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Tagebuch November 2019

1. November 2019

Was anfangen an solch einem verregneten Tag ? Der Dauerregen vermieste uns so sehr den Tag, dass wir nicht einmal Lust verspürten, unseren gewohnten Gang an Allerheiligen zum Friedhof zu absolvieren. Anstatt dessen regte sich nachmittags eine ganz andere Lust, nämlich auf Kuchen. Dazu bestätigte uns das Internet, dass das Café Alexandra im Nachbarort an diesem Feiertag geöffnet war. Im Café Kuchen essen, eine sinnvolle und höchst ausfüllende Aktivität, wozu ich meinen Schwager aus dem Behindertenwohnheim mitnahm. So manch andere hatten dieselben Gedankengänge, denn das Café Alexandra war gut besucht, aber nicht rappelvoll. Unter dem silbrigen Spiegel und der Attrappe eines Kamins machten wir es uns gemütlich. Die blanke dunkelbraune Tischplatte schimmerte matt, die Kombination von Alt und Neu hatte Stil, draußen plätscherte leise der Regen, an der Kuchentheke wählten wir zwei Stücke Schwarzwälder Kirsch-Torte, und wir sogen die familiäre Atmosphäre auf, bei der jüngere und ältere Generationen beim Kuchenessen zusammen saßen. Mein Schwager konnte seine Freude nicht verbergen, da das Behindertenwohnheim Sonntags oder an Feiertagen grundsätzlich keinen Kuchen anbot. Manchmal wurden Plätzchen zum Nachmittagskaffee gereicht - aber nur in einer begrenzten Menge, so dass sich nicht jeder soviel nehmen konnte, wie er wollte. Bei Kaffee und Kuchen entspannten wir uns, und wir waren froh, für eine Weile dem Regenwetter und den vier Wänden im unserem Haus entkommen zu sein.

2. November 2019

Fährrechte gehörten im Mittelalter zu den wohl gehüteten Stadtrechten. Noch bevor der Kölner Erzbischof Konrad von Hochstaden 1243 der Stadt Bonn die vollständigen Stadtrechte verlieh, hatten sich bereits zwei Jahrhunderte vorher die Fährrechte etabliert, als der römisch-deutsche Kaiser Otto I. dem damaligen Erzbischof Bruno diese Rechte zugestand. Im Laufe des Mittelalters entwickelte sich dieses Recht in Form des sogenannten „Fährgerechtsamen“ dergestalt, dass 20 Fährleuten zwischen Köln und Bonn dieses Recht zur Erhebung von Gebühren für die Übersetzung von Personen, Gütern oder Fahrzeugen mit einer Fähre über den Rhein innehatten. Dieses gewerbliche Recht zum Betrieb der Fähre vererbten dann die Familien innerhalb ihrer Generationen weiter. Diese Fährrechte überlebten sogar über die geschichtlichen Epochen hinweg. Die Geschichte der Rheinnixe, die zwischen dem Stadtteil Beuel und dem Rheinufer an der Universitätsbibliothek verkehrt, läßt sich nicht lückenlos über alle geschichtlichen Epochen verfolgen, aber über ein paar Eckdaten. Mittelalterliche Dokumente nennen vier Stellen, wo seiner Zeit im Stadtgebiet Fähren über den Rhein verkehrten. Die „Rheinnixe“ ist seit 1931 im Familienbetrieb, wenngleich mit gewissen zeitlichen Unterbrechungen. Dabei unterliegt der Betrieb der Fähre weiterhin dem mittelalterlichen Recht des „Fährgerechtsamen“, dass dieses Recht nur an die Nachkommen vererbt werden kann. Zuletzt war dies im Jahr 2016 der Fall, als das Ehepaar mit dem sehr rheinisch klingenden Namen Schmitz nach 50-jährigem Fährbetrieb die Fährrechte an ihre Kinder übergeben hatte. Zurzeit verkehrt die Fähre nicht, aber im nächsten Frühjahr soll der Fährbetrieb fortgesetzt werden.

3. November 2019

Die Geschichte der heutigen Tages ist schnell und im Grunde genommen ereignislos erzählt. Zu Beginn des Tages hatte ich noch die Hoffnung, es zu der Aktion „Bonn leuchtet“ zu schaffen, doch daraus wurde im Endeffekt nichts. Zu vieles war zu erledigen, der Sonntag füllte sich mit der Abarbeitung von mehr oder weniger unaufschiebbaren Dingen. Nach dem Frühstück suchten wir Zeugnisse, die wir am nächsten Tag für einen eventuellen Schulwechsel unserer Tochter benötigten. Nach der Suche, die nicht ganz erfolgreich war, zerlegte ich den Schlafzimmerschrank im Haus des verstorbenen Schwiegervaters. Dieser hatte den Elektrikern, die Wände aufgestemmt hatten und fleißig Kabel verlegt hatten, mitten im Weg gestanden. Von einem Tag auf den anderen war es im Schlafzimmer notwendig geworden, das mit allerlei Hausrat voll gestellte Zimmer räumen zu müssen. Den Kleiderschrank im Schlafzimmer hatte meine Frau nicht mehr geschafft, so dass die Elektriker diesen mehr oder weniger notdürftig in die Mitte des Zimmers platziert hatten, um irgendwie arbeiten zu können. Die Zubereitung des Mittagessen dauerte indes – meine Frau hatte Wildschweingulasch gekocht, der zwei Stunden garen musste. Die Zwischenzeit nutzte ich zum Spülen, außerdem machte ich Fotos von einzelnen Stücken unseres überquellenden Hausrats, um diese in Ebay-Kleinanzeigen zu stellen. Nach dem Mittagessen befasste ich mich mit dem zweiten Rollator des verstorbenen Schwiegervaters, den ein Käufer am nächsten Tag abholen wollte. Zu uns herüber gebracht, säuberte ich ihn an allen Ecken und Enden, was eine relativ aufwändige Aktion war, da er im Haus des verstorbenen Schwiegervaters nach diversen Abrissarbeiten vollkommen voll gestaubt war. Danach entwickelte sich zu einer unerwartet aufwändigen Aktion, dass wir die letzten drei Realschulzeugnisse unserer Tochter finden mussten. Wir hatten uns selbst das Leben schwer gemacht, indem wir die Zeugnisse in zwei unterschiedliche Ordner abgeheftet hatten. Das letzte Zeugnis, das sich zuletzt in einer gelben Mappe befunden hatte, wurde zum Problem, da die gelbe Mappe wie vom Boden verschluckt war. Danach schaute ich in Ebay-Kleinanzeigen, wo ich die Reaktionen auf die veröffentlichten Anzeigen kontrollierte und drei weitere Anzeigen aufgab. Die Zeit strich so schnell vorbei, dass wir es nicht nach Bonn zu der Stadterleuchtungsaktion schafften. Ohne irgendwelche Anflüge von Begeisterung, Emotionen oder Höhepunkte war der Tag vorbei geflogen.

