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Tagebuch März 2020

1. März 2020

Bevor wir den Michaelsberg mit seinem Kloster hinauf krabbeln wollten, begaben wir uns in die Siegburger Innenstadt, um Kaffee zu trinken und Kuchen zu essen. Um die Nachmittagszeit gegen 16 Uhr war das Café Fassbender am Marktplatz so gut besucht, dass in dem großzügigen Innenraum die Auswahl der freien Plätze sehr beschränkt war. Die Kuchenauswahl hätte auch ein wenig größer sein können, doch am Ende der etwas verschachtelten Raumteile wartete dann ein freier Vierertisch auf uns. Das Café beeindruckte mit seinen Landschaftsfotografien, die das Typische der Region um die Sieg eingefangen hatten. Sie gaben ziemlich genau diejenigen Eindrücke von der Landschaft wieder, wie ich sie selbst empfunden hatte. Die Siegaue als grüner Korridor inmitten dicht bebauter Stadtgebiete. Die Gegensätze zwischen ganz viel Grün und der dichten Bebauung, die dem Ballungsraum Köln/Bonn folgte, waren weich, weil ganz viel Harmonie in den Fotos überwog. Dabei verband sich die Siegaue mit dem Rhein, indem die Ausblicke vom Drachenfels auf den Rhein und auf Bonn gezeigt wurden. Aus meiner vollen Seele sprach ein Foto, das all die Harmonie der sanft daher fließenden Sieg mit hoch aufgerissenen Hochspannungsmasten zeigte. Das Café, ein schöner Ort zum Verweilen.

2. März 2020

Siegburg, die Kreisstadt als Konglomerat und amorphes Gebilde. Den Stadtkern, den wir auf dem Marktplatz noch als wohl strukturiert und gut sortiert wahrgenommen hatten, zerstreute sich alsbald auf dem Michaelsberg, nachdem wir diesen erklommen hatten. Von dem Klosterberg aus, wo der Kölner Erzbischof Anno II. 1066 die weithin sichtbare Siegburger Abtei gegründet hatte, gewährten einige exponierte Stellen Ausblicke. Wir schauten auf die Siegaue, die Kreisstadt Siegburg und den Übergang von der Kölner Bucht in das Bergische Hügelland. Dabei war der Ausblick auf die Kreisstadt Siegburg grundverschieden. Die historische Stadt, die im Jahr 1069 von Heinrich IV. das Markt-, Münz und Zollrecht erhalten hatte, rückte im Umfeld seiner Bebauung in den Hintergrund. Zwar stach der Kirchturm der 1169 gebauten Servatiuskirche markant heraus, doch der Rest der Stadt verschwand in einer amorphen Masse von Verwaltungs-, Büro- und Fabrikgebäuden. Die Häusermasse verschwamm, am Stadtrand hatten sich Industriegebiete festgesetzt, deren Konturen so kahl waren wie die Bäume zur Winterszeit. Der grüne Streifen der Siegaue versteckte sich. Dieser wohl geformte Streifen, der dem Flussverlauf der Sieg folgte, zerrann genauso unklar in der dichten Besiedlung des Ballungsraums. Von oben aus betrachtet, war es schwer, die inneren Reize der Kreisstadt Siegburg zu ergründen.

3. März 2020

Es ist erstaunlich, wie schnell der Pegel auf dem Rhein wieder angestiegen ist. Kaum vier Wochen sind vergangen, als die Siegaue und die Wiesen am Rhein satt überschwemmt waren. Um von Hochwasser zu reden, davon sind wir in diesen Tagen noch weit entfernt. Aber auf dem Radweg vor der Friedrich-Ebert-Brücke ist der gestiegene Wasserstand klar und deutlich zu sehen. All der viele Regen des sehr nassen Monats Februar hat sich in die Flüsse und Nebenflüsse des Rheins ergossen. Noch ein paar Zentimeter sind es, bis der Radweg an dieser Stelle überschwemmt sein wird. Dann wird so mancher Fahrradfahrer an dieser Stelle Umwege fahren müssen. Die Natur wird allerdings diesen unaufhörlichen Regen gut gebrauchen können. Nach der Trockenheit und der Dürre des letzten Sommers werden sich die ausgetrockneten Böden hoffentlich gut erholen.

4. März 2020

Es ist nicht so, wie Mönchengladbach es vermuten läßt. Aus den gemeinsamen Wortstämmen, die Mönchengladbach und Bergisch Gladbach vereinigt, hatte sich 1863 Bergisch Gladbach mit der Hinzufügung der Vorsilbe „Bergisch“ heraus gelöst, als Mönchengladbach im Zentrum der niederrheinischen Textilindustrie immer mehr an Bedeutung gewann. Aus „Gladbach“ war „Bergisch Gladbach“ geworden, um nicht mit „Mönchengladbach“ verwechselt zu werden. Aber im Gegensatz zu Mönchengladbach war der Gladbach eine Mogelpackung. In Mönchengladbach floß er am Fuße des Abteiberges, in Bergisch Gladbach war er hingegen nicht existent. Die Stadt Bergisch Gladbach wurde zwar 1271 erstmals als Gladebag urkundlich erwähnt, die Erwähnung beruht aber nicht auf einem gleichnamigen Bach. Die Orte verstreuten sich im Herzogtum Berg. Odenthal war Herrschaft, Porz war Amt, Bensberg war Freiheit, und die übrigen Wohnplätze – wie Gladebag – scharten sich dazwischen. Ein Bach bestimmte allerdings maßgeblich die Stadtgeschichte von Bergisch Gladbach, das war die Strunde. An die fünfzig Mühlen trieb dieser bedeutende Bach an und prägte damit die Industriegeschichte. Das Strundertal rund um Bergisch Gladbach war eine einzige riesige Werkstatt, dessen Schwerpunkt die Papierindustrie war. Mit dem Aufkommen von Zeitungen war Papier nachgefragt, und die Papierfabriken wuchsen so sehr, dass sie bis heute im Stadtbild dominiert. So die Papierfabrik „An der Gohrsmühle“. Große Anteile sind verblieben und nicht in Niedriglohnländer ausgelagert worden. Die Strunde fließt hinter dem Werksgelände dahin, der Gladbach fließt rund einhundert Kilometer westwärts. Bergisch Gladbach im Zeichen der Papierindustrie.

