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Rundgang durch Altenahr

Apotheken und Reisen – eine etwas merkwürdige Kombination von Geschäftsmodellen, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Ein passendes Medikament gegen Übelkeit im Flugzeug, gegen Insektenstiche am Urlaubsort oder gegen Verdauungsbeschwerden wegen der landestypischen anders zubereiteten Speisen. Wie dem auch sei, unsere Freunde aus Saarbrücken hatten in der Apotheken-Umschau herum geblättert, sie überflogen das Angebot von Wochenendreisen und wurden aufmerksam. Die Preise lockten und die Gegenden auch. Sie buchten schließlich, wie es viele machen, die sich auf unterschiedlichen Informationskanälen schlau machen: nämlich über das Internet, ein verlängertes Pfingstwochenende in Altenahr für 99 € Halbpension pro Tag.

Hotel "Zum Schwarzen Kreuz"

Der Wochenendtripp über Pfingsten führte sie ins Hotel „Zum Schwarzen Kreuz“, welches wir gleichzeitig zu unserem Treffpunkt auswählten. Ein Hotel, das sich mit seinem Alter und seinem massiven Fachwerkgebälk in den Rang einer Sehenswürdigkeit hob. Glaubt man dem Internet, so steht dieses Hotel auf einem zu tiefst historischen Flecken. 950 Jahre muss man zurück blicken, als 1166 bereits ein Gasthaus existierte, angeblich an dieser Stelle. Verschiedene Stände und Nationalitäten hatten sich ab dem Mittelalter die Klinke in die Hand gegeben, Ritter und Reisige, Pilger und Kaufleute, Musikanten und Kuriere, Soldaten und Marodeure, Grafen und Bauern. Allesamt schwatzten sie miteinander, sie tranken einen über den Durst oder übernachteten. Ob noch irgendwelche Bausubstanz das 12. Jahrhundert überlebt hat, kann bezweifelt werden. Dazu sehen die Fachwerkbalken nicht wirklich alt aus, die Bausubstanz hat sich schön heraus geputzt und ist in den vergangenen Jahrzehnten wahrscheinlich einer gründlichen Renovierung unterzogen worden.

Beständig, als ob das Gasthaus bereits 1166 existiert hätte, weisen Jahreszahlen auf Fensterläden den Weg durch die Geschichte. Beginnend mit dem Jahr 1100, ist die Abfolge von Jahreszahlen ein Gesamtkunstwerk wie aus einem Guß. Holzschnitzarbeiten mit einem nicht näher definierten System mit Köpfen und Personen markieren die Jahreszahlen. Man kann spekulieren, dass diese Köpfe und Gesichter, vom Edelmann oder Ritter bis zum niederen Stand des einfachen Bauern, die Jahrhunderte der Wirtshauskultur gestaltet haben. Gleicht man die Jahreszahlen mit der Geschichte des Ortes Altenahr ab, so verwischen sich die Jahreszahlen zu einem belanglosen Mischmasch, in dem sich nichts wichtiges aus der Geschichte wiederfindet. Mit einer Ausnahme: der Beginn der Jahreszahlen, das Jahr 1100, markiert den Ursprung des Ortes Altenahr durch das Grafengeschlecht „von Are“.

Ist die Figur über der Jahreszahl 1100, die so grimmig drein schaut, der Graf Dietrich I. von Are ? Das war nämlich der erste urkundlich erwähnte Graf des Grafengeschlechtes „von Are“. Mit Schild und Lanze bewaffnet, wacht nun Dietrich I. – wenn er es denn ist – über das Schicksal des Gasthauses.

Mit nur wenigen Ortskenntnissen ausgestattet, mussten wir uns in Sichtweite des Bahnhofs Altenahr, einem stolzen Bau mit dezenten Fachwerkbalken im Obergeschoss, zunächst orientieren. Dass die Umgehungsstraße, die 1998 fertiggstellt wurde, eine Verkehrsentlastung für den Ortskern gebracht hat, konnten wir nicht wirklich feststellen. Eine Schlange von Autofahrern und Motorradfahrern wälzte sich durch den Ort, bis wir die Hauptstraße überqueren konnten. Altenahr, dieses Touristennest, zieht Tagesausflüger und Wochenendurlauber gleichermaßen an. Vor allem Holländer, das wußten unsere Freunde zu berichten, denn bei Frühstück und Abendessen flogen hart gesottene Wortfetzen mit harten Lauten aus dem Rachen, die unserem westlichen Nachbarland entstammten, reichlich durch den Speisesaal. Selbst das Aus für die Seilbahn wirkte sich nicht auf die Anziehungskraft auf den Tourismus aus. Die Seilbahn, die mich als Kind auf den 355 Meter hohen Ditschhardt-Berg beförderte, hatte im Jahr 2001 ihren Betrieb eingestellt, nachdem sie immer weniger genutzt wurde. 2001 lief der Pachtvertrag aus, ohne dass sich ein Nachfolger fand. Nun rostet die Ruine der Seilbahn vor sich hin. Das große Umleitrad stemmte sich wie ein UFO vor einen uninspirierten Berghang.

