Tagebuch August 2019
1. August 2019
Unsere Katzen in unserem Garten. Kuschelecken gibt es allenthalben, wo sie es sich gemütlich machen können, wo sie sich ausruhen können von all ihren Aktivitäten und Streifzügen, wo sie in aller Seelenruhe die Zeit vorbei streichen lassen können und wo sie nicht gestört werden. Eine solche Kuschelecke findet sich in der Kompostmiete, wo über dem Kleingehäckselten eine Grasschicht ein weiches Polster bereit hält. Dort kann unser Kater Rambo es gut aushalten. Die Augen verschlossen, hält er dort bereitwillig seinen Nachmittagsschlaf.
2. August 2019
Ein Abend, an dem wir uns die Köpfe heiß geredet haben vor so viel Dummheit, Unkenntnis und Ignoranz. Was das Umbauvorhaben im Haus des verstorbenen Schwiegervaters betrifft, scheinen beim Landschaftsverband und auch beim Amtsgericht nur ahnungslose Bürokraten zu sitzen, die die Zusammenhänge nicht durchschauen und dumme Fragen stellen. Sie wissen nicht, was sie wollen, und sie sind mit ihren Befugnissen in der Lage, das Umbauvorhaben zum Platzen zu bringen. Heute haben wir ein Schreiben des Rechtsanwaltes erhalten, dass das Amtsgericht ein schlüssiges Gesamtkonzept nicht erkennen kann. Allenthalben sind wir irritiert, weil nicht miteinander geredet wird, sondern Schreiben durch die Gegend geschickt werden, die der Wirklichkeit entbehren. Bei einigen Flaschen Bier haben wir uns bis weit nach Mitternacht die Köpfe heiß geredet, Formulierungen für ein Antwortschreiben entworfen und vor so viel bürokratischer Ignoranz die Köpfe geschüttelt.
3. August 2019
Winnetou tot ? In den mittlerweile achtzehn Jahren, in denen wir die Karl-May-Festspiele in Elspe besuchen, ist diese Unmöglichkeit nie eingetreten. Doch in diesem Jahr sollten sich die Festspielmacher an diese Unmöglichkeit heran trauen, die Überfigur Winnetou sterben zu lassen. Das Finale, das ansonsten vollgestopft war mit Action-Szenen und Explosionen, sollte diesmal den Tod des Helden inszenieren. Als Winnetou die Mörder des Apachen-Häuptlings entlarvte, fielen gleichzeitig Schüsse. Einer davon traf Winnetou, der vor dem Felsmassiv in sich zusammen sank und starb. Aber keine Angst, dass ohne den getöteten Winnetou die Karl-May-Festspiele künftig nicht mehr statt finden können. Der Tod Winnetous in dem in diesem Jahr aufgeführten Stück „Winnetou III“ war gleichzeitig die letzte Szene, und danach zeigte sich Winnetou mit den übrigen Schauspielern in seiner leibhaftigen Gestalt, lebendiger denn je, um sich unter Jubel und Applaus vom Publikum zu verabschieden. Nächstes Jahr wird es weiter gehen mit den Karl-May-Festspielen – und mit Winnetou.
4. August 2019
Oftmals geplant, ständig kamen andere Dinge dazwischen, heute endlich realisiert: zum SWB-Jazz im Biergarten in der Bonner Rheinaue haben wir es heute geschafft. „… ein Groove, dem sich niemand entziehen kann, der jeden Fuß in Hörweite zum Mitwippen bringt und der weit und breit keinen Vergleich zu scheuen braucht …“, genauso wie im Prospekt beschrieben klang die Musik des Jörg Hegemann, der den heutigen Nachmittag im Biergarten im Musikstil der 1930er und 1940er Jahre gestaltete. Wir waren überwältigt, wie authentisch das Trio um Jörg Hegemann den Musikstil des Boogie und Woogie auf dem Kontrabass, dem Schlagzeug und dem Piano spielte. Weit zurück liegende Zeiten der Musikgeschichte wurden angereichert durch Klänge von Blues, die der Schlagzeuger mit seiner rauchigen Stimme inhalierte und an das Publikum zurückgab. Mitreißende drei Stunden gipfelten in dem Höhepunkt, als Jörg Hegemann mit dem Siegburger Stefan Ulbricht, der das alljährliche Boogie- und Jazz-Night-Festival in der Kreisstadt organisierte, gemeinsam auf dem Piano spielte. Ein Nachmittag im Biergarten in der Bonner Rheinaue, der noch lange in Erinnerung blieben wird. Wir freuen uns auf die nächste Gelegenheit, dem SWB-Jazz im Biergarten beiwohnen zu können.
5. August 2019
Es war einer derjenigen Tage, an dem sich die Dinge maßlos nach hinten verschoben. Nachdem wir alle unsere Füße bei der Fußpflege in Bornheim auf Vordermann gebracht hatten, waren wir gegen viertel vor sieben zu Hause zurück gekehrt, und unsere Überlegungen, was wir kochen sollten, stießen ins Leere. Salat oder Gemüse aus unserem Garten zuzubereiten, hätte viel zu lange gedauert, so dass nur die Varianten von Miracoli oder Eierravioli aus unserem Vorratsraum zur Disposition standen. So war die Entscheidung, uns aus der Frittenbude zu beköstigen, rasch gefallen. Die Essensplanung hatte allerdings einen Haken: es war Montag, und montags hatten viele Imbisse und Restaurants geschlossen. Dabei hatten drei Essenswünsche eine Pizza ausgewählt. Entsprechend meinen Vorahnungen gestaltete sich die Suche nach Imbissen oder Pizzerien äußerst kompliziert. Vier Imbisse gab es in unserem Ort, davon waren zwei montags geschlossen. Die Frittenbude, die ansonsten montags geöffnet hatte, war diesmal wegen Urlaubs geschlossen. Die vierte Frittenbude, ein türkischer Imbiss, entsprach nicht wirklich unserem Geschmack. In unserem Nachbarort gab es einen Frittenbude, deren Öffnungstage ich nicht kannte und die wir auch nie ausgetestet hatten. Insgesamt kam nur eine Variante in Frage: eine Pizzeria am Rhein, die montags geöffnet hatte, und wozu ich aber nicht wusste, ob man die Pizza dort auch mitnehmen konnte. Lieber hätte ich mich dort mit der Familie gemütlich hingesetzt anstelle dort eine Pizza zu holen. Bei einem Blick auf den Rhein hätten in diesem Restaurant wahre Urlaubsgefühle aufkommen können. Als ich dort ankam, waren draußen keine Plätze mehr zu haben und auch der Innenbereich war gut gefüllt. Entsprechend der Landesherkunft von Pizza, Pasta und Co flogen italienische Wortschwalle zwischen Kellnern und Theke hin und her. Mit den zarten Farbtönen der Fliesen machte der Innenbereich einen behaglichen Eindruck. Als ich an der Bedientheke nachfragte, erhielt ich augenblicklich die Auskunft, dass es selbstverständlich sei, Pizza mitnehmen zu können. Die Zubereitung dauert, mit der Lage direkt am Rhein war das Preisniveau etwas höher als normal, aber kurz nach 20 Uhr war ich schließlich mit den 4 Pizzen zu Hause. Der Aufwand, sie zu besorgen, hatte sich gelohnt, denn sie schmeckten vorzüglich.
6. August 2019
Helle Vorfreude auf ein großes Ereignis. Die Scorpions, eine Legende der Rockgeschichte, die Rockgruppe aus Hannover, die ich bereits viermal live erlebt habe, kommt in die Bonner Rheinaue ! Dieses Event möchte ich mir nicht entgehen lassen. Zuletzt habe ich die Scorpions im November 2010 in der Dortmunder Westfallenhalle mit unserem Sohn live erlebt, ein grandioses Konzert ist in meiner Erinnerung haften geblieben. Am besten gefallen die Stücke im Stil der 1980er Jahre: The Zoo, Coast to Coast, Holiday, Is there Anybody there und vieles mehr hauen einen vom Hocker. Gestern ist die Eintrittskarte für das Konzert auf dem Bonner Kunstrasen mit der Post in den Briefkasten geflattert. Die Vorfreude ist groß, wie Klaus Meine, Rudolf Schenker & Co am 18. August mit ihren über 70 Jahren, die sie zählen, das Publikum begeistern werden. Momentan wächst die Vorfreude Tag für Tag, und in Youtube läuft nichts anderes als die Scorpions.
7. August 2019
Welches Ereignis, das die jüngere Stadtgeschichte maßgeblich gestaltete, könnte diese besser umreißen als der Mauerfall ? Als 1989 in Berlin die Mauer fiel, konnte in Bonn noch niemand erahnen, welchen Lauf die Dinge in der Zukunft machen sollten. Die Umwälzungen, die statt finden sollten, sollten gravierend sein. 1991 sollte der Beschluss gefasst werden, dass Berlin die neue Bundeshauptstadt werden sollte. Große Maßnahmenpakete wurden danach geschnürt, um die einstige Bundeshauptstadt zu entschädigen. Ministerien wurden gedoppelt, Behörden verlagert, UN-Institutionen aufgebaut. Es regnete ganz viel Geld in Form von Ausgleichsmaßnahmen, die aber dann durch naive Gutgläubigkeit und fehlende Kontrollmechanismen in einer der größten Skandale in der Baugeschichte rund um das WCCB verschwanden. Im Gedenken an eine Zeit, als der eiserne Vorhang den Osten vom Westen getrennt hatte, und im Gedenken, dass durch den Schießbefehl Menschen getötet wurden, hat man aus der neuen Bundeshauptstadt ein Stück Mauer in die alte Bundeshauptstadt geschafft. Dieses Relikt aus der Zeit des Kalten Krieges, umgeben von fünfzehn Europa-Bäumen gegen Krieg und Gewalt, steht nun auf dem freien Platz vor dem Funkhaus der Deutschen Welle. Dass das Mauerstück an seinem Platz steht, ist diesmal keine Gemeinschaftsaktion zwischen Bonn und Berlin, sondern beruht auf einer Privatinitiative. Es waren zwei Bonner Wirte, die von der alten in die neue Bundeshauptstadt ausgewandert waren, die dieses Mauerstück käuflich erworben hatten. Seiner Zeit, lange Zeit nach dem Mauerfall, waren Stücke der Berliner Mauer frei im Handel oder auch im Internet erhältlich. Auf diese Art und Weise hatten die beiden Wirte vier Mauerstücke gekauft, die jeweils 3,8 Tonnen schwer und 3,60 Meter hoch waren. Aus Verbundenheit mit der alten Heimat schenkten sie im Jahr 2009 eines der Mauerstücke der Stadt Bonn. Die drei übrigen Mauerstücke befinden sich in Bremen, Wittlich (Eifel) und in Berlin. Der Berliner Aktionskünstler Ben Wagin gestaltete das Mauerstück als Stele, er brachte eine Eisenkette an und versah das Mauerstück mit der dreizeiligen Aufschrift „Wende Mauer endet“, deren Worte sich von links nach rechts sowie von oben nach unten jeweils in einer anderen Reihenfolge lesen. Der eingravierte Text auf der steinernen Platte unter dem Mauerstück ist selbst sprechend: Berliner Mauer 1961-1989. Nach dem Mauerfall entwickelte die neuere Geschichte der einstigen Bundeshauptstadt eine solche Eigendynamik, dass man an manchen Stellen die Stadt vor dem Mauerfall nicht mehr wiedererkennen kann.
8. August 2019
Ganze 3,20 Meter misst die Sonnenblume in unserem Garten, die in diesem Jahr hoch und höher in den Himmel gewachsen ist wie nie zuvor. Auch in den vergangenen Jahren haben sich die Sonnenblumen ordentlich Mühe gegeben, in die Höhe zu wachsen. Stets hatten sie eine ansehnliche Höhe geschafft, nicht ganz so hoch wie diese Sonnenblume, aber es waren prächtige Exemplare. Doch dann, mit einem Mal, stimmte die Statik nicht mehr und sie knickten auf den Boden. Bei dieser Sonnenblume mit ihrer rekordverdächtigen Höhe passt alles. Immer höher hinaus strebt sie, und mit ihrer Pracht des gelben Blütenkegels kann nichts ihr Wachstum bremsen.