4. November 2019

Die Ereignisse überschlugen sich so sehr, dass wir der Fülle von Terminen, Ereignissen und Erledigungen noch steigern konnten und einen Schulwechsel unserer Tochter im Visier hatten. Die Schulleiterin unserer Realschule, eine sehr freundliche und regsame Zeitgenossin, hatte ihre Mithilfe angeboten, die in Frage kommenden Schulen zu kontaktieren. Daraufhin hatte sich die Realschule in Bonn-Beuel gemeldet, dass sie unsere Tochter aufnehmen könne. Um unsere Tochter vorzustellen, hatten wir mit dem Schulleiter einen Termin vereinbart. Er hatte Verständnis für die Situation des Mobbings, der Ausgrenzung und der Sticheleien bei unserer Tochter, und er zeigte sich bereit, unsere Tochter in seine Realschule aufnehmen zu wollen. Mehrfach gebrauchte er den Begriff des „Reset“ gegenüber unserer Tochter, die sich reichlich still verhielt. Einen Neubeginn wagen, neu bei Null anfangen. Wahrscheinlich konnte unsere Tochter all die Eindrücke in seinem Büro, das überaus chaotisch und an alle Ecken mit Akten vollgestopft war, nicht verarbeiten, denn sie war sehr schweigsam. Auch der erste Eindruck in den Fluren des Sekretariates und der Blick ins Lehrerzimmer war bei weitem nicht so geordnet und sortiert wie in der jetzigen Realschule. Das störte uns wenig, da uns in unserem Haus – allerdings aus anderen Gründen – ebenso jede Menge Chaos umgab. Genauso passte dieser Stil zum Kinderzimmer unserer Tochter, wo vielerlei Dingen einfach mal so mitten im Zimmer herum flogen. Der Schulleiter, der schwergewichtig und überaus beleibt war, aber mit seinem Anzug korrekt gekleidet war, war überaus nett und wir hofften, dass der nette zwischenmenschliche Eindruck in der noch zu bestimmenden Klasse unserer Tochter sich fortsetzen würde.

5. November 2019

Das war das erste Mal in unserem Leben, dass wir die Beratung durch einen Rechtsanwalt in Anspruch genommen hatten. Ansonsten waren wir auch ohne Rechtsschutzversicherung mit allerlei juristischen Fallstricken klar gekommen. Trotz unseres juristischen Halbwissens hatten wir es mit Rechtsanwälten aufgenommen, wir hatten ihnen die Stirn bieten können und hatten für uns tragbare Kompromisse herausgearbeitet. Doch dieser Fall war einige Nummern zu groß für uns. Die Erbauseinandersetzung, der sperrige und unbequeme Ergänzungsbetreuer, Heuschrecken, die sich auf den noch auszuzahlenden Erbanteil stürzen wollten, dazu Lücken im Gesetz, die mir jedweden juristischen Durchblick abhandenkommen ließen. In diesem Haifischbecken, wo gleich mehrere Beteiligte auf den noch auszuzahlenden Erbteil schielten, brauchten wir Unterstützung, um gegen all diese Haifische die nächsten Schritte zu planen. So hatte ich im Internet einen Spezialisten für Betreuungsangelegenheiten und Erbrecht ausfindig gemacht, und so war der Beratungstermin mit einem Rechtsanwalt zustande gekommen. Bei der Beratung stutzten wir über das mittlere vierstellige Honorar, das er aufgrund des Gegenstandswertes berechnet hatte. Ob wir dieses Honorar auch zu zahlen bereit waren, überlegten wir nur kurz, da wir sicher waren, dass ganz andere Größenordnungen auf uns zukommen würden, wenn uns diese Haifische im weiteren Verlauf der Erbauseinandersetzung über den Tisch ziehen würden. Vielleicht war es auch nur ein Nullsummenspiel, das die Forderungen des einen Rechtsanwaltes auf den anderen Rechtsanwalt verschob. Wir konnten uns aber nun sicher sein, auf der guten und nicht auf der bösen Seite zu stehen. All dies gab uns ein Gefühl der Sicherheit, die Erbauseinandersetzung durch zu stehen, dabei fremden Akteuren nicht schutzlos ausgeliefert zu sein und diese so zu gestalten, wie wir es haben wollten.

6. November 2019

Gemeinsam mit meinem Schwager erlebten wir einen wunderschönen Abend mit Ben Zucker. Trotz der widrigen Umstände, dass unser VW Golf nicht ansprang, gelang es uns mithilfe eines Bekannten, der den Zündvorgang mithilfe eines Fremdstartkabels ermöglichte, pünktlich zum Konzert in der Kölner Lanxess-Arena zu sein. Ben Zucker hatte ich in die Schlagerecke einsortiert, da er mit Helene Fischer gemeinsam Konzerte gegeben hatte. Gleich das erste Stück, das Ben Zucker sang, hatte ganz und gar nichts mit deutschen Schlagern zu tun. Das Gitarrenspiel, das zwei Sologitarristen und ein Bassist erzeugte, wogte scharf hin und her. Mit seiner einhämmernden Stimme war dies reine Rockmusik, die bebte. Überhaupt tummelten sich viele Musiker auf der Bühne, die neben dem Schlagzeuger auch von einer weiteren Sängerin und einem Sänger belebt wurde. Im Verlauf des Konzertes schlug Ben Zucker auch weichere Töne an, die stets von seiner harten und rauchenden Stimme übertönt wurde. Seine Stücke bewegten sich aber niemals in Gesangsrichtungen, die mit Helene Fischer verband. Helene Fischer war es gewesen, womit sich der Name von Ben Zucker verband, als ich diesen zum ersten Mal gehört hatte. Mit Helene Fischer hatte er gemeinsame Konzerte gegeben, was ich mir beim besten Willen nicht vorstellen konnte, dazu war der Stil der beiden viel zu gegensätzlich. Ben Zucker verwandelte sich vom harten Rock in samtweiche Balladen, wovon das Publikum vieles auswendig kannte und mitsang. Mir gefiel alles, was er sang, wenngleich ich nichts davon kannte, und seinen Gesang prägte diese derbe, rauchige Stimme, die Köln so richtig abrocken ließ und einen geilen Abend bescherte. So hatten es seine Worte jedenfalls nach dem ersten Stück versprochen. In seinen Stücken erinnerte er an seine Mutter, die einiges mit ihm als Kind mitgemacht haben musste. In einem anderen Stück trat seine Schwester gemeinsam mit ihm auf. Wohnsilos in Form von Hochhäusern flackerten auf der Großleinwand auf, als er sein Berlin besang. Das waren Eindrücke von Ost-Berlin, wo er als Kind aufgewachsen war, bevor die Mauer fiel. Schließlich driftete er dann doch in das Medium des deutschen Schlagers an, als er sich mit all seinen Musikern auf ein Podium mitten in das Publikum hinein begab. Er sang die Refrains von Schlagern wie „Marmor Stein und Eisen bricht“ oder „Ein Bett in Kornfeld“, bis er dann doch Helene Fischer in diesen Medley einbaute. Atemlos ging es durch die Nacht, und trotz all meiner Abneigungen gegen deutsche Schlager konnte ich nicht verhehlen, dass die Aneinanderreihung nicht schlecht gemacht war. Nach einem Auftritt von etwas mehr als zwei Stunden waren wir beide begeistert.

7. November 2019

Wie schonungslos die Verantwortlichen mit historischer Bausubstanz und historischem Erbe in unserem Ort umgehen, dass kann man derzeit in unserem Ortskern verfolgen. Wie an so manchen anderen Stellen in unserem Ort, herrscht alleine das kapitalistische Diktat, dass sich bauliche Planungen am Kalkül der Wirtschaftlichkeit zu orientieren haben. Diesem Kalkül sind etliche Gebäude in unserem Ort zum Opfer gefallen, indem sie abgerissen werden anstelle dass die historische Bausubstanz erhalten wird. Die rechte Gebäudefront des einst stolzen Gebäudes steht noch, darunter türmen sich Schuttberge von abgerissenen Wänden und Mauerziegeln. An die Ruine des Abrisses grenzt direkt ein Neubau im Einheitsstil ohne jegliche Ornamente und ohne jegliche Elemente der Verzierung. Die Hinterlassenschaften tun weh, die ein Bagger und die Abrissbirne in einem stattlichen Gebäude aus der Kaiserzeit verwüstet haben. Das altehrwürdige Gemäuer mit der Jahreszahl 1914 über dem Eingang hatte damals als Kloster für die barmherzigen Schwestern von der heiligen Elisabeth als Nähstube, Altenheim und Kindergarten gedient. Seit 1996 betreibt dort die Caritas ein Wohnheim für Menschen mit Behinderung, auch Haus Hildegard genannt. Mit den baulichen Anforderungen an Aufzüge, rollstuhlgerechte Zimmer und behindertengerechte Bäder waren die Verantwortlichen machtlos gegen das Kostenkalkül. Der Aufwand, den Umbau in dem vorhandenen Baukörper zu realisieren und den stolzen Bau aus der Kaiserzeit zu retten, wäre in astronomische Größenordnungen gestiegen.

8. November 2019

Am eigenen Leib haben wir erfahren, aus welchen unsinnigen Ecken der Staat seine Vorschriften heraus zückt und dem Bürger aufzwingt. Der Staat demonstriert seine Macht, indem ein Widerspruch zwecklos ist und der Bürger sich mit diesem bürokratischen Monstrum des Staates abzufinden hat. Wer eine Erbauseinandersetzung führt, der muss den Wert der Immobilie durch ein Gutachten belegen. Genau diesen Fall hatten mit dem Amtsgericht abzuarbeiten. Aber dies darf nicht irgendein Gutachten sein, sondern der Gutachter muss öffentlich bestellt und vor der Industrie- und Handelskammer vereidigt sein. Alle anderen Gutachter, die dasselbe Know-how haben und welche ein Wertgutachten über eine Immobilie nach genau derselben Methodik erstellen, haben aus Sicht des Amtsgerichtes keine Ahnung. Deren Gutachten wird in die Tonne gekloppt und keines einzigen Blickes gewürdigt. Für gleich mehrere Gutachten, welche das Amtsgericht in die Tonne gekloppt hatte, hatten wir eine nicht unerhebliche Summe in Euros ausgegeben, bis wir endlich den gewünschten öffentlich bestellten und vereidigten Gutachter beauftragt hatten. Aber es sind nicht nur solche Fälle, die den Bürger zweifeln lassen an der Sinnhaftigkeit des Rechtsstaates. In den Behörden hängen die Aktenschränke voll mit Gesetzen, Verordnungen, Gerichtsentscheidungen, Erlassen, Richtlinien, Handlungsanweisungen, Ausführungsbestimmungen und vieles mehr, was gerne gegen den Bürger gewendet wird, um ihm Leistungen des Staates zu verwehren anstatt dass er an der Rolle des Staates, für das Gemeinwohl seiner Bürger zu sorgen, partizipiert. Weitere Erfahrungen haben wir zu den OGS-Beiträgen mit dem Jugendamt gesammelt, wo aufgrund von widersprüchlichen Vorschriften die letzten Euros heraus gequetscht werden. Gerade im Bereich des öffentlichen Rechtes leidet unser Rechtsstaat an Glaubwürdigkeit, weil der Staat glatt einhundert Jahre zurückfällt in die Zeit des Kaiserreiches, indem der Bürger als Bittsteller behandelt wird und misstrauisch beäugt wird, weil er als potenzieller Betrüger eingestuft wird. Diese Krise des Rechtsstaates hat nicht nur das öffentliche Recht, sondern auch andere Rechtsbereiche erfasst. Krankenkassen, die essentielle Leistungen ablehnen, Abmahnungen, auf denen ganze Geschäftsmodelle aufbauen, Abzocke über das Internet, wogegen man mit Rechtsmitteln wehrlos ist, Kündigungen im Mietrecht, weil der Gesetzgeber unvorstellbare Freiräume für den Eigenbedarf zugesteht, Kleingedrucktes, deren Fülle kein Mensch begreifen kann, dessen Folgen aber fatal sein können. In diesem Umfeld greift nun das Justizministerium zu einem ganz platten Instrument. Eine Werbekampagne soll das Image unseres Rechtsstaates wieder aufpeppen. „Wir sind Rechtsstaat“, dies beschwören die Plakate, dass unser Rechtsstaat diskussionsfähig ist und Antworten bereithält. Eine Diskussionsfähigkeit, die es vor Ort in Baubehörden, Sozialämtern, Versorgungsämtern oder Amtsgerichten sicherlich nie geben wird, weil alles von oben durch Gesetze, Verordnungen, Gerichtsentscheidungen geregelt ist. Obschon die Justiz als Institution in unserer Demokratie berechtigterweise fest verankert ist, driftet diese Kampagne an den Fakten vorbei. Man könnte die Kampagne auch so interpretieren, dass der Staat erkannt hat, dass der Sinn und der Inhalt unseres Rechtsstaates abhanden gekommen sind. Durch Propaganda soll nun das Volk in die Richtung gelenkt werden, dass es anderswo nichts besseres gibt als denjenigen Rechtsstaat, wie wir ihn in der Bundesrepublik Deutschland haben.

9. November 2019

Nichts ist beständiger als der Wandel. Diese Weisheit, die mal dem griechischen Philosophen Heraklit, mal dem Engländer Charles Darwin zugeschrieben wird, beschreibt ganz treffend das Kommen und Gehen in den Geschäftslokalen in der Fußgängerzone, die Aufstieg und Niedergang dokumentieren. Schnelllebig fließen die sich ändernden Kundenwünsche dahin, die mit ihren Einkaufsgewohnheiten Aufstieg und Niedergang besiegeln. Der Niedergang hat in diesem Jahr ein ganz prominentes Opfer erwischt. Mehr als einhundert Jahre lang verkaufte die Spielwaren-Kette Puppenkönig in ihrem über drei Etagen verteilten Geschäft Spielwaren. Mit dem Puppenkönig sind unsere Kinder groß geworden. Nach dem Namen der Spielwaren-Kette waren es häufig Puppen, die wir für unsere Töchter gekauft hatten, aber auch Spiele, Holzspielzeug, Bilderbücher oder Legos. Ausgiebig hatten wir in der Vorweihnachtszeit hatten wir uns ausgiebig die Eisenbahn im Schaufenster angeschaut. Eine Institution wird von der Bildfläche verschwinden, die unser Familienleben maßgeblich geprägt hat.