5. März 2020

Die evangelische Kirche und die Menschenrechte. Beim Rundgang durch Bergisch Gladbach habe ich registriert, dass es seit 2018 vor der evangelischen Gnadenkirche einen Pfad der Menschenrechte gibt. Stolz erhebt sich im Hintergrund die barocke, gelb gestrichene Fassade der Gnadenkirche, während Tafeln auf der Zufahrt die Menschenrechte zusammenfassen. Brauchen wir dies, auf die innerhalb unserer Demokratie eigentlich selbstverständlichen Menschenrechte hinzuweisen ? Dass die Menschenrechte auf unserem Globus gang und gäbe sind, davon kann keine Rede sein. Schaut man etwa auf Erdogan, so sperren sich herrschende Autokraten gegen die Menschenrechte und glauben daran, dass ihre totalitären Systeme besser sind als jede Demokratie. In Bergisch Gladbach vor der Gnadenkirche fest verankert, werden weltweit gewisse Glaubenskriege um die Demokratie ausgefochten. In Bergisch Gladbach vor der Gnadenkirche habe ich zudem festgestellt, dass die Menschenrechtskonvention jede Masse zum Lesen ist. 1948 war sie von den Vereinten Nationen verabschiedet worden, und in großen Teilen hat sie Eingang in unser Grundgesetz gefunden. Sie besteht aus dreißig Artikeln, angefangen bei der Menschenwürde und der Idee der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit der französischen Revolution. Verfolgung und das Recht auf Asyl kommen in der Menschenrechtserklärung vor, ebenso das Recht auf Bildung, aber noch sehr vieles mehr, was zum Teil zwischen den Zeilen steht. Vor der Zufahrt zur Gnadenkirche mag dies alles selbstverständlich klingen, während Intellektuelle über den Zerfall Westlicher Werte diskutieren.

6. März 2020

111 Orte in Nordfrankreich, die man gesehen haben muss – ein Buch, das mich sehr intensiv an Orte und Landschaften in Nordfrankreich erinnert, die ich vor mehr als dreißig Jahren gesehen habe. Eindrücke, die haften geblieben sind. Eindrücke, die in den inneren Schichten des Bewusstseins konserviert worden sind und die sich nicht so ganz einfach auslöschen lassen, weil sie eine Langzeitwirkung entfaltet haben. Bei einigen Orten in Nordfrankreich kommen unmittelbar Erinnerungen hoch, die zum Teil identisch sind zu denjenigen Orten, die in dem Buch von Georg Renöckel vorkommen. Die Kathedrale von Amiens, die Chambre de Commerce in Lille, der Mont Cassel oder die Altstadt von St. Omer: der Anteil der 111 Orte, die ich selbst kennen gelernt habe, ist ziemlich klein, aber höchst authentisch. Selbst dreißig Jahre später nach den erlebten Orten und Landschaften in Nordfrankreich resümiere ich, dass sie ein wesentlicher Teil von mir selbst geworden sind. Immer wieder werden sich die Schlachtfelder und die Soldatenfriedhöfe aus dem Ersten Weltkrieg einprägen. In Cafés und Bistrots hatte ich die Einheimischen stets so kennengelernt, dass sie den Deutschen niemals ablehnend gegenüberstanden und für jedes Gespräch offen waren. Franzosen waren zwar stolz auf ihre eigene Sprache, aber sie waren stets gastfreundlich, wenn ich mir Mühe gab, ihre Sprache zu sprechen. Gerade in Nordfrankreich, hatte ich die Symbiose zwischen dem Deutschen und dem Französischen stets als perfekt empfunden. Die Orte in dem Buch geben Anstöße, weil sie ein Querdenken aus einer Vielzahl unterschiedlicher Perspektiven implizieren. Das Denken hebt ab in neue Dimensionen, weil die Wesensbestandteile zu unterschiedlich sind zu dem, was man hierzulande kennt. Die Inspiration ist perfekt. Die 111 Orte in Nordfrankreich werfen zwar dunkle Schatten auf die Kriegsjahre von 1914 bis 1918, aber darüber hinaus sind sie zum Verlieben.

7. März 2020

Nach Monaten der winterlichen Ruhe und nach Monaten bürokratischen Stillstands sind wir heute im Haus des verstorbenen Schwiegervaters aktiv geworden. Die Fensterbaufirma hat sich bei uns gemeldet, dass die für uns bestellten Fenster zu lange auf dem Firmengelände herum stehen. Der Platz wird nun anderweitig benötigt, und wir haben bestätigt, dass die Fenster bei uns eingebaut werden können. Das bedeutet, dass die Fenster frei sein müssen, damit dort gearbeitet werden kann. Teppiche, die auf dem Bodden herum lagen, haben wir entsorgt. Haufen von weggestemmtem Fliesenkleber lagen vor dem Fenstern in der Küche. Andere Haufen, die die Elektriker aus den Wänden ausgestemmt hatten, breiteten sich vor den Fenstern im Obergeschoss aus. All diese kleinen Schutt-Haufen entsorgten wir in eine Speisbütt in unser Auto, die wir von zu Hause mitgenommen hatten, dazu kam Schutt von Fliesen, Teppiche, abgehängte Gardinen, Holzreste, kaputte Elektrogeräte, entfernte Steckdosen, die abgerissene Elektroinstallation und vieles mehr. Bei der RSAG in Troisdorf wurden wir dann all diese Abfälle los. Als wir zurückkehrten, waren noch die Gardinenleisten über den Fenstern abzuschrauben, was einigermaßen aufwändig war, weil die Schrauben sehr fest in der Decke saßen. Den Schutt in den Badezimmern hatte ich übersehen, und bevor ich nach Hause zurückkehren wollte, fiel mir all der ganze Müll und Sperrmüll auf der Terrasse auf. Dieser versperrte auf der Terrasse die Fenster in der Küche und der Essecke. Um die Uhrzeit war mir die Menge an Müll und Sperrmüll, die hätte weggeräumt werden müssen, zu hoch. Ich zog es vor, nach Hause zu fahren, zu Abend zu essen und den Abend ausklingen zu lassen.

