruppe an genau diesem Ort in der Altstadt. Tagsüber hatte Goethe den Aufenthalt in Koblenz dazu genutzt, die Dichterin Sophie La Roche in ihrem Wohnhaus am Fuß der Festung Ehrenbreitstein aufzusuchen. Über das gemeinsame Abendessen mit seinen Reisegefährten schrieb Goethe später das Gedicht „Diner zu Coblenz“:  


Zwischen Lavater und Basedow

Saß ich bei Tisch des Lebens froh.

Herr Helfer, der war gar nicht faul,

Setzt' sich auf einen schwarzen Gaul,

Nahm einen Pfarrer hinter sich

Und auf die Offenbarung strich,

Die uns Johannes, der Prophet,

Mit Rätseln wohl versiegeln tät;

Eröffnet' die Siegel kurz und gut,

Wie man Theriaksbüchsen öffnen tut,

Und maß mit einem heiligen Rohr

Die Kubusstadt und das Perlentor

Dem hocherstaunten Jünger vor.


Am übernächsten Tag, dem 20. Juli 1774, fuhr die Reisegruppe mit dem Schiff weiter nach Köln, dort trennte man sich vorläufig. Goethe reiste von Köln aus weiter nach Düsseldorf, wo er sich mit dem Kaufmann Friedrich Heinrich Jacobi traf. Die Wege des Johann Wolfgang Goethe waren verschlungen. In seiner späteren Tätigkeit als Bergbaukommissar in Thüringen lagen ihm Schiffsreisen fern, so dass er im Gegensatz zu anderen Dichtern der Romantik nur noch selten den Rhein bereiste. Die Übernachtung am 18. Juli 1774 in Koblenz sollte somit die einzige des Johann Wolfgang von Goethe bleiben.

26. April 2024


Dies ist also ein Trocknungsgerät. Der Anruf heute kam kurzfristig. Ich hatte gerade eine Telefonkonferenz und verweilte im Wohnzimmer, da ging das Handy meiner Frau, doch ich konnte den Anruf nicht entgegennehmen, während meine Frau soeben unser Enkelkind sauber machte und anzog. Der Anruf hing mit dem Wasserrohrbruch im Haus der Dreier-WG zusammen, ein Trocknungsgerät war im Badezimmer zur Beschleunigung der Trocknung aufgestellt worden. Da meine Frau weiter mit unserem Enkelkind beschäftigt war, fuhr ich dorthin. Zielstrebig schritten die beiden Mitarbeiter der Trocknungsfirma auf das Trocknungsgerät im Badezimmer zu. Der blaue Kasten des Trocknungsgerätes war hüfthoch, die Mitarbeiter rollten das Gerät weg und befanden, dass die Messwerte der Feuchtigkeit einen ausreichend niedrigen Wert hatten. Auf 60 waren die Werte gesunken, vorher lag das Niveau bei 90. Das kribbelige war für mich: auf der Rückseite ließ sich unten eine Klappe öffnen, aus der man einen Kunststoffbehälter entnehmen konnte. Dort hatte sich ein wenig Wasser gesammelt, das der eine Mitarbeiter im Waschbecken ausschüttete. An den Tagen davor hatten wir jeden Abend diesen Behälter entleeren müssen, an einem Abend hatte meine Frau überlegt, dass ich dies hätte erledigen sollen. Allerdings bezweifelte meine Frau bei soviel Dingen, die ich falsch machen würde, ob ich der richtige Mann dafür sei. So wie der eine Mitarbeiter die untere Klappe geöffnet hatte, sah dies eigentlich idiotensicher aus. Ich hatte allerdings stets neue, eigene und anders geartete Ansätze, die Dinge anders – und oftmals auch verkehrt – zu machen. Zu oft gelang es mir, solch eine Idiotensicherheit zu umgehen. Da das Misstrauen sich an diesem Tag bei meiner Frau durchgesetzt hatte, war sie selbst zum Haus der Dreier-WG gefahren und hatte diesen Behälter geleert. Das lag wohl auch an der Mahnung der Mitarbeiter, die Leerung jeden Abend durchzuführen un dies nicht zu vergessen. Egal. Das Trocknungsgerät hatte heute seinen Dienst getan, nun warteten wir auf die Fliesenleger, dass der Spülkasten wieder mit Wandfliesen abgedeckt würde.