10. November 2019

Der Sonntag, ein Tag des Papierkriegs, der Bürokratie und der Formulare. Wir hatten vor uns hergeschoben, dass mit dem Bundesteilhabegesetz die Zahlungsmodalitäten für alle Leistungen zum Jahreswechsel am 1.1.2020 umgestellt werden, wenn Behinderten in Wohnheimen untergebracht sind. Dazu mussten wir in diesem Jahr die nötigen Anträge stellen. Dieser Fall der Zahlungsumstellung war bei uns ganz besonders gelagert, da der Schwager in das Haus des verstorbenen Schwiegervaters umziehen sollte. Mit dem Umzug war gleichzeitig der Komplex der Erbauseinandersetzung zu lösen, wobei die Vermögenslage nach der Erbauseinandersetzung unklar war. Formulare waren auszufüllen an die Rentenversicherung mit der geänderten Zahlung an den Schwager, ebenso beantragten wir existenzsichernde Leistungen, deren Bewilligung wegen des vorhandenen Vermögens sehr wahrscheinlich abgelehnt würde. Eine Ablehnung erwarteten wir genauso bei der Weiterzahlung von Wohngeld. Im Verlauf des Sonntags nahm der Papierkrieg kein Ende, als wir unterschiedliche Aktenordner wegen IBANs, Rentenversicherungsnummern, Wohngeldbescheiden oder der vorhandenen Kennzeichen im Schwerbehindertenausweis wälzen mussten. Des weiteren beantragten wir bei der Krankenkasse die Umstellung der Zahlung des Pflegegeldes auf das Girokonto des Schwagers. Sehr viele Anlagen mussten wir dem Antrag auf Befreiung von der Zuzahlung von Medikamenten hinzufügen, wozu die Krankenkasse die aktuellen Einkommensnachweise benötigte. Den Wohnheimplatz im Behindertenwohnheim zum Jahresende zu kündigen, das schafften wir nicht. Wir hatten einen Entwurf begonnen, der in den sehr späten Abendstunden noch unvollständig war. Vervollständigt und sauber formuliert, verschickten wir die Kündigung erst am Folgetag über unseren E-Mail-Account.

11. November 2019

Wie sich die Dinge anders entwickeln können. Den anvisierten Schulwechsel unserer Tochter werden wir nicht durchführen. Als sie sich in ihrer Schulklasse verabschieden wollte, bedauerten dies mehrere Mitschüler. Sie bedauerten dies so sehr, dass drei Mitschüler sie nach dem Unterricht bei uns zu Hause aufsuchten und sie überredeten, auf der Schule zu bleiben. Im Gespräch mit den Mitschülern wurde offensichtlich, dass ihnen der Leidensdruck unserer Tochter nicht bekannt war, wie sehr sie darunter litt. Die beiden Mitschüler nannten zwei andere Mitschülerin, die die Hauptaggressoren des Mobbings waren. Das eine Mädchen war uns bekannt, den Namen des anderen Mädchens hatte unsere Tochter fallweise genannt. Die drei Mitschüler boten ihre Hilfe an, sie beim Abwehren aller Anfeindungen, Pöbeleien und Ausgrenzungen aus ihrer Klasse zu helfen. Unsere Tochter wird auf ihrer Realschule bleiben, und wir hoffen, dass unsere Tochter mit dieser Unterstützung besser mit all diesen Vorfällen klarkommt, wenn einzelne Mitschüler große Teile ihrer Klasse gegen sie aufhetzen.

12. November 2019

Ein Kollege in unserem Team äußerte sich, dass er es als Mangel in unserem Unternehmen empfinden würde, dass unser Unternehmen gute und fähige Mitarbeiter lieber loswerden möchte als diese behalten möchte. Das ist jedenfalls die Wahrnehmung des Kollegen bereits vor und erst Recht nach Überschreiten des 50. Lebensjahres. Ständig wurde umorganisiert, dabei bekam er diese Frage gestellt. Nach Erreichen des 55. Lebensjahres folgte dieselbe Frageprozedur zu Vorruhestand oder auch Altersteilzeit. Möglicherweise waren die Frageprozeduren intensiver, da er nicht in der Zentrale, sondern am Außenstandort Hamburg arbeitete. Und andererseits gab es eine Reihe von Kollegen, die die Angebote von Vorruhestand und Altersteilzeit dankend angenommen haben. Mit mir führt mein Chef genau dieselben Gespräche, wobei er ausdrücklich erwähnt, dass er mich nicht in die Richtung drängen will. Es gäbe Personalabbauziele, das wollte er nicht verschweigen, was nachfolgend zu einem erhöhten Arbeitsdruck führen würde. Zwei Jahre noch, das hatte ich mir nach diesem Gespräch zum Ziel gesetzt. Dann sind 40 Jahre vorbei, und dies würde sich zudem auf das Ruhegehalt auswirken, da danach der Höchstversorgungssatz erreicht ist. Es sah so aus, als sei mein Chef einsichtig, wenngleich der weiter ansteigende Arbeitsdruck eine Ernst zu nehmende Hürde darstellt. Bis lang habe ich neue Themen, neue Horizonte, eine Arbeitskonzentration auf wichtige Themenfelder und proaktive Arbeitsgestaltung geschätzt, so dass sich alle Problemfelder und schwierig zu bewältigende Themen in Wohlwollen aufgelöst haben. Ob dies künftig so einfach möglich sein wird, erscheint dann allerdings ein Stückchen fraglicher.

