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Rundgang durch Visé / Belgien

Die schönen Dinge hatte ich mir nicht bis zum Schluss aufgehoben, sondern gleich zu Anbeginn gemacht. Frittenessen am Marktplatz. Dass es sich um eine Friterie handelte, war nicht ganz so einfach erkennbar. Tische und Stühle standen am Restaurant „Chez Adam“ an der Straßenecke. Menschen machten es sich an den Tischen gemütlich, beobachteten das Treiben auf dem verkehrsumrauschten Platz, warteten auf ihr Essen. An die Seite des Restaurants gedrängt, abgetrennt durch eine Wand aus Plastik, befand sich die Friterie durch eine eigene Durchreiche in der Küche des Restaurants. Von draußen aus konnte ich die vorgebackenen Fritten auf einem Ablageblech sehen. In einem zweiten Frittiervorgang wurden diese dann in dem heißen Fett der Fritteuse goldbraun gebacken. Das gab den Fritten den unvergleichbaren Geschmack nach frischen Kartoffeln, wie ich ihn nur aus Belgien kenne, nicht einmal aus den Niederlanden – obschon die Fritten mancherorts auch sehr lecker sind – geschweige denn aus Deutschland.

Friterie "chez Adam"

Um diese unverwechselbaren Fritten zu genießen, dazu hatte ich mir Visé in Belgien ausgesucht, 17.000 Einwohner zählend, ein kurzes Stück von der niederländischen Grenze entfernt, in Deutschland wahrscheinlich ein vollkommen unbekannter Flecken auf der Landkarte. Mein Rundgang führte mich im Kreis vom Marktplatz an der Maas entlang bis zur Kirche St. Hadelin zurück über die rue du Collège zum Marktplatz.

Prägend und weit verteilt in der Innenstadt von Visé waren jegliche Formen von Kriegsdenkmälern, die an den August 1914 erinnerten. Der Erste Weltkrieg hatte Visé so schwer erwischt wie so manche andere Stadt in Flandern direkt an der Front, die vier Jahre lang den schrecklichen Kämpfen ausgesetzt war. Nachdem die deutschen Truppen am 4. August 1914 die Kriegserklärung Frankreichs ausgelöst hatten, als sie bei Gemmenich auf belgisches Staatsgebiet vorgedrungen waren, erreichten sie noch an demselben Tag Visé. Doch die Belgier wehrten sich, leisteten Widerstand und verzögerten den deutschen Vormarsch nicht unerheblich. Daher rächten sich die deutschen Truppen am 15. August 1914, indem sie das gesamte Kulturerbe der Stadt niederbrannten. Die Einwohner wurden gezwungen, ihre Häuser zu verlassen. Wer sich weigerte, wurde erschossen. Nur einen Tag später wurden über 600 Einwohner zusammengetrommelt, um nach Deutschland, in ein Lager bei Hannover verschleppt zu werden. Wer nicht dazugehörte, flüchtete über die naheliegende Grenze in die Niederlande. Am Ende waren 575 der 840 Häuser, die damals die Stadt Visé bildeten, zerstört.

Ein damaliger Zeitzeuge beschrieb die Ereignisse so: „Die Bürger von Visé versteckten sich, sie konnten die Dinge nur vermuten. Vor dem Fenster sahen sie die Flammen des Feuers tanzen. Die Deutschen rissen die Bewohner aus ihren Zimmern auf die rue du pont und das Bahnhofsviertel. Als ob dies nicht genügt hätte, säten sie den Terror und zündeten weitere Feuer an. Die rue de la station war bald eine einzige Feuersbrunst und die Hausfassaden stürzten nach und nach ein. Die Bürger von Visé erwarteten wie versteinert, was passieren würde. Die Deutschen zerstörten alle Symbole der Stadt, das Rathaus, die Schulen, die Häuser der Gilden, die Privathäuser“.

