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die Lochis Live im Kölner E-Werk

Reichlich chaotisch und durcheinander ging es zu. Gewohnt, uns hinten anzustellen, reihten wir uns brav in die Warteschlange ein, die sich auf der Schanzenstraße zwischen den denkmalgeschützten alten Fabrikhallen gebildet hatte. Doch andere Ankommenden ignorierten dies. Eine größere Gruppe, vielleicht zehn bis zwölf Jugendliche, marschierten schurstracks vorbei und formierte ihren Haufen ganz am Ende im Hofbereich vor dem Eingang. Andere taten es ihnen gleich, bis das Menschknäuel im Hofbereich zu platzen drohte. Ordnung und Chaos gesellten sich zueinander, indem die brav anstehende Warteschlange vor dem Zaun des alten Fabrikgebäudes gleichzeitig wuchs. Händler versuchten die Wartezeit zu vertreiben, indem sie Merchandise-Artikel verkauften, T-Shirts, Kappen, Armbänder. Breitschultrige Männer von der Security kreuzten auf, die allerdings nichts sagten und die ungeordnete Menschenmasse nur zur Kenntnis nahmen.

Das E-Werk in Köln-Mülheim. Die Zeit, bis das Konzert von den Lochis beginnen würde, wozu wir anstanden, sollte sich gleich mehrfach in die Länge ziehen. Zunächst sollte sich diese amorphe Menschenmasse durch die drei Eingangstüren bewegen, dann wurde mein Stehvermögen beansprucht, weil es keinerlei Sitz-, sondern nur Stehplätze gab in der stimmungsvollen Location des E-Werkes. Und dann – das überraschte mich, obschon ich es von früheren selbst miterlebten Konzerten kannte – heizten gleich zwei Vorgruppen die Stimmung an, bevor die Bühne für die Lochis frei gegeben wurde.

Warteschlange vor dem Eingangsbereich des E-Werks

Bis sich die Lochis leibhaftig auf der Bühne zeigten, baute sich eine Spannung auf, die zu zerbersten drohte. Es war ein Nervenkitzel wie in einem Krimi. Erst war das Gitarrenspiel hinter dem weißen Vorhang zu hören, welche den Schriftzug ihrer letzten CD „WHATISLIFE#“ trug. Dann strahlten runde Kreise in diesen Schriftzug hinein. Die Schatten von menschlichen Silhouetten zeichneten rhythmische Bewegungen, Schatten, die gerade so viel erkennen ließen, dass der Hals einer Gitarre sich quer zu einem menschlichen Umriss verstellt hatte. Die Geräuschkulisse wurde – wie des öfteren – ohrenbetäubend, denn die umstehenden Teenager kreischten, so laut sie konnten. Bis der Moment der Erlösung nahte, als der alles verdeckende Vorhang hoch gezogen wurde und der Schwarm der Teenagerherzen mit ihrem Gesang loslegte. Das waren die Zwillinge Heiko und Roman Lochmann, und nicht zu vergessen die Band, die sie begleitete.

Als sie ihr erstes Stück zu Ende gesungen hatten, stand die helle Begeisterung in allen Gesichtern geschrieben. Eng gedrängelt standen wir zusammen, unsere Tochter im Blickfeld. Andere Eltern suchten, so wie ich, den Überblick über die mitgereiste Schar junger und jugendlicher Konzertbesucher zu finden. Und so trafen sich während der Begrüßungsworte der Lochis die Blicke zu einer anderen Mutter. Was wir alles so mitmachen würden, meinte sie. Halb so wild, entgegnete ich. Helene Fischer sei einiges schlimmer, sie würde meine Schmerzgrenze überschreiten. Die Lochis seien demgegenüber noch zumutbar. Diesen Satz, den unsere Tochter mitgehört hatte, war eine Provokation. Die Lochis zumutbar ? Sie korrigierte mich: die Lochis sollten bei mir dieselben Begeisterungsstürme auslösen wie bei unserer, sich mit ihren 13 Jahren mitten im Teenageralter befindenden Tochter.

Die folgenden Stücke boten eine nette Abwechslung zwischen eingängigen Melodien und Texten, bei denen sich die Lochis etwas gedacht hatten. Bei ihrem Stück „Lava“ brodelte es unter der Bühne. Während Flammen und Rauch in die Höhe stießen, bebte der Refrain „dieser Beat ist ein Monster“. In dem Stück „wie ich“ befassten sie sich mit ihren Identitäten in ihrem Zwillings-Dasein. Die Lochis konnten sich auch gehen lassen und waren faul. Ihr Stück „Lazy“ drückte genau meine eigenen Stimmungen aus, wenn ich Lust auf gar nichts hatte und mich dem Nichtstun hingeben wollte. Das Stück „Heimat“ wirkte etwas zu schnulzig, indem sie ihr Heimatgefühl zwischen ihren Wurzeln in Hessen und dem Rest der Welt definierten. Dennoch: mein eigener Musikgeschmack lag vom Prinzip her nicht so weit weg von den Lochis, früher oder später sang ich die Melodien mit, früher oder später klatschte ich mit.