13. November 2019

Eine Skulptur, ein Blumenpavillon, ein Pissoir und das Beethovenjahr 2020. Was für eine Verwandlung des Remigiusplatzes ! Der rückwärtigen Seite dieses Platzes mitten in der Fußgängerzone in der Nähe des Kaufhof zugeneigt, mag sich ein solch großer Heiliger des Christentums an dieser Stelle regelrecht verirren. Dieser Platz des Heiligen Remigius, der in der Spätantike, um das Jahr 500, maßgeblich zur Verbreitung des Christentums beigetragen hatte, indem er im französischen Reims den germanischen König Chlodwig zum Christentum bekehrt hatte und getauft hatte. Gerade nach diesen großen heiligen Vorbildern wurde so manche Kirche geweiht, darunter die Bonner Remigiuskirche, Schaut man auf die Skulptur, den Blumenpavillon, das Pissoir und den neuen Glasklotz des Kioskes, wagt man kaum daran zu denken, dass die Sphäre eines geschichtsträchtigen Ortes diesen Platz umgibt. Mehr als eintausend Jahre stand die Remigiuskirche genau auf diesem Platz, im Jahr 796 wurde sie erstmals schriftlich erwähnt, 1800 schlug der Blitz ein, 1806 wurde die schmale Kirche abgerissen, weil die Schäden zu groß waren, danach wurde die Minoritenkirche jenseits des Marktplatzes in die Remigiuskirche umbenannt. Es sind aber nicht nur die Taufen des Heiligen Remigius, der in Reims mehr als dreitausend germanische Heiden getauft haben soll, die die Bedeutung des Platzes hervor heben. Das Beethovenjahr 2020 ist ganz nahe, und Ludwig van Beethoven verleiht der Bedeutung dieses wenig ansehnlichen Platzes einen zusätzlichen Schub. Er gehört nämlich auch zu den Getauften, die 1770 genau in dieser abgerissenen Kirche das Sakrament der Taufe empfangen haben, und sein Taufbecken kann man sogar heute in der anderen Remigiuskirche hinter dem Marktplatz leibhaftig anfassen. Und welcher Nachweis ist handfester als Papier ? Das Kirchenbuch der Pfarre St. Remigius, welches das Stadtarchiv gut behütet, ist dokumentenecht. Genau am 17. Dezember 1770 hat das Taufregister in Schriftform verewigt, dass der Pfarrer – wahrscheinlich war es Peter Isbach - Ludovicus van Beethoven, Sohn von Johannes van Beethoven und Helena Keverichs, getauft hat. Und so versuchen die Initiatoren des Beethovenjahres 2020, den Geist des vor 250 Jahren geborenen großen Komponisten an diesem Platz aufleben zu lassen.

14. November 2019

Es scheint so, als ginge in diesem Jahr der Karnevalsauftakt am 11.11. noch flüchtiger, noch unbemerkter und noch unauffälliger an uns vorbei als in den vergangenen Jahren. Die Augenblicke schmelzen so schnell dahin, weil sich viel zu viel in einer viel zu kurzen Zeitspanne zusammen drängelt. Im Grunde genommen sind wir froh, wenn wir zwischendurch Zeit zum Luftholen haben. Die Zeit rast, und übergeordnete Ereignisse springen über Ereignisse wie den Auftakt der Karnevalssession, was nie im Zentrum unseres Interesses gestanden hat, schnell hinweg. Derzeit fällt es schwer, wichtige Momente auszukosten. Die weniger wichtigen Momente wie der Karnevalsauftakt unterschreiten die Wahrnehmungsschwelle und werden überlagert. Wenn ich denn verkleidete Narren am 11.11. gesehen habe, dann nicht einmal als Randerscheinung. Der Gang der Dinge wälzt im Moment die Randstücke der Lebensqualität platt.

15. November 2019

So viele Verwandlungen und Anpassungen an historische Gegebenheiten der Reichsadler mitgemacht hat, so hätte ihn glatt Ovid bei der Abfassung seiner Metamorphosen vorausahnen können. Noch heute thront er als Bundesadler über dem Bundestag, aber bereits in der Antike hatten die römischen Kaiser sich auf Sarkophagen verewigt, indem sie den Adler als Symbol ihrer herrschaftlichen Befehlsgewalt in ihren Händen hielten. Schließlich hatten die römisch-deutschen Kaiser im Mittelalter das Sinnbild des Reichsadlers aufgegriffen, um die Idee eines europäischen Reiches als Nachfolgeimperium des römischen Reiches umzusetzen. Insbesondere in der Kaiserzeit vollzog der Reichsadler gleich mehrere Verwandlungen. Er ziert nicht nur protzige Heldendenkmäler aus der Kaiserzeit, sondern auch öffentliche Gebäude. Dort hatte sich der Reichsadler verwandelt, indem das Kaiserreich repräsentierte. Nach der Reichsgründung 1871 wurde die Verwaltung über das Gebiet des deutschen Reiches vereinheitlicht. So war zuvor die Gerichtsbarkeit in den ehemaligen Kleinstaaten des Kaiserreichs unterschiedlich, wobei in der ehemaligen Rheinprovinz sogenannte Friedensgerichte für die Rechtsprechung zuständig waren. Diese wurden 1879 abgeschafft und an ihrer Stelle Amtsgerichte eingerichtet. Wie bei so manchen anderen öffentlichen Gebäuden, erhielt der Reichsadler seine Funktion. Über dem Eingang des Amtsgerichtes in Rheinbach beschwört der Reichsadler den Geist des deutschen Kaisers, der seine im Kaiserreich geltenden Gesetze einst durchgesetzt haben wollte.

16. November 2019

Nachdem wir im letzten Jahr zwei Beerdigungen in unserer direkten Familie hinter uns gebracht hatten, mache ich nunmehr einen mehr oder weniger großen Bogen um Beerdigungsunternehmen. Der Tod wird aus unserer Bewusstseinssphäre ausgeklammert, und dennoch bringt dieses Schaufenster eines Bestattungsinstitutes in Rheinbach tiefere Einsichten. Engel kenne ich im wesentlichen aus barocken Darstellungen, neben Altären in Kirchen oder auf üppigen Deckenmalereien in Kirchen. Das ist allerdings nicht alles, denn Engel hat es ungefähr seid der Existenz des Christentums gegeben. In dem Schaufenster habe ich gelernt, dass sich Engel aus dem griechischen Wort „angelos“ ableitet und mit „Bote“ zu übersetzen ist. Engel übernehmen somit Botentätigkeiten, indem sie Gott zur Seite stehen und das Übermitteln von Botschaften ausführen. Da sie Gott zur Seite stehen, verkörpern sie ausschließlich positive Eigenschaften: Verstand, Weisheit, Wissen, Schönheit oder Macht. Im 6. Jahrhundert entwarf der christliche Denker Dionysos Areopagita ein Ordnungssystem für Engel, in dem folgende Rangfolge von Engel standen: Cherubim, Seraphim, Throne, Herrschaften, Mächte, Gewalten, Fürstentümer, Erzengel, Engel. Engel stellt man sich gerne vor als blond gelockte Wesen mit Flügeln, dessen Formen im Barock einen ausschweifenden Charakter angenommen haben. Dem Anlass der Beerdigung gemäß, zeigen sich im Schaufenster des Beerdigungsinstitutes Grabengel, die die Toten auf ihrem letzten Weg begleiten.

