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zwei runde Geburtstage am Wochenende

Die Erkenntnis kam kurz vor Mitternacht, als die hart gesottenen Töne des Hard Rock die Feier kräftig durch schüttelten. „Thunderstruck“ von AC/DC, „We will rock you“ von Queen und „I was made for loving you“ von Kiss brachten mein Gehirn auf Hochtouren. An die siebzig Geburtstagsgäste scharten sich zusammen im Sportlerheim des FC Hertha Rheidt. Grüppchen standen draußen an Stehtischen zusammen. In einer lauen, wohl temperierten Sommernacht, beschienen vom Vollmond, waren die Achtertische draußen gut gefüllt. An den Holztischen im Inneren des Sportlerheims saß hingegen niemand, sondern man tanzte, selbst auf die knüppelharten Rhythmen von AC/DC.

„Lasst es krachen“, dieser Spruch, den Peter, unser Nachbar, in seiner Begrüßungsrede erwähnt hatte, ging mir durch den Kopf. Die Feierstimmung sei ihm wichtig, und um wie viel Uhr die letzten gingen, sei ihm gleichgültig. Drei Uhr nachts oder fünf nachts, für ausreichend Bier und Getränke sei gesorgt. Ins Wanken war er geraten, als er gefragt wurde, ob auch das Frühstück in seiner Feier zu seinem 60. Geburtstag inbegriffen sei.

Viel familiärer Anhang war dabei, bis zum Enkelkind. Viele Gesichter kannten wir aus den Vorjahren, manche Gesichter waren neu, ein homogener und breiter Freundeskreis, der sich alljährlich zusammenfand, auch zwischendurch und zu unterschiedlichen Anlässen. Viele Kontakte waren über ihre Kinder entstanden, dass sich die Eltern untereinander gut verstanden, deren Freundschaften bis in die Gegenwart gepflegt wurden.

Gläser im Lichterschein (oben links), 60 Jahre Volldampf (oben rechts)

ICE-Bordrestaurant (unten links), Tanzfläche (unten rechts)

Wichtige Meilensteine im eigenen Leben üppig feiern, das war Peters Grundsatz an diesem Abend. Es krachen lassen an seinem Geburtstag, und alle anderen sollten an dieser Feierstimmung teilhaben. Dazu trug die Gestaltung seiner Geburtstagsfeier maßgeblich bei. Das Motto „60 Jahre Volldampf“, Peter vor einer Dampflok, das Foto, womit er uns auf seiner Einladungskarte eingeladen hatte, sollte sich wie ein roter Faden durch die Geburtstagsfeier ziehen. Genauso das Logo „PB“ mit den Initialen seines Vor- und Nachnamens, dass dem Logo der Deutschen Bahn nachempfunden war. Es war mir verborgen geblieben, dass er dermaßen in Eisenbahnen vernarrt war.

Die Atmosphäre war locker an den Tischen, die die passenden Streichholzschachteln mit „60 Jahre Volldampf“ dekorierten. Zum Buffet lud ein Foto von Peter mit dem vorbei fahrenden Bordrestaurant eines ICE ein. Peter hatte keine Mühen gescheut, eine Kopie der Bahnzeitschrift „DB Mobil“ zu entwerfen, die natürlich in „PB Mobil“ abgeändert wurde. Mit dem Foto von sich und seiner Frau Monika machten beide Werbung für Fahrten nach Holland, im Europa-Sparpreis nach London, und als abendlichen Zeitvertreib durften seine Gäste ein Kreuzworträtsel lösen, wozu man allerhand Detailwissen über seine Herkunft, Kindheit, Hobbies und andere Vorlieben benötigte.

Peter ließ es krachen, als er die Tanzfläche eröffnete. Er und seine Frau Monika tanzten im Tanzverein, und als Augenweide für seine Geburtstagsgäste tanzte ein Paar aus seinem Tanzverein mehrere lateinamerikanische Tänze, deren Rhythmen mich ergriffen, weil sie mich bisweilen an den Latin Rock eines Carlos Santana erinnerten.

