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Kaiser, Erzbischof und die Vollendung des Kölner Doms am 15. Oktober 1880

Der 15. Oktober 1880 sollte eigentlich ein festlicher Tag voller Freude werden. Neben der Gründung der römischen Kolonie „Colonia Claudia Ara Agrippinensum“ im Jahr 50 nach Christus, der Verleihung von Gerichtsbarkeit sowie Markt- und Münzrechten durch den römisch-deutschen Kaiser Otto I. im Jahr 953, der Rückführung der Gebeine der Heiligen Drei Könige am 23. Juli 1164 sollte jener 15. Oktober 1880 gleich berechtigt mit den genannten Ereignissen zum wichtigsten Datum der Kölner Stadtgeschichte werden. Köln hatte sich mit Fahnen, Kränzen und Kaiserbildern geschmückt. Zahllose Schaulustige, von denen viele von weit weg gekommen waren, säumten die Straßen. Mit einem letzten Stein sollte die höchste und schönste gotische Kathedrale Deutschlands nach einer über 600-jährigen Bautätigkeit eingeweiht werden. Dazu erwarteten alle sehnsüchtig die Repräsentanten des Deutschen Reiches, das Kaiserpaar Augusta und Wilhelm I.

Doch alles sollte komplett anders kommen. Die Feierstimmung sollte in einem Eklat enden. Schuld daran waren nicht nur die Relikte aus der Zeit vor der Gründung des Deutschen Reiches, als sich Preußen und Rheinländer nicht gerade sympathisch waren. Schuld waren auch Gesetzgebungsverfahren, die die Machtfülle der Kirchen einschränkten.

Kaiser Wilhelm I., Quelle Wikipedia

Die Kölner waren traditionell sehr verbunden mit dem Erzbischof. Seit 1866 hatte Paulus Melchers diese Position inne, der sich volksnah gab, beliebt war und sich gerne unter seine Gläubigen mischte. Ihm gelang es, fast alle der 800 Pfarreien im Erzbistum zu besuchen und dort den Gottesdienst zu lesen. Als Kölner Erzbischof nahm er 1870 an dem Ersten Vatikanischen Konzil teil, auf dem die Unfehlbarkeit des Papstes als neuer Glaubenssatz beschlossen wurde. Obschon dies seiner eigenen Überzeugung widersprach, verhielt er sich loyal gegenüber dem Papst und vertrat im Erzbistum Köln die Position des Papstes. Er exkommunizierte drei Bonner Professoren, die sich widersetzten. Gleichzeitig erließ der Reichstag in Berlin zwischen 1871 und 1875 mehrere sogenannte Kulturkampfgesetze, die die Macht und die Privilegien der Kirche reduzieren sollten und sich auch gegen politische Parteien und Gewerkschaften richteten.

Konkret bedeutete das für den Erzbischof Paulus Melchers: er sollte für sein Auftreten im Zusammenhang mit der Unfehlbarkeit des Papstes mehrere Geldstrafen zahlen, was er im Sinne eines passiven Widerstandes ablehnte. Daraufhin wurde sein Mobiliar gepfändet, zudem warf man ihn ein halbes Jahr in das Gefängnis „Klingelpütz“. Das Volk protestierte und sang vor dem „Klingelpütz“, doch der Staat lenkte nicht ein. Im Gegenteil: Melchers wurde danach zwar aus dem Gefängnis entlassen, aber der Staat leitete aus dem fernen, protestantischen Berlin ein Absetzungsverfahren des Kölner, katholischen Erzbischofs ein. Dem entkam er am 13. Dezember 1875, indem er in die benachbarte Niederlande nach Maastricht floh.

Da er nach den Regularien der Kirche nicht als abgesetzt galt, standen die Kölner nach seiner Emigration faktisch ohne Erzbischof da. Dies war auch so am 15. Oktober 1880, an dem die dunklen Schatten des abwesenden Kölner Erzbischofs die Feierlichkeiten mit dem Kaiserpaar Wilhelm I. und Augusta trübten. Der Dom wurde also ohne den höchsten Repräsentanten der Kölner Kirche eingeweiht. Das war beschämend und deprimierend für die Kölner Bevölkerung, genauso beschämend und deprimierend wie all die Deutschlandfahnen in schwarz-rot-gold am Kölner Dom und wie der Kaiserpavillon an der Südseite des Domes, der größer war, als manche Pfarrkirche in der Stadt je gewesen war. Offiziere in schweren Uniformen, vollgehangen mit Orden, hohe Beamte aus dem fernen Berlin tummelten sich zuhauf in dem Pavillion, in dem kein Vertreter der Kirche zu sehen war. Alleine der fast achtzigjährige Weihbischof Johann Anton Friedrich Baudri, der dem Domkapitel vorstand, wartete vor dem Hauptportal des Kölner Doms mit seinen sechs Hausherren des Doms, den Kapitularen.