17. November 2019

Der heutige Volkstrauertag, ein Tag, der im Grunde genommen viel zu unbedeutend außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung steht. Unbemerkt, werden hier und da ein paar Kränze an Kriegsgräberstätten niedergelegt, die weder Aufmerksamkeit erregen noch dass die Öffentlichkeit großartig davon Notiz nimmt. Der Tag wird verdrängt, weil die Assoziationen absolut negativ sind. Die Motivation dieses Gedenktages ist zu andersartig, dass festliche Gefühle aufkommen könnten. Nicht vergleichbar mit den christlichen Festen oder großen Jubiläen, liegt das Denkmal aus der Kaiserzeit mit seiner Gedenkkapelle an die Gefallenen der beiden Weltkriege abseits jeglicher Verkehrsströme in unserem Ort. Schweigend dürften vereinzelte Gestalten an diesem Ort verharrt haben, vielleicht hat auch der Bürgermeister ein paar mahnende oder aufrührende Worte gefunden. Ein Ort, dem es nicht gelingt, auf die real existierende Brisanz zweier vergangener Weltkriege hinzuweisen, an die Schrecken des Bombenkrieges, an den Völkermord an das jüdische Volk oder an die Schlachtfelder an der Westfront, wo im Ersten Weltkrieg das Zeitalter der Massenvernichtungswaffen angebrochen war. Dier nötige Würde und die nötige Demut ist diesem Tag abhanden gekommen.

18. November 2019

Das noch ausstehende Gutachten eines öffentlich bestellten Gutachters und der fehlende Euro-Betrag für die Erbauseinandersetzung haben uns veranlasst, die Arbeiten auf der Baustelle im Haus des verstorbenen Schwiegervaters ruhen zu lassen. Gearbeitet haben zuletzt die Elektriker, die das Haus gut verkabelt haben, viele Kabelkanäle ausgestemmt haben und einigen Bauschutt hinterlassen und entsorgt haben. Die Heizungs- und Sanitärfirma haben wir gebeten, sich Zeit zu lassen, die übrigen Arbeiten müssen nach hinten verschoben werden. Ohne Eurobetrag für den auszuzahlenden Erbteil fehlt die Grundlage für das Hypothekendarlehen, dessen Bewilligung vom Prinzip her unkritisch ist. Ohne Geld können die Baufirmen nicht bezahlt werden, und wir hatten bereits versucht, so viel zusammen zu kratzen wie möglich, dass zumindest die Elektriker ihre Arbeiten fortsetzen können. Einstweilen hängen die Kabel, die Installation hat Hand und Fuß angenommen, und im Keller haben wir nun wirklich richtig helles scheinendes Licht.

19. November 2019

Ein Telefonat mit einem Eurobetrag, die mich in einen Schockzustand versetzte. 300.000 Euro nannte der nicht öffentlich bestellte Gutachter, den wir storniert hatten und der die Gutachtenerstellung abgebrochen hatte. Mit minimalem Aufwand hatte er das Wertgutachten zu Ende gerechnet und hatte mir telefonisch diesen Eurobetrag mitgeteilt. Ein paar Notizen hatte ich mir für diesen Schnelldurchlauf der Berechnung gemacht: gute Lage, bewohnbar, einfacher Zustand, Bodenpreis 360 Euro pro Quadratmeter. Aber es stand ja noch das richtige Gutachten der öffentlich bestellten Gutachterin aus. Da hofften wir, dass die Größenordnung einiges niedriger liegen würde, obschon der stornierte Gutachter mögliche Abweichungen wegen unterschiedlicher Bewertungsansätze auf 15% bezifferte. Während des Telefonats hatte ich die Notizen auf einem Schmierzettel schnell daher gekraxelt. Welche Folgen dieser sehr hohe Eurobetrag haben würde, damit hatten wir uns noch nicht auseinandergesetzt.

20. November 2019

Europa als kompliziertes und schwierig handhabbares Konstrukt. Der öffentliche Personennahverkehr baut neue Schranken auf, obschon die Grenzen durchlässig sind und jedermann ohne Zollkontrollen überall in die zum Schengener Abkommen gehörenden EU-Staaten reisen kann, wie er gerade lustig ist. Da seit eh und je Bahnverbindungen bestanden haben, kann man vom Aachener Hauptbahnhof in die Züge zu den Nachbarstaaten der Niederlande und nach Belgien einsteigen. Während sich in Deutschland die Tarifsysteme des öffentlichen Personennahverkehrs angeglichen haben und Fahrkarten aus einem Fahrkartenautomaten gezogen werden können, ist dies in die Niederlande und nach Belgien anders. Da ist nichts harmonisiert worden, so dass jedes Land seinen eigenen Fahrkartenautomaten hat, Deutschland für die deutsche Bahn, Belgien für die SNCB, und an dem niederländischen Automaten hatte ich das Erlebnis, dass dieser seine eigenen Tücken hat. Barzahlung ist dort nicht mehr möglich. Entweder muss man eine Chipkarte für den öffentlichen Personennahverkehr erwerben – eine sogenannte OV-Kaart. Oder man kann nur noch mit Karte bezahlen. Bis der Automat meine Kreditkarte erkannte, dauerte es eine Weile. Doch dann hielt ich meine Fahrkarte als „dagretour“ in der Hand.

21. November 2019

Elternsprechtage führen ja zu so mancherlei Aha-Erlebnissen. Unsere Tochter erzählt wenig von der Schule, sie verkriecht sich hinter Arbeitsmappen, Büchern und Heften. Hausaufgaben hat sie selten auf. Die gestrigen Begegnungen haben mich zumindest in der Richtung aufgeklärt, dass der letztere Punkt so nicht stimmt. In Deutsch und Englisch sind Hausaufgaben die Regel, so dass unsere Tochter in einigen Fällen ihre Hausaufgaben schlichtweg nicht gemacht hat. Wie in den letzten Jahren habe ich festgestellt, dass solche Gespräche mit Lehrern und Lehrerinnen positive Wendungen bringen können. Sie klären nicht nur auf über die Leistungen, sondern sie bringen die Eltern auf einen Stand, was gerade im Unterricht durchgenommen wird, was zu lernen ist und wann Klassenarbeiten geschrieben werden. So wie in den vergangenen Jahren, gibt es bei unserer Tochter Luft nach oben.

22. November 2019

In diesen Wochen hieß es, sich in Geduld zu üben und mehr Zeit einzuplanen. Baustellen lassen sich im Zug der Zeit nicht vermeiden, so dass kollektives Durchhaltevermögen gefragt ist. Mehr als einen zähen Monat lang wurde gebaut zwischen Uckendorf und Troisdorf-Spich. In so vielen Abschnitten wurde die Fahrbahn abgetragen und neu geteert, dass die Arbeiten sich über mehr als einen Monat erstreckten. In die Richtung von Troisdorf wälzte sich nun die Autoschlange durch unseren Ort, was den morgendlichen und abendlichen Berufsverkehr zusätzlich verstopfte. Während das Chaos in den Herbstferien, als die Arbeiten begonnen hatten, noch halbwegs überschaubar war, erforderte der November Geduld. Bisweilen dauerte es morgens mit dem Bus eine halbe Stunde bis in den Nachbarort, bevor die Straße in Richtung Troisdorf abbiegt. Die Fahrzeit ins Büro stieg dann schnell auf die doppelte Zeit von anderthalb Stunden Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Geduld war gefragt und starke Nerven, und der Verkehrsstau hatte so manche Zeitplanung durcheinander gebracht.