8. März 2020

Zum Engelshof in Köln-Porz-Westhofen, dorthin waren wir mit Freunden zusammen gefahren, um Konrad Beikircher zu sehen. Bestimmt sieben bis acht Jahre waren es her, dass wir Konrad Beikircher in Gymnasium in Lülsdorf live erlebt hatten. Ich schätzte den Kabarettisten sehr, der aus Südtirol ins Rheinland emigriert war, wegen seiner scharfsinnigen Charakterisierungen des Rheinlandes, seiner geschichtlichen und soziologischen Kenntnisse, wegen seines Humors und was er vielsagend zwischen den Zeilen zum besten gab. Die Location in dem alten Gutshof mitten in dem Kölner Vorortstadtteil war klasse, übersichtlich und familiär. Von dem ersten Teil, in dem es um Katholiken und Protestanten im Rheinland ging, war unsere Freundin nicht ganz begeistert. Eine Reformation hatte im Rheinland nie stattgefunden, und dementsprechend abfällig äußerte er sich über die Protestanten. Davon war unsere Freundin überhaupt nicht begeistert, weil sie evangelisch war. Nach der Pause traf Beikircher dann auch ihren Humor. Er plauderte über seine Zeit, als er im Siegburger Gefängnis als Psychologe tätig war. Diese Zeit, aber auch andere Zeiten, offenbarten Tiefenbohrungen in die Seele des Rheinländers. Er zitierte Redensarten, Witze, beschrieb den Humor des Rheinländers, hinterfragte den Sinngehalt von Karnevalsliedern. Er beschrieb den Rheinländer als scharfsinnig, intelligent und gleichzeitig absurd. Er lacht gerne über alles, und je unsinniger der Unsinn ist, um so mehr kann er darüber lachen. Das ist das Absurde, das sich nicht mehr als Witz begreifen läßt, weil es einer Betrachtung durch den Verstand nicht mehr stand hält. Als Beispiel nannte der den Text des Karnevalsliedes „In Afrika ist Muttertag“, was es als Tag so in Afrika nicht geben wird. Es war wieder bemerkenswert, wie er die Charakterisierungen zwischen den Zeilen traf. Es war ein schöner Nachmittag mit Konrad Beikircher.

9. März 2020

Ein paar Schleifen über den Ergänzungsbetreuer sind noch zu drehen, aber insgesamt rückt das Ziel der Erbauseinandersetzung näher. In den Eckpunkten sind wir uns einig, und was fehlt, ist die Überarbeitung des Notarvertrags. Im Gegensatz zum früheren Konfrontationskurs schlägt der Ergänzungsbetreuer nunmehr versöhnliche Töne ein. Abends haben wir ein Antwortschreiben formuliert. Mit der Beauftragung weiterer Firmen werden wir warten, bis die Hypothek im Grundbuch eingetragen ist. Derweil herrscht im Haus des verstorbenen Schwiegervaters ein totales Baustellenfeeling. Die Fensterbauer haben mit ihren Arbeiten begonnen. Die einzubauenden Fenster stehen in den Räumen. In den Badezimmern und in der Seitenwand des Obergeschosses sind die neuen Fenster eingebaut. Die Arbeiter, Polen oder Russen, die fast kein Deutsch und nur Polnisch/Russisch sprechen, haben ordentlich Bauschutt produziert. Für zweiflügelige Türen, die auf den Balkon und auf die Terrasse führen sollen, haben sie den vergrößerten Durchgang heraus gestemmt. Um den Bauschutt zu entsorgen, wollen wir uns selbst um einen Bauschuttcontainer kümmern. Dabei müssen wir uns genauso um die Anschaffung einer vernünftigen Schubkarre kümmern, da wir für solche Zwecke nichts Brauchbares besitzen. Während der Durchgang für die Fenster an der einen Seite vergrößert wurde, haben die Arbeiter die Öffnung für die heraus genommene Türe an der anderen Seite zugemauert. Vorübergehend wird das Haus an dieser Stelle offen sein. Hoffentlich für möglichst kurze Zeit, aber für Einbrecher wird nicht allzu viel zu holen sein. Hammer, Fäustel, Stemmeisen, höherwertige Werkzeuge sind im Keller deponiert, wohin die Kellertüre abgeschlossen ist. Bis gegen Mitternacht haben wir über ein Antwortschreiben an unseren Ergänzungsbetreuer philosophiert. Über mehreren Gläsern Rotwein und Sekt ist es schließlich fertig geworden.

10. März 2020

Die Geschichte der Pizza, die diese Pizzeria erzählt, stimmt so nicht ganz. Angeblich ist die Pizza 140 Jahre alt, doch wen wundert es, dass es die Römer mit ihrem Erfindungsreichtum waren, die einen Teig gebacken haben, der der Pizza täuschend ähnlich gewesen sein muss ? Die Römer backten einen flachen Teig auf auf heissen Steinen in oder am Feuer, den sie mit Olivenöl und anderen Zutaten würzten. Die Pizza war ein Arme-Leute-Essen, die mit der Einführung der Tomate um 1520 saftiger wurde. 1830 war es dann soweit, dass die erste Pizzeria der Welt eröffnete. Richtig ist an der Geschichte der Pizza, welche die Pizzeria erzählt, dass Neapel eine Art von Hotspot war. Die italienische Stadt, wo 1830 die erste Pizzeria eröffnete, war Neapel. 1889, zwanzig Jahre nach der Bildung des italienischen Nationalstaates, kam es in Neapel zu einem Ereignis, das die Geschichte der Pizza maßgeblich prägte. Und zwar machte der italienische König Umberto I. mit seiner Frau Margherita eine Besuchstour durch die großen Städte Italiens, darunter Neapel. Dort sahen sie überall auf den Straßen Leute stehen, die die neapolitanische Pizza aßen. Neugierig geworden, orderten sie von Raffaele Esposito, dem Besitzer der Pizzeria Pietro il Pizzaiolo, drei Pizze. Die einfache Variante mit Tomaten, Mozzarella und Basilikum belegt, die in ihren Farben rot, weiß und grün der italienischen Landesflagge ähnelte, fand besonderen Anklang bei Königin Margherita. Die ‘Pizza Margherita’ als italienisches Nationalgericht war erfunden worden.

11. März 2020

Corona – die allgegenwärtige Bedrohung. Noch fühle ich mich einigermaßen frei, aber das Gefühl, isoliert zu werden und in den Fängen einer Quarantäne ausharren zu müssen, beklemmt. Die Szenarien aus Italien stimmen pessimistisch, dass das Alltagsleben zum Stillstand kommen könnte. Bei uns sieht noch sehr vieles normal aus. Wir können uns frei bewegen. Sieht man von wenigen Ausnahmen ab, sind die Supermarktregale voll. Busse und Bahnen fahren, der Schulunterricht findet statt. Nachdem die Notfallpläne ausgepackt worden sind und der Bundesgesundheitsminister Tag für Tag im Brennpunkt steht, steigt die Nervosität. Meine Frau spricht von Falschinformationen, wenn nicht stundengenau die Anzahl der Infektionsfälle veraltet ist. Von einer Exponentialfunktion hat unser Sohn gesprochen, was rein mathematisch korrekt ist. Wenige Menschen sieht man mit Mundschutz in der Stadt, und ich selbst werde regelmäßig ertappt, dass ich mir nicht die Hände wasche, wenn ich vom Büro nach Hause zurückkehre. Meine Frau beschrieb mir das Szenario einer Home Office-Arbeitswelt, wie sie bei Bayer praktiziert wird. Aneinander angrenzende Büros sollten isoliert sein, so dass nur in jedem zweiten Bürotrakt gearbeitet werden sollte, während die leeren Bürotrakte Home Office machen sollten. Als Fußballinteressierter beklemmen mich Bundesligaspiele vor leeren Rängen, so gestern beim Rheinischen Derby Mönchengladbach gegen Köln. Gestern geschah der Super-GAU beim Fußball: bei einem Spieler des 1. FC Nürnberg bestätigte sich in der 2. Fußballbundesliga der Corona-Verdacht. Der Spielplan in der 2. Fußballbundesliga wird dadurch komplett über den Haufen geworfen. In unserer Firma gibt es zwei Corona-Erkrankte, aber es wird normal weiter gearbeitet. Karten für Großveranstaltungen haben wir keine. Das Theaterstück im Contra-Kreis am 3. April wird hoffentlich statt finden, genauso, denke ich, die Fernsehproduktion mit Oliver Geissen am 14. Mai genauso. Noch sieht vieles sehr normal aus, aber wie lange noch ?

