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Wanderung von Königswinter über das Nachtigallental zum Drachenfels nach Rhöndorf zurück nach Königs

Die Zeiten liegen lange zurück, als der Baedecker 1849 von Königswinter schwärmte: „ein sauberes Städtchen“. Königswinter avancierte damals zu einem Zentrum des Tourismus im Rheinland, so dass „die Kölner häufig hierher Lustreisen machen.“ Bei der letzteren These muss man dem Baedecker heute noch Recht geben, denn Königswinter zieht Tagestouristen ungebremst an. „Sauber“ stimmt auch noch, wenngleich das Aussehen von Königswinter das Opfer einer urbanen Stadtlandschaft geworden ist. So schreiten wir über einen schmucklosen Bürgersteig, vorbei an einer Pizzeria, die hinter einem zugehangenen Vorhang gar nicht zu existieren scheint. Eine verschlossene Bahnschranke verdammt uns zum Warten. Dahinter vermittelt der Drachenfels, der über dem asphaltierten Hof eines Baumarktes empor ragt, einen surrealen Eindruck.

Erst als wir unter der Autobahnbrücke das Nachtigallental erreichen, bricht dieses Konglomerat von Häuserreihen abrupt ab. Nunmehr veranstalten wir im Kreis unserer Arbeitskollegen im dritten Jahr so etwas wie einen dienstlichen Wandertag. Davor hatten wir Motivatoren und Berater eingekauft, um unseren Teamgeist zu stärken. Es geht auch einfacher und weniger von Motivationstheorien durchdrungen, das hatten wir vor drei Jahren für richtig befunden. Seitdem sind wir – wie auf Schusters Rappen – gewandert.

Unangekündigt stehen wir nun mitten in der Natur. Das Nachtigallental hat sich tief eingesägt, ein Bach plätschert in seiner schmalen Rinne munter vor sich hin und tanzt dabei über dicke Steine. Die Baumwipfel sind so hoch und staffeln sich so dicht aneinander, dass der Himmel zusammen schwindet. Der Weg windet sich mächtig bergaufwärts, wir spüren den Anstieg in den Beinen. Dann überrascht uns, wie es so manche Kölner in das Siebengebirge verschlagen hat. Das war nicht nur unser Alt-Bundeskanzler Konrad Adenauer, der von Rhöndorf aus seine Staatsgeschäfte steuerte, das war auch der 4711-Chef Ferdinand Mülhens, dem eine zeitlang das Hotel auf dem Petersberg gehörte, und schließlich der 1935 verstorbene Karnevalist Willi Ostermann, vor dessen auf Stein gemeißeltem Denkmal wir nun stehen. Wie man sich denken kann, sind Karnevalisten eine so innige verschworene Gemeinschaft, die einem der Urväter des Kölner Karnevals ein Denkmal gesetzt haben.

Im Jahr 1949, als der rheinische Frohsinn seinen ersten Kölner Rosenmontagszug in der Schutt- und Trümmerlandschaft feierte, besann sich Königswinter auf die Legende des Kölner Karnevals. Ostermann hatte sich nicht nur in Stücken wie "Ich möch zo Foß no Kölle jonn" verewigt, sondern er war auch dem Siebengebirge verbunden. Regelmäßig verbrachte er seinen Urlaub im Königswinterer Burghof, und eines seiner Karnevalslieder textete er über Königswinter und das Nachtigallental:

„Da, wo die sieben Berge am Rheinesstrande steh'n, kannst du die blonden Mädel mit blauen Augen seh'n. Und an die schönen Stunden denkst du dann tausendmal, wo fröhlich sie marschierten durchs Nachtigallental.“

Wir schreiten indes weiter, und unsere Füße trotzen dem Anstieg, der uns weitere Kräfte abverlangt. Dann stehen wir unvermittelt vor einer Wiese, wo uns die Drachenburg plötzlich so nahe gegenübersteht, als wäre sie das Ziel und das Ende unserer Tour. Wir inspizieren all die Verschnörkelungen dieser Burg, dessen Alter gerne falsch eingeschätzt wird. Ein Stück Neuschwanstein wurde an den Rhein kopiert, und so ist die Burg nicht dem Mittelalter zuzuordnen, sondern der Zeit von romantischen Dichtern und Denkern, die das Rheinland im 19. Jahrhundert beflügelt haben.

Wir kreuzen die Mittelstation der Zahnradbahn, keiner von uns steigt in die grün-weiß lackierten Waggons ein. Wir wollen zum Gipfel, zu Fuß und ohne Maschinenkraft, und so dürfen unsere Beine erneut den nicht nachlassenden Anstieg hoch marschieren. Der Pfad windet sich an senkrechten Felswänden entlang, und unter uns ahnen wir die Abgründe, wenn die Felswände weiter streng senkreicht hinunter fallen. Schnell sind die Felswände ausgehöhlt: Löcher haben sich hinein gefressen, und eine surreale, kraterähnliche Landschaft tut sich auf. Gestein von Drachenfels war begehrt. Das waren nicht nur die Römer, die ihre Römerstädte und Straßen bauten. Das war vor allem der Kölner Dom in seiner Phase der Vollendung, als der Drachenfels regelrecht einzustürzen drohte, was dann 10.000 Taler zu verhindern wussten, die der Preußische Staat 1836 für den Ankauf der Steinbrüche verwendete. Seitdem wurden sämtliche Steinbruchtätigkeiten am Drachenfels eingestellt.

Gut haben wir durch gehalten, als wir das Aussichtsplateau erreicht haben. Schulklassen tummeln sich dort, und es ist ordentlich Menschenvolk unterwegs, wenngleich die Biertische in der Außengastronomie nur zur Hälfte belegt sind. Hier ist die Aussicht genial und perfekt. Mit der Aussparung der Insel Grafenwerth ist der Rhein zu unseren Füßen ganz schnörkellos wie zum Greifen nahe: erst in der Ferne, hinter dem Halbkreis des Rolandsbogens auf der anderen Rheinseite, knickt er unwillkürlich ab und verabschiedet sich in der Talkerbe zwischen Westