Tagebuch September 2016
1. September
Das hätte ich so nicht gewusst, dass im Godesberger Stadtpark 44 Mammutbäume stehen. Dies sagt jedenfalls das Baumkataster der Stadt. Sie genau nachzuzählen, dazu hat mir die Zeit gefehlt. In jedem Fall sind es ganz schön viele. Das Saatgut des Mammutbaums gelangte seit der Mitte des 19. Jahrhunderts nach Deutschland. Es war Kaiser Wilhelm, als dieser 1864 noch der König von Preußen war, der die ersten Mammutbäume auf deutschem Gebiet aussäen ließ. 5.000 kräftige Jungpflanzen ließ er in der Stuttgarter Wilhelma aufziehen, die später auf Gärten und Parks in Württemberg und Baden verteilt wurden. Die ersten Mammutbäume im Godesberger Stadtpark wurden um die 1900er-Jahrhundertwende gepflanzt. Mammutbäume können locker eine Höhe von einhundert Meter überschreiten, im Godesberger Stadtpark sind sie allerdings nicht ganz so hoch. Nichtsdestotrotz fühle ich mich ganz winzig und klein unter einem solchen Mammutbaum.
2. September
„Imago beate virginis de pietate“, so nannte man um 1400 Darstellungen der um ihren toten Sohn weinenden Maria – auf Deutsch: Abbild der seligen Jungfrau von der Betrachtung. Dabei handelte es sich um eine kleine Tafel, aus Siena in Italien, die mit ihrem goldfarbenen Hintergrund im Stil der byzantinischen Ikonenmalerei gemalt war. Da sich die Szene der um ihren toten Sohn weinenden Maria besonders in Italien verbreitete, gemalt und später als Skulptur in Kirchen, wurde daraus die italienische Bezeichnung „Pietà“ für Frömmigkeit oder Mitleid. Aus der Bibel wurde die Beweinung Christi direkt aus der Leidensgeschichte abgeleitet: nach seinem Tod legte man seinen Leichnam Jesu, aus dessen Wunden noch Blut floß, in den Schoß seiner Mutter, die ihn beweinte. Die Szene voller Trauer erweckte Mitleid, daher „Pietà“. Um 1400 entstanden zeitgleich in Deutschland Skulpturen von „Pietàs“, im Naumburger Dom, im Ursulinenkloster Erfurt oder in Radolfzell am Bodensee. Die „Pietà“ in der Pfarrkirche St. Josef in Bonn-Beuel dürfte deutlich später entstanden sein, erst nach 1900, da die Kirche erst 1903 fertiggestellt wurde. Gleichwohl ist die Darstellung von Trauer und Mitleid sehr ausdrucksstark. Sie appelliert, dass wir Mitgefühl zeigen sollen.
3. September
Sommerfest im Behindertenwohnheim. Meine Ehefrau, die Behindertenwohnheim arbeitet, hatte mich dorthin mitgenommen. Meine Berührungsängste mit geistig Behinderten dauern in der Regel nur kurz. Im Inneren sind geistig Behinderte so natürlich, herzlich und unbefangen, wie es Nicht-Behinderte kaum sein können. Solche Begegnungen sind jedesmal eine Bereicherung.