Kriegsdenkmäler des Ersten Weltkriegs:

am Marktplatz (oben links), Via Dolorosa (oben rechts), am Rathaus (unten links), Erinnerungstafel mit Fotos aus 1914 (unten rechts)

Das Jahr 2014 hat man zum Anlass genommen, die Kriegsereignisse aus dem August 1914 sorgfältig zu dokumentieren. Überall hängen Erinnerungstafeln in der Stadt, welche Schneise der Zerstörung jene Augusttage an den Gebäuden hinterlassen hatten. Am 14. August 2014 haben die Bürger von Visé feierlich das Denkmal „Via dolorosa“ vor dem Rathaus enthüllt. Sechs große Stangen Dynamit aus rostigem Eisen nennen Orte und Daten des Kriegsgeschehens: Gemmenich 4. August 1914, Visé 4. August 1914, die Schlacht an der Ijzer 17. Oktober 1914, Mons – Zonnebeke – Comines-Warneton – Diksmuide .

All diese Tragik des Augusts 1914 ist längst vorbei. Es ist wichtig, sich zu erinnern, dass die Krise binnen Tagen und wenigen Wochen implodierte, sich, ausgehend von zwei Staaten, zu einem europäischen Flächenbrand ausweitete, in einer unglaublichen Materialschlacht. Indes scheinen die Wunden in Visé verheilt, obschon niemand die an die 10 Millionen in Europa gefallenen Soldaten vergessen wird. Denkmäler bringen vergangene Kriege zum Verstummen, demütig weisen Treppenstufen zu Gedenktafeln, reichliche Farben von gepflanzten Blumen sorgen für eine innere Ruhe.

Wichtige Monumente, so das Rathaus, waren in den Flammen untergegangen. Die Renaissance, die nach den Vorbildern in Italien um 1600 in die spanische Niederlande eingezogen war, wandelte sich im Fürstbistum Lüttich und im Herzogtum Limburg ab. Elemente dieser maasländischen Renaissance waren Säulenarkaden, tulpenförmigen Pfeilern oder Fensterumrahmungen aus hellem Gestein. Säulen und Arkadengänge sind charakteristisch für das Rathaus von Visé, die Fensterumrahmungen aus weißgrauen Steinen aus Mergel, das hohe Dach und der zwiebelförmige Glockenturm, in dessen Glockenstube die Glocken einzeln zu sehen sind. Die Vollendung des Rathauses dokumentierten die beiden Bürgermeister 1612 stolz über dem Glockenturm: „ora pro nobis 1612 – de temps de Honorable Frambach de la Haie et de Denis de Maret bourgmestres de la ville de Visé – P.H. Emont me fecit.“ Fortan spielten insgesamt 14 Glocken täglich ihr Glockenspiel. Bis die Flammen des Augusts 1914 das Rathaus bis auf die Grundmauern verwüsteten.

Als der Erste Weltkrieg vorbei war, gingen die Bürger von Visé beim Wiederaufbau ihres Rathauses sehr behutsam vor. Sie sammelten aus dem Schutt alle Steine und Baumaterialien. Originalgetreu bauten sie es 1926 wieder auf. Den Glockenturm stockten sie danach auf 18 Glocken auf. Jede Viertelstunde ertönt heutzutage das Glockenspiel.

Bereits am Rathaus hatte sich eine festliche Gesellschaft zusammen geschart. Limousinen fuhren vor, unter den Arkaden knubbelte sich die Gesellschaft zusammen, die Herren in Anzügen, die Damen in den schönsten Kleidern und herrlich aufgemachten Frisuren. Eine Hochzeitsgesellschaft ?

Häuser und Fassaden:

auf der rue haute (oben), Rathaus (Mitte rechts), Perron am Rathaus (unten links), rue basse (unten rechts)

Ich schritt weiter und erkundete derweil Visé über die Maaspromenade. An der Maas fanden sich erste Spuren der Zivilisation, die Maas hatte Wohlstand gebracht und zur Stadtwerdung im Mittelalter beigetragen.