12. März 2020

Tageszeitung im Café der Bäckerei lesen, wann komme ich sonst dazu ? Die Zeit, um Tageszeitung zu lesen, fehlt hinten und vorne. Über das politische Tagesgeschehen informieren wir uns über die Nachrichten, das Lokalgeschehen schauen wir in der Aktuellen Stunde. Und wenn ich Zeitung lese, dass ist es die Wochenausgabe der FAZ. Und die bekomme ich auch nur mit ihren wichtigsten Artikeln gelesen. Der Tischnachbar neben mir hatte gerade den General-Anzeiger zugeklappt. Seine Tasse Kaffee hatte er ausgetrunken, seine schwarzumrandete Brille zurecht gezückt, und es sah so aus, dass er seinen angestammten Platz verlassen wollte. Ich spürte die Gelegenheit, dass er den zugeklappten General-Anzeiger zu mir rüberschieben konnte, bevor ihn sich jemand anders krallen konnte. Meine Blicke grapschten sich auf das Titelbild und die Schlagzeilen, um die Zeitungsinhalte in mich aufzusaugen. Die Gelegenheit war selten, mir vielleicht eine Viertelstunde Zeit zu nehmen für wichtige Beiträge und wichtige Inhalte, die ich neben irgendwelchen Informationen aus dem Fernsehen ganz anders verarbeiten konnte. Womöglich hatte mein Tischnachbar meinen krallenden Blick bemerkt, als er die Übergabe der Zeitung mit den Worten kommentierte „ich habe alle Buchstaben drin gelassen“. Ein Schmunzeln und ein angedeutetes Lächeln hing in seinem Gesicht, als in der Lücke zwischen den beiden Stehtischen vorbei schritt. Tageszeitung im Café der Bäckerei lesen, ein höchst sinnvolle Nutzung kleiner Zeitkontingente.

13. März 2020

Die Geschichte ist traurig, was im Sog des Corona-Virus alles gecancelled werden muss. Nicht nur Schulunterricht, Konzerte, Fußballbundesligaspiele fallen dem Virus zum Opfer, auch Beethoven muss abgesagt werden. Zum Beethoven-Jubiläumsjahr 2020, dem 250. Geburtstag Beethovens, hatten sich die Veranstalter einiges einfallen lassen und organisiert. So wurde ein 50 Jahre altes Binnenschiff zu einem Musikfrachter umgebaut, dessen Schiffshorn die Melodie der fünften Sinfonie ins Horn bläst. „Beethoven-Frachter“ haben die Veranstalter dieses Schiff genannt, das unterhalb der Beethovenhalle angelegt hat, würdig des großen Komponisten, dessen Musik eine Revolution bedeutete. Nun hat das Corona-Virus sein Unwesen getrieben, der Musikfrachter sollte rheinaufwärts bis nach Wien fahren (obschon Wien nicht am Rhein liegt) und an zwölf Stationen entlang des Rheins und der Donau anlegen. Als Vorsichtsmaßnahmen zur Kontaktvermeidung ist nun das breit gefächerte Programm von Veranstaltungen abgesagt worden. Das ist immens traurig, dass die Weiterfahrt nun gestoppt worden ist. Der Musikfrachter wartet nun auf sein ungewisses Schicksal und dass Zeiten der Planbarkeit und Normalisierung wieder einkehren.

14. März 2020

Nachdem wir unsere große Tochter am Hauptbahnhof im Empfang genommen hatten, verlief unser Bummel bei TKMaxx in ruhigen und geordneten Bahnen. Von Corona war ungefähr nichts zu spüren, die Fußgängerzone war quasi normal belebt, am späten Nachmittag drängten die Passanten in die Geschäfte und Warenhäuser. Wir schauten nach Hausrat, die unsere Tochter für ihren anstehenden Umzug von Freiburg nach Staufen benötigte, Kleiderbügel, Auflaufform, Schälbrett, Sektgläser für meine Frau. Der Bummel war ausgiebig, wir schauten für mich nach einer Jacke, wir stöberten zwischen den Handtaschen. Wir hatten die Idee, im Anschluss eine Kleinigkeit zu essen, doch unseren beiden Töchtern war nicht danach zumute. Ich war dafür, doch meine Frau wimmelte ab. Wir müssten halt zu Hause Gemüse putzen und was alles dazu gehört, kochen und dann alles wegspülen. Ein normaler Aufwand für ein normales Abendessen. Was ich allerdings befürchtet hatte, trat zu Hause prompt ein. Die Vorbereitungen uferten aus. Wie ich das Gemüse kleinschnitt, war nicht präzise genug. Die Vorbereitungen dauerten länger, als mir lieb war. Um 18.45 Uhr waren wir zurück gekehrt, es gab Fleischkäse im Backofen, dazu einen Gemüseauflauf mit Kartoffeln, Erbsen, Möhren, Paprika, für unseren Sohn gab es Gehacktessoße – die übrig geblieben war – mit Maultaschen. Erst um 20.30 Uhr war das Abendessen fertig – und in unserer viel zu kleinen Küche herrschten chaotische Zustände. So manche Reaktion war übernervös – am Samstag des Wochenendbesuches unserer Tochter aus Freiburg. Die Reibereien waren eigentlich schade, da insbesondere der Gemüseauflauf, als Kombination eines eigenen Rezeptes mit Maggi Fix, wirklich lecker gelungen war.