Kölner Dom 2016

Pünktlich um 9:25 Uhr traf das Kaiserpaar mit dem Zug am Kölner Hauptbahnhof ein. Kaiser Wilhelm I. und seine Gattin Augusta bewegten sich aber nicht zum Dom, sondern zur Trinitatiskirche hinter dem Heumarkt, wo sie an einem evangelischen Gottesdienst teilnahmen. Erst danach fuhren Kaiser, Gattin und deren Gefolge zum Dom, wo die Kölner Bevölkerung sehr zurückhaltend applaudierte.

Die Atmosphäre wurde frostig, als der Weihbischof Johann Anton Friedrich Baudri das Kaiserpaar begrüßte. Seine Begrüßungsrede hatte er zuvor von den Herrschern in Berlin absegnen müssen, und dennoch gelang es ihm, in einer spitzen Andeutung auf den fehlenden Erzbischof hinzuweisen: "Möge bald der heißersehnte Tag erscheinen, welcher der Kirche den Frieden, dem vollendeten Dome den Hirten wiedergibt." Der Kaiser antwortete daraufhin kurz und knapp: "Ich strebe unausgesetzt nach diesem Gottesfrieden!"

Beim Einzug in das fertiggestellte Gotteshaus stimmte der Domchor das Te Deum an, aber von den Anwesenden sang niemand mit, obwohl dies eigentlich üblich war. Te Deum und Glockengeläut waren aus Berlin angeordnet. Kurz vor zwölf Uhr mittags wurde dann der letzte Stein gesetzt, was das Kaiserpaar vom Roncalliplatz verfolgte. In den Schlussstein der Kreuzblume auf dem Südturm fügte man eine Urkunde ein, die noch einmal die gesamte Baugeschichte des Domes zusammenfasste:

"Der Dom zum Köln, das ehrwürdige Denkmal deutscher Baukunst, auf dem Boden der alten Colonia Agrippina, an jener Stelle, wo Karls des Großen Erzkaplan Hildebold die dem Apostolischen Petrus geweihte Kirche errichtete […] So geschehen zu Köln am Rhein den 15. Oktober 1880, am Geburtstage des in Gott ruhenden Königlichen Schirmherrn, Königs Friedrich Wilhelm des Vierten, der den Plan zur Vollendung dieses herrlichen Gotteshauses erfasst und bis an sein Lebensende gefördert hat, im 20. Jahre der glorreichen Regierung Seiner Majestät des Kaisers und Königs Wilhelm, dem dritten Jahre des Pontifikates Seiner Heiligkeit des Papstes Leo, des Dreizehnten. Soli Deo Gloria!". Von den insgesamt 65 Unterschriften der Urkunde stammen nur sieben von Katholiken und keine einzige von einem Geistlichen. Der Schlussakkord war dann erneut beschämend und deprimierend, da die Menge das protestantische Kirchenlied „Nun danket alle Gott“ sang.

Weihbischof Baudri, Quelle Wikipedia

So manche Kölner verkrochen sich in den Brauhäusern der Altstadt und spülten ihren Zorn mit Kölsch herunter. Dort saßen sie bewegungslos und mit geballten Fäusten an ihren Tischen. Andere versuchten, das Treiben des Kaisers mit sarkastischem Humor zu überspielen. Der bittere Spott und all die Gläser Kölsch sorgten schließlich dafür, dass der Tag der Domvollendung noch friedlich über die Bühne ging. Dennoch spalteten der Stolz über eine der schönsten Kathedralen der Welt und die Verbitterung über die Ignoranz des Kaisers gegenüber der katholischen Kirche das Volk.

Einen Tag später hatte sich die große Verkrampfung ein wenig gelöst. Ein großer Festumzug aus mehr als eintausendachthundert Jahren Kölner Stadtgeschichte zog die Menschenmassen an. Die Vorliebe der Kölner für solche Umzüge, bei denen ausgiebig gefeiert werden konnte, setzte alle machtpolitischen und antipreußischen Affekte außer Kraft. Nur einer blieb konsequent dem gesamten Dombaufest fern: Der Zentrumspolitiker August Reichensperger. Dessen Zentrumspartei beeinträchtigte die Kulturkampfgesetzgebung besonders. Reichensperger notierte später in seinem Tagebuch:

"Ich bin von Herzen froh, dass ich mich schlechthin von allem fernhalten konnte. Der Rausch geht vorüber, der Dom bleibt."

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