9. August 2019
Ein ungeahntes Gefühl, das wir seit langer Zeit nicht mehr hatten. Nach Wochen von Hitze und andauernder Trockenheit war die heutige Entscheidung richtig, nicht mit dem Fahrrad ins Büro zu fahren, sondern öffentliche Verkehrsmittel zu nehmen. Schon als ich das Büro verließ, verdichtete sich der Regen, und, im Bus sitzend, schüttete es auf dem Konrad-Adenauer-Platz so sehr, dass ich auf dem Fahrrad klatschnass geworden wäre. Der Regen begleitete die Busfahrt und nahm einen erlösenden Charakter an, als er am späten Nachmittag in einen Dauerregen überging. Es schüttete ohne Ende und hörte erst dann auf, als es längst dunkel geworden war. Die beiden Regentonnen in unserem Garten waren dicke voll geworden, und mit den zarten Regenschauern der vergangenen Woche, könnten die Natur etwas Normalität zurück gewinnen.
10. August 2019
Eine Begegnung im REWE-Supermarkt, die uns bewegt hat. Es war unsere frühere Nachbarin aus dem gegenüberliegenden Mietshaus, die selbst an multipler Sklerose leidet. Ihre Mutter hat Bauchspeicheldrüsenkrebs, der Metastasen gebildet hat. Nur noch mit irgendwelchen Hammer-Medikamente lassen sich die Schmerzen aushalten. Eine Chemo-Therapie hatte sie mit der Diagnose abgelehnt. Unsere frühere Nachbarin kommt nicht so einfach zu ihrer Mutter, weil sie an der Ostsee wohnt. Wenn, dann fährt sie mit ihrem Bruder mit. An einigen Wochenenden hatten die beiden dies zuletzt geschafft. Die beiden haben fünf weitere Geschwister, zu denen sie keinerlei Kontakt haben. Die Mutter hat ihnen verboten, den übrigen Geschwistern von ihrer Krankheit zu erzählen. Die Mutter ist stur und läßt nur schwer mit sich reden. Sie haben sie regelrecht beknien müssen, damit sie eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung unterschreibt. Ein Testament zur Regelung des Nachlasses gibt es nicht. Ohnehin wird das spätere Erbe zu Problemen führen, da die Mutter hohe Schulden hat. Die Uneinigkeit mit den Geschwistern wird absehbar sein. Wo es nichts gibt, wird dann auch nichts zu verteilen sein.
11. August 2019
Rheinische Geselligkeit, üppiges Essen und Kritzeleien. Gemütlichkeit, Geselligkeit, nettes Beisammensein wird man im holzvertäfelten Inneren an blankgewetzten Biertischen sicherlich vorfinden, wenn man bei einem frisch gezapften Kölsch seinen Durst löschen kann und die gepflegte Atmosphäre auf sich wirken lassen kann. Wirtshaus ist nicht gleich Brauhaus, doch das Aussehen und die Ausstattung nähern sich dem Stil von Brauhäusern an, wie man sie in Hülle und Fülle etwa in Köln vorfindet. „Kotelett so dick wie ein Daumen“, das entspricht nicht unbedingt meinem eigenen Verständnis von Esskultur. Viel und reichlich, das mag sicher dem Hungergefühl des stets schaffenden und arbeitenden Rheinländer entsprechen, aber gehört dies zur rheinischen Lebensart ? Ein Leben im Übermaß, dafür mag es Beispiele geben, dass viel und reichlich bis zu Exzessen rheinische Biografien geprägt haben. Eine Trude Herr zum Beispiel, aber viele andere rheinische Originale wie etwa ein Willi Millowitsch, ein Wolfgang Niedecken, ein Hans Süper und viele andere, so haben sie sich stets in einem gesunden Mittelmaß bewegt. Übermäßiges Essen würde ich mit diesen Persönlichkeiten nicht verbinden. Und dann dieses Gekritzele, was kein Ausdruck rheinischer Lebensart ist, sondern Ausdruck einer allgemeinen Unkultur, alles mögliche mit Kritzeleien und Schmierereien versehen zu wollen. Ein subversives Aufbegehren, ein Austrieb des Bösen, eine Geburt des Teufels, den eigenen Aggressionstrieb an dem Eigentum des anderen abzureagieren. Menschen haben Kriege geführt, die Zerstörungskraft kann sich aber auch im Kleinen und im Kleinsten zeigen.
12. August 2019
Beim diesjährigen Besuch des Antikmarktes in Linz war die Parkplatzsuche ein Drama. Gegen 15 Uhr kurvten wir von allen Seiten um den Stadtkern herum – ohne Erfolg. Aller verfügbarer Parkraum stand pickepackevoll. Nach einer gefühlten Endloszeit des Suchens wurden wir direkt am Rhein fündig, auf dem Stück eines Parkplatzes, das für Wohnmobile reserviert war, wo die Parktasche eines freien Parkplatzes aber für ein Wohnmobil viel zu klein war. Unsere Perspektive auf all den angebotenen Trödel war in diesem Jahr etwas anders, weil wir selbst den Haushalt des verstorbenen Schwiegervaters aufzulösen hatten. Unter den Freiflächen zwischen den Betonpfeilern der Eisenbahnlinie sich ausbreitend, bot der Linzer Antikmarkt genau die richtige Atmosphäre zum zwanglosen Herumstöbern. Wir bummelten die Bahntrasse einmal auf und ab, wobei der Flohmarkt sogar eine Wendung bis zum Marktplatz machte. Bei der Sichtung der Verkaufspreise stellten wir fest, dass mitnichten wertloser Hausrat in dem aufzulösenden Haushalt herum stand. So musste man für so manches Gedeck oder so manche Kristallvase etliche Euros berappen. Voller Staunen, was der menschliche Sammeltrieb alles zusammen sammeln konnte und zum Verkauf anbieten konnte, fuhren wir nach unserem ungefähr zweistündigen Rundgang nach Hause zurück.
13. August 2019
Bisweilen muss man alle Augen zudrücken, um die Kilmadebatte zu ignorieren. Ein Dank gilt an Greta Thunberg und alle anderen Umweltaktivistien, die die Menschheit wach rütteln wollen, dass darauf gehandelt werden soll. Jedenfalls kann man in den Wäldern des Kottenforstes die Folgen des Klimawandels nicht übersehen. Es ist nicht nur die Borkenkäferplage, wodurch 140.000 Fichten gefällt werden mussten. Die letzten Wochen und Monate von Hitze und Trockenheit haben den Fichtenbeständen genauso zugesetzt. In der Talsenke des Godesbachs ist der Zustand der Fichten besorgniserregend. Es ist unübersehbar, wie sehr diese Reihen von Fichten unter der Trockenheit gelitten haben, so sehr, dass sich die Nadeln brauen färben, dass die Fichten absterben und gefällt werden müssen. Die Schneisen der Leere werden wie im übrigen Kottenforst groß sein. Betrachtet man weltweit die schwindenden Wälder infolge Abholzung, Waldbränden, Insektenplagen oder Trockenheit, so kann der Impact auf das Klima auf unserer Erde nicht vernachlässigt werden. Die Klimadebatte ist in vollem Gange.
14. August 2019
So richtig rund läuft es in diesem Jahr nicht mit den Rennradtouren. Allzu viel kommt dazwischen, und die besonders schönen Touren nach Altenahr (über das Ahrgebirge) oder nach Bad Münstereifel habe ich bislang nicht auf die Reihe gekriegt. Nachdem ich seit dem 10. Juli keine Tour mehr gefahren war, ging es nun über Ahrweiler und Dernau durch das Ahrtal und bei Dernau über den mächtigen Anstieg aus dem Ahrtal heraus. Gerne wäre ich eine noch etwas längere Tour gefahren, doch ein dienstlicher Termin hatte länger gedauert als geplant. Alles in allem, war das Gefühl erhaben, den Körper auf eine sportliche Betriebstemperatur zu bringen.
15. August 2019
An den großen französischen Kathedralen wie Notre-Dame, Amiens oder Reims findet man sie und auf Französisch heißen sie „guignoles“. Als wir an einer Führung durch die Freiburger Münsterkirche teilgenommen hatten, hatte uns die Führerin jede Menge über diese kuriosen Figuren erzählt, die als Wasserspeier fungieren. In Freiburg zählt man 90 dieser kuriosen Figuren an der Fassade der Münsterkirche, die spucken, die die Zunge herausstrecken, die vorne Hund und hinten Fisch sind. Figuren, die in einem Totengerippe erstarrt sind, Figuren, aus dessen Gesichtern Augen heraus quellen oder die zu Monstern geworden sind. Wenn es regnet, wird nebenher das Regenwasser abgeleitet und läuft an den Gesichtern und Fratzen vorbei. Diese Kirchenbauten des Mittelalters repräsentieren das Weltbild, welches man im Mittelalter hatte. Es galt, dem Menschen das Böse und die Abgründe des Lebens vorzuhalten. Man führte sich die Konsequenzen eines lasterhaften Lebens vor Augen. Dies drückte sich in den dämonischen Wesen der Wasserspeier aus, durch die Schmutz und unreines Regenwasser floß. Die monsterhaften Wesen sollten eine Aufforderung sein, ein tugendhaftes Leben zu führen. Die Pfarrkirche St. Laurentius in Ahrweiler, deren Grundsteinlegung 1269 erfolgte, verkörpert mit ihren vier Wasserspeiern an der Südfassade genau dieses mittelalterliche Weltbild. Schaut man genau hin, so kann man unter einer der vier Figuren einen Löwen erkennen, der mit seinem aufgerissenen Mund Furcht einflößt.
16. August 2019
Dass das Ensemble von Sonnenblumen in unserem Garten steigerungsfähig ist, hätte ich nicht für möglich gehalten. Die einige Beete vor unserer rekordverdächtigen 3,20 Meter hohen Sonnenblume stehenden Artgenossen haben sich Mühe gegeben, dem Rekord nachzueifern. Zumindest die mittlere Sonnenblume hat inzwischen dieses Maß erreicht. Bemerkenswert ist auch die Anzahl der Blütenkelche, die in der vorderen Reihe an einem Stängel ausgetrieben sind. So hat sich die rechte Sonnenblume auf 15 einzelne Sonnenblumen vermehrt, von denen einige ziemlich klein sind, die in heller Freude eine wunderschöne Einheit bilden. Solche Prachtexemplare von Sonnenblumen waren noch nie in unserem Garten in solch einem Umfang in die Höhe geschossen.
17. August 2019
Street Food Festival, diesmal asiatisch. Um Thitas thailändische Küche auskosten zu können, sind wir extra nach Oberhausen gefahren. Weil ich nicht ausgedruckt hatte, wo das Asian Street Food Festival in der Nähe des Aquapark genau statt fand, mussten wir suchen. Als wir das Parkhaus im Centro verließen, war nichts zu einem Aquapark beschildert. Anstatt dessen schauten wir auf das Gasometer und auf die König-Pilsener-Arena, und die vielen Schilder wiesen lediglich auf ein großes Kino, auf das Lego Discovery Center und auf das Sea Life Center. So suchten wir schließlich mit dem Handy meiner Frau über Google Maps, bis wir spätestens, nachdem wir eine Bahnunterführung unterquert hatten, die gläserne Kuppel des Aquaparks erblickten. Ganz nahe waren wir am Kanal, vor uns lag das Hafenbecken eines Yachthafens, und auf der Landzunge zwischen dem Yachthafen und dem Kanal erstreckte sich das Asia Street Food Festival. Außer einem chinesischen Imbiss war uns die übrige fernöstliche Küche zu fremd. Indonesisch, Malaisisch, Vietnamesisch, an einem Stand konnte man sogar Heuschrecken verspeisen. So genossen wir ausschließlich die Vorzüge der thailändischen Küche, und wir aßen thailändische Teigtaschen, thailändische Frikadellen, thailändische Fritten aus Tofu und Giau Tordt, das waren Bandnudeln mit Koriander, Putenfleisch und anderen exotischen Zutaten, die bei uns normalerweise nicht zu haben sind. Die unmittelbare Lage am Rhein-Herne-Kanal war nicht schlecht, wenn Lastkähne in aller Langsamkeit auf dem Wasser vorbei schlitterten. Das vermittelte ein unendliches Gefühl der Ruhe beim Essen, indem wir in einer gebotenen Langsamkeit kleine Portionen zu uns nahmen. Das Zeitfenster war etwas gedrängt, da ich abends zum Scorpions-Konzert in die Bonner Rheinaue wollte. Gegen viertel nach vier mussten wir weg – wegen des Konzertes. Das bedauerte unsere Tochter sehr, weil sie gerne einmal zum Grab ihrer vor vier Jahren verstorbenen Großtante wollte. Das müssen wir ein anderes Mal realisieren, vielleicht, wenn am 6. Oktober das Centro zum verkaufsoffenen Sonntag einlädt.