27. April 2024


In dem Buch „Deutschlandreise“ von Roger Willemsen stöberte ich in Reisebeschreibungen herum, in denen ich mich selbst so ziemlich genau wieder erkannte. Roger Willemsen war quer durch alle möglichen Ecken und Winkel Deutschlands gereist, dabei hatte er Begegnungen, Momente, Eindrücke, Gesehenes festgehalten. Irgendwo in Oberschwaben beschrieb er diese Szene: „Dieser wirft an diesem schönen bayrischen Mittag die Frage zwischen die Menschen in diese Kneipe: hat die Enttäuschung über den fremdgehenden Mann und seine Demission aus dem Amt eines Schweizer Botschafters in Berlin zur Folge, dass die texanische Diplomatengattin Shawn Bohrer-Fielding ihre erst wenige Wochen alte Leibesfrucht unglücklich verlieren musste ? Wer zählt die Wochen der Frucht im Leib einer ausländischen Diplomatengattin? Der bebrillte Landarbeiter hinter dem mittglichen Hefeweizen nicht, aber es liegt ein tiefes Bedauern über seinem Gesicht. Dieses Bedauern macht ihn für kurze Zeit glücklich. Er fühlt sich und hebt deshalb den Kopf schwärmerisch in die Höhe, läßt den Blick über den Wandschmuck gleiten: ein Plakat mit Stadtansicht von Los Angeles, das auf Sperrholz gezogene Puzzle von Flipper, wie er gerade aus dem Wasser springt, zwei Motive von Toulouse-Lautrec auf verspiegeltem Untergrund, das Silberrelief einer Bierkutsche mit Fässern, auf ein Brettchen montiert, das geschnitzte Basrelief einer Brücke unter Fachwerkhäusern.“ In einem Interview beschrieb er seine Art des Reisens so, dass ihn Schnappschüsse der gängigen Sehenswürdigkeiten wenig interessierten. Schnappschüsse seien nur für einen kurzen Moment, ihn interessiere hingegen das langlebige, was dauerhaft bleibe, und was man daraus erzählen könne. Um dieses langlebige, substanzielle zu finden, müsse man nicht zwangsläufig reisen, es sei ebenso im näheren Umfeld zu finden. Reisen würde aber diese Perspektive besser ermöglichen, weil die Dinge an anderen, vor allem an entfernteren Orten anders sortiert seien. Der Blick auf die Dinge sei beim Reisen somit anders. Ich selbst dachte an Städte wie etwa Koblenz, Krefeld, Duisburg oder Mainz. Ich musste mich von Schnappschüssen abstrahieren, die Städte hatten eine Substanz, die nicht nur zurück in die Vergangenheit, sondern auch nach vorne gerichtet war. In der Kneipenszene irgendwo in Oberschwaben, die Roger Willemsen beschrieben hatte, ging der Blick tief in die Menschen hinein, mit den Menschen baute er Erzählstrukturen und Dramatik auf, das Innere der Gaststätte war eine Konstante, die Ausprägungen der Region sahen anders aus als zu Hause. An anderen Orten Begegnungen, Momente, Eindrücke und andersartige Dinge wahrzunehmen, das macht bei mir einen gewissen Lebensinhalt aus. So wie Roger Willemsen einfach mal so quer durch die Republik durch alle möglichen Ecken und Winkel zu reisen, das soll und kann nicht die Zielsetzung bei mir selbst sein. Aber dies in kleineren Teilen zu realisieren, das ist schon so etwas wie ein innerer Wunsch und ein inneres Bestreben. 

 

28. April 2024


Die 18. Kalenderwoche hatte bewiesen, dass die WG-Bewohner im wesentlichen Einzelgänger waren. Im Nachbarort fand ein Kölscher Abend statt, bei dem die Kölner Karnevals-Band „Paveier“ auftrat, der Eintritt war kostenlos. Der eine WG-Bewohner fragte den Schwager, ob er mitkommen wollte, er lehnte aber ab. Und dies, obschon er gerne Musik hörte. Mit uns hatte er beispielsweise ein Konzert von Kasalla besucht, was ihm sehr gefallen hatte. An diesem Abend blieb er aber lieber vor seinem Fernseher hocken, er wollte sein Weizenbier trinken und von niemandem gestört werden. So fehlte dem anderen WG-Bewohner die Lust dazu, alleine dorthin zu gehen, so dass er ebenso zu Hause blieb. Dafür brachte ein anderes Ereignis Aufruhr in die Dreier-WG: die Spülmaschine war nämlich kaputt. Eine Lampe leuchtete auf, so dass sie nicht mehr in Gang kam. Zu regeln, dass sie repariert werden sollte, war nicht ganz trivial. Laut Mietvertrag waren für Kleinreparaturen die Mieter zuständig. Da drei Personen für den Defekt der Spülmaschine verantwortlich sein konnten, war erst zu klären, ob einer alleine den Defekt verursacht hatte oder ob die Reparaturkosten durch alle drei geteilt werden sollten. Alle drei Bewohner hatten einen Betreuer für die finanziellen Angelegenheiten, die demnach zu beteiligen waren. Und dann musste noch jemand einen Reparaturdienst beauftragen. Da die Kommunikation zwischen meiner Frau und den Betreuern im Haus zum Erliegen gekommen war, war auch dies ein Problem. Einstweilen mussten die drei WG-Bewohner all die Klärungsbedarfe über sich ergehen lassen. Sie mussten nämlich mit der Hand spülen. In der 18. Kalenderwoche musste unsere Tochter zudem einen gewissen Formular-Marathon über sich ergehen lassen. Wegen Erziehungsgeld, Bürgergeld und Elterngeld hatten Ämter und Behörden Rückfragen und wollten weitere Unterlagen haben. Was unsere Tochter hatte, schickte sie zu. Es fehlten aber noch Unterlagen der Krankenkasse über Dauer und Höhe des Mutterschaftsgeldes sowie Unterlagen über die Elternzeit.


29. April 2024


Als ich auf dem Gang zur Toilette die Inneneinrichtung der Kneipe betrachtete, dachte ich an Opladen mit seiner Kneipennacht vor rund einem Jahr. So wie damals in Opladen, inspirierte das Innere des Cafés Jedermann in Erkelenz: der freigelegte Holzfußboden, die blankgewetzten Holztische, Nischen und Ecken der Gemütlichkeit, die schweren Halbkugeln der Deckenbeleuchtung. Auf dem Gang zur Toilette ertönte das Stück „Who’s crying now“ der US-amerikanischen Rockband Journey, das ich Anfang der 1980er Jahre gelegentlich und ohne große Begeisterung gehört hatte, da es rockige Töne vorgaukelte, aber viel zu weich daher floss. Anders als damals, hörte ich aufmerksam zu. Mit der melodischen Stimme des Sängers setzte das Stück eine Gedankenspirale in Gang. Schranken des Denkens fielen, und mit einem Mal konnte ich wieder nach vorne denken. Dieses Vorwärts-Denken glaubte ich, im Alltag verlernt zu haben. Freunde schwanden, der Entdeckungsdrang hatte nachgelassen, der Bewegungsradius schwand, und auch der im kommenden Jahr drohende Ruhestand würde viele Abstecher und Klein-Ausflüge unmöglich machen. Das Stück von Journey, das ich in Erkelenz in dieser Stadt hörte, wo ich zu Gymnasium gegangen war, spornte mich zu diesem freien Denken an. In genau dieses Café Jedermann waren wir von einem Freund zum Frühstücken eingeladen worden, der seinen 60. Geburtstag feierte. Ganz viel Familie hatte er eingeladen – mit seinen drei Geschwistern und Neffen kamen einige Personen zusammen – aber auch ein befreundetes Pärchen aus unserer Gegend war dabei, davon benötigte er wegen seiner Krebserkrankung inzwischen einen Rollator. Das Geburtstagskind ließ es sich nicht nehmen, das Frühstücksbüffet mit einer Ansprache zu eröffnen: dass es schmecke und munde, dies waren seine Worte, und für bevorstehende feierliche Anlässe hoffe er, dass man nicht bis zu seinem 70. Geburtstag warten müsse. Daraufhin stimmte der Kreis von Freunden und Verwandten das Geburtstagslied an „Happy birthday to you“. Der Schwerpunkt der Konversation drehte sich um Madagaskar. Seine Frau stammte aus Madagaskar, und normalerweise flogen sie einmal jährlich auf die ostafrikanische Insel, dort stammte seine Frau von einer weiteren, vorgelagerten Insel. In diesem Jahr war die Schwester des Geburtstagskindes mitgekommen, dessen Mann nach einem Schlaganfall mittlerweile sieben Jahre im Koma lag. Jahrelang war sie nicht in Urlaub gefahren, so dass sie vielerlei zu erzählen hatte. Lemuren und Chamäleons hatte sie gesehen, überhaupt hatte sie die Tier- und Pflanzenwelt fasziniert. Die Armut war aber in dem afrikanischen Land unübersehbar. Die Menschen hausten in engen Behausungen, eine Wasserversorgung gab es nicht überall, so dass manche sich ihr Trinkwasser von irgendwelchen Wasserstellen holen mussten. De Straßen waren schlecht und voller Schlaglöcher, bedauernswert fand sie eine Situation mit einem älteren Mann in einem Rollstuhl, den man kaum noch als Rollstuhl bezeichnen konnte. Irgendwie musste er seinen Weg in einem Zickzackkurs an all den Schlaglöchern vorbei bewältigen, was eine Aktion der Unmöglichkeit war. Hunde und Katzen streunten herum, und so manches Skelett eines verhungerten Vierbeiners konnte man am Wegesrand nicht übersehen. Auf den Straßen fuhren viele Tuc-Tucs, wie man sie ansonsten aus Thailand kennt. Busse waren dauerhaft überfüllt, die Fähre sowieso. Eine zu starke Überfüllung wurde sogar kontrolliert, was von Bestechungsgeldern aber umgangen wurde. Den Kontrolleuren wurden ein paar Scheine in die Hände gedrückt, und der Bus durfte weiterfahren. In dem Hotel, wo sie übernachteten, floß kein Wasser aus dem Wasserhahn. Dies verhinderte ein Loch in der Wasserleitung, die im Außenbereich offen lag. Mit einem Power-Klebeband, auch Panzertape genannt, hätte man das Loch zukleben können. Allerdings fehlte es in den Geschäften an einer Sprachverständigung auf Französisch, was ein Panzertape ist. So behalf man sich mit normalem Klebeband und dem Korken einer Weinflasche, dass zumindest so viel Wasser durch die Wasserleitung floss, dass es im Wasserhahn ankam. Eine Plage waren die vielen Mücken. Gegen die Mücken, die insbesondere nachts ausschwärmten, half kaum etwas, weder die Moskitonetze im Hotel, noch Räucherspiralen oder elektrische Antimückengeräte. Eine wenig schien hingegen das im hiesigen Handel erhältliche Insektenspray „Antibrumm“ zu bewirken. Im Hotel ereignete sich ein weiteres Kuriosum. So hatten unsere Freund tagsüber beobachtet, wie Kinder vor dem Hotel spielten. Abends, als sie in das Hotel zurück kehrten, lag mit einem Mal ein Kind im Bett in deren Hotelzimmer und schlief. Wo denn seine Mama sei. Das wusste der Junge nicht, er sei müde geworden, er habe sich in das nahe Hotel begeben und in einem Zimmer hingelegt. Unsere Freunde suchten eine infrage kommende Mama des Jungen, aber erfolglos. Spät abends war der Junge verschwunden, seine Mama hatte er dann hoffentlich wieder gefunden. Natürlich waren die Menschen in Madagaskar sehr nett, offen, freundlich gegenüber Gästen. Sippschaft und Großfamilie definierten sich anders, im Dorf gab es einen Dorfältesten, der das Sagen hatte. Es wurde gut getrunken in Madagaskar, so einigen Besoffenen war das Geburtstagskind begegnet, an alkoholischen Getränken trank man hauptsächlich Bier oder Rum. Ihre Hochzeit feierten sie sowohl in Madagaskar wie in Deutschland. Standesamtlich wurde