Die Lochis gaben sich auf der Bühne ohne Starallüren, als die netten Jungs von nebenan, die so ganz normal waren wie ihr Publikum. Sie erzählten von ihren „fails“, den Fehlern des Tages, wofür das englischsprachige Wort „fail“ stand. Heiko hatte sich im Hotel mit Kaffee beschlabbert oder Romans Smartphone war in die Kloschüssel hinein gerutscht. Ihre Texte waren authentisch, weil sie solche Alltagssituationen in ihre Texte einbauten. Daraus wurde ihr Stück „Superman“, weil die beiden nicht immer funktionierten. Sie hatten ihre Fehler und Macken und tickten so wie jeder andere Mensch.

die Lochis Live:

im Publikum (Mitte links), mit Alpha-Queen Isabel (unten links)

Ihr Stück „Nice, dass du dabei bist“ brachte eine gewisse Wendung. Die Botschaft formulierten sie als Dank an das Publikum, an jeden einzelnen, dass er dabei war. Ein Dank an ihre Fans, ohne die solch ein Konzert undenkbar gewesen wäre. Ein Dank an die überschwappende Stimmung und all den Applaus. Zum Ende des Stückes verdunkelte sich die Bühne, die Klänge von Gitarre, Keyboard und Posaune waberten fort, klangen still vor sich hin, schwebten virtuos auf und ab und verstummten in ausgehauchten Sequenzen. Die Überraschung war groß, als ein Spotlight genau auf das andere Ende des Innenraums fiel. Auf einem Podest sitzend, hatten sich die beiden Zwillinge, von niemandem bemerkt, dorthin geschlichen. Während Heiko auf einer akustischen Gitarre spielte, sang Roman ein Lied über die Freundschaft. Das Stück „Meine besten“ beschrieb einfühlsam das soziale Netzwerk im Alltag, dass Freunde und alle anderen netten Menschen, die einem umgaben, durch alle Situationen hinweg halfen.

Auf der Bühne zurück gekehrt, fanden die Lochis nach Knallern wie das „Lieblingslied“ zu der Botschaft zurück, Freunde und auch Fans zu brauchen. Dieses Umfeld kondensierte sich in dem Begriff „Lochiversum“, der mir neu war, der sich aber wie ein roter Faden durch ihre musikalische Karriere zog. Und sie zauberten eine weitere Kernbotschaft aus dem Hut, die die Fragestellung beantworten sollte, wie man so nachhaltig Karriere machen konnte. „Die Dinge großartig machen“, so lautete ihre Antwort. Ganz viele Menschen hätten ihre musikalischen Ambitionen für Spinnerei gehalten, doch es habe sich gelohnt, diesen Meinungen zu trotzen. Man müsse alles aus sich heraus holen, was an Leidenschaft und Impuls da sei. So habe sich der Erfolg wie von selbst eingestellt.

Das Konzert lebte von den Überraschungsmomenten. Ihr Kontakt mit dem Publikum wurde intensiver, als sie eine junge Dame auf die Bühne baten. Ein Stuhl, der einem Thron nicht unähnlich sah, stand mittig auf der Bühne. Eine Auserwählte wurde gesucht, die in die Rolle einer „Alpha-Queen“ schlüpfen sollte. Alleine der Begriff klang so irre, dass sich jede Menge junge Teenagerinnen darum rissen, auf die Bühne zu kommen. Der Entscheidungsprozess der beiden Zwillinge dauerte nicht so riesig lange, bis sie eine junge Schönheit mit lange blonden Haaren auf die Bühne baten. Isabel, 16 Jahre alt, aus Bocholt am Niederrhein, beantwortete nicht einmal schüchtern die Fragen ihrer verehrten Stars. Offensichtlich hatte sie ganz ähnliche modische Vorlieben wie unsere Tochter, denn sie trug eine zerfetzte Jeans, in der an ausgewählten Stellen im Kniebereich und im Oberschenkel Risse eingearbeitet waren. Isabel mit der Alias-Identität der „Alpha-Queen“ lehnte sich daraufhin in den thronartigen Stuhl und hörte – wahrscheinlich mit laut pochenden Herzschlägen – dem Stück „Alpha-Queen“ zu. Das Konzept dauerte lang – und jedes Stück brachte in seiner Komposition, dem Gesang und den wechselnden Klangkomponenten Abwechslung. Als die beiden ihre Band vorstellen, die zweifellos genauso wichtig waren wie die Lochis selbst, wirbelte der Drummer Chris mächtig drauf los. Dem Publikum zeigte er, was er so drauf hatte – und nach dem Stück, welches die Drums so eindrucksvoll eingeleitet hatten, regnete es Konfetti auf die Bühne und dann war Schluss.

Vorläufig. Die Band samt den Lochis verließen die Bühne. Die Leere auf der Bühne entgeisterte das Publikum. „Zugabe“-Rufe schwollen an, wurden leiser, dann in Wellen immer lauter. Natürlich überhörten die Lochis nicht all die rufenden, schreienden und kreischenden Teenager und standen alsbald wieder auf der Bühne.

Verabschiedung mit Band

Und als Zugabe ging die Post wirklich ab.

„Komm lass uns raus gehen wir wollen die Welt sehen das ist unsere Zeit oh baby ab geht’s“

skandierten sie ins Publikum. Fast der ganze Saal sang das Stück mit – mit Ausnahme von älteren Semestern wie mir, die nicht so textsicher waren. Letzte Stürme der Begeisterung sammelten sich, die Herzen schlugen höher, man sang aus voller Kehle mit.

Ein Stück weiter war dann endgültig Schluss. Unsere Tochter kaufte sich unter den Merchandise-Artikeln ein Sweat-Shirt, und da hinter der Schanzenstraße Baustelle war, durfte ich rätseln, wie ich mit unserem Auto aus Köln-Mülheim heraus finden würde.

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