18. August 2019
Gestern kam das große Ereignis auf dem Bonner Kunstrasen, als die Scorpions live auftraten. Nachdem ich Wochen dem Konzert entgegen gefiebert hatte, erfüllt das Konzert die hoch gesteckten Erwartungen vollends, wenngleich die anderthalb Stunden Live-Auftritt gerne noch etwas länger hätten dauern können. Vom Stehplatz im FOS (Front of Stage)-Bereich konnte ich die Band live, hautnah und gut sichtbar miterleben. Die bedeutendste deutsche und weltweit tourende Rockgruppe um Klaus Meine, Rudolf Schenker, Matthias Jabs, Pawel Maciwoda und Mikkey Dee begeisterte ihre Fans, indem sie von der Bühne aus die Tuchfühlung suchten und das Publikum ganz viel mitsingen ließen. Bei Stücken wie „Rock you like a Hurricane“, „Big City Lights“ oder „Coast to Coast” pulsierte das Blut in meinen Adern. Bei “The Zoo” geriet ich vollends aus dem Häuschen, was man aus einem ganz banalen Text, mit einem ganz banalen Zoobesuch, für ein rockiges Stück komponieren kann.
19. August 2019
Gefahrenstellen zolle ich beim Fahrradfahren Respekt. Es gibt neuralgische Stellen, wo Autofahrer gerne Fahrradfahrer übersehen, und dementsprechend vorsichtig passiere ich diese Stellen, die schnell lebensgefährlich werden können. Eine dieser Stellen ist die Abbiegespur vor der Ampel in Troisdorf-Bergheim, wo diesmal die Gefahr vollkommen anders und unkalkulierbar lauerte. Es war genau die Situation, dass ein Autofahrer abbiegen wollte. Vor mir fuhr eine ältere Fahrradfahrerin in langsamem Tempo, und dementsprechend langsam näherte ich mich der Abbiegespur, wobei ich wegen des abbiegenden Autofahrers meinen Blick ständig zurück richtete. Dabei übersah ich, dass die Gefahr diesmal von vorne kam. Mit einem Mal schoss ein Fahrrad, verdeckt durch die ältere Fahrradfahrerin vor mir, in einem Affenzahn in meine Richtung, während ich nach links auf die Fahrradspur weiterfahren wollte. Die Lücke, die der Fahrradfahrer zwischen mir und der Leitplanke fand, war klein, so klein, dass wir auf unseren Fahrrädern aneinander gerieten und er auf die Leitplanke stürzte. Außer dem Schrecken war mir fast nichts passiert, nur eine Abschürfung am Ellbogen, wahrscheinlich vom Lenker seines Fahrrades. Er stürzte hingegen auf die Leitplanke und hatte einen dicken blauen Flecken auf dem Rücken. Die ältere Fahrradfahrerin, die augenblicklich anhielt, schimpfte. Von Bergheim aus kommend, hatte er nicht den vorgeschriebenen Fahrweg über die rechte Fahrspur genommen und war dann an der Ampel nach links über den Fahrradweg abgebogen, sondern er hatte die linke Fahrspur geschnitten und war gegen die Fahrtrichtung auf direktem Weg auf den Radweg abgebogen, und dies in einem daher schießenden Tempo. Beide schimpften weiter, der ungefähr in meinem Alter befindliche Mann mit einer kräftigen Statur, weil es die erste Fahrt mit seinem E-Bike war und er gleich einen Unfall verursacht hatte, und die ältere Frau wegen der rüpelhaften Fahrweise des Mannes. Ich ließ die beiden schimpfen, weil ich und mein Fahrrad wohlauf waren. Wir verzichteten darauf, die Personalien auszutauschen oder gar die Polizei zu holen. Es war der Fall, der in Unfallstatistiken explosionsartig steigt. Fahrradfahrer unterschätzen das Tempo von E-Bikes. Die Reaktionszeiten verkürzen sich, Bremswege werden länger. Ich stellte fest, dass man beim Fahrradfahren nicht nur höllisch auf Autofahrer aufpassen muss, sondern dass auch E-Bikes zu gefährlichen Geschossen werden können.
20. August 2019
Zunächst konnte ich es nicht glauben, was im Nachlass des verstorbenen Schwiegervaters alles auftauchte. Als wir alte Fotos heraus kramten, wurden die Erinnerungen persönlich bis sehr persönlich. Die Fotos wurden zu Zeitzeugen, wenn sie sehr weit in die Vergangenheit zurück blickten und einen Zeitbezug herstellten, der in diesem Fall historische Züge annahm. Ein Foto des Kaisers ? Des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. ? Mit dem allseits bekannten Bild des Kaisers mit seinem Zwirbelbart hatte das Foto wenig Ähnlichkeit, und doch: hoch betagt, hatte man den Kaiser im Alter von 81 Jahren fotografiert, und Soldaten in Uniformen umstanden den alten Mann. Die Rückseite des Fotos brachte Klarheit und Gewissheit. Das Foto war im ersten Kriegsjahr 1940 gemacht worden, und als Ort nannte der Urheber des Fotos Haus Doorn. Die Fakten passten. 1918 war der deutsche Kaiser Wilhelm II. in das Exil in die Niederlande gegangen, 1940 waren deutsche Truppen in die Niederlande einmarschiert. Im Jahr 1940 war Kaiser Wilhelm II. tatsächlich 81 Jahre alt, ein Jahr später verstarb er. Wer hatte das Foto gemacht ? Dieses Rätsel konnten wir nicht lösen, denn der Großvater meiner Frau war in einem Troisdorfer Rüstungsbetrieb tätig und war nie als Soldat eingezogen worden.