in Madagaskar geheiratet, kirchlich in Deutschland. Auch die Geburt ihrer Tochter wurde in Madagaskar gefeiert, dabei bekam er eine Muschelkette umgehängt. Beim Geburtstagsfrühstück erzählte man sich aber auch vielerlei banales, lustiges, bemerkenswertes, was im Umfeld von zu Hause geschehen war. Wobei das Umfeld von zu Hause auch etwas weiter definiert werden konnte. So war das Geburtstagskind mit seinem Auto, das etwas klappriger und älter war, in Frankreich liegen geblieben. Als das Auto zur nächsten Werkstatt abgeschleppt wurde. Diese schaute sich erst gar nicht die Schadensursache an, weil das Auto ohnehin nach Deutschland zurück müsse. Also wurde das Auto in eine deutsche Werkstatt abgeschleppt, die relativ schnell die Schadensursache feststellte: eine Sicherung war defekt. Die Reparatur, das Austauschen der Sicherung, war einfach, zumal eine Ersatzsicherung im Auto sogar vorhanden war. Das Auto war also unnötig durch die Gegend gefahren worden, mit ein bißchen technischen Fachwissen hätte all die Abschlepperei vermieden werden können. Wir redeten über allerhand weitere Kuriositäten. Uns gegenüber saß der Neffe des Geburtstagskindes mit Frau und dem etwa 2-jährigen Sohn. Wer hätte gedacht, dass das Ncht-Anmelden des neu geborenen Kindes innerhalb einer bestimmten Frist eine Ordnungswidrigkeit darstellt ? Acht Tage genau haben die Eltern Zeit, wobei uns dies bei unserem Enkelkind erst nach drei bis vier Tagen gelungen war wegen der Öffnungszeiten der Krankenhausverwaltung. In dem Krankenhaus, wo unsere Tochter entbunden hatte, hatte das Büro nur bis 15 Uhr geöffnet, am Wochenende gar nicht. Unsere Tochter war zu dem Weg vom einen Ende des Krankenhauses zum anderen Ende kaum fähig, und wir selbst hatten ebenso Probleme bei der Koordination unserer Krankenhausbesuche. In unserem von Normen und Regeln und Ordnungssinn geprägten Land ist es eigentlich beschämend, wie der Bürger bei solchen Lappalien herunter gemacht wird. Das befreundete Pärchen aus unserer Gegend erzählte von früheren Urlauben in Schweden, wo Autofriedhöfe skurrile Sehenswürdigkeiten darstellten. Die Autos waren vor mehreren Jahrzehnten am Wegesrand abgestellt worden, sie waren verrostet, so manche Karosserie war von Efeu und Gestrüpp überwachsen, ein wenig hatten sie sich in den Zauberwald von Harry Potter versetzt gefühlt, wo sich jeden Moment Ungetüme hätten erheben können. Das Pärchen hatte dem Geburtstagskind eine Eselswanderung in der Eifel geschenkt. Es war kein Ritt auf einem Esel, sondern dieser musste geführt werden – was bei Eseln eine gewisse Kunst erfordern könnte. Die Erinnerungen wurden beim Fußball strapaziert. Am Tag zuvor war Alemannia Aachen nach elf Jahren von der vierten Liga in die dritte Liga aufgestiegen. Trotz der immer noch bedeutungslosen Drittklassigkeit war in Aachen mächtig gefeiert worden, und ein Neffe des Geburtstagskindes hatte dort ordentlich mitgefeiert. Von dem Pärchen erinnerte sich unser Freund aber noch weiter in der Fußballgeschichte zurück. In seiner Kindheit gab es noch Zeiten, als Alemannia Aachen in der ersten Fußball-Bundesliga gespielt hatte. Es war die Zeit Anfang der 1970er Jahre, in der Vereine wie Tasmania Berlin, Rotweiß Essen oder der Wuppertaler SV im Fußball-Oberhaus Deutschlands gespielt hatten. Dabei wurden bei unserem Freund Erinnerungen aus der Kindheit wieder wach, als sein Vater die Tabellenstände in der Fußball-Bundesliga auf runden Blechschildern mit den Vereinswappen dokumentierte. Aus diesen runden Blechschildern, die sich vom Tabellenersten bis zum Tabellenletzten aufreihten, stach der gelbe Untergrund des Logos von Alemannia Aachen besonders hervor. Vom Fußball sprangen die Gespräche zu Versicherungsschäden. Eine Tante des Geburtstagskindes hatte ein Elektromobil besessen, wobei es anfangs für sie ungewohnt war, wie schnell man damit fahren. Mit diesem Gefährt wollte sie sodann den Gottesdienst in der hiesigen Pfarrkirche besuchen. Noch nicht gewöhnt an die Beschleunigungen, raste sie im Inneren der Kirche im Eingangsbereich unkontrolliert herum. Als sie die Kontrolle verlor, fuhr sie auf direktem Weg in das Taufbecken der Kirche hinein. Dabei entstand ein Schaden, der in den Erzählungen nicht genau benannt wurde, jedenfalls bezahlte die Haftpflichtversicherung den Schaden. Ein weiteres kurioses – und leider tragisches – Ereignis, dass ein Mann in der näheren Umgebung vom Zug überfahren wurde. Dieser Mann hatte einen Spaziergang mit seinem Hund gemacht auf einem Weg, der parallel zu den Bahngleisen führte. Abschweifend, wie Hunde sein können, stolzierte er auf die Gleise und legte sich dorthin. Der Mann ahmte den Hund nach und legte sich neben ihn auf die Gleise. Da es eine frequentierte Linie von Personenzügen war, ließ es sich irgend wann nicht vermeiden, dass ein Zug kam. Während der Hund auf das laute Hupen des Personenzuges reagierte und wegrannte, rührte sich sein Herrchen nicht und blieb auf den Gleisen liegen – mit fatalen Folgen, da die Vollbremsung des Zuges zu spät kam. Eine spätere Obduktion des Mannes ergab, dass er unter Drogen gestanden hatte. Das Geburtstagsfrühstück dauerte bis in den frühen Nachmittag hinein und wir waren die letzten, die sich vom Geburtstagskind und seiner Frau aus Madagaskar verabschiedeten. Es war ein schöner Tag in einer schönen Location, wo außer dem Stück „Who’s crying now“ von Journey jede Menge andere interessante Musik lief.