Da das Netz von Römerstädten und Lagern nicht so dicht wie im Rheinland war, suchten die Römer die Kooperation mit germanischen Volksstämmen, die die römische Kultur adaptieren sollten. Im Kern war dies derselbe Volksstamm wie im Rheinland, nämlich die Eburonen. Am linken Maasufer fand man Überreste einer römischen villa aus dem ersten bis zum vierten Jahrhundert, dazu Keramikarbeiten in schwarzer und roter Farbe aus derselben Zeit, Gräber und Reste einer Römerstraße, die über Voeren nach Aachen führte.

Eine lange Zeit von Blüte und Wohlstand erlebte Visé vom neunten bis zum dreizehnten Jahrhundert. Vierzig Kilometer von Aachen entfernt, lag Visé im Einflussbereich des Hofes von Karl dem Großen, den es zur Jagd in die Ardennen zog. Seine Pfalzen verband er mit einem Netz von Straßen, den „routes Charlemagne“, er betrieb Handel über die Maas.

Später war die Stadt an die Bischöfe von Lüttich abgabepflichtig, dessen Bistum sich bis weit in die Ardennen vergrößerte, nachdem Notker 972 Bischof von Lüttich geworden war. In dem Machtgebilde der Lütticher Bischöfe hatte Visé eine exponierte Lage: an der Maas markierte die Stadt den nördlichsten Punkt. So ließ der Fürstbischof Adolphe de la Marck 1330 eine Stadtbefestigung bauen, von der allerdings bis heute nichts übrig geblieben ist. Der Überfall von Karl dem Kühnen, dem Herzog von Burgund, leitete im Jahr 1467 den Niedergang ein. Sein Drang nach Eroberung suchte nicht nur die Stadt Lüttich heim, er zerstörte auch Burgen in den Ardennen und die Stadtbefestigung von Visé. Den Rest besorgten französische Truppen im 17. und 18. Jahrhundert, so dass von der Stadtbefestigung nichts mehr übrig geblieben ist. Durch drei Stadttore, die porte de Souvre, die porte du Marché und die porte de Mouland, gelangte man seiner Zeit in die Stadt. Hoch standen Zinnen und Türme über der Maas.

Maaspromenade:

Autobahn Maastricht-Lüttich (oben links), gegenüberliegendes Maasufer (oben rechts), zur Schiffsanlagestellle (unten links), Bahnlinie (unten rechts)

Ohne Mauern und Türme verleitet die Maaspromenade heutzutage eher zu Depressionen. Hineingezwängt in ein Korsett aus Beton, reißt der Verkehrslärm nicht ab auf der vierspurigen Autobahn, die von Maastricht nach Lüttich führt. Stolze Maas, die du der Stadt so viel Reichtum gebracht hast, wo bist du geblieben ? Kanalisiert, wie in einer Röhre, fließt sie dahin. Als ob selbst die Tourismus-Verantwortlichen den Glauben an die Maas aufgegeben haben, hat der spiegelglatte Strom kaum Konturen. „La Meuse promenade touristique“ – das Hinweisschild zur Schiffsanlagestelle gibt mit den Überschmierungen ein beklagenswertes Bild ab. Zwischen Maas und Autobahn breitet sich die Eisenbahnlinie mit einem ausufernden Gestänge von Oberleitungen auf acht, neun, zehn Spuren aus. Dahinter quert, fast auf Tuchfühlung mit der niederländischen Grenze, eine Eisenbahnbrücke die Maas, die man hier „le pont des Allemands“ nennt.