21. August 2019
Diese Mauer und dieses Verbotsschild drücken aus, wie gefühlskalt unsere Gesellschaft ist. Wir ziehen uns zurück, hinter Mauern. Wir grenzen uns ab zu anderen, hinter Mauern. Unsere Kommunikation ist gestört, weil wir Mauern aufbauen. Ob Bretterzaun oder Betonmauer: ähnlich einfallslos wie dieser Mauerverschlag aus einem Metallgestell und Steinen verbarrikadiert sich die Gesellschaft, es mangelt an Offenheit, die Gesellschaft zerlegt sich in Gruppen und Grüppchen, von denen jeder hinter Mauern nur seine eigenen Interessen verfolgt. So wie diese nackte und glatte Oberfläche der Steine, schützen wir uns mit einem Panzer, um niemanden an uns heran zu lassen. Die Gesellschaft ist so, wie das Wort Individuum es beschreibt. Wir sind teilbar, wir sind zersplittert in kleinste Einheiten, so wie man die Massen von Kunden in Kundensegmente zersplittert. Diese sind dann wie ihre Produkte, die man nutzt und benutzt. Es ist ein emotionsloser Vorgang der Produktnutzung, der gefühlskalt wie diese Mauer aufbaut. Mit Geboten und Verboten werden wir gelenkt. In der Masse der Käufer sagen uns andere, was wir zu tun und zu lassen haben. In der Gesellschaft sind wir leicht manipulierbar, wenn unser Denken und unser Verstand die Mauern nicht überwinden kann, die uns umgeben. Viele sind gefangen in sich selbst, oder in einem kleinen Kreis von menschlichen Beziehungen, in einem eng abgegrenzten Bereich zwischenmenschlicher Kommunikation. Diese Mauer und dieses Verbotsschild verkörpern eine pessimistische Weltsicht auf eine Gesellschaft, die sich dem Sog des Zeitgeistes nicht entziehen kann. Sie strebt einen Stillstand hinter Mauern an, um anderen mit deren Geboten und Verboten nicht hinterher rennen zu müssen.
22. August 2019
Zehn Tage des Regens haben ausgereicht, um das Gras auf dem Rheindamm wieder in einem üppigen Grün erscheinen zu lassen. So ist es erstaunlich, wie schnell sich die Natur vom Stress durch Hitze und Trockenheit erholen kann – zumindest an dieser Stelle in Rheinnähe. Grün und in vielen Farben blühen Kräuter und Blumen vor sich hin. Und die Wiesen-Witwenblume vermehrt fleißig ihre Blüten, gesellt sich zu anderen blühenden Kräutern und wiegt ihre Stängel in der Sonne.
23. August 2019
Die 60er-Altersgrenze habe ich in diesem Jahr überschritten, und die Anzeichen der Ermüdung sind gering, zumindest, was die Rennradtouren betrifft. Nachdem ich in der letzten Woche die Tour durch das Ahrtal über Dernau nacch Hause zurück gefahren bin, habe ich mich heute an Maria Laach heran gewagt. Maria Laach ist so etwas wie die schwierigste Tour – wegen des Streckenabschnitts, der mitten durch die Eifel führt. Und auch eine der schönsten Touren, weil ich auf keiner anderen Tour so viel Schönheiten im Herzen der Vulkaneifel zu sehen bekomme. Mit all den Steigungen ist die Tour ambitioniert. Wenn ich sie durchzähle, komme ich auf fünf dicke Anstiege zwischen Bad Neuenahr und Maria Laach, die allesamt schwierig zu treten waren, wobei mir nie die Puste ausging. Stetiges Treten bewältigte die Anstiege, bei manchen heftete ich stur meinen Blick auf den Asphalt, wenn sie nervend waren und immer nur eintönig geradeaus führten. Entschädigt wurde ich durch rasante Abfahrten, bei denen ich alle Schönheiten der Landschaft in mich aufsaugen konnte. Pause in Bad Neuenahr, Pause im Biergarten von Maria Laach, Pause im Brauhaus Remagen. Live genieße ich ein großes Brauhausbier, während ich diesen Tagebucheintrag schreibe.
24. August 2019
Welch ein jähes Ende ein Waffenschrank auf dem Sperrmüll nehmen kann. Ein echter Waffenschrank, das hatte mir meine Frau versichert, der mindestens einhundert Jahre alt ist, mit schönen Ornamenten auf der Abschlussleiste und an der Glastüre. Ornamente, wie man sie auf Möbeln heute fast gar nicht mehr fertigt. In der 1920er Jahren hatte eine Großtante meiner Frau bei der Maschinenbaufirma Reifenhäuser in Troisdorf als Sekretärin gearbeitet. Diese besaß einen Waffenschrank, den sie der Großtante meiner Frau überließ. Zu Hause nutzte sie ihn nicht als Waffen-, sondern als Wäscheschrank. Mitte der 1980er Jahre benötigte sie diesen nicht mehr und überließ ihn meinem Schwiegervater, wo er im Keller stand. Verstaut mit Spielsachen, hatte man dem alten Waffenschrank, genauso wie den übrigen im Keller herumstehenden Sachen, lange Zeit keine Beachtung mehr geschenkt. Der Zahn der Zeit hatte so sehr an dem Schrank genagt, dass sich die Holzwürmer hindurch gefressen hatten, besonders intensiv mit frischen Fraßspuren im Bereich der Sockelleiste. Nichts wie heraus aus dem Haus, hatten wir entschieden, um weiteren Schädlingsbefall an anderen Möbeln auszuschließen. So sahen wir keine andere Lösung als den Sperrmüll – zerlegt in die Einzelteile und den schönen Ornamenten nachtrauernd.
25. August 2019
Den Nachmittag habe ich genutzt, um Dinge zu unternehmen, die ich immer mal gemacht haben wollte, die aber der allgemeinen Zeitknappheit stets zum Opfer gefallen waren. Bei dem heißen Wetter hatte zum Eisessen niemand Lust, so dass ich mich alleine auf den Weg machte. Kein Eisessen, sondern ich verspürte den Drang, in einem hübschen Café zu verweilen. Auf der Spicher Straße im Nachbarort gelegen, war ich gefühlte tausende Male an dem Café Alexandra vorbei gefahren, wo der Blick sich durch die großen Fensterscheiben hindurch tasten konnte und eine gemütliche Café-Atmosphäre erahnen konnte. In der Tat, das Café hielt, was es versprach, das stellte ich heute fest. Gegen meine sonstigen Gewohnheiten aß ich Kuchen – Schwarzwälder Kirsch-Torte – bei der Tasse Kaffee. Die creme-weißen Stühle, die dunkelbraunen Holztische und die beigen Fliesen harmonierten gut zusammen. Die Kuchentheke hielt ein reichhaltiges Kuchenangebot bereit. Den Thekenbereich, über dem das Schild „coffee bar“ hing, lockerten Regalbretter mit Tassen und Gläsern auf. Aus der Kommunikation mit den Café-Gästen schloss ich, dass die Anzahl der Stammgäste groß war. Mäßig gefüllt, wurde viel geredet und gequatscht. Der Blickfang des Cafés verinnerlichte die Nähe zu Köln. Unter einem schweren Spiegel mit einem metallenen Rahmen stand ein Schwibbogen mit der Kölner Altstadt. Eine gemütliche Atmosphäre, und bestimmt werde ich wieder kehren.
