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Abrisswüste Niederkassel - Update August 2016

Der Slogan „flotte Familienmode für drunter und drüber“ im Schaufenster des MM-Textil-Modeladens sprüht vor Optimismus: „Wir führen für Damen und Herren: Wellness-Anzüge, Freizeit-Hosen, Leggings, modische Nachtwäsche, flotte T-Shirts und Pullis, Markenunterwäsche.“ Der Slogan meint, man ahnt es kaum, Kuren oder Rehas. Solch einen Optimismus könnten die umliegenden Geschäfte gut gebrauchen. In das Schreibwarengeschäft gehen die Kunden spärlich ein und aus. Der EDEKA-Supermarkt droht zum Jahresende zu schließen. Die Rolläden an der Metzgerei, die schon vor Jahren geschlossen hat, sind dicht.

Zwischen diesem Torso von Einzelhandelsgeschäften klafft das nieder gemachte Areal der 8.000 Quadratmeter großen Abrisswüste Niederkassel. Ein Jahr ist es nun her, dass ich über dieselbe Abrisswüste in meinem Blog berichtet habe. Seitdem hat sich dieser Anblick der Depression nicht, gar nicht, überhaupt nicht verändert. Wenn man vielleicht davon absieht, dass die Stellen zahlreicher geworden sind, auf denen Müll auf das Gelände geworfen wurde oder dass das Unkraut an Höhe zugenommen hat. Fast könnte man meinen, dass den Verantwortlichen dieser Stillstand gefällt, als wolle die Stadt Niederkassel diesen Schandfleck lieber behalten als ihn loswerden. Wie ich bereits vor einem Jahr vermutet hatte, wird die Abrisswüste mehr Beharrungsvermögen zeigen, als allen lieb ist, und verwandelt die Stadt in eine Geisterstadt.

Die Abrisswüste könnte sich gut eignen als Mahnmal, wie die Verantwortlichen jeglichen Realitätssinn für eine vernünftige Stadtplanung verloren haben. Schönes neues Einkaufszentrum, dafür mussten Mieter aus ihren Wohnungen geklagt werden. Hausbesitzer waren gezwungen worden, ihre Grundstücke zu verkaufen.

Abrisswüste mit Bauzaun und Baustellenschild

„Das Einkaufszentrum kann kommen“, so jubelten die Verantwortlichen der Stadt im Juni 2016, als die Verträge mit der Investorengruppe eines hiesigen Bauunternehmers unterschrieben wurden. „Die zeitlichen Abläufe liegen voll im Plan“. Der Stadtrat müsse noch einen Bebauungsplan verabschieden, ein, zwei Monate sollten noch für die Bauanträge vergehen, Anfang 2016 sollte mit dem Bau begonnen werden, im Sommer 2017 sollten die schönen, neuen Einkaufswelten eröffnet werden.

Aber welchen Plan meinen sie denn ? Hat es den jemals gegeben ? In der Theorie der Makroökonomik stehen Einkommen und Konsum in einem direkten Zusammenhang, der lautet: wenn die Einkommen nicht oder nur in der Größenordnung der Preissteigerungsrate steigen, dann wird faktisch nicht mehr eingekauft. Und in unserem Stadtgebiet sind wir in einem Umkreis von sechs, sieben Kilometern mit zwei REWE-, zwei ALDI-, zwei LIDL-, zwei Netto-, einem HIT- und einem EDEKA-Supermarkt bestens versorgt. Kommt ein weiterer Supermarkt hinzu, dann werden sich die Einkaufsströme von zehn auf elf Supermärkte verteilen.

Die Planer von Einkaufszentren richten ihr Hauptaugenmerk auf sogenannte Ankermieter, die die größte Verkaufsfläche beanspruchen . Die Kundschaft für weitere Supermärkte und Geschäfte ziehen sie dann automatisch an, so dass das Einkaufszentrum mit dem Ankermieter zum Selbstläufer wird. Das Konzept funktioniert wunderbar mit dem REWE-Supermarkt als Ankermieter in dem zwei Kilometer entfernten Ranzel, wo es die Einkaufsscharen gleichzeitig nach ALDI, LIDL, dm, Takko, Deichmann oder in den Blumenladen pilgern.

Der Eklat kam im Mai diesen Jahres, als dem Bürgermeister das Schreiben des geplanten Ankermieters REWE ins Rathaus flatterte, dass REWE für die 1.180 Quadratmeter Verkaufsfläche eine Million Euro in Ladeneinrichtung, Kühlung und Haustechnik hinein stecken müsse, so dass sich die Investition nicht lohne. Als Ankermieter stehe REWE daher nicht mehr zur Verfügung. Die Gesichter wurden im Rathaus lang und länger, und nun schielen alle auf ALDI als neuen Ankermieter, da diese Investitionen für einen Discounter niedriger ausfallen. Aber ist ALDI eine realistische Variante ?

Es wird reichlich Geprächsstoff und Abstimmungsbedarfe geben, wie das Gesamtkonzept nun aussehen soll. Der Schandfleck der Abrisswüste Niederkassel wird uns somit noch eine geraume Zeit erhalten bleiben. Es wird sicherlich neu diskutiert werden müssen, welche weiteren Geschäfte ALDI ergänzen, da tendenziell die eher unteren Einkommensschichten dort einkaufen werden. dm will bleiben, trotz ALDI, das hatte die Drogeriekette geäußert. Aber selbst ALDI wird dieselbe Rechnung machen müssen wie REWE. Es muss investiert werden, und von den beiden anderen ALDI-Supermärkten werden sich die Käuferströme lediglich verlagern, weil die Einkaufswege für den Konsumenten in Niederkassel-Ort näher liegen. ALDI kannibalisiert sich selbst, so lautet dies in betriebswirtschaftlichem Begriffswelten, so dass die beiden anderen Supermärkte unrentabel werden können. Hier greift wieder der makroökonomische Zusammenhang, dass nicht mehr einkauft wird, wenn die Einkommen entweder nicht steigen oder nur in der Größenordnung der Preissteigerungsrate.

Unkraut wuchert, Warnung vor Ratten und Mäusen, weggeworfene Bierflasche

Das wäre das totale Chaos, wenn sich auch ALDI als Ankermieter zurückzieht. Dann müsste komplett umgeplant werden, wie das Areal überhaupt genutzt werden soll. Wie dem auch sei, die Unkrautkulturen werden auf dem brach liegenden Gelände noch längere Zeit sprießen und gedeihen. Weitere Zaunwinden werden sich mit ihren weißen Blüten den Bauzaun hochranken, Efeu wird die stehen gebliebene Häuserwand hinauf wuchern. Wer mit einer Flasche Bier in der Hand über den Bürgersteig streift, kann die leere Bierflasche problemlos über den Bauzaun hinweg entsorgen.

Die Verantwortlichen üben sich indes im Zweckoptimismus. Die Aussagen des Bürgermeisters sind so unbestimmt, dass jeder genau das hinein interpretieren kann, was er möchte. „Das Ganze ist sehr zögerlich angelaufen, doch ich bin optimistisch, dass jetzt wieder Bewegung in die Sache kommt“, so äußerte er sich gegenüber der Presse. „Wenn alles gut geht, könnten zu Beginn der zweiten Jahreshälfte die ersten Bagger auf dem Gelände zu sehen sein.“ Da stellt sich allerdings die Frage, ob er selber daran glaubt. Mitte August habe ich jedenfalls noch keine Bagger gesichtet.

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