Nachdem sich die Kriegsfronten in Flandern und Nordfrankreich verhärteten, mussten Nachschublinien organisiert werden. Dazu bauten die Deutschen eine neue Eisenbahnlinie parallel zur niederländischen Grenze, die von Aachen nach Tongeren verlief. Russische Kriegsgefangene bauten Eisenbahnviadukte in Moresnet und Voeren. Eine Legende besagt, dass die Seele eines russischen Kriegsgefangenen, der bei den Bauarbeiten der Viadukte ums Leben kam, die Brücke in Visé beschützt. Seitdem soll sich niemals ein tödlicher Unfall oder ein Selbstmord an dieser Brücke ereignet haben.

Das Maasufer im Belagerungszustand: das Eisenbahnnetz und die Autobahn lassen kaum erahnen, dass die Wiesen einst satt, grün und saftig waren, also beste Voraussetzungen für Landwirtschaft und Viehwirtschaft. Aber es waren nicht nur Kühe, die grasten. Gänse benötigen weitläufige Flächen, sie fressen Gras, in Schwärmen leben sie zusammen. Sie sind Wasservögel, sie trinken und schwimmen im Wasser, fliegen kurze Strecken und brauchen das Weideland als festen Bezugspunkt für ihren Schwarm. So haben über Jahrhunderte hinweg Unmassen von Gänsen die Stadt bevölkert, die sich dann von den Gänsen ernährte. Von den Gänsen erzählt eine Legende der Stadt: während der Belagerung durch die Truppen des Fürstbischofs von Lüttich im Jahr 1376 hütete eine Gänsehirtin ihre Gänse. An der Maas hatten die Soldaten ihr Lager aufgeschlagen, und mutig trat die Gänsehirtin ihnen entgegen. Völlig unerschrocken, riss sie ihnen die Fahnen weg. Die Bürger von Visé, die diese Tat beobachtet hatten, stürmten herbei, sie holten Verstärkung, mobilisierten all ihre Kampfeskraft und vertrieben die Truppen des Lütticher Fürstbischofs. So nennt sich Visé heute stolz „ville d’oie“, „Stadt der Gans“. Dem Symbol der Gans wird man an mehreren Stellen der Stadt begegnen. Dementsprechend gestalten sich in den Restaurants die Speisekarten. „Oie à l'instar de visé“ heißt die Zubereitungsart in Visé, ein Geheimrezept, dass niemand so richtig verraten will, im Internet habe ich ein Rezept mit einer Gemüsebrühe aus Zwiebeln, Möhren, Sellerie, Knoblauchzehen, Ingwer, Gewürznelken aufgestöbert.

Von der Maaspromenade schritt ich weiter zu der Stiftskirche der Stadt, St. Martin et St. Hadelin. Auch hier dokumentieren Erinnerungstafeln die Kriegszerstörungen im August 1914. Noch vor dem Brand von Visé am 15. August wurde die Kirche schwer in Mitleidenschaft gezogen, das war am 10. August 1914.

Visé - Stadt der Gans

Skulptur der Gänsehüterin (oben links), Medaille der "confrèrie de l'oie de Visé" (oben rechts), Gänse am Stadtmuseum (unten)

In jenen Augusttagen kam der deutsche Vormarsch in Belgien nicht im dem Tempo voran, wie es ein erfolgreiches Gelingen des Schliefenplans eigentlich vorsah. Das belgische Heer stellte sich zwar nicht zur offenen Feldschlacht, aber mit kleinen und schnellen mobilen Einheiten - oft mit Fahrrädern ausgerüstet - gelang es den Verteidigern, dem deutschen Heer durchaus erfolgreich schmerzhafte Nadelstiche zu verpassen und den Vormarsch erheblich zu verzögern. Solcherlei Angriffe geschahen oft in der Nacht und bei Dämmerung, der Feind war daher für die deutschen Soldaten meist nicht sichtbar. Auch kam es vor, dass vorrückende deutsche Einheiten sich bei schlechten Sichtverhältnissen und Unkenntnis des Geländes gegenseitig beschossen. Die deutschen Truppen reagierten hysterisch. Am 10. August zerstörten sie alles, was als Türme oder Schießstände genutzt werden konnte, um von oben beschossen zu werden. Das waren Schornsteine von Zementfabriken, aber auch der Kirchturm der Stiftskirche St. Martin et St. Hadelin.