26. August 2019
Stets habe ich mich davor gedrückt, eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen. Das ist dann lästig und auch kompliziert, wenn wir uns ab und an mit juristischen Themen befassen müssen, die unter Umständen voller Tücken und Fallstricke stecken können. So flatterte zuletzt die Abmahnung einer Rechtsanwaltskanzlei in unseren Briefkasten. Der Sachverhalt einer Urheberrechtsverletzung war in unserem Hause zweifellos unangenehm, und einen Tag Recherche musste ich aufwenden, um mich über www.openjur.de schlau zu machen. Die Internetseite ist wirklich toll ! Es ist eine Datenbank mit jede Menge Gerichtsurteilen, die mit einer Suchfunktion ausgestattet ist. Sie spuckt genau die richtigen Gerichtsurteile aus, die man braucht. Anschließend glaubt man selbst so fit zu sein, dass man mit geringem juristischem Vorwissen eine Rechtsanwaltskanzlei eröffnen könnte, um Gott und die Welt anzumahnen. Was wir als Rückantwort an die Rechtsanwaltskanzlei formuliert haben und wie wir gedenken vorzugehen, dürfte zielführender und schneller sein, als einen Rechtsanwalt einzuschalten.
27. August 2019
Ein wiederholtes Aufräumen und Ausräumen für den Sperrmülltermin. Noch mehr Müll kam aus Ecken hervor, die wir nie ins Auge gefasst hatten. Es war abstoßend, wie sich unter der Kellertreppe ein Müllberg sondergleichen befand. Eine alte (noch volle) Bierflasche, ein unbeschrifteter Kanister mit einer Flüssigkeit, die mit einem Gefahrensymbol gekennzeichnet war, ein verstaubter Eimer voller Fliesen und noch mehr Gerümpel. Mittendrin dann eine wertvolle Erinnerung, in einer klebrigen Tüte. Es war die LEGO-Familie meiner Frau, als sie noch Kind war. Hübsch anzusehen, wie die putzigen Figuren in der Gruppe zusammenstehen.
28. August 2019
Die zu kurz geratene Rennradtour bereitete dennoch Spaß. Im Büro hatte ich einiges aufzuarbeiten, ich wollte nicht allzu spät am Haus des verstorbenen Schwiegervaters vorbei fahren, so dass das Zeitfenster etwas weniger als vier Stunden betrug. Hinaus aufs Rennrad, dazu kam das Gewitterrisiko, denn in Bonn hatte es gestern einen Gewitterschauer gegeben (während es zu Hause bei uns zwar donnerte und blitzte, aber trocken blieb). Die Tour über die Margarethenhöhe nach Oberpleis und Hennef war dennoch anspruchsvoll, weil es keine andere Strecke gab, wo auf solch kurzer Strecke soviel Höhenmeter zu bewältigen waren. Landschaftlich wunderschön durch das Siebengebirge, aber pickpackevoll mit Autoverkehr. Obschon die Umgebung nicht gerade anziehend war, genoss ich die Pause am Hennefer Wirtshaus, wo ich ein Pils und ein Weizenbier trank. Wenige Wolken gingen in einer milchigen Himmelstrübung unter, worunter keine Gewitterwolke in die Höhe schoß. Die Pause dominierten die Wespen. Das Pils und das Weizenbier musste ich mit einem Bierdeckel abdecken, denn sonst hätten sich die Wespen der Flüssigkeit bemächtigt. Nebenan saß eine ältere Frau mit ihrer Enkeltochter im Kindergartenalter, die nicht aufhörte zu reden. Pausenlos redete sie darüber, was man alles zusammen matschen kann, um Flammkuchen zu backen. Eier kommen in den Teig hinein, Cola kann man hinzufügen, Grauburgunder, Schwarzburgunder, Apfelschorle. Basilikum, das man in Wasser mit jede Menge Blätter vermengen kann. 20 Minuten im Backofen, und dann ist der Flammkuchen fertig. Derweil aß die ältere Frau einen Sahnehering mit Kartoffelspalten und kämpfe dabei gegen den Andrang von Wespen. Irgendwie gelang es ihr, den Sahnehering aufzuessen. Die zurück gebliebenen wenigen Essensreste deckte sie mit mehreren Servietten ab, damit sich keine Wespen herum tummelten. Sie war froh, wenn das Mundwerk ihrer Enkelin irgendwann stillstand, und wenn sie ihre Aufmerksamkeit nicht vollständig auf ihre Enkeltochter lenken musste.
29. August 2019
Ein monolithischer Felsblock im Siebengebirge, der jegliche Dimensionen sprengt. Ist es heutzutage eine Finca auf Mallorca oder eine Segelyacht an der Côte d’azur, so gaben sich vor etwas mehr als einhundert Jahren Reiche und Superreiche bodenständiger. Nicht ab und weg auf mediterrane Sonneninseln, sondern das mediterrane Lebensgefühl wurde vor der eigenen Haustüre gesucht. So entdeckte die Kölner Unternehmerdynastie Mülhens, die mit der Marke 4711, ihren Parfums und ihren Duftwassern ein großes Firmenimperium schuf, die Schönheiten des Siebengebirges für sich. Sie erwanderte all die bizarren und schroffen Felsformationen, die durch den Vulkanismus vor 25 Millionen Jahren entstanden waren. Nachdem 1873 sein Vater starb, wurde Ferdinand Mülhens zum Alleinerben des 4711-Imperiums. Er verwirklichte all seinen Reichtum als Firmen-Alleininhaber vom Firmensitz in Köln im nahen Siebengebirge, indem er den dortigen Wintermühlenhof kaufte und das Hotel auf dem Petersberg bauen ließ. Nebenher befasste er sich mit den vulkanischen Aktivitäten und den Gesteinsformationen im Siebengebirge. 1911 ließ er in den nach ihm benannten Mülhensschen Anlagen diese riesige Steinstele aufstellen. Ihr Weg weist in die dichte Bewaldung und ist – entsprechend der Zeit um 1911 – „gestattet auf Widerruf für Fußgänger, Reiter und Personenfuhrwerke“, das besagt die Aufschrift im unteren Bereich des gewaltigen Steinklotzes.
