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die Lochis - Selfie-Tour in Hanau

200 Kilometer hin und 200 Kilometer zurück für ein einziges Foto. Absurd, mochte man denken, auf welche Irrwege uns die musikalischen Vorlieben unserer Tochter geführt hatte. Genau genommen, waren es zwei nette Jungs, beide Zwillinge, gerade achtzehn Jahre alt, die sangen und in den Medien präsent waren, so in Shows wie „Verstehen Sie Spaß“ oder dem Fernsehgarten. Heiko und Roman Lochner, auch die „Lochis“ genannt, waren der Schwarm unserer Tochter. Nachdem sie ihr Album „What is Life“ veröffentlicht hatten, gingen sie nun auf Selfie-Tour.

Um an dieses ein Foto heran zu kommen, mussten wir ziemlich genau 200 Kilometer zurück legen, da die Selfie-Tour-Orte einen riesigen Bogen um das Rheinland gemacht hatten. Der nächste Tour-Ort war Hanau, und so schickten wir unseren VW Golf, nachdem unsere Tochter von der Schule eingetrudelt war, auf die Autobahn A3 in Richtung Frankfurt. Bis zum Frankfurter Kreuz rollte der Verkehr bestens, das letzte Stück vom Frankfurter Kreuz bis zur Ausfahrt Hanau mussten wir uns etwas gedulden, da der Autoverkehr zu Berufsverkehrszeiten nur in zähem Tempo floss. Gegen 16.30 Uhr hatten wir dann unser Ziel erreicht, das war das Parkhaus am Forum Hanau. Das Hanauer Forum war derjenige Ort, den sich die Lochis für ihre Selfie-Tour ausgesucht hatten.

am Frankfurter Kreuz

Beim Durchschreiten des Einkaufszentrums, das nicht anders aussah wie in jeder anderen Stadt, stieg die Anspannung ins Unermessliche. Passanten liefen kreuz und quer. Supermärkte, Modeläden und Top-Fashion-Marken wetteiferten miteinander. Rolltreppen verbanden die beiden Ebenen des Einkaufserlebnisses. Es war aber nichts von einem Top-Event – geschweige denn, die Lochis – zu sehen. Waren wir hier richtig ? Der Pulsschlag, der somit nochmals in die Höhe schoss, verringerte sich erst, als wir das Forum in seiner kompletten Länge durch schritten hatten. An der Vorderseite des Forums, hinter der Glastüre, konnten wir eine weiße Wand mit einer Bühne und jede Masse Volk erspähen. Unverkennbar, das waren die beiden Jungs, so wie wir sie auf Youtube, auf Instagram oder im Fernsehen gesehen hatten. „What is Life“, dieser schwarze Schriftzug mit dem Titel ihres aktuellen Musikalbums markierte den weißen Hintergrund auf der Wand.

Als wir uns zu orientieren suchten, stellten wir fest – was nicht überraschend war – dass die Lochis heiß begehrt waren, denn die Warteschlange bis zur Bühne war lang, sehr lang und reichte bis zur Ecke des Friedensplatzes. Viele langhaarige Mädels im Teenageralter harrten in der Warteschlange aus, aber es waren auch ein paar Jungens dabei, auch Eltern oder Erwachsene. Zum Glück gibt es ja das Internet und Instagram. Unsere Tochter hatte sich mit zwei Mädchen aus der Hanauer Gegend verabredet, so dass sie sich bei ihnen ein Stück weiter vorne einreihen konnte.

Was die Fortschritte für die begehrten Selfies betraf, tat sich zunächst nichts bis gar nichts. Die Warteschlange stand auf der Stelle. Die Lochis signierten CDs und warfen sie in die wartende Menschenmenge, dann sangen sie ein Musikstück von ihrem letzten Musikalbum. Und der Moderator, der die Lochis mit vielen warmen Worten begleitete, schweifte ab. Ob jemand die Rodgau Monotones kennen würde, seine Generation sei mit solcher bodenständigen Musik aus Hessen verbunden. Er schweifte hinüber, dass die Lochis Eintracht Frankfurt-Fans sind, und er klärte das Publikum auf, dass man den Eintracht Frankfurt-Adler ganz geschmeidig „Attila“ nennt.

Nach so viel Beiwerk und Abschweife machten sich die Lochis schließlich daran, die sehnsüchtig Wartenden auf die Bühne zu bitten. Eine andere Person hielt diesen magischen Augenblick des Selfies mit einem Smartphone für die Ewigkeit fest.

Hanau:

Forum (oben links), Warteschlange vor den Lochis am Forum (oben rechts), Denkmal der Gebrüder Grimm (Mitte links), Am Markt (Mitte rechts), Skulptur des gestiefelten Katers (unten links), die Lochis singen (unten rechts)

Während unsere Tochter diesem magischen Augenblick entgegen fieberte, machte ich es mir bequem. Auf der Höhe der Warteschlange lag ein größerer Imbiss, der wirklich leckere Fritten hatte. Auf einer Sitzbank draußen schlemmerte ich diese Spezialität mit Mayonnaise in mich hinein, die – was zu erwarten war – nicht an den Geschmack von denjenigen in Belgien heran kamen, aber für deutsche Verhältnisse ausgezeichnet waren.