4. September
Was für Blüten unsere deutsche Bürokratie so treiben kann. Von Freunden, die Hundebesitzer sind, haben wir erfahren, dass mit der Anmeldung eines neu erworbenen Hundes zur Hundesteuer gleichzeitig eine Art von Hundeführerschein erworben werden muss. Hintergrund für den Gesetzgeber, den Hundebesitzern dies vorzuschreiben, war der Tod eines Sechsjährigen durch einen Kampfhund in Hamburg im Jahr 2000. Ob dieser Hundeführerschein – oder Sachkundenachweis laut Landeshundegesetz NRW im Bürokratendeutsch – solche tragischen Ereignisse verhindern wird, mag bezweifelt werden. Die Vorschrift geht nach dem Rasenmäherprinzip vor: in Frage kommende, gefährliche Hunde sind mit einer Größe über 40 Zentimeter oder einem Gewicht schwerer als 20 Kilogramm festgelegt, wozu es reichlich Gegenbeispiele geben dürfte, dass kleinere Hunderassen besonders aggressiv sind und umgekehrt größere Hunderassen besonders harmlos und friedliebend. Ein bürokratisches Regelwerk also, welches wohl extrem wenig bewirken dürfte. Genauso wie der Multiple-Choice-Test, dessen 15 Ankreuzfragen in der Form eines „Idiotentestes“ konzipiert sind. Beispielhafte Frage: welche der folgenden Aussagen trifft zu? (1) Alle Hunderassen werden kinderlieb geboren. (2) Welpen müssen frühzeitig auf Kinder sozialisiert werden. (3) Jack Russel Terrier sind aufgrund ihrer kleinen Größe für Kinder optimal. Vermutlich wird aufgrund dieser Vorschrift kaum ein gefährlicher Kampfhund weniger durch die Gegend rennen. Dafür verschafft die Vorschrift den Tierärzten aber ein weitere Einnahmequelle, denn der Hundeführerschein kostet satte 30 EURO. Wer ihn nicht erwirbt, der muss mit einer Geldstrafe von 1000 EURO rechnen.
6. September
Die Liste der derjenigen Werbespots ist lang, die uns zu kleinen oder großen Egoisten umerzieht. Allenthalben beklagen wir uns, dass Solidargemeinschaften abhanden gekommen sind, in denen die Starken die Schwachen unterstützen. Nicht Ehrenamt, Nachbarschaftshilfe, Engagement für Außenseiter oder Aufopferung für die Familie, sondern Hedonismus und Konsum bestimmen die Materialisierung in unserer Gesellschaft. Menschen kultivieren ihr Ich, indem sich mit den Ikonen ihres eigenen Lebensstils umgeben. Ihre Körper sind schön designed, wie die Statue eines griechischen Gottes, sie tragen angesagte Mode, sie riechen nach einem Parfum, das nach einem Tennisstar benannt ist, sie fahren einen SUV oder einen anderen schicken Sportwagen, als Symbol der Männlichkeit oder einer femininen Traumfigur. Die Werbung unterstützt diesen Trend, sein eigenes Ding durch zu ziehen. „Do your thing“, das betont die Zigarettenwerbung. „Unterm Strich zähl ich“, so wirbt die Postbank für ihre Produkte. „Neues Jahr, neues Ich“, Smartphones von Samsung sprechen ebenso das neue, individualisierte Ich an. Die Werbung will uns diese Botschaft, dass es alleine besser als gemeinsam funktioniert, einhämmern.
8. September
Heute hieß es: Abschied nehmen von meinem Trekking-Rad, welches ich im Jahr 2006 im Nachbarort gebraucht für 150 € gekauft hatte. Ein wahres Schnäppchen, denn in der dunklen Jahreszeit bin ich zum Büro, nach Köln, nach Rheinbach oder übers Siebengebirge jede Menge Kilometer damit geradelt. Im Sommer Rennrad ohne Beleuchtung, im Winter Trekking-Rad mit Beleuchtung: im Rhythmus der Jahreszeiten war das Trekking-Rad stets treu und zuverlässig. Das hatte sich in den letzten Jahren geändert, weil zu vieles kaputt gegangen war – zuletzt fehlten die Ersatzteile, damit der Fahrradladen im Nachbarort die Gangschaltung reparieren konnte. Als ich den Sperrmüll heute vor die Straße gestellt hatte, durch stöberte ein Bosnier neugierig unseren Sperrmüll nach Werthaltigem. Dabei sah er den großen Fuhrpark von Fahrrädern unserer Familie, der in unserer Garage stand, und er fragte nach, ob wir aus unserem Fuhrpark auch alte Fahrräder verkaufen würden. Ich entschied mich, mich von meinem Trekking-Rad zu trennen, bei dem mittlerweile die Gangschaltung defekt war, das hintere Schutzblech war abgebrochen. Vorder- und Rücklicht funktionierten nicht mehr, da sich die Kabel nicht mehr in der Buchse des Dynamos befestigen ließen, Ich entschloss mich, das gute, alte und treue Trekking-Rad für 15 € abzugeben. Für die dunkle Jahreszeit bin ich nunmehr auf der Suche nach einem neuen gebrauchten Trekking-Rad oder einem weiteren gebrauchten Rennrad mit einer hellen Beleuchtung. Goodbye, altes Trekking-Rad.