30. August 2019
Anka Zink, ein nachträgliches Geburtstagsevent im Kölner Senftöpfchen-Theater mit einer besonderen Note. Unter der Überschrift „das Ende der Bescheidenheit“ tauchte Anka Zink ganz subtil in die Ausprägungen der Bescheidenheit ein, oder vielmehr, was genau das Gegenteil davon war. Bescheidene Züge hatte ihr Programm bereits mit ihrem Auftritt auf die Bühne genommen, da sie bereits jede Menge Applaus erhalten hatte, ohne nur ein Wort zu sagen. Anka Zink leitete die Wortbedeutung von „bescheiden“ aus dem Mittelalter ab. Rechtsinstanzen und Gerichte erteilten einen Bescheid, und das Verb „bescheiden“ reduzierte das Handlungsfeld der Betroffenen, da sie ihr Tun und Unterlassen wenigen Dingen aus dem Bescheid unterordnen mussten. Das Ende der Bescheidenheit hatte hingegen ganz viel mit Bedeutung zu tun, eine Bedeutung, dessen Indikator war, dass manche Personen und Charaktere nie Zeit hatten. Stets kamen sie dringend von irgendwo hin nach irgendwo her, sie waren nie verfügbar und hatten nie Zeit. Sie betraten ein Café, klappten ihren Laptop auf oder kommunizierten mit ihrem Smartphone, sie durften eigentlich gar nicht da sein in dem Café, weil sie irgendwo anders dringender zu tun hätten. Ihr Statussymbol äußerte sich in ihrer Verhinderung. Ging es um Problemstellungen, arbeiteten solche Menschen nicht daran, Probleme zu lösen, sondern diese vergrößern, um sich mit diesem Konglomerat von Problemen befassen zu müssen. In diesem Zusammenhang nannte Anka Zink ihre gealterte Tante Angela, die es liebte, dass sich andere mit ihr als Bestandteil des Problems befassten. Stets stand sie mit ihrem Rollator anderen im Wege herum, was dann ihre Bedeutung steigerte. WhatsApp-Gruppen trugen ebenso ihren Anteil bei, dass Aktivitäten, die in der Welt der analogen Kommunikation einfach und schnell zustande kamen, zu verkomplizieren. Wollte man sich etwa zum Wandern verabreden, konnte in einer WhatsApp-Gruppe jeder mitreden. Jeder konnte seine eigenen Befindlichkeiten einbringen, so dass sich die WhatsApp-Gruppe zunächst aufplusterte auf ganz viele Mitglieder, worunter dann einige beleidigt ausschieden aus der WhatsApp-Gruppe, wenn ihnen irgendwelche Details zur Wanderung nicht gefielen. Da der Pingpong über Posts in WhatsApp bedeutungsschwerer war als der direkte telefonische Draht, waren WhatsApp-Gruppen häufig eine schwierige Herausforderung zwischenmenschlicher Kommunikation. Mit all ihren spitzen Anspielungen und Pointen waren alle Freunde begeistert von Anka Zink. Im Anschluss nach der Vorstellung tranken wir am Brauhaus Sion noch einige Gläser Kölsch.
31. August 2019
Nachdem wir am Vortag bis tief in die Nacht am Brauhaus Sion Kölsch getrunken hatten, sortierten wir uns am nachfolgenden Samstag in gebotener Langsamkeit. Wir schliefen aus, verzichteten darauf, den Wecker klingeln zu lassen. Gegen halb 9, mühsam aus dem Bett gekrochen, versorgte ich unsere Katzen und begab mich in den Garten. Unser Gemüse, das am Vorabend nicht gegossen worden war, verlangte nach Wasser. Tomaten und Kohlgemüse, Gurken und Sellerie, Bohnen und Endiviensalat, einzeln prüfte ich Pflanze für Pflanze und goß mal mehr und mal weniger. Anschließend fuhr ich zum Bäcker, und derweil war unsere Tochter aufgestanden. In der Nacht war ihr so übel gewesen, dass sie drohte zu erbrechen, so dass meine Frau die Krankheitssymptome bewertete und wir abwägten, während ich ein Croissant aß, inwieweit wir die Notfallpraxis aufsuchten mussten. Dies schoben wir vorläufig nach hinten, so dass wir uns an unsere Wocheneinkäufe heran machten, die wir diesmal bei real in St. Augustin erledigten. Nachdem wir real verlassen hatten, bedeutete für uns das Mittagessen beim thailändischen Imbiss ein großes Stück Ruhe inmitten aller Aufgaben, Terminen, To do’s, Erledigungen und Abarbeitungen. Froh darüber, uns nicht an den eigenen Herd stellen zu müssen, schlemmerte ich das knusprig-kross gebratene Fischfilet mit Gemüse in mich hinein, während meine Frau Huhn mit derselben Gemüsesoße aß. Bissen für Bissen genossen wir die reichliche Portion, und derweil brachten wir all das, was wir als nächstes abzuarbeiten hatten, in eine sinnvolle Reihenfolge. Unseren Durst löschten wir mit einer gut gekühlten Cola, und am frühen Nachmittag kehrten mit unserer Einkaufs-, unseren zwei Kühlboxen und jede Menge Katzenfutter nach Hause zurück. Da ich zusätzlich Mineralwasserkästen bei REWE einkaufte, wurde es reichlich spät, als wir im Haus des verstorbenen Schwiegervaters tätig wurden. Fieberhaft waren wir mit den Vorbereitungen zum ersten Dorftrödel in unserem Ort beschäftigt. Ganz viel räumten wir auf und hin und weg, ganz viel spülten wir, und die Art und Weise, wie wir den geerbten Hausrat auf dem Dorftrödel anbieten wollten, nahm langsam Formen an.