Classic Cars & Caravans
Autofahren, eine Notwendigkeit. Zum Getränkekaufen, um möglichst schnell von Punkt A nach Punkt B zu kommen oder über längere Strecken, dazu geht es nicht ohne Auto. Wenn diese Einschränkungen nicht gegeben sind, schwöre ich auf das Fahrradfahren. CO2-frei, ohne jegliche Abgase, Bewegung an frischer Luft – viel lieber bin ich mit dem Fahrrad als auf vier Rädern unterwegs. Daher haben mich in der Vergangenheit irgendwelche Veranstaltungen, in dessen Mittelpunkt die Motorisierung und das Auto standen, kalt gelassen. Das Landschaftserlebnis auf dem Fahrrad ist mir viel wichtiger als wie viel PS unter der Motorhaube stecken.
So habe ich in den vergangenen Jahren nie Notiz davon genommen, dass in unserer Stadt Ende Juni regelmäßig das Event „Classic Cars and Caravans“ stattfindet. Da nicht von Oldtimern die Rede war, waren wirklich alte Autos eine Seltenheit. Ein Ford A aus dem Jahr 1930 war das älteste Exemplar, 1933 war ein DKW-Frontlader gebaut worden. In seiner Zeit galt der Vorderradantrieb als wahre Revolution, weil er nicht nur die Fahreigenschaften verbesserte, sondern auch das Gewicht verringerte. Die meisten PKWs waren in den 1950er bis in die 1980er Jahren hergestellt worden, Caravans waren nur wenige zu bestaunen, darunter der klassische VW-Bus mit einem nach oben aufklappbaren Dachaufbau, der ein Stück 1968er-Lebensgefühl von Freiheit, Frieden und Rebellion verkörperte.
Adler Triumph Junior (BJ 1939) und Ford A (BJ 1930, oben rechts), Chrysler (oben rechts),
Citroen (Mitte links und unten links), VW-Bus (Mitte rechts), DKW-Frontlader (BJ 1933, unten rechts)
Meine Faszination konnte ich nicht von der Hand weisen, welche Typenvielfalt von PKWs im Zentrum unserer Stadt angerollt war und sich alleine oder brav in Reihen in Formation gebracht hatte. Die umliegenden Stände vermittelten, wie viel Liebe und Zeit Bastler und Tüftler aufwendeten, um ihre alten Schätze in Schuss zu halten. Eine breite Palette von Spezialwerkzeug war erhältlich, damit an jeder Stelle an und unter der Karosserie gebastelt und geschraubt werden konnte, wo es nötig war. Andere Stände boten Lenkräder oder Felgen an, Kühlerhauben oder Autoradios, Panzerglasfolie oder Zündkerzen.
Das großspurig aufgezogene Event war mit den Ständen und seinem Rahmenprogramm sehr weit gefasst. Gleich mehrere Autohäuser waren vertreten, so dass man direkt einen Autokauf unter Dach und Fach bringen konnte. An einem Fahrsimulator konnte man seine Fahrkünste testen. PKWs müssen natürlich auch versichert werden, so dass die Allianz dort Flagge zeigte. Wie allerdings der Zusammenhang zu einer Hundetankstelle der Allianz gelagert war, dass entzog sich meiner Kenntnis. Es kam sogar zu einer Symbiose von Auto und Fahrrad, denn unter einem Pavillon parkten die fabrikneuen e-Bikes eines Fahrradgeschäftes. Freigeräumt und mit Tischen bestückt war der Marktplatz, um dem Bühnenprogramm zuhören zu können, welches den Tag begleitete. Zum Zeitpunkt, als wir über die Veranstaltung bummelten, traf dieses allerdings nicht meinen Geschmack, weil der kleinwüchsige Sänger deutsche Schlager zum besten gab.
Bühnenprogramm (oben links), Havana Club (oben rechts), Ersatzteile (Mitte links),
e-Bikes (Mitte rechts), Hundetankstelle (unten links), Felgen (unten rechts)
Verhungern und verdursten brauchte niemand, dafür hatten die Organisatoren ebenso gesorgt. Mit Drinks und Hochprozentigem aus der Karibik konnten sich die Besucher zum Beispiel erfrischen, serviert über einer Theke, die gleichzeitig die Ladefläche eines Chevrolet war. Das war originell, und angeblich kurvte der Chevrolet noch 1954 auf den Straßen Kubas herum.
Die Formen von PKWs waren damals noch schön. Häufig waren es geschwungene, bisweilen bauchige Formen, auf der Karosserie bespickt mit Elementen der Verzierung. Klimakiller, mit diesem Schimpfwort könnte man heute dieses alte Design belegen, welches in der Massenproduktion versuchte, Form und Würde zu bewahren. Heute hingegen wird mehr auf Kraftstoffverbrauch, eine ausgefeilte Technik und auf den Luftwiderstand im Windkanal geachtet. Bei Form und Schönheit stehen bei mir persönlich alte Citroen-Modelle an der Spitze, toll sehen auch alte amerikanische Modelle wie Mercury, Chevrolet oder Cadillac aus.
Clenet (oben links), Modellreihen Merzedes (oben rechts), Opel Kadett (Mitte links),
Cadillac (Mitte rechts), mehrere US-Fabrikate (unten links), vier Opel-Modelle (unten rechts)
Wie bei den amerikanischen Modellen, scharten sich in einigen Ecken Marken und Baureihen zusammen. Baureihen von Merzedes standen aus den 1960er und 1970er Jahren nebeneinander. Auch so manche Einzelexemplare verblüfften: so ein Renault 16TS aus dem Jahr 1968, bei dem man mit einem Hebel noch die vorderen Scheinwerfer in ihrer Höhe verstellen konnte. Oder ein Clenet mit Baujahr 1980. Die US-Firma, die 1987 ihre Produktion einstellte, ahmte in Einzelfertigung den Stil der 1930er und 1940er Jahre nach.
Entlang der Reihe von Opel-Fahrzeugen holten mich meine eigenen Erinnerungen ein. Das erste Auto, das ich selber fuhr, war ein Opel Kadett. Ich war stolz auf das Fahrgefühl, die neu gewonnene Freiheit und vor allem auf den riesigen Kofferraum, in dem man wahre Berge verstauen konnte. Rund drei Jahre fuhr ich den Opel Kadett, bis er unter der Karosserie so durch gerostet war, dass uns der TÜV scheidete. Mein Opel Kadett stammte aus dem Baujahr 1973. Und eben dieses Baujahr 1973 präsentierte sich unter den vier Opel-Modellen. Der gelbe Farbton ähnelte sogar sehr – mein Opel Kadett hatte allerdings nicht die Coupé-Form des Hecks. Da wurden Erinnerungen wach, auf welchen Strecken mich damals zu welchen Orten der Opel Kadett verschlagen hatte.