J. Henry Fair und H.A. Schult - Fotoausstellung in der U-Bahn-Galerie Heussallee/Museumsmeile
Es ist ein gleichgültiges Wechselspiel von Macht und Passanten, die in Eile und Hektik an den einstigen Regierenden der Bundesrepublik Deutschland vorbeihuschen. Sie eilen vorbei in einem synthetischen, zusammengefügten, abstrakten Raum. Ein glatter, schnörkelloser, durch seine Funktion bestimmter Zugang zur U-Bahn-Station Heussallee/Museumsmeile, der ein Doppelleben führt als Zugang zum Haus der Geschichte. Die Laufwege der Passanten führen vorbei an Fotos in Schwarzweiß, die den täglichen Politikbetrieb von Kanzlern, Ministern, Abgeordneten aufbereiten. Daneben lässt ein Film hinter dem harten Glas der Vitrine große Momente der Ära Adenauer aufleben, als der amerikanische Präsident J.F. Kennedy die einstige Bundeshauptstadt besuchte. Davon zehrt der Durchgang zur U-Bahn-Station, der mit seinem glanzlosen Fußboden, seinen Zwischenwänden aus Metall und seiner gelben Signalfarbe sich seiner Funktionalität unterwirft. Ein ungewöhnlicher Ort für eine Fotoausstellung.
Überschrift "Wüstes Land" (oben links), Braunkohlekraftwerk in der Lausitz (oben rechts),
Braunkohletagebau in der Lausitz und in Brandenburg (unten)
Die Weltklimakonferenz hat längst ihre Zelte abgebrochen, doch ihre Botschaften haben sich nicht verflüchtigt und wirken nach. Mit Beginn der Weltklimakonferenz am 3. November 2017 hat der US-amerikanische Fotograf J. Henry Fair seine Fotografien in der U-Bahn-Galerie präsentiert, dazu stellt der US-Künstler H.A. Schult seine Trash People aus. Die Fotoausstellung trägt die Überschrift „Wüstes Land“. In den USA hat sich J. Henry Fair mit der Ästhetik von Industrielandschaften befasst. In seinen Fotografien bringt er die Ambivalenz des hässlichen, zerstörerischen Erscheinungsbildes der Industrie und deren Schönheit in der Fotografie zum Ausdruck. Dabei sind ein großer Teil seiner Fotografien aus der Luft, vom Hubschrauber aus, entstanden.
In seinem Buch „Industrial Scars“, das in den USA erschienen ist, verfolgt J. Henry Fair neben einer Dokumentation der Umweltzerstörung durch die Fotografie den volkswirtschaftlichen Ansatz der externen Kosten. Kosten für die Entsorgung müssen transparent gemacht werden, indem Rohstoffkreisläufe geschaffen werden und diese Kosten müssen den Produkten angelastet werden. Kosten, wenn die Umwelt belastet und zerstört wird, müssen den Verursachern zugerechnet werden.
J. Henry Fair, geboren 1959 im US-Staat Carolina, fühlte sich von den Schattenseiten unseres Wachstums angezogen, dass die Menschheit durch Konsum, Gier und Wachstum immer mehr Dreck erzeugt – ohne sich deren Folgen bewusst zu sein. Seit mehr als 20 Jahren befasst er sich mit Verschmutzungen und Zerstörungen durch Kohleabbau, Landwirtschaft, Aluminium oder Stahlgewinnung. Seitdem fotografiert er, und die Besonderheiten seiner Fotografie charakterisieren Aufnahmen aus der Luft von einem Hubschrauber aus. Den Anstoß zu seinen großen Fotoprojekten lieferte die Deep Water-Horizon Katastrophe im Jahr 2010 mit ihrer schreckenshaften Größenordnung einer Umweltkatastrophe. Öl floss aus einer Bohrinsel in einem solchen gigantischen Ausmaß ins Meer, dass die Katastrophe den Untergang von Ozeanen herauf beschwor. Im Umfeld der aktuellen politischen Diskussionen des US-Präsidenten Trump, der die Sicherheitsvorschriften und die Kontrolle bei der Ölförderung im Meer lockern will, nimmt diese Bedrohung eine neue Gestalt an.