willkommen in Altenahr (oben links), Bahnhof mit dem Felsen "Zum Schwarzen Kreuz" (oben rechts),

Ahr in Altenahr (Mitte links), Umleitrad der Seilbahn (Mitte rechts),

Pfarrkirche (unten links), Altar der Pfarrkirche (unten rechts)

Wir vermieden es, uns zum Bahnhof zu wenden, denn dorthin geleiteten einen die Radwegsymbole mit dem Ahrtalradweg. Anstatt dessen wählten wir den Fußweg an der vor sich her plätschernden Ahr. Uns fiel ein Kreuz mit einer Aussichtsplattform über der direkt gegenüberliegenden Felswand auf. Es war genau das Kreuz, von dem sich das Hotel „Zum Schwarzen Kreuz“ seinen Namen ausgeliehen hatte. 1865 aufgestellt, rankte sich um das Schwarze Kreuz eine Sage. Ein Kind war den Felsen in die Ahr hinab gestürzt und drohte zu ertrinken. Dies sah ein Mann namens Caspary aus Altenahr. Er versprach, oben auf dem Felsen ein Kreuz zu errichten, wenn es ihm gelänge, das Kind vor dem Ertrinken zu retten. Und wirklich, es gelang ihm, das Kind aus dem Wasser zu holen. Er hielt sein Versprechen und errichtete im Jahr 1859 hoch oben auf dem Fels ein Kreuz. 1865 wurde dann ein kleines Kreuz durch ein großes schwarzes Kreuz ersetzt.

Der Fußweg an der Ahr ging vorbei an Hinterhöfen, an Biergärten und von Weinstöcken eingefassten Gartenwirtschaften, während das Wasser der Ahr mit mäßiger Fließgeschwindigkeit vor sich her schlummerte. Die steilen, schroffen Felspartien am gegenüberliegenden Ufer ließen das romantische Potenzial der Ahr erahnen.

Weniger romantisch kamen uns die gestressten Gesichtszüge von Kindern vor, die kaum im Grundschulalter waren. Sie gehörten zu einer Radfahrgruppe von zwei Müttern, mit dick gepackten Fahrradtaschen auf dem Gepäckträger. Gezeichnet von den Anstrengungen der Fahrradtour, breiteten die Kinder ihre Beine auf einer Sitzbank aus und schleckten ein Eis.

Weit romantischer gerieten Dichter und Denker ins Schwärmen, die jenseits des geradlinigen Uferweges, auf dem wir spazierten, das Landschaftsbild der Ahr erkundeten. Ein undenkbares Gefühl von Ruhe und Einsamkeit, das man sich jenseits des betriebsamen Ortskerns kaum vorstellen konnte, überfiel Dichter und Denker wie Karl Simrock, Ernst Moritz Arndt oder Gottfried Kinkel. Vor allem waren es die Schleifen und Mäander, die gigantischen Felspartien, die senkrecht in die Ahr zu stürzen drohten, das tief zerklüftete Tal und die Dekoration von Weinbergen, die zu dichterischen Glanzstücken inspirierten.

Ortskern von Altenahr (oben links), Ortskern mit Burgruine (oben rechts);

Gedenktafel Nicolas Ponsart (Mitte Links), Lithografie Nicolas Ponsart (Quelle www.eifel-und-ahr.de, Mitte rechts);

Gemälde im Hotel "Zum Schwarzen Kreuz" (unten links), Burgruine (unten rechts)

Und es war natürlich die Burg, die Dichter und Denker in ihren Bann zog. Mit der Burg verknüpft sich die Jahreszahl 1100, von der wir auf dem allerersten Fensterladen des Hotels „Zum Schwarzen Kreuz“ Notiz genommen hatten. Um 1100 erbaute der erste Graf Dietrich I. des Grafengeschlechtes von Are die Burg Altenahr, dessen Überreste als Ruine die Zeit überstanden haben. Gleichzeitig siedelte sich im Ahrtal der Ort Altenahr an, der sich um 1100 ebenfalls „Are“ nannte. Nachdem einige Jahrzehnte später die Burg Neuenahr gebaut wurde, wurde daraus „alte Are“. Wir scheuten Zeit und Mühe, die Burgruine hinauf zu steigen. Vom Felsen des Burgplateaus aus, war es genau dieses Ahrtal-Panorama, das einen Romantiker wie Gottfried Kinkel entzückte. In seinem 1846 erschienenen Buch „Die Ahr — Landschaft, Geschichte und Volksleben" hielt er fest: „ … unter uns Altenahr in Obstbäumen, Gärten, Kornfeldern versteckt, dicht vor uns aber die prächtigen Burgtrümmer, dahinter die fantastisch zerklüfteten Felsenhäupter, die das Tal von Altenahr so wunderbar und so einzig machen. Dieses ganze Labyrinth haben wir in einem Blicke vor uns. Es ist keine Stelle, welche den eigentümlichen Zauber so tief und mächtig auf den Beschauer wirken ließe …“

