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das Neptunbad in Köln-Ehrenfeld und der Jugendstil

Von heute aus betrachtet, war es ein Fortschritt in einer anderen Dimension. Industrie und Fabriken hatten in Köln-Ehrenfeld um sich gegriffen, Arbeiterviertel waren aus dem Boden gestampft worden. Es gab zwar eine öffentliche Wasserversorgung, doch in den Arbeiterwohnungen hockte man mit viel zu vielen Kindern auf einem viel zu kleinen Wohnraum. Körperpflege und Waschen war noch weit weg von heutigen Gepflogenheiten, denn es fehlte an Bädern, und auch nicht alle Arbeiterwohnungen waren an das öffentliche Wassernetz angeschlossen. Die Arbeiter protestierten, sie beriefen eine öffentliche Bürgerversammlung und forderten im Jahr 1900 den Bau eines Schwimmbades. Durch den Neubau der „Städtischen Badeanstalt“ sollte der Mangel an häuslichen Waschmöglichkeiten behoben werden.

Bis zum Jahr 1912 mussten sich die Ehrenfelder Bürger gedulden. „Städtische Badeanstalt“ – dieser Schriftzug prägt noch heute am Gebäude, das dem etwas karg und steril wirkenden Platz davor eine gewisse Größe verleiht. Der preußischer Baurat Kleefisch plante die „Badeanstalt“ und wählte als Namensgeber den römischen Gott der Meere, Neptun. Er orientierte sich dabei ganz am Zeitgeschmack des ersten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts. Dieser Zeitgeist nach der 1900er-Jahrhundertwende verwarf die Industrialisierung und Massenproduktion, monumentale Formgebungen des Kaiserreichs und überladene Baustile, die Elemente bis in die Antike zurück übernommen hatte.

Die Formen wurden eleganter, weicher und geschmeidiger und besannen sich auf einfache Geometrie. Der Mensch wurde heraus genommen aus dem Räderwerk von Maschinen und Produktion und in die Mitte der Natur gestellt, die ihn umgab mit rankenden Liliengewächsen, exotischen Blumen oder Schwänen im Wellenspiel. In ganz Europa waren es Künstlergruppen, die sich lose vereinigten mit Architekten und Designern. Sie suchten nach neuen Gestaltungsentwürfen einer Stadt, die urbane, architektonische, gartenbauliche, künstlerische und kunstgewerbliche Ansätze integrierte.

Die Wochenzeitschrift „Jugend“, erschienen erstmals 1896 in München, war das Sprachrohr dieser Künstler, die das Prinzip der Befreiung und der alleinigen Herrschaft der Formen und der künstlerischen Empfindungen propagierte. Demgemäß nannte sich diese neue Stilrichtung, die das Leben als Gesamtkunstwerk formulierte, in Deutschland „Jugendstil“ oder „art nouveau“ in Frankreich oder „Sezessionsstil“ in Österreich. Während der Wiener Architekt Olbrich etwa auf die Mathildenhöhe, dem höchsten Punkt in Darmstadt, einen kompletten Stadtteil in der Jugendstil-Architektur ab 1899 neu baute, blieb im Rheinland der entscheidende Umbruch durch den Jugendstil aus.

Es waren einzelne Gebäude, die mit Bändern, stilisierten Blumen und geometrischen Muster ihre architektonischen Formen spielen ließen. Am 10. April 1912 öffnete das Neptunbad im Kölner Stadtteil Ehrenfeld. Trotz des zurückhaltenden Baustils wirkt das Bad auf dem weiten Platz repräsentativ. In der grauen Steinumrandung des Eingangs igeln sich allerlei Meerestiere ein, die den Meeresgott Neptun umschwärmen könnten: Krebse, Seepferdchen, Muscheln winden sich in verschlungenen Formen, die geschwungenen Linien der beiden Erker kleben an der zartweißen Fassade. Rauten und rechtwinklige Flächen schieben sich zwischen die weißen Fenster im Oberschoss, die in neun Rechtecke zergliedert sind. Kleine ovale Fenster mit derselben Zergliederung in Rechtecke markieren die beiden Treppenhäuser.

Die Kosten in Höhe von 296.950 Mark für den Grunderwerb und die 730.000 Mark Baukosten waren gut investiert. Den Bürgern in Köln-Ehrenfeld diente das Bad nicht nur deren Reinlichkeit und Körperhygiene, sondern es war ein Wohlfühltempel, der eine Art von Luxus und Wellness bot, wobei allerdings unterschieden wurde nach einer Badnutzung in erster und zweiter Klasse. „Die Badeanstalt kann nach künstlerischer wie praktischer Hinsicht gleichermaßen als mustergültig bezeichnet werden“, so schrieb das Zentralblatt der Bauverwaltung. Auf zwei Haupttreppen gelangte man über einen Wartebereich, den Erfrischungsraum, die Wäscheausgabe, die Frisierstube in das durch Oberlichter erhellte römisch-irische Bad, wo auch Heißluft-, Dampf- und Massageräume untergebracht waren, dahinter schloss sich eine Halle mit Brausen, Kalt- und Warmwassertümpeln an, die Decke überspannte ein Tonnengewölbe. Durch die Oberlichter der geschwungenen Rundbogenfenster fiel das Tageslicht in die große Schwimmhalle ein, dessen Schwimmbecken 21 Meter lang war und 9,50 Meter breit. Bei der Gestaltung des Schwimmbeckens hatte man sich Mühe gegeben, hochwertige Kacheln in einem Blauton zu verwenden, das den Wasserspiegel in einem ruhigen, angenehmen Blau erscheinen ließ. „Die Innenausstattung ist unter weitgehender Verwendung von Wandplattenbekleidungen gediegenster Art, allen neuzeitlichen, gesundheitlichen wie technischen Anforderungen vollauf entsprechend“, so urteilte das Zentralblatt der Bauverwaltung über den Badebereich.

Das Neptunbad überstand nahezu unversehrt den Zweiten Weltkrieg, doch ab den 1970er Jahren geriet das Neptunbad in die allgemeine Misere städtischer Bäder hinein, dass die Nutzerzahlen zurück gingen, während der Renovierungsbedarf ungeahnte Größenordnungen annahm. 1999 kaufte die Deutzer Claudius-Therme das Gebäude und investierte kräftig. Für 13 Millionen Euro wurde das Neptunbad innen restauriert und erweitert. Die historische Schwimmhalle wurde dabei zum Fitnessbereich. Seitdem können sich alle Fitness- und Wellnessbedürftigen in dem großartigen Jugendstilgebäude des Neptunbades tummeln.

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