10. September
Wir alle träumen von einer Welt, in der wir frei und selbst bestimmt leben können. Von einer Welt, in der in allen Ecken unserer Welt zu fairen Löhnen unter fairen Arbeitsbedingungen gearbeitet wird. Von einer Welt, in der die Risiken der Technik beherrschbar sind, und in der die Technik dem Menschen untergeordnet ist. Es liegt in der Natur der Dinge, dass unsere Welt von solchen utopischen Zuständen mehr oder weniger weit entfernt liegt. Dagegen lehnt sich, nicht nur in unseren westlichen Demokratien, ziviler Ungehorsam auf. Andere Menschen für dieses Ideal einer besseren Welt zu gewinnen, sich mit ihnen zu vereinigen, sie zu mobilisieren, auf die Straße zu gehen und gegen Mißstände zu protestieren, das kostet viel Aufwand und Zeit. Was soll man machen ? Was kann man schon bewegen ? Läßt sich überhaupt etwas ändern ? Unsere Demokratie lebt von solchen Menschen, die an eine bessere Welt glauben. Die sich in die Öffentlichkeit bewegen, um die Welt zu verändern, und ich bewundere all diejenigen, die ihren Protest auf die Straße tragen. Frauenbewegung, Schwule, Lesben, Hausbesetzer, Friedensbewegung, Ostermärsche und jede Menge AKWs: es ist unstrittig, dass manches, wenngleich nicht alles, erreicht worden ist. Ich meine, in unseren Zeiten wären die Proteste seltener geworden. Zumindest haben sich die Themen der Proteste verlagert. Gegen Rechtsextremismus, Kurdendemonstration, PEGIDA. „Tihange abschalten“ hat als Teil der AKW-Bewegung überlebt. Bleibt zu hoffen, dass die Belgier einsichtig werden und ihr schrottreifes AKW vom Netz nehmen werden.
11. September
Spaziergang mit der Familie durch die Rheinaue. Die Trockenheit war einfach nicht zu übersehen. Der Rasen war verbrannt, an einer Anhöhe sammelten wir die versprenkelt liegenden Zapfen von Kiefern. Die Hitze war verschwunden, aber vieles Grün war aus Sträuchern, Bäumen, Gras ausgehaucht worden. Wir suchten die grüne Oase im Japanischen Garten und fanden sie dort auch. Das Grün gruppierte sich um die Teiche, deren Attraktion die Koi-Karpfen waren. Dicke, fette Fische schwammen in Schwärmen umher. Weiße oder rote oder graue Schuppen glänzten im trüben Wasser. Und sie fraßen sogar. Wir verfütterten unsere Eishörnchen, die wir von unserem aufgegessenen Eis übrig gelassen hatten, in kleinen Bröckchen. Beinahe zankten sie sich um die Leckereien. Wir hatten unseren Spaß, die sich durch den Teich wühlenden Fische zu beobachten.
12. September
Im Grunde genommen geschah es in Windeseile. „Wir sind uns treu, solange der TÜV uns scheidet“, dieses Zusammengehörigkeitsgefühl mit unserem VW Vento sah seinem Ende entgegen. Baujahr 1997, hatte er mithin ein stolzes Alter von 19 Jahren erreicht. Mit 92.000 Kilometern hatten wir ihn 2004 gekauft, nun hatte er stattliche 271.000 Kilometer auf dem Buckel. Den TÜV, der zum 31. August fällig gewesen wäre, hätte er wegen all seiner Roststellen unter seiner Karrosserie nicht überlebt. An die 2.000 € hätte die Schweißerei gekostet. Diese Kosten haben wir haben nun in einen neuen Gebrauchtwagen, Typ VW Golf, investiert. Ein Fahrgefühl in neuen Dimensionen. Der Fahrersitz ist höhenverstellbar, butterweich geht die Gangschaltung, die Bremsen greifen früher. Der VW Golf, 8 Jahre alt, 86.000 Kilometer gefahren, ist mit Klimaanlage, die die heutigen Außentemperaturen von 30 Grad gleich erträglich gestaltet hat. Wenige Tage hat es gedauert, dass wir unseren treuen und 19 Jahren alten VW Vento in unserem Autohaus um die Ecke losgeworden sind, während gleichzeitig unser neuer gebrauchter VW Golf angemeldet worden ist. Ein prima Gefährt. Los fahren und Gas geben.