Der Erstbau dieser Kirche führt direkt zu den familiären Verbindungen von Karl dem Großen. Begraben mit ihrem Ehemann Pippin dem Jüngeren in der Kathedrale St. Denis in Paris, war es 779 die Mutter Karls des Großen, Berthe, die eine erste Kirche in Visé bauen ließ. Es kursieren Theorien, dass die Franken die römische villa als Landgut weiter genutzt haben. Berthe soll sich über mehrere Jahre dort aufgehalten haben, die erste Kirche ist 779 dem Heiligen Martin geweiht worden. 881 wurde die Kirche allerdings beim Einfall der Normannen zerstört.

Der heutige Kirchenbau entstand in derselben Zeit wie die Stadtbefestigung. Die Mauern des Chors waren gleichzeitig Stadtmauer, ebenso die rückwärtigen Mauern des Kirchenschiffs, aus den Schießschachten des Kirchturms konnte die Stadt verteidigt werden. 1468 zerstörte Karl der Kühne die zur Stadtmauer gehörenden Bestandteile der Kirche, 1524 wurden diese wieder aufgebaut.

Im Inneren der Kirche begegnete mir dann genau die Hochzeitsgesellschaft, die ich zuvor vor dem Rathaus gesehen hatte. Das Tageslicht fiel ein durch die hohen Fenster im Stil der Gotik. Bögen schwangen sich in ähnlichen Maßen in die Höhe, in sich gekräuseltes Blattwerk formte die Kapitelle, das rote Ziegelmauerwerk an der Decke kontrastierte mit grauen Säulen. Die Hochzeitsmesse hielt mich davon ab, das Kircheninnere weiter zu erkunden. Die Messe war aber ungewöhnlich: der Pastor hielt sie auf Italienisch, also heiratete offensichtlich ein italienisches Paar.

Während Mobiliar und Inneneinrichtung die Verwüstungen des August 1914 nicht überstanden, konnte der Reliquienschrein des Heiligen Hadelinus gerettet werden. Dieser älteste Reliquienschrein in West- und Mitteleuropa, bei dem die beiden Giebelseiten noch aus dem 11. Jahrhundert stammen, stand ursprünglich nicht in Visé an der Maas, sondern in Celles mitten in den Ardennen. Dorthin verschlug es den Heiligen Hadelinus, nachdem er um 640 in einen Benediktinerorden in einem Kloster bei Limoges in Frankreich eingetreten war. In der Einsamkeit der Ardennen lebte er als Einsiedler nach der benediktinischen Glaubensform „bete und arbeite“, mit seiner Lebensform zog er weitere Einsiedler an, die dann mit ihm gemeinsam in einer Art von Einsiedler-Wohngemeinschaft lebten. 690 starb Hadelinus, 704 wurde ein erster Schrein mit seinen sterblichen Überresten angefertigt, eine kleine Kapelle wurde gebaut, Gläubige pilgerten zu seinem Sterbeort. Später, im 11. Jahrhundert, wurde eine romanische Kirche gebaut, und um 1130 bis 1150 entstand der Reliquienschrein, wie er sich noch bis heute erhalten hat. Im Jahr 1338 fand dann dieser Reliquienschrein den Weg nach Visé, da das lokale Adelsgeschlecht, welches die romanische Kirche in Celles gestiftet hatte, von den dortigen Grafen in den Ardennen vertrieben wurde. Die Adligen wanderten dann samt dem Reliquienschrein an die Maas nach Visé aus. Die Kirche, die zuvor dem Heiligen Martin geweiht war, wurde nun zur Gemeinschaftskirche zweier Heiliger: St. Martin et St. Hadelin.