Fotos für die Nachwelt: jeder Geburtstagsgast durfte sich mit dem PIBA-Express, eine auf Sperrholz gemalte Dampflok , fotografieren lassen, indem jeder aus dem heraus gesägten Fenster in die Kamera schauen durfte. PIBA, das hatten wir mit dem Kreuzworträtsel gelernt, war ein Name, dem ihm ein Nachbarskind im Kindergartenalter verpasst hatte. Diese unvergesslichen Momente seines 60. Geburtstags hielt Peter in einem Erinnerungsalbum fest, in dem jeder einen Eintrag mit seinen Glückwünschen hinterlassen durfte neben einem Freiraum, wohin das dazugehörige PIBA-Express-Foto noch einzukleben war.

Am Sonntag dann der nächste runde Geburtstag, der nachgefeiert wurde. Mein Vater hatte eingeladen zu seinem 85. Geburtstag. Eine stolzes Alter, dessen Erreichen vielen Sterblichen verwehrt wird. Stolze und würdige Momente im Bauerncafé Jakobs in Wegberg-Tüschenbroich, wohin mein Vater zu Kaffee und Kuchen geladen hatte. Im Kreise meiner Onkel und Tanten eine Geburtstagsgesellschaft, die mit Ausnahme einer Tante der Ü80er-Generation angehörte. Zwei Onkel und eine Tante waren bereits verstorben. Die Beschwerlichkeiten des Alters hatten viele erreicht, allen voran meinen Vater. Der Aufwand, um ihn zu pflegen, hatte zugenommen. Nachgelassen hatten Geist, Verstand und Mobilität, aber er war nicht der einzige in diesem Kreis, dem das Alter zugesetzt hatte.

Ein Onkel fehlte ganz, weil ihn eine Virusinfektion in das Krankenhaus gezwungen hatte. Ein anderer Onkel, 86-jährig, der einige Hüftoperationen hatte über sich ergehen lassen müssen, quälte sich mit seinem Rollator durch das Lokal. Als er von seinem Schwiegersohn abgeholt wurde, wurde mir bewusst, wie unvollständig ich meine Cousinen und Cousins kannte. Ich glaubte, mein Cousin André hole ihn ab, es war aber der Ehemann meiner Cousine, Toni, den ich noch nie gesehen hatte. Meine Cousinen und Cousins zählten sich auf zehn zusammen, davon hatte ich viele, die Kinder der Geschwister meines Vaters waren, jahrzehntelang oder länger nicht mehr gesehen.

Glückwünsche zum 85. Geburtstag (oben links und unten rechts),

Bauerncafé Jakobs (unten links und oben rechts)

Es war nicht die Feierstimmung vom Vortag, als unser Nachbar es ordentlich hatte „krachen“ lassen, bis der letzte Feiernde das Lokal in der Nacht verlassen hatte. Diesmal war es eine Feierstimmung, die die Rahmenbedingungen des Alters akzeptieren musste. Dazu halfen der rheinische Humor, der mit seiner Gelassenheit über den Dingen stand. Es halfen auch die familiären Verbindungen, die Generationen zusammen geschweißt hatten. Hinter den familiären Verbindungen steckte auch ein Stück Ewigkeit, weil allen bewusst war, dass diese Verbindungen bis in die Ewigkeit hielten. Meine Onkel und Tanten lebten noch in einer Generation, dass Ehescheidungen quasi unbekannt waren. In jungen Jahren gab man sich das Ja-Wort, bis der Tod einen scheidet.

Man war froh, die Lebensqualität zu erhalten, die man in das Alter hinein retten konnte. Krankheit und Alter, dazu sich abbauende körperliche Funktionen setzten Grenzen, rüstig und aktiv bis ins hohe Alter zu sein. Die Geschwister meiner Mutter, vor allem ihr Bruder, waren solche Phänomene. Mit seinen 85 Jahren war er mit seinem PKW zum 61. Geburtstag seiner Tochter nach Luxemburg gefahren, wo sie auch den Luxemburger Nationalfeiertag erlebt hatten. Mit Smartphone und Laptop war er seit längerem in der digitalen Welt angekommen. Online betrieb er Ahnenforschung. Über meinen eigenen Blog war ich sofort vernetzt mit ihm, was die niederländische, die belgische und auch die luxemburgische Geschichte betraf.

Er war ein wahrhaft seltenes Phänomen, dass seine geistige und körperliche Beweglichkeit auch im Alter von 85 Jahren nicht entscheidend nachgelassen hatte.

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