13. September
Er hatte nicht das Format eines Bernd Stelter, Guido Cantz oder Lars Reichow, die wir allesamt in Fernsehproduktionen live erlebt hatten. Dennoch: die Wissensshow des Eckardt von Hirschhausen „Das Quiz des Menschen“ war unterhaltsam und einfallsreich gemacht. In den WDR-Studios in Köln-Bocklemünd mussten sich die sechs Prominenten, darunter die TV-Moderatorin Sandra Maischberger und der Gewichtheber Matthias Steiner, ganz schön anstrengen. Zunächst mussten sich die Damen auf einem Schwebebalken in luftige Höhen balancieren, später mussten die Herren eine Bockwurst mit einer reichen Auswahl von üppigen Zutaten dekorieren, die dann der Fernseh-Koch Björn Freitag bewertete. Ich will aber nicht zu viel verraten: die Sendung, bei dessen Aufzeichnung wir gestern unter dem Publikum anwesend waren, wird am 13. Oktober im Ersten Programm gesendet.
16. September
Es ist ein Bild, an das wir uns im Verlauf der Jahre gewöhnt haben. Hitzewellen strecken das Grün der Natur nieder, die Vegetation ist ausgedörrt. Perioden der Trockenheit, in denen kein Tropfen Regen fällt, ziehen sich in die Länge. Nasse Monate mit ausreichenden Regenfällen sind unfähig, die Defizite der Trockenheit auszugleichen. Und von der Quelle her, aus den Alpen, hört wegen abgeschmolzener Gletschermassen der Wassernachschub über den Rhein auf. Hochwasser sind auf dem Rhein längst nicht mehr spektakulär, sondern Niedrigwasser. Die Fahrrinne der Schiffe ist ganz schön zusammen geschrumpft. Der in bedenkliche Tiefen gesunkene Wasserstand lässt Wallungen von Gestein heraus schauen. Auf den Gesteinsmassen kann ich bis weit in den Rhein hinein spazieren. So ungefähr einen Katzensprung, glaube ich mich vom gegenüber liegenden Rheinufer entfernt.
17. September
Ursprünglich wollten wir nach einem neuen Bett für unseren Sohn schauen, dessen Kopfteil auseiander gerissen war. Daher fuhren wir nach Möbel Hausmann. Mit diesem Möbelhaus fühlen wir uns verbunden, da dieses zuvor mitten in unserem Ort beheimatet war. Im Endeffekt fanden wir nichts passendes für unseren Sohn für einen passenden Preis. Wir genossen es aber zu schauen, nach Lampen, nach Schlafzimmern, nach Regalwänden. So manches, das wir hätten gebrauchen können, ließen wir stehen.
18. September
Stippvisite am Theaterfest vor der Oper. Rein zufällig sind wir auf dem Theaterfest gelandet, da uns ursprünglich Frau Panyas Imbiss mit thailändischer Küche angelockt hatte. Wir bummelten an Bühne und Zuschauersaal der Oper vorbei, was alleine schon spannend war. Das Beethovenorchester spielte, und einer aus den Zuschauern durfte Dirigent sein. Das gelang der ersten Dirigentin gar nicht schlecht, jedenfalls konnte ich keinerlei schrägen und schiefen Instrumente heraushören. Der Opernsaal kam uns majestätisch vor. Zum Schluß genossen wir den Imbiss bei Thita.