30. April 2024


Sah man von dem einen fehlenden Tag ab, dass der April keine 31 Kalendertage hatte, hatten wir heute ein Geburtstagskind. Zumindest, wenn das Wachstum im Babyalter nach Monaten bemessen wird. Am 31. Januar geboren, ist unser Enkelkind nun drei Monate alt geworden. Mit diesen drei Monaten ist unser Enkelkind ganz schön lebhaft geworden. Es strampelt, was das Zeug hält. Die Beine sind ordentlich in Bewegung, zum Beispiel in der Wippe. Wenn wir den Körper mit einer Decke abdecken, ist diese schnell weggetreten. Dabei erzählt unser Enkelkind immer mehr: Laute bilden sich, die noch unbestimmt sind. Diese Laute können anwachsen zu einem regelrechten Krähen, die Begeisterungsstürme darstellen, dass dieses winzige Stückchen Mensch da ist. Worte bilden sich noch nicht, aber man spürt, dass das kleine Stück Mensch mit uns reden möchte. Er will sich mitteilen, schaut uns gezielt an, manchmal formt sich ein Lächeln in seinem Gesicht. Er fühlt sich aufgenommen in seiner Familie und weiß, wer seine Bezugspersonen sind. In diesen Tagen haben wir ihn unter den Spielbogen aus Holz gelegt. Dort haben wir beobachten können, wie das Greifen seiner Finger gezielter wird. Die Finger seiner Hand greifen nach den Ringen aus Holz. Es gelingt, den einen oder anderen Ring festzuhalten und zu sich hin zu ziehen. Tag für Tag können wir solche kleineren Fortschritte beobachten, was dazu kommt an Fähigkeiten, wie sich seine Motorik verbessert, wie seine Wahrnehmungen immer deutlicher werden, seine Möglichkeiten der Kommunikation. In der kommenden Woche hat er seinen nächsten Untersuchungstermin beim Kinderarzt. Dazu hat unser Sohn die Checkliste recherchiert, was der Kinderarzt alles begutachtet. Dazu gehört vor allem das Bilden der Laute sowie das Greifen. Beides ist bei unserem Enkelkind gut ausgeprägt, Hören und Sehen wird der Kinderarzt beim nächsten U4-Untersuchungstermin ebenso prüfen. Mit seinen drei Monaten, die unser Enkelkind heute alt geworden ist, haben wir unsere Freude.  


 

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