15. März 2020

Nichts als Coronavirus, der aufgewühlte und nervöse Zustand von Politikern, Zuständigen und Verantwortlichen beherrscht das Tagesgeschehen. Die Nervosität ist steigerbar, und die Medien berichten in der Vielfalt der europäischen Staaten immer neue, unangenehme Szenarien. Ein solch nervöses Agieren habe ich äußerst selten erlebt – vielleicht vor dem Golf-Krieg 1991 oder dem Terroranschlag auf das World Trade Center 2001. Man fragt sich, was in der nächsten Woche noch gehen wird. Was bis gestern noch vollkommen normal war, könnte sich einem Zielzustand nähern, nur noch als Einzelperson für die allernotwendigsten Dinge und zum Arbeiten aus dem Haus zu dürfen. Hilft das ? Fast nie war ein Thema so dominant, und ich muss zugestehen, dass ich mit zunehmendem Alter pessimistischer geworden bin. Weil wir es nicht besser wissen, haben wir den Medizinern das Feld überlassen, die alle Maßnahmen auf die Langsamkeit der Ausdehnung fixiert haben. So wie die Schule gegenüber ihren Schülern oder die Fußballbundesliga gegenüber ihren Zuschauern, sollten wir eine Auszeit nehmen. Uns in Langsamkeit üben, entschleunigen, so wie wir die Ausdehnung des Coronavirus entschleunigen wollen. Entschleunigen ja, aber unter solchen Rahmenbedingungen einer Isolationshaft ? Noch haben wir faktisch diese Isolationshaft nicht.

16. März 2020

Die letzten Wochen waren zu nass und zu regnerisch, in den nächsten Wochen werden die Planungen mit Corona Probleme aufwerfen. Daher war ich heute glücklich, wenigstens die Andeutung einer Rennradtour auf die Reihe zu bekommen. Über den Oberkasseler Berg keuchte und stöhnte ich sogleich, weil ich über die Winterszeit nahezu nicht auf dem Rennrad gesessen hatte. Meine Kondition pfiff aus dem letzten Loch bei dem Anstieg von 10% in das Siebengebirge. Oben angekommen, bergab durch Vinxel und nach Stieldorf, das Pleistal entlang bis Niederpleis, durch die Hangelarer Heide und durch die Siegaue, entwickelte sich auf der 25 Kilometer langen Strecke ein exzellentes Radfahrerlebnis, das mich in einen komplett anderen Aggregatzustand beförderte. Körper, Geist und Seele waren im Frühjahr angekommen. Am Ende des Tages war der Durst so stark, als wäre ich eine drei- bis viermal so lange Strecke gefahren. Und die Fassbrause, wovon ich mehrere Flaschen verschlang, schmeckte um so leckerer.

17. März 2020

Als der Arbeitgeber unsere ganze Abteilung ins Home Office schickte, war ich gar nicht so begeistert darüber. Trotz des großen Hauses, mangelte es zu Hause an Platz. Den Schwager hatten wir zu uns geholt, auf einen Fünf-Personen-Haushalt waren wir angewachsen, und an vielen Ecken stapelten sich die Umzugskartons, in manchen Räumen bis hoch an die Decke, da der Umbau des Hauses des verstorbenen Schwiegervaters sich in die Länge zog. Platz für das Arbeiten im Home Office bot eigentlich nur die Essecke im Wohnzimmer – die mir viel zu belebt war. An dieser Stelle im Wohnzimmer knubbelten sich vielerlei Aktivitäten, nicht nur das gemeinsame Essen, auch die Zubereitung, der Fernseher lief pausenlos. Der Rest der Familie quasselte dort gerne über die Belange des Alltags, meine Frau erledigte dort ihren Schriftkram. Um halbwegs ungestört zu sein, suchte ich, im Wintergarten ein Eckchen für mein Laptop frei zu machen. Papierkram stapelte sich auf dem Tisch im Wintergarten, Betriebsratssitzungen, Stellenausschreibungen, Kostenzusammenstellungen, Visitenkarten, vergangene Arzttermine, Schreiben von Versicherungen, Kassenbelege, Visitenkarten. Ich schaufelte das Eckchen frei, stapelte den Bürokram aufeinander, ein Fleckchen von vielleicht einer Armlänge. Unsere Tochter half mir mit ihrem Mousepad aus.

18. März 2020

Zum Friseur gehen, solange der Friseursalon noch geöffnet ist. In diesen hysterischen Tagen weiß niemand, was Morgen ist. Bis das Leben vollends still steht und die Freiheiten so sehr eingeschränkt sind, weil die Seuche alles platt macht. Ich diskutierte mit der Friseuse über Sinnhaftes, Widersinniges und Absurdes im Umfeld von Korona. Die ersten Friseurgeschäfte waren bereits geschlossen, und es war wohl eine Frage der Zeit, wann mein Friseur sein Geschäft schließen würde. Gehörte das Haareschneiden zu den Grundbedürfnissen des Menschen. Wahrscheinlich nicht, und weil die Schließung wohl nicht aufzuhalten war, schätzte ich mich glücklich, mit meinen wüsten, viel zu langen Haaren den Termin ergattert zu haben. Das war allerdings überhaupt nicht schwierig, weil gleich fünf Kunden wegen Corona ihren Termin abgesagt hatten. Sinnhaftes, Widersinniges, Absurdes: die Strategie war sicherlich richtig, die menschlichen Kontakte in der Öffentlichkeit zu reduzieren. Es gab aber Widersprüche. So hatten zwar die IKEA-Filialen geschlossen, gleichzeitig lief aber im Radio Werbung für IKEA. Es gab die eine oder andere Schließung öffentlicher Einrichtungen, die nichts bringen würde in bezug auf die Verbreitung von Corona. So die Schließung öffentlicher Bibliotheken, da die Ausleihe und Rückgabe über Automaten geschieht. Zudem stehen die Bücherregale so weit auseinander, dass man sich nicht in die Quere kommt. Zuletzt war die Friseuse in der Apotheke, wo ein Pärchen mit Mundschutz eintrat. In der Apotheke nahmen die beiden den Mundschutz ab, steckten ihn in die Hosentaschen und schnäuzten sich anschließend. Wir stellten fest, dass die anstehende Erstkommunion bitter war, weil sie ausfiel. Die Familienfeiern waren abgesagt, und es gab auch keine Perspektive, wann die Erstkommunion nachgeholt würde. Als ich mit dem Fahrrad nach Hause zurück fuhr, kam ich an der Frittenbude hinter der Kirche vorbei. Dort suchte ein Schild ihren Kunden zu vermitteln, dass nicht mehr als zwei Personen eintreten sollten. Später fuhr ich nach Toom, um eine Bauschubkarre und Rindenmulch einzukaufen. Sehr belebt war es im Baumarkt. Zwei Meter Abstand sollten die Kunden an der Kasse wahren. Ein Stück hinter der Kasse war das möglich, aber dahinter, auf dem Quergang zu den Abteilungen des Baumarkts hingegen nicht. Dort standen die Kunden dicht an dicht, die Warteschlange knubbelte sich in der Unübersichtlichkeit. Ein idealer Ort für Corona, sozusagen. An der Kasse bezahlte ich meine Einkäufe, bevor es in den nächsten Tagen zu spät sein könnte.