19. September
Fabriken sind eine Welt voller Eigenleben, was für einen Außenstehenden schwer zu fassen ist. Sie sind technisch und ökonomisch gesetzt, beziehen ihren Daseinszweck aus einer Produktion. Wertschöpfungsketten verteilen sich über den Globus, und kaum jemand kann fassen, wie sich die auf der ganzen Welt produzierten Teile zu einem Endprodukt zusammenfügen, welches der Endverbraucher dann anfassen kann. Fabriken haben ihre eigene Ästhetik. Schön sind sie selten, meist dann, wenn die Architektur von Fabrikhallen aus der Frühzeit der Industrialisierung stammt. Aus der technisch-funktionalen Hülle, die nach außen sichtbar ist, können wir keinerlei Rückschlüsse auf die Produktionsprozesse im Inneren ableiten. Rohre laufen quer auf dem Dach, ein Schornstein streckt sich zaghaft nach oben. Die Eisengießerei der Firma Wilhelm Stolle KG stellt Gussplatten her. Die Proportionen sind übersichtlich, wenn man den Betrieb mit den großen Stahlwerken im Ruhrgebiet vergleicht.
21. September
Als ich am Caesar-Denkmal auf dem Rheindamm vorbei kam, war ich entsetzt, als es vollgeschmiert war. So viel Vandalismus und Zerstörungswut. Schlimm, auf welches unterirdische Niveau die Urheber der Schmierereien hinab gerutscht sind ...
23. September
Relikte aus der Kaiserzeit assoziiere ich im ersten Schritt negativ. Preußen, Militarismus, Großmachtstreben, Pflicht und Gehorsam, Obrigkeitsdenken, Dreiklassenwahlrecht, Hurra-Patriotismus. Genau dieses Denken hat dann in die Urkatastrophe des Jahrhunderts, ausgelöst im August 1914, gemündet. Es gibt aber auch Relikte aus der Kaiserzeit, die ich positiv assoziiere. So die Sozialgesetzgebung, die wir in der Gegenwart wieder aufweichen wollen. Schulwesen und Bildung hat das Kaiserreich voran gebracht, Universitäten wurden ausgebaut. Das Kaiserreich kümmerte sich um vernachlässigte Landstriche, so die Eifel, und verhalf ihnen zu einem Aufschwung. Zu den Relikten des Kaiserreichs zählt auch der Reichsadler. Er thront auf dem Denkmal in Bonn-Beuel in der Nähe des Rheinufers. Die glorreich dokumentierte Schlacht bei Sedan am 2. September 1870 interessiert mich weniger. Es ist der Reichsadler auf der Spitze des Denkmals. Er knüpft an die Tradition des Römischen Reiches an, ein großes Reich mit einer durchgängigen Reichsidee geschaffen zu haben. Das Adlersymbol repräsentierte durchgängig das Heilige Römische Reich deutscher Nation im Mittelalter. Dieses Adlersymbol griff das Kaiserreich für das Deutsche Reich auf, nachdem der erste deutsche Kaiser Wilhelm I. am 18. Januar 1871 in Versailles in der Kaiserproklamation zum Kaiser gekrönt worden war. Die Nachkriegszeit betonte die Ausdruckskraft des Bundesadlers: symbolisch sollte die Kontinuität zur Weimarer Republik gepflegt werden, so dass der Bundesadler bis heute das Tagesgeschehen im Bundestag und im Bundesrat im fernen Berlin prägt.
25. September
Auf dem Weg nach Bonn, im Autoradio, hatten wir gelauscht, dass so mancher Leser der Mitternacht entgegen gefiebert hatte. So manche Buchhandlung hatte um diese sehr späte Zeit geöffnet, und die Mitternachtsstunde feierten sie gebührend. „Harry Potter und das verwunschene Kind“, nach neunjähriger Abstinenz gibt es wieder eine Neuveröffentlichung der siebenbändigen Buchserie. Wir fuhren nach Bonn hinein, unser kleines Mädchen brauchte Hosen, T-Shirts, Oberteile, Schuhe, Sportsachen, alles dringend. Dann am Marktplatz, die Angebotsstände bei Thalia, mit anderen Kunden strömten wir hinein. Wir schmökerten in Büchern, die unsere Neugierde weckten. Addiert man die Büchervorlieben in unserer Familie, so gibt es keine andere Bücherserie, die uns so sehr geprägt hat wie Harry Potter. Die Harry Potter-Bücher haben wir komplett gelesen, Filme haben wir im Kino gesehen, DVDs füllen unseren Wohnzimmerschrank. Wir sind glücklich, dass die Geschichte von Albus Dumbledore, Rubeus Hagrid, Draco Malfoy, Hermine Granger, Serious Black, Lord Voldemort & Co weiter geht. Es war eine Selbstverständlichkeit, dass wir „Harry Potter und das verwunschene Kind“ gekauft haben. Der neue Harry Potter ist als Theaterstück geschrieben, doch das ist reine Formsache. Neugierig und voller Anspannung, stürzen wir uns nun zu Hause auf den neuen Harry Potter.
