"fidget spinners" und ihr pädagogischer Nutzen
Was für Modewellen von Spielzeugen so manche Eltern über sich ergehen lassen mussten. Wir hatten indes Glück, dass wesentliche Modewellen von Spielzeugen einen weiten Bogen um unseren Haushalt gemacht hatten. Die Flutwelle von Diddl-Mäusen ist nicht in unser Haus eingedrungen, das Pokemon-Fieber hatte unsere Kinder nie erfasst oder auch Tamagotchis hatten unsere Kinder gleichgültig gelassen. Bei manchen Familien sah es anders aus: nachdem sich etwa Berge von Diddl-Mäusen aufgetürmt hatten, verschwanden sie später in der Abstellkammer im Keller in der Versenkung.
"fidget spinner" als USA-Flagge
Nun ist es bei uns soweit, dass wir uns der Modewelle der „fidget spinners“ beugen mussten. Alle Realschüler besitzen einen solchen „fidget spinner“, und so kam der folgenreiche Moment beim Bummeln durch die Bonner Fußgängerzone, dass unsere kleine Tochter zur stolzen Besitzerin eines „fidget spinner“ wurde. Gewohnheitsgemäß, stöberten Frau und Tochter im Kaufhof herum, und weil der Kaufhof so ziemlich alles im Warenangebot hat, steuerten die beiden auf die „fidget spinners“ zu. Doch weit gefehlt. „Fidget spinners“ waren dermaßen nachgefragt, dass der Kaufhof Lieferschwierigkeiten hatte und diese demzufolge nicht vorrätig hatte. Bei einem Händler in der Fußgängerzone hatten die beiden dann mehr Erfolg. Ein „fidget spinner“ mit ein paar Farbklecksen in violett, gelb und blau wechselte für satte sieben Euro den Besitzer zu unserer Tochter.
Ich kam nicht umhin, diesen Handkreisel mit Kugellager, an dem drehbare Kunststoff- oder Metallblätter angebracht sind, irre zu finden. Denn die Art und Weise, wie er sich um den fest verankerten Mittelpunkt drehte, war in der Tat irre. Ein kurzes Anticken, sofort nahm der Kreisel Fahrt auf. Er wirbelte, vibrierte und spulte seine Drehbewegung herunter. Er zappelte so herum, wie es seine Wortbedeutung „Unruhe“ für „fidget“ aus dem Englischen vermuten ließ. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis der „fidget spinner“ zum Stillstand kam. Beim Schulfest in der Realschule vor einer Woche konnte ich beobachten, wie der „fidget spinner“ Nischen und ganz beiläufige Alltagsmomente erobert hatte. Es gibt ungefähr keine Situation oder keine Stellung, in der man den „fidget spinner“ nicht drehen konnte. Er drehte sich auf der Fensterbank, Daumen und Zeigefinger hielten das sich drehende Ding, er balancierte auf der Fingerkuppe, er drehte sich auf der Handfläche oder auch zwei „fidget spinners“ drehten sich übereinander.
"fidget spinner" in unauffälligem Design
Rasch gerieten wir in die Diskussion des pädagogischen Nutzens. Wir verneinten diesen pädagogischen Nutzen, weil die Wegwerfphilosophie von Modespielzeugen an für sich keinen Nutzen verkörperte. Doch die Entstehungsgeschichte des „fidget spinner“ lag ein wenig anders, denn der „fidget spinner“ soll aus einer Notsituation geboren sein. Die US-Amerikanerin Catherine Hettinger litt Anfang der 1990er Jahre an einer Muskelschwäche, so dass sie mit ihrer damals 7-jährigen Tochter nur eingeschränkt spielen konnte. Sie flickte und klebte Dinge aus Zeitungen und Metall zusammen, womit sie einfacher mit ihrer Tochter spielen konnte. Dieses Ding, das Catherine Hettinger später mit einem Drehmechanismus weiter entwickelte, sollte angeblich Konzentrationsschwäche, Autismus oder ADHS lindern. 1997 baute Catherine Hettinger einen Prototypen des „fidget spinner“ und bot diesen einigen Spielzeugherstellern an – doch diese lehnten ab. Zwanzig Jahre lang verschwand der „fidget spinner“ in der Versenkung und wurde erst in diesem Jahr zum begehrten Mini-Kreisel. Da Catherine Hettinger die 400 Euro für die Patentierung nicht aufbringen konnte, verdient sie nun keinen müden Cent an dem Massenprodukt der „fidget spinners“.
Es ist erstaunlich, dass chinesische Fabriken die „fidget spinners“ nicht nur als Massenware ausspucken. Die Käufer fragen nicht nur die einfarbigen, monotonen und langweiligen Farbtöne der „fidget spinners“ nach, sondern es dürfen auch verzierte und verspielte Formen sein. Ein „fidget spinner“ mit der US-Flagge auf einem Stand fliegender Händler machte unsere Tochter neugierig, als wir über die Kirmes im Nachtbarort schritten. Das Angebot an „fidget spinners“ war riesig, fast jeder zweite oder dritte Stand hatte die Dinger im Angebot. Es gab sie genauso mit LED-Blinkfunktion, als Totenkopf oder in einem Dreieck.
Die schönen, verzierten und stark individualisierten Formen haben sogar Einzug in Designerkreise gehalten. So bietet der Genfer Designer Steve Raffner „fidget spinners“ als Weißgold-Kreisel, bestückt mit Diamanten, an. Solch ein erlesenes Exemplar kostet glatt 10.000 Dollar. Da mag dann auch die Wortbedeutung „spinner“ für verrückt, abgedreht, abgehoben treffend erscheinen.
"fidget spinner" zur Katzenbespaßung
Derweil haben wir uns selber vom pädagogischen Nutzen der „fidget spinners“ überzeugt, was den Unterhaltungswert für Katzen betrifft. Über Pfingsten durften wir bei Freunden deren Katzen versorgen. Wir brachten einen „fidget spinner“ zur Katzenbespaßung mit, und die Neugierde der beiden Katzen an dem sich drehenden Ding war groß. Voller Erwartung, streckten sie ihre Tatzen nach dem herum zappelnden Kreisel um. Den Katzenblick starr auf das herum wirbelnde Etwas gerichtet, das in seiner Bewegung kaum langsamer wurde, verschmolz die Verbindung von Katze und „fidget spinner“ sogar zu einem Sinnbild von unendlicher Ruhe.
Der „fidget spinner“ – ein ideales Spielzeug, auch für Katzen.