19. März 2020

Die Schließung der Behindertenwerkstatt kam logischerweise und vernünftigerweise. Am späten Vormittag rief die Werkstatt an, dass man sie schließen würde. Gleich brächte der Bus meinen Schwager nach Hause. Logischerweise und vernünftigerweise, da man Behinderte zu den Risikogruppen zählen musste. Wenn auch nur ein Behinderter infiziert worden wäre, dann wäre die Gefahr der Ansteckung gegeben und das Risiko sogleich höher. So ist es sinnvoll, dass die Behinderten entweder zu Hause bei ihren Familien sind oder in den Behindertenwohnheimen. Das letztere wird allerdings organisatorische Probleme mit sich bringen. Zumindest in demjenigen Wohnheim, wo mein Schwager untergebracht war. Dort war nämlich eine Betreuung über die Tagesstunden während der Werktage nicht vorgesehen. Diese wurde von einem anderen Wohnheim der Caritas in unserem Ort wahrgenommen, welches ältere Behinderte nach deren Rentengewährung betreute. Tagsüber muss nun Personal aufgestockt werden, um die Betreuung zu gewährleisten. Doch dies betrifft nicht uns, wie das Behindertenwohnheim all seine Abläufe geregelt bekommt, weil wir uns selbst um den Schwager kümmern.

20. März 2020

Was meine Frau alles unternommen haben wollte. Den ganzen März hat sie Urlaub. Das war Resturlaub, weil sich der geplante Urlaub immer wieder verschoben hatte. Freunde, vielerlei Freunde besuchen, das hatte sie sich vorgenommen. Ganz oben auf der Besuchsliste standen Freunde aus Hamburg, das Hotel war gebucht, die Bahnfahrkarte über das Internet ebenso. Mit Freunden wollte sie sich in Düsseldorf getroffen haben, mit anderen Freunden in Saarbrücken. Der Kalender hatte sich gut mit Terminen gefüllt. Lange Zeit hatte meine Frau gehofft, dass die Treffen zustande kämen. Doch in der letzten Woche kam alles Schlag auf Schlag. Wie sehr in einer Sofortaktion Treffen, Geselligkeit und soziale Kontakte herunter gefahren wurden, das verblüffte uns alle. Dem Handlungsnotstand musste sich meine Frau beugen. Die Termine wurden abgeblasen. Es steht in den Sternen, wann die Treffen nachgeholt werden.

21. März 2020

Es ist gewöhnungsbedürftig. Der normale Gang zum Bäcker wird zum Hindernislauf. Ein großes Schild vor der Eingangstüre gemahnt, zuerst in die Bäckerei hinein zu schauen und dann durch zu zählen. Anscheinend hat das Augenmaß unserer Bäckerei heraus gefunden, dass genau zwei Kunden in den Verkaufsraum hinein passen, damit der Mindestsicherheitsabstand gewährleistet ist. In Zeiten von Corona müssen die Kunden dazu erst einmal sensibilisiert werden. Mindestabstand von 1,50 Meter und Anzahl der Personen. Mich an diese Gegebenheiten anzupassen, damit tat sich die Macht meiner Gewohnheiten schwer. So unübersehbar das Schild vor den Eingang platziert war, um so schwieriger war der Verkaufsraum einsehbar. Da ich die zwei bereits vorhandenen Kunden nicht durch gezählt hatte, stürmte ich in die Bäckerei hinein vor die Verkaufstheke. Schroff wies mich die Verkäuferin ab, ich solle wieder hinaus gehen, als sei ich eine unerwünschte Person. Erst in diesem Moment bemerkte ich, dass wir bereits zu dritt nebeneinander standen. In der Hoffnung, dass ich keinen größeren Schaden angerichtet hatte, begab ich mich wieder hinaus. In gewöhnungsbedürftigen Zeiten müssen so einige Verhaltensweisen überdacht werden.

22. März 2020

Diesmal war es nicht wie bei der Neujahrsansprache unserer Bundeskanzlerin, dass ich weghörte. Ich fühlte mich nicht gelangweilt, als sie nach der Videokonferenz mit den Ministerpräsidenten die neuen, verschärften Maßnahmen verkündete. Ja, den Politikern vertraue ich, dass sie die richtigen Entscheidungen und Maßnahmen treffen. Was bleibt auch anderes übrig ? Niemand will Verhältnisse wie in Italien, die Wachstumsraten sind bedrohlich, die Infektionen wie in dem Pflegeheim in Würzburg waren schrecklich, und dennoch halten die Verantwortlichen den Glauben aufrecht, dass die Mediziner die Situation im Griff haben. Dass es einmal so etwas wie Ausgangsbeschränkungen geben würde, wer hätte das für möglich gehalten ? Wir alle sind schockiert und fühlen uns wie in einem Gefängnis eingesperrt, obschon wir zum Einkaufen und wenigen anderen Aktivitäten an die frische Luft dürfen. Der Appell des Staatsoberhauptes von ganz oben verhallte nicht ungehört. Der Appell richtete sich an eine Nation und ein Volk, das virtuell ganz eng zusammen gestanden haben dürfte. Krisenzeiten erfordern Maßnahmen ganz anderer Tragweite.

23. März 2020

Corona-Zeiten – Zeit für Gartenarbeit. Im Home Office läßt sich die Zeit ganz anders organisieren. Private und dienstliche Aktivitäten vermengen sich, sie lassen sich über den Tagesablauf strecken. Und bezogen auf die Zeitpunkte, wann was erledigt wird, lassen sich die Dinge auch optimieren. So die Gartenarbeit. Gestern am Spätnachmittag, nach dem Home Office, war es mir im Garten zu kalt. Der kalte Wind pfiff um die Ohren, die Finger waren klamm, dem Pullover gelang es nicht, gegen die erstarrende Kälte zu wärmen. Heute haben wir nun unsere Aktivitäten im Garten in den frühen Nachmittag verlagert. Das Hochbeet in der Sechsergruppe haben wir hergerichtet, die Erde heraus geholt, es befüllt mit Kleingehäckseltem, die Erde wieder zurück aufgeschichtet, Kopfsalat haben wir gepflanzt. Einige Hochbeete haben wir noch vor uns, und Stück für Stück, Tag für Tag, wollen wir die übrigen herrichten voller Kopfsalat, Kohlrabi, Tomaten und was sonst noch lecker aus dem eigenen Garten schmeckt.