Kirche St. Martin et St. Hadelin

von außen (oben links), von innen (oben rechts), Kriegszerstörungen 1914 (unten links), Hinweistafel auf den Reliquienschrein (unten rechts)

Ich schritt zurück in Richtung Marktplatz, über die rue haute und die rue des collèges. Auch hier bestaunte ich die prächtigen Bürgerhäuser, darunter die Gildehäuser der Arbaletriers und Arbustiers. Die Aufgaben der Arbaletriers könnte man grob damit umreissen, was man in Deutschland unter „Schützenbrüderschaften“ versteht. Ihre Tradition reicht sehr weit zurück, nämlich in die Zeit, als um 1330 die Stadtmauer gebaut wurde. Gleichzeitig mit dem Bau der Stadtmauer, gründete der Bischof von Lüttich, Thibault de Bar, die Gilde der Arbaletriers, um Stadttore und Mauern zu bewachen. Das waren Bogenschützen, die nach der Auflösung ihrer Gilde im 17. Jahrhundert den Sport des Bogenschießens bis heute weiter pflegen.

1579 kam eine weitere Gilde hinzu, die Arquebusiers, was Google-Translate mit „Musketiere“ übersetzt. In der Tat hatte die Ausrichtung einen stärkeren militärischen Charakter. Dem spanischen Herzog Alessandro Farnese gehörten weite Teile der spanischen Niederlande, er hatte das zwanzig Kilometer entfernte Maastricht erobert, und im Frieden von Arras hatten sich die niederländischen Provinzen der spanischen Herrschaft gebeugt. Der Lütticher Fürstbischof reagierte, indem er die Arquebusiers als Kompanie von Soldaten aufbaute. Diese Ausrichtung, auf dem Schlachtfeld zu kämpfen, entspricht durchaus dem Werdegang der Musketiere in dem gleichnamigen Roman von Alexandre Dumas. Arthos, Porthos, Aramis und d’Artagnan bildeten zunächst die Leibgarde des französischen Königs, später erhielt d’Artagnan den Rang eines Unterleutnants in der Kompanie der Musketiere. Krieg führte er auf den Schlachtfeldern der spanischen Niederlande.

Auf dem Marktplatz zurückgekehrt, beendete ich meinen Rundgang, in dem ich die Geschichte und die Geschichten von Visé kennen gelernt hatte. In dem Café mit dem geschichtsträchtigen Namen „Café d’Artagnan“ ließ ich mich in einem Korbstuhl nieder und trank eine Tasse Kaffee. Blumenrabatte in hölzernen Kästen grenzten den Sitzbereich von der Straße ab, Tische und Stühle standen in Reih und Glied, die blaue Markise hielt das Sonnenlicht fern. Reglos dampfte der heiße Kaffee vor sich hin, Obertasse und Untertasse ruhten still ineinander, meine Vorfreude wartete auf den ersten heißen Schluck.

Café d'Artagnan

Zum Abschluss tauchte ich in d’Artagnan und in die Geschichte ein: die drei Musketiere plus d’Artagnan sind keine Erfindung, denn d’Artagnan war tatsächlich hier in Visé. Als die spanische Niederlande sich im Unabhängigkeitskrieg der Niederlande wehren musste, griffen von der anderen Seite die Franzosen an. Dabei schickte der französische König Ludwig XIV. seinen Marschall d’Artagnan vor. Nach mehreren vergeblichen Versuchen gelang es ihm am 24. Juni 1673, die Festung Visé zu erobern. Ein Herr Pellisson beschreibt ihn in seinen Tagebüchern als „tres brave homme qui se se possède admirablement bien“ (ein tapferer Mann mit bewundernswertem Charakter).

Es ist nachgewiesen, dass d’Artagnan zwölf Tage auf der avenue Roosevelt – damals la voie de Hallembaye – übernachtete. Gemeinsam mit dem König Ludwig XIV., trank er auf die Bürger von Visé: „Oui, nous buvâmes à la santé des Visétois“, diesen Trinkspruch prostete er ihnen zu.

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