Graf Dietrich I. war es auch, der um 1150 die Pfarrkirche im Ort bauen ließ. Der romanische, etwas nüchtern und klein gehaltene Baustil hatte sich auch nach der Erweiterung des Langhauses im Jahr 1892 nicht verändert. Sowohl während der neunmonatige Belagerung der Burg 1689/1690, wie nach den Renovierungsarbeiten im Jahr 1892, war ein großer Teil der Inneneinrichtung verloren gegangen. So öffnete sich hinter dem Säulenportal der fast schmucklose Innenraum, dem im wesentlichen der barocke Altar aus dem Jahr 1717 Akzente verlieh.

Einhundert Jahre nach dem Bau der Pfarrkirche starb das Grafengeschlecht „von Are“ aus, da die letzten Grafen von Are keine männlichen Nachkommen mehr hatten. Der letzte Graf von Are, Konrad von Are-Hochstaden, war Kölner Erzbischof, so dass er die Burg Are nach seinem Tod dem Kölner Erzbistum schenkte. So hoch auf dem Felsplateau über dem Ahrtal thronend, gelang es lange Zeit keinem Feind, die Burg zu erobern. Nicht einmal im Dreißigjährigen Krieg fiel die Burg, erst 1690 zerstörten französische Truppen, die in den Kriegswirren des Pfälzischen Erbfolgekrieges um Einfluss im Rheinland rangen, nach neunmonatiger Belagerung die Burg. Der Kölner Kurfürst August Clemens sprengte schließlich 1740 die Burg, als sich dort Raubritter eingenistet hatten.

Über die Hauptstraße bummelten wir zurück zum Hotel „Zum Schwarzen Kreuz“. Bevor wir in dem Innenraum, dessen großzügige Fensterflächen auf die Straße hinaus blickten, zu Abend aßen, staunte ich über ein Gemälde. Die Burg Are mit dem Berggipfel des Schwarzen Kreuzes und dem Ort Altenahr im Tal. Nicht nur Dichter und Denker, sondern auch Maler hatte die Ahr und Altenahr inspiriert. Der Maler dieses Gemäldes war wahrscheinlich unbekannt, aber auf dem Platz vor dem Rathaus befand sich eine Gedenktafel an Nicolas Ponsart, einem Belgier aus Malmedy, der zahlreiche Zeichnungen und Lithografien über das Ahrtal erstellt hatte. 1834 veröffentlichte er seine Sammlung „Souvenirs de la Prusse Rhénane“, in der er aus vielerlei Blickwinkeln Altenahr und seine Burg dargestellt hatte. Als Zeichner und Lithograph schaffte er nicht den ganz großen Durchbruch, dafür erlangte aber einen Dankesgruß des Preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV.: „Ich habe mit besonderem Vergnügen die beiden neuen Lieferungen ihrer eben herausgekommenen Erinnerungen aus Rhein-Preußen erhalten. Dieselben können den beiden ersten würdig an die Seite gestellt werden und gereichen Ihnen zu großer Ehre. Ich nehme an der Fortsetzung Ihres so schönen Werkes einen recht lebhaften Anteil.“

Tanzlokal "Im Kristallspiegel"

Eine weiteren anregenden Impuls haben unsere Freunde aus Saarbrücken an der Ahr erlebt. Tanzlokale. Ich selbst mache mich ganz klein und sinke in mich zusammen, wenn es um das Tanzen geht. Mittlerweile bin ich zum Nicht-Tänzer mutiert, obschon ich Sport und Bewegung sehr viel Positives abgewinnen kann. Prompt schwappten Rhythmen aus einem Tanzlokal hinüber, das gut gefüllt war und in dem sich einige Tanzpaare drängelten. Solch eine Fülle an Tanzlokalen gäbe es in Saarbrücken nicht, schwärmten sie, jedenfalls nicht so viele auf einem Fleck. Lange hätten sie sich nicht so wohl gefühlt wie auf dem Tanzparkett. Das mochte sicherlich stimmen, und aus all den Tanzakkorden hörte ich so etwas wie Foxtrott heraus.

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