24. März 2020

Überall Stillstand, allenthalben Tristesse. Wer hätte in diesen Tagen Lust aufs Reisen ? Die Reisebüros haben sich ohnehin dem Zwang des Ausnahmezustandes anschließen müssen. Bis auf ganz wenige Ausnahmen sind alle Geschäfte dicht, verriegelt und für Kunden verschlossen, so manche Geschäftsinhaber werden früher oder später vor dem Ruin stehen. Wo in anderen Jahren zu dieser Zeit fleißig Reisen nach Mallorca, auf die Kanarischen Inseln oder an die Strände des Mittelmeers gebucht werden, hat sich das Reisebüro ein Stück Galgenhumor bewahrt. „Bleiben Sie gesund und später wieder reiselustig“, mit diesen Worten haben sich die Geschäftsinhaber noch nicht vollständig aufgegeben. Es gibt ein Leben nach Corona. Diesen Zustand des Nicht-mehr-Eingesperrt-Seins und der Normalität sehnen wir alle herbei.

25. März 2020

Nun sind wir außer unserem Home Office nicht nur zu Hause von Corona betroffen. Unsere Tochter hat in Freiburg das Corona-Virus erwischt – indirekt. Seit kurzem ist sie zu ihrem Freund gezogen, außerdem hatte sie die Zusage eines Lehrstuhls an der Freiburger Universitätsklinik für ihre Doktor-Arbeit. Ihr Freund, der an einer Autobahnraststätte arbeitet, hat nun Kurzarbeit. Und am Lehrstuhl für pädiatrische Genetik, wo sie ihre Doktor-Arbeit schreiben wollte, hat das Corona-Virus zugeschlagen. Eine Leiterin und mehrere Mitarbeiter sind infiziert, so dass sie in häusliche Quarantäne geschickt worden sind. Unsere Tochter muss nun warten, bis all die Mitarbeiter wieder gesund sind, damit jemand sie für ihre Doktor-Arbeit betreuen kann. Im Moment heißt es warten, abwarten und in Lauerstellung liegen.

26. März 2020

Dauernd in Bewegung ohne Pausen – am frühen Abend war ich wie gelähmt, mich irgend wie noch weiter zu bewegen. Home Office zu Hause: heute haben sich die Arbeit und die Aktivitäten zu Hause so sehr vermischt, dass ich ständig zu tun hatte. Das hörte nicht auf, Ich kam nicht zur Ruhe, eine Tätigkeit ging übergangslos in die nächste über. Die Dinge unmittelbar nacheinander abzuarbeiten, strengte an. Arbeit, Einkäufe, Mithelfen, Garten, Abendessen, Zusatzarbeiten. Vor dem Mittagessen kehrte meine Frau von der Einkäufen zurück, die wir es im Flur nicht schafften wegzuräumen. Nach dem Mittagessen fehlte die Zeit zum Kaffeetrinken, so dass ich im direkten Anschluss spülte, um pünktlich um 14 Uhr in der Telefonkonferenz zu sein. Bis 16 Uhr machte ich Home Office, und dann richteten wir ein Hochbeet im Garten her. Erde ausschaufeln, wieder befüllen mit Kleingehäckseltem, etwas Kompost, Blumenerde und der ausgeschaufelten Erde. Danach schauten wir bei Netto nach Blumenerde und erledigten nebenher ein paar Einkäufe. Danach sägten wir im Haus des verstorbenen Schwiegervaters ein Stück Hecke ab. Im Garten häuften sich die abgesägten Heckenteile an. Als wir nach Hause zurückkehrten, war es schon reichlich spät, die ganzen Einkäufe standen noch im Flur herum, meine Frau bereitete das Abendessen vor. Währenddessen begab ich mich in den Garten, um Äste, Geäst, Gestrüpp kleinzuschneiden. Weil ich ständig in Bewegung war und weil Home Office und die Arbeiten zu Hause sich zusammen häuften, musste ich mir nach dem Abendessen eine Auszeit nehmen. Die Tagesschau schauen und dabei eine Flasche Fassbrause trinken. Das war die erste wirkliche Pause an diesem Tag. Ich war platt und mühte mich ab, die nachfolgenden Tätigkeiten zu erledigen. Spülen, Katzentoilette sauber machen, all die Einkäufe wegräumen – und so weiter.

27. März 2020

Geht man derzeit durch die Supermärkte, so mag man nur bedingt glauben, was die Politiker hierzulande predigen. Unsere Versorgung sei sicher, so heißt es allenthalben, darum brauchen wir uns überhaupt nicht zu sorgen. Dass das Klopapier in den Regalen fehlt, darüber lachen wir mittlerweile. Wieso ein solcher Mythos gerade um das Klopapier entbrannt ist, dafür gibt es vom Prinzip her keine logische Erklärung. Die Logistik funktioniere reibungslos, trotz der Widrigkeiten von Grenzen und der allgemeinen Widrigkeiten von LKW-Fahrern. Sorge macht dann schon, dass es außer beim Klopapier weitere Lieferengpässe in Supermärkten gibt. Hefe ist nirgendwo zu haben, es ist schwer, an Mehl heran zu kommen. Speiseöl ist ausverkauft, Salz ebenso, die Nudeln gehen zur Neige. Das ist eine Abwärtsspirale von Hamsterkäufen. Selbst sind wir längst zu Hamsterkäufern geworden, weil wir befürchten, man könne an Mehl, Speiseöl, Salz oder Nudeln nicht mehr herankommen. Ist unsere Versorgung wirklich sicher ? Uns bleibt nichts anderes übrig, als unseren Politikern einstweilen zu vertrauen.