Braunkohletagebau im Rheinland
Bagger Rheinbraun (oben links), Jülich (oben rechts), Otzenrath (unten links),
Braunkohlekraftwerk Grevenbroich-Neurath (unten rechts)
Aus der Luft hatte J. Henry Fair Abfallprodukte aus der Rohstoffgewinnung in Fotoprojekten aufgearbeitet: in den USA waren es rote Schlämme aus der Bauxitgewinnung, die Verladung von Kohleasche, das Verkippen geschmolzener Schlacke aus der Stahlproduktion oder die Sammelbecken von Abwässern bei Fracking-Bohrungen. In Kanada fotografierte er die Ölgewinnung aus Teersanden, in Schweden Abfallhalden aus der Eisenerzgewinnung, im Golf von Mexiko Bohrplattformen. Dass er mit seinen Aktivitäten das Gebaren großer Öl- und Rohstoffkonzerne an den Pranger stellte, war nicht immer allen geheuer. Es kam nicht selten vor, dass er von der Polizei oder den Sicherheitsdiensten der betroffenen Firmen bedroht wurde. Ebenso hatte das FBI versucht, ihn bei seiner künstlerischen Arbeit zu kontrollieren.
Im Rahmen seines Fotoprojektes hat er sich in Deutschland mit dem Braunkohletagebau befasst, dessen Ergebnisse seit dem 3. November 2017 in der U-Bahn-Galerie Heussallee/Museumsmeile zu sehen sind. Niemand wird etwa leugnen können, dass alte Stahlwerke oder Zechen im Ruhrgebiet ihre eigene Faszination und Schönheit ausstrahlen. Je nachdem, wie man die Perspektive auf den Braunkohletagebau richtet, in diesem Fall aus der Luft, wird auch dieser in den Momenten des Lichtes, der Tageszeit, des Sonneneinfalles, der Anordnung der Objekte und der Fotogestaltung seine eigene, inne wohnende Ausstrahlung entfalten. Die Farbverläufe der Abbruchkanten von Feldern sind bunt und verspielt, die Formen der Bagger sind abstrakt, die Proportionen der ins Erdreich gebaggerten Löcher sind maßlos, die aus den Kraftwerken entweichenden Rauchwolken sind bedrohlich.
J. Henry Fair hat die Braunkohlentagebaue in der Lausitz und in Brandenburg fotografiert, daneben berühren mich die Tagebaugebiete von Inden und Garzweiler besonders, da sie vor der Haustüre meiner Heimat liegen. Die frühere Kreisstadt Jülich, die bestehen bleiben wird, liegt auf der Fotografie so dicht an der Abbruchkante des Tagebaus, dass sie abzustürzen droht. Von Otzenrath aus, das bereits weggebaggert ist, nähert sich der Abgrund des Tagebaus vereinzelten Bauernhöfen, die von Getreidesilos umlagert sind. Das Braunkohlekraftwerk von Grevenbroich-Neurath wälzt seine zähen Rauchwolken über Felder hinweg, die sich unbeteiligt in der Ebene nieder strecken.
Gemeinsam mit J. Henry Fair zeigt der US-Amerikanische Aktionskünstler H.A. Schult seine „Trash-People“, das sind aus Blech, Plastik und Scherben in der künstlichen Welt des Abfalls konstruierte Menschenfiguren. Sie stehen still und ignorieren die Umwelt. H.A. Schult will damit mahnen und einen Bewusstseinswandel erzeugen, dass mit unserem Konsumentenverhalten unsere natürlichen Ressourcen ausgebeutet und zerstört werden.
Trash-People von H.A. Schult
Genau dies soll die Botschaft dieser künstlerischen Arbeiten sein. Jeder Mensch ist mit seinem eigenen Verhalten und mit seinen Kaufentscheidungen für die natürlichen Ressourcen, seine Umwelt und das Klima verantwortlich. Die beiden Künstler sorgen sich und betrachten die Gier des Menschen, die politische Manipulation und die Ignoranz der Öffentlichkeit als die größte Gefahr, wenn es um die Zukunft unseres Planeten geht.