27. September
Der Kreuzgang hinter der Bonner Münsterkirche, ein Rückzugsort und ein Ort der Besinnung. Der Kreuzgang schirmt sich ab gegen das Geschäftstreiben in der Fußgängerzone, er ist eine eigene, isolierte Welt für sich, mit einem Durchgang direkt verbunden mit Münsterkirche. Sein Standort ist mitten im Zentrum des ehemaligen Cassius-Stiftes. In mehreren Bauabschnitten hatte der Propst des Cassius-Stiftes, Gerhard von Are, ab 1140 den Kreuzgang errichten lassen. So stammen die dreiKreuzgangflügel, die das Seitenschiff der Münsterkirche umgeben, noch aus dem 12. Jahrhundert. Quadratisch, koordiniert er mit den vier Himmelsrichtungen die vier Elemente der erschaffenen Materie. Maß und Proportionen bestimmen seine Gestalt. Der Ort des Kreuzgangs diente einst der Meditation, der Erkenntnis der Geheimnisse Gottes, der Lektüre biblischer und anderer Texte. An diesem Ort wurden Wörter nach ihrem Sinn durchdrungen, Wortbedeutungen wurden abgewägt, es wurden Beziehungen zwischen der Heiligen Schrift und dem weltlichen Treiben hergestellt. Der Mensch hat wachsam zu bleiben, damit ihn niemand in die Irre führt.
29. September
Schöne Gesamtkomposition, hoch spezialisierter Inhalt. Das Bundesministerium für Forschung und Innovation hat das Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen beauftragt, den Einfluss des Gehirns auf das körperliche und geistige Wohlbefinden des Menschen zu untersuchen. 30.000 Menschen ab 30 Jahren sind ausgesucht worden, mit denen alle drei bis vier Jahre über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten medizinische Tests durchgeführt werden. Die Testergebnisse aus MRTs, zu Kognition, Neurologie, Sensorik oder Anthropometrie, die Aussagen liefern zu Gehirnstruktur und Gehirnfunktionen, fließen in die Rheinland-Studie ein. Dass geforscht wird und jede Menge Daten erhoben werden, das belegt eindrucksvoll die Beflaggung auf dem ehemaligen Platz der Vereinten Nationen, der seit 2008 namenlos ist. Die Gesamtkomposition fügt sich aus 191 Flaggen der Rheinland-Studie zusammen. Die Autofahrer auf der endenden beziehungsweise beginnenden Autobahn A562 können sich dann an dem bunten Bild wehender Flaggen erfreuen.
30. September
Die große Verhüllung ist im Gang, allerdings nicht mit Frauen, sondern mit Gebäuden. Vergleichbar mit Nonnen, signalisieren Frauen, die vom islamischen Glauben geprägt sind, den Männern mit ihrer Verhüllung, dass ihr Körper anderen gegenüber ein Tabu ist. Freilich, bei dem Bonner Hauptbahnhof ist es mit seiner Verhüllung nicht so viel anders. Hinter seiner Verhüllung verbirgt er ebenso Schönheiten, Reize, Konturen, Auffälligkeiten. Aus der Gründerzeit der Eisenbahngeschichte stammend, ist seine Fassade reich verziert und gestaltet. Diese Fassade ist nun gereinigt worden und wieder wunderbar heraus geputzt worden. In diesen Tagen hat der Hauptbahnhof seine Hüllen wieder fallen gelassen.