23. November 2019

Im Grunde genommen sind all diese Weihnachtsmärkte ganz einfach gestrickt. In unserem Ort ging es am Samstag eine Woche vor dem ersten Advent mit einem Event los, das sich Weihnachtsbaumerleuchten nannte. Echte Weihnachtsvorfreude und Weihnachtsstimmung kam auf, als ein Gesangsverein und eine Musikkapelle fleißig Weihnachtslieder anstimmte. Dies gelang ihnen offensichtlich so gut, dass vor lauter Menschengewimmel kaum noch ein Durchkommen war. Stände mit Basteleien, Freßbuden, Bierbuden, Glühwein. Unterwegs mit dem Schwager, wollten wir einen Glühwein trinken, was trotz des einfachen Schemas hoch kompliziert war, da die Stromversorgung nicht kompatibel war. Zu viele Stände hingen an der Stromversorgung, so dass es an einem Stand keinen Glühwein gab, weil der Strom ausgefallen war. Eine andere Bude mit Strom bleib übrig, wo die Warteschlange dementsprechend lang war. Zusätzlich mussten wir Bons kaufen, da man nicht mit Bargeld bezahlen konnte. Der Glühwein war mit Hindernissen verbunden – und er schmeckte dennoch. Zwischen ganz viel Zuhörern von Weihnachtsliedern ließen wir uns den Glühwein im überdachten Zelt schmecken.

24. November 2019

Derzeit kommt es uns so vor, als sei der Untergang in all unserem Chaos nicht zu verhindern. Zu viel Hausrat steht aus dem Haus des verstorbenen Schwiegervaters in unserem Haus herum. Bis wir alle Zimmer leer geräumt hatten, erschlugen uns die Mengen, die wir mit nach uns zu Hause genommen hatten. Zu langsam und zu punktuell sind die Schritte, um all den Hausrat wieder an den Mann oder an die Frau zu bringen. Ebay, Ebay-Kleinanzeigen oder Facebook, auf diese Art und Weise bekommen wir nur Einzelstücke wieder los. Immerhin nehmen die Stellen auf dem Boden zu, dass wir den Boden wieder betreten können. Kleine Umzugskisten haben wir besorgt, um all die persönlichen Dinge, die nichts zum Entsorgen sind, zu verstauen. Es geht nur in kleinen Schritten voran. Unter all den Deko-Sachen eignet sich so manches – vor allem Tassen – als Wichtelgeschenke für die Weihnachtsfeier der Behinderten. Eingepackt, wird meine Frau sie in einem Karton verstauen. In rund drei Wochen werden wir dann wieder eine winzige Menge aus der überquellenden Masse des herum stehenden Hausrats losgeworden sein.

25. November 2019

Die Übung war nicht ganz trivial, wozu mich unsere Tochter mit ihrem Plakat in Geschichte brachte. Gemeinsam mit drei anderen Mitschülern musste sie in dem Plakat Fragen zur amerikanischen Unabhängigkeitserklärung beantworten. Sehr vieles hatte sie bereits niedergeschrieben, es fehlten aber noch ein paar Sätze dazu, was die Aufklärung damit zu tun hat. In ihrem Plakat hatten die vier bereits ausgeführt, dass alle Menschen gleich geschaffen sind und dass „der Schöpfer“ ihnen bestimmte unveräußerliche Rechte verliehen hat, zu denen in der Unabhängigkeitserklärung von 1776 das Leben, die Freiheit und das Streben nach Glück gehören. Und die Aufklärung ? Instinktiv hatte ich John Locke mit diesen unveräußerlichen Rechten in Verbindung gebracht, und im zweiten Band zur Geschichte der Philosophie von Richard David Precht las ich nach. Locke setzte auf den Vertragstheorien auf, die sich in der Aufklärung seit Hobbes entwickelt hatten. Locke beschrieb ein Vertragskonstrukt, in dem er es als den Sinn und Zweck des Staates betrachtete, seinen Bürgern zu ermöglichen, frei und unbeschadet die Wahrheit suchen zu können und sich in ihrer Persönlichkeit entsprechend zu verwirklichen. So schließen Bürger und Staat einen Vertrag mit wechselseitigem Nutzen. Sie statten den Staat mit der Macht aus, für Ordnung zu sorgen und damit die Freiheit jedes einzelnen zu wahren. Soweit die Gedanken des John Locke, die er in seinem Werk „Treatise on Government“ 1689 niedergeschrieben hatte. Inwieweit ein Teil dieser Gedanken Eingang in das Referat gefunden haben, das entzieht sich meiner Kenntnisnahme.

26. November 2019

Ganz schön brutal, das dachte ich mir, als ich im Behandlungsraum des Zahnarztes die beiden Röntgenaufnahmen betrachtete, auf denen man die Verschraubungen für die beiden Implantate erkennen konnte. Herkömmlichen Dübeln, wie man sie im Baumarkt erwerben konnte, ähnelten sie sehr. Brutal aussehend und gleichzeitig ein Wunderwerk der Zahnmedizin: meine Gefühlswelten schwankten zwischen technischer Perfektion, Versatzstücken in der Knochensubstanz und was alles noch auf mich zukommen würde. Der nächste Termin würde nochmals ein Hammer-Termin werden mit einer Behandlungsdauer von zwei Stunden, aber ohne operative Eingriffe. Bereits heute schaute ich nach vorne. Zurzeit kaute ich auf einer Art von Provisorium, das keiner Belastung standhielt. Dieses würde beim nächsten Termin durch ein anderes Provisorium abgelöst werden, bis Weihnachten würde mir der Zahnarzt den perfekten Zahnersatz auf meinem Oberkiefer einsetzen. Danach würde ich dann wieder so richtig zubeißen können.

27. November 2019

Noch ein Referat unserer Tochter, das bewies, wie sehr mich Irrtümer und Unwissenheit umgaben. In Biologie hatte ihre Gruppe ein vom Prinzip her schwieriges Thema zu bearbeiten, wozu sich in gängigen Suchanfragen im Internet wenig bis gar nichts fand. In dem Referat ging es um Wasserpflanzen, allerdings um welche, die im Meer wuchsen. Da sich die Recherche im Internet schwierig gestaltete, suchte ich die Stadtbücherei auf. Dabei war ich nicht überrascht, dass ich kein einziges Buch zu diesem Spezialthema fand. Ich fand allerdings einen dicken Bildband über Meerestiere, worin ein paar Abschnitte auch Pflanzen behandelten. Dann fand ich ein Buch über Algen – und eines über Korallen. Nach meinem Verständnis waren Korallen Wasserpflanzen, die im Meer wuchsen, was grundlegend falsch war. Korallen waren Gesteinsformationen, die sich unter Wasser heraus gebildet hatten. Diese waren wiederum von Nesseltieren geformt worden, die im Meer lebten, Kalk ausschieden und so die Riffe bildeten. Es war nicht auszuschließen, dass auf dem einen oder anderen Korallenriff aus Wasserpflanzen anhafteten, während das eigentliche Korallenriff aus Kalkstein bestand. Das aus der Stadtbücherei ausgeliehene Buch war somit für das Referat überhaupt nicht zu gebrauchen, so dass ich es am nächsten Tag wieder zurück gab.