28. März 2020

Etwas zynisch eröffnete Steffi Neu in ihrer WDR2-Show den Morgen. Im Autoradio, auf dem Weg zu den Getränke-Einkäufen bei REWE, fragte sie ihre Radiohörer, wie sie mit all den Einschränkungen von Corona ihr Wochenende verbringen wollten. Steffi Neu erzählte all die Unannehmlichkeiten von Corona vor sich hin, wie etwa Absagen eines runden Geburtstages oder den Besuch von Oma und Opa mit den Kindern, wenn sie ihnen nur von der Ferne aus zuwinken durften. Angereichert von all diesem Zynismus, arbeitete ich bei REWE die Getränke-Einkäufe ab, wobei verschiedene Weine aus dem Angebot herausgenommen wurden und für den halben Preis angeboten wurden. Ich kaufte Weine vom Bodensee, vom Kaiserstuhl und einen süffigen Rotwein aus Portugal, der am Abend, sozusagen als Antithese zu all den Corona-Einschränkungen, sehr lecker schmeckte. Die Lichtblicke des Tages leuchten dürftig, wenn alle schön zu Hause bleiben sollen, was unter anderem unsere Bundeskanzlerin als Handlungsvorgabe beschreibt. So verlaufen dann auch die Getränkeeinkäufe entlang eines Suchpfades, Abwechslungen aufzuspüren, die Erlebnisarmut anzureichern und selbst in den kleinsten Dingen Variationen zu entdecken. So kam mir auf der Rückfahrt die Idee, einen kurzen Abstecher auf der Panzerstraße zum Rhein zu machen. Am Rhein sah alles ganz normal aus. Die Natur war im Lauf des Frühlings aufgesprossen. Der Rhein floss gemächlich in seinem Flussbett. Ein paar Schiffe vermisste ich, denn der Schiffsverkehr war ansonsten lebhafter. In Wesseling hatte die petrochemische Industrie nicht aufgehört zu produzieren, denn die Dampfwolken entwichen begierig aus den Kühltürmen. Der Shut-down hatte sich in diesem Umkreis nicht durchgesetzt. Die Wirtschaftskreisläufe funktionierten noch, bis zur Vollständigkeit war das Alltagsleben nicht heruntergefahren worden. Andere taten es mir gleich: sie spazierten alleine am Rheinufer vorbei, atmeten den Hauch der Natur ein und suchten dem totalen Shut-down zu entkommen. Als unser Auto sich auf den Rückweg nach Hause machte, sandte das Autoradio abermals Botschaften aus. Es galt eine Promienten zu erraten, die in einer totalen ländlichen Verlassenheit im Bergischen Land bei Overath lebte. Von Corona würde sich fast nichts merken. Sie sei viel in der Natur unterwegs, vor allem mit ihren Hunden. An den ausgiebigen Spaziergängen mit den Hunden würde Corona sie nicht hindern, sie arbeitete viel am Schreibtisch zu Hause. Ab und zu kaufte sie ihre tägliche Bedarfe, und darüber hinaus verbrachte sie auch ohne Corona viel Zeit in Haus und Garten mit ihrem Ehemann. Was machte da den Unterschied ? Das war eine ungewöhnliche und neue Perspektive, die mich überraschte.

29. März 2020

Die Suche nach einem Stück Normalität am Sonntagnachmittag. Für die Dauer eines Spaziergangs wollten wir uns aus unserem Gefängnis zu Hause heraus wagen. Ein Spaziergang auf der Insel Grafenwerth in Bad Honnef, der über die tägliche Fahrt zum Bäcker und den wiederkehrenden Einkäufen hinaus ging. Der Nordostwind fegte ruppig ins Gesicht, in den spärlichen Regentropfen glaubte ich die eine oder andere Schneeflocke zu erkennen, und meinem Schal verdankte ich, dass ich in der Hals- und Bauchgegend nicht fror. Trotz der widrigen äußeren Bedingungen war so mancher Spaziergänger unterwegs. Die Insel mit ihrer parkähnlichen Gestaltung wirkte durchaus belebt, dabei nahmen die Spaziergänger schön Abstand voneinander. Der Biergarten war nicht wegen Corona geschlossen, sondern versperrt durch Bagger und einen Bauzaun. Auf der 1912 erbauten Brücke zur Insel hielt ich an, um den Aalschokker ins Visier zu nehmen, in dessen Hintergrund sich der Drachenfels mit dem Siebengebirge zu einer malerischen Kulisse aufbaute. Ganz schön viel Fleiß, Liebe und Arbeit mussten investiert werden, bis das Fischereiboot, das 1917 vom Stapel gelassen wurde, 1989 sich der Öffentlichkeit wieder präsentieren konnte. Da der Aal nachts aktiv ist, musste der Aalschokker abends in seine Fangposition gebracht werden. Von einem anderen Schiff musste er geschleppt werden, da er keinen eigenen Motor besaß. Über Nacht wurde der Fisch gefangen. Dabei wurde alles gefangen, was ins Netz ging, außer Aal waren es Zander, Barsch oder Karpfen. In guten Nächten füllten sich 80 Körbe, das waren rund vier Tonnen Fisch. Die Segel herunter gelassen, verharrte der Aalschokker bei dem schneidenden Wind in einer Art von Schockstarre. In 1960er-Jahren kam der Fischfang im Rhein mit all den Abwässern aus der Industrie zum Erliegen, und der Aalschokker hatte ausgedient. Als wir unseren Spaziergang beendeten, hatten wir ein Stück Normalität wieder gewonnen.

30. März 2020

Ist es Verzweiflung, Galgenhumor oder eine verrückte Marketingstrategie ? In Zeiten von Corona brechen die Umsätze weg, die Gastronomie ringt um jeden Kunden. Und da ist jedes Werbemittel Recht, um die paar wenigen Kunden anzuziehen. Wegen Corona darf die „Burgermeisterei“ an der Insel Grafenwerth in Bad Honnef nur noch Speisen zum Mitnehmen anbieten. Jetzt muss die Biermarke Corona herhalten, um die Anziehungskraft auf die Kunden zu erhöhen. Aber wird das Branding „Corona“ von den Kunden angenommen oder stößt dieses sogar ab ? Neben Burgern oder Currywurst mit Fritten sind die Getränke zum Mitnehmen, darunter die Biermarke „Corona“ aus Mexiko, die dort die größten Marktanteile innehat. „Hier gibt’s Corona to go“, so sucht die „Burgermeisterei“ ihre Kunden anzulocken. Wer das Bier mag, soll gerne bei einer Pulle Corona seinen Burger genießen. Bei all den Ängsten, Horrorszenarien, Todeszahlen, Existenznöten und unabsehbaren wirtschaftlichen Folgen, die das Virus Corona verbreitet, würde mir allerdings der Appetit dabei vergehen.

31. März 2020

Letzter Märztag und knackiger Frost – wer hätte das für möglich gehalten ? Über den ganzen Winter hatten wir kein Winterwetter, und nun, nachdem längst der Frühling den Winter abgelöst hat, hat der Frost zugeschlagen. Bis an die minus 8 Grad war es in NRW, und bei uns waren es immerhin die minus zwei oder minus drei. Am Auto hieß es, Scheiben frei kratzen, bevor ich zum Bäcker fuhr. Über den ganzen Winter hatte ich mir sparen können, unser Auto über die Nacht in die Garage zu fahren. Das war in der letzten Nacht anders, nachdem es am Abend zuvor noch geregnet hatte. Danach war der Himmel aufgerissen, in der Nacht war es aufgeklart, am Morgen hatte eine dicke Schicht von Reif unser Auto überzogen. Der Frost war fatal für unsere im Baumarkt gekauften Tomaten. Mit den Lobelien hatten wir sie in ein Gewächshaus getan, das mit einer Plastikfolie abgedeckt war. Diesen Frost hatten die Lobelien und die Tomaten nicht überstanden, sie waren erfroren. Was meine Frau neu bekommen konnte, musste sie heute im Baumarkt neu besorgen.

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