Da die Warteschlange lang genug war, konnte ich mir im Schnelldurchlauf die Highlights der Stadt ansehen. Das Aussehen der Stadt legte die Vermutung nahe, dass die Kriegszerstörungen sehr groß waren, denn von irgendwelcher historischer Substanz war kaum etwas zu sehen. Außer dem Rathaus mit seiner rötlichen Sandsteinfassade und einem Stadttor auf dem Weg zum Parkhaus beschränkte sich das historische Erbe auf die Gebrüder Grimm, die im Stadtzentrum allgegenwärtig waren. Die Gebrüder Grimm hatte ich mit Nordhessen oder Kassel verortet, doch ihr Geburtsort war Hanau. In vielen Ecken der Stadt begegnete man den beiden Märchenerzählern. Am Markt vor dem Rathaus stand ein überragendes Denkmal, ihr Geburtshaus am Friedensplatz war allerdings nicht mehr erhalten, lediglich eine Hinweistafel verwies auf diesen schicksalsträchtigen Ort. Am Markt lud das „Café Froschkönig“ zu Kaffee und Kuchen ein, und quer durch die Innenstadt erinnerten zehn Skulpturen an Märchen wie „Der gestiefelte Kater“, „König Drosselbart“ oder „Däumlings Wanderschaft“. Zum Imbiss vor dem Forum zurück gekehrt, trank ich eine Cola, ich packte meinen Laptop aus und arbeitete an dienstlichen Themen weiter, die verschiedenen Ebenen der Finanzplanung mit den eigenen Denkwelten übereinander zu bekommen.

Derweil waren fleißig Selfies gemacht worden, die Lochis hatten die Warteschlange weiter abgearbeitet, und nach rund drei Stunden Action ließen sie es sich nicht nehmen, eine zehnminütige Pause einzulegen. Während meiner Abwesenheit hatte unsere Tochter gute Fortschritte gemacht, bald bei den Lochis auf der begehrten Bühne zu stehen. Nun kam es mir so vor, als nähere sich in rasendem Tempo derjenige Moment, dass unsere Tochter über die Treppenstufen auf die Bühne schreiten würde und Auge in Auge den Lochis gegenüber stehen würde.

Ein paar Schritte zum Ziel dieser vielleicht irrwitzigen Idee, für ein einziges Foto 200 Kilometer Autofahrt hin und 200 Kilometer zurück auf uns zu nehmen. Ein Foto für die Ewigkeit. Es war keine Massenabfertigung, keine Selfie-Produktion am Fließband. Einzeln nahmen sie jeden Fan in Empfang, eine persönliche Begrüßung, ein persönliche Ansprache. Beide Teenager-Stars wechselten mehrere Sätze, sie stellten Fragen, über den zur Verfügung stehenden begrenzten Zeitraum entwickelte sich ein persönliches Gespräch. Schließlich der Druck auf den Auslöser des Smartphones. Alle lächelten, die Blicke gleich gerichtet zum Smartphone. Die beiden netten Jungs rahmten unsere Tochter ein, in ihrer Größe überragten sie unsere Tochter, die nicht gerade klein gewachsen war.

Selfie mit unserer Tochter (verdeckt)

Als unsere Tochter von der Bühne kam, hatte sich jegliche Anspannung aufgelöst. Sie war überglücklich und strahlte. Sie begutachtete das Foto, ein klein wenig hatte sich ihr Oberkörper nach vorne gebeugt, das gleichzeitige Lächeln im Dreiklang hatte das Smartphone sehr schön eingefangen. Einen Fluss von Worten wechselten die drei Mädchen. Schließlich verbreiteten sich die Selfies im Äther von What’s-app, das war eine groß angelegte Aktion, bei dem niemand im virtuellen Freundeskreis vergessen werden durfte.

Kurz vor 19 Uhr verließen wir Hanau, und wie die Hinfahrt ging die Autofahrt nach Hause nicht ganz ohne Holprigkeiten ab. Diesmal waren wir auf der A66 in Richtung Frankfurt gelandet, und als die Autobahn abrupt in Frankfurt endete, mussten wir ein ganzes Stück durch Frankfurt fahren. Das nervte, mit zahllosen Ampeln, einer holprigen Fahrbahndecke und einer Straßenbahn, die immer dann die Straße kreuzte und die Ampeln auf Rot umspringen ließ, wenn der Verkehr zu fließen begonnen hatte.

Ab der Autobahnauffahrt auf die A661 rollte schließlich der Verkehr, und wir konnten auf der Autobahn A3 über das Frankfurter Kreuz bis nach Hause Gas geben.

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