28. November 2019

Der Arm der Kölner Erzbischöfe war im Mittelalter lang, der Einfluss war groß. 1248 bestätigte der Erzbischof Konrad von Hochstaden den „cives de Arewilre“ – den Bürgern von Ahrweiler – die erteilten Stadtrechte und Freiheiten, außerdem gestatteten sie den Bau der Stadtmauer, womit 1255 begonnen wurde. Was den um dieselbe Zeit begonnenen Kirchenbau betrifft, so weit reichte der Arm der Kölner Erzbischöfe dann doch wieder nicht. Noch vor der Jahrtausendwende erstreckte sich der Einflussbereich der Äbte in Prüm bis an die Ahr, so erwähnte das Prümer Urbar aus dem Jahr 893 in ihrem Güterverzeichnis eine Eigenkirche an der Ahr. Mehr als drei Jahrhunderte später, im Jahr 1204, verbrieften die Äbte im Prüm ihre Rechte an der Pfarrei „parochia Arewilre“. Dass diese ihre Hände im Spiel hatten, war nicht weiter schlimm, da Erzbischöfe und Äbte miteinander versöhnt waren, ganz im Gegensatz zu so manchen Grafen, Herzögen oder Fürsten. Schaut man auf den 1258 begonnenen Bau der Ahrweiler Pfarrkirche St. Laurentius, so nennt das Chartular der Abtei Prüm denjenigen Abt, der die Ahrweiler Kirche nach ihrer Fertigstellung geweiht hat. Im goldenen Einband, „liber aureus“ genannt, steht in der Auflistung der Prümer Abtsnamen der Abt „Joffredus“. Diese Kirchenweihe, womit der Prümer Abt dem Ahrweiler Pfarrer die Kirche übergibt, ist als Wandmalerei, die in einer hohen Anzahl um 1600 entstanden sind, auf der Nordseite dargestellt. ABBAS JOFFRIDUS SACRAS FACIT ARVVILER EDES, mit diesen Worten bezeugt die Inschrift die Übergabe des Kirchenbaus mit der Jahreszahl 1269 und mit dem Namen des Prümer Abtes „Joffredus“. In der Übergabe kann man gut die gotische Architektur des Hallenbaus erkennen, so wie die Kirche heute weitgehend aussieht. Selbst heute reicht der Arm der Kölner Erzbischöfe nicht bis Ahrweiler. Seit 1824 gehört die Pfarrkirche St. Laurentius zum Bistum Trier.

29. November 2019

Aufmerksamkeitsökonomie, davon reden Herfried und Marina Münkler, die Autoren des Buches „Abschied vom Aufstieg“, das ich derzeit lese, ganz viel. Wie die Endung „Ökonomie“ vermuten läßt, steckt eine betriebswirtschaftliche Problematik dahinter. In den Zeiten von Medien und Informationsgesellschaft ist der Konsument der Engpassfaktor, der nur eine begrenzte Menge an Informationen verarbeiten kann. Die beiden Autoren wenden dies auf Einschaltquoten im Fernsehen an, dass der fernsehende Konsument nur ein bestimmtes Programm einschalten kann. Darüber hinaus hat im Alltag längst ein Wettrennen um unsere Aufmerksamkeit begonnen. Spaziert man durch die Straßen unserer Stadt, ist unsere Aufmerksamkeit begehrt. Reize von außen überfluten unsere Wahrnehmung, die ungeschützt nicht weiß, wie sie sich abschotten soll. Ganz krass ist dies am heutigen Black Friday. Könnte man diesen Black Friday personifizieren, würde ich mich von dieser Person quer durch die Fußgängerzone verfolgt fühlen. Bezogen auf eine Person, würde dies den Tatbestand des Stalking erfüllen. Aber während Stalking ein Straftatbestand ist, der die strafrechtliche Aufklärung durch die Staatsanwaltschaft nach sich zieht, sieht die Sache beim Black Friday anders aus. Der Handel und die Geschäftsleute dürfen werben, selbst wenn alle Ecken und alle Schaufenster von den Rabattschlachten zugeschmissen werden. Als Verbraucher kann ich mich da nur verkriechen und abwenden und nicht mitmachen, weil mich all die Sonderangebote nicht interessieren. Und um all diese unnützen Informationen heraus zu filtern, die keinen Mehrwert bringen, dafür muss ich dann doch meine Aufmerksamkeit aufwenden.

30. November 2019

Am Ende des Tages sollte ich an diesem etwas unsortierten Tag nicht die richtigen Dinge erledigt haben. Dabei war meine Frau den ganz Nachmittag bis in den Abend hinein abwesend, weil sie auf dem Weihnachtsmarkt im Nachbarort am Stand des Fördervereins der Behinderten mithalf. Jahr für Jahr melden sich immer weniger Helfer, so dass der Vorsitzende des Fördervereins einen Hilferuf gestartet hatte. Daraufhin meldete sich meine Frau, worauf sie für einen Zeitraum von sechs Stunden eingeteilt wurde. Vormittags war ich längere Zeit mit dem Säubern unseres Autos beschäftigt. Unser Auto, das häufig als Baustellen-Auto genutzt wird, war zuletzt stark verschmutzt worden, als wir Bauschutt im Kofferraum zur RSAG transportiert hatten. An der Tankstelle in unserem Nachbarort hatte ich mich eines Staubsaugers bedient, um all den Dreck, Staub und Schmutz abzusaugen. Der Kofferraum und der Fahrgastraum sehen danach wieder ansehnlicher aus. Nachmittags hing ich den Lichtspiegel aus dem Haus des verstorbenen Schwiegervaters in unserem Badezimmer auf, allerdings ein Stück zu hoch, was später meine Frau rügte. Als es noch hell war, erntete ich Möhren und Sellerie in unseren Hochbeeten. Bei dieser Gelegenheit stellte ich ein Wandelröschen und zwei Oleander in unsere Garage, da der Wetterbericht Frost gemeldet hatte. Dann ließ ich mich auf dem Weihnachtsmarkt im Nachbarort bei meiner Frau blicken. Meine Frau spülte fleißig Glühweintassen, mit dem Schwager aß ich auf dem Weihnachtsmarkt Reibekuchen, anschließend trank er einen Glühwein und ich einen Kaffee. Deutlich nach zwanzig Uhr waren wir zu Hause zurück, wobei wir in der Frittenbude für meine Frau eine Portion Fritten mitnahmen – bei der Frittenbude auf dem Weihnachtsmarkt war zuvor die Fritteuse kaputt gewesen. Zu Hause stellte meine Frau dann fest, dass ich die dringenden Dinge gar nicht erledigt hatte. Ich hätte Archivboxen bei Toom besorgen sollen, damit wir all den herum stehenden Hausrat hätten wegräumen können. Das hatten wir morgens so besprochen, ich hatte es aber nicht mit der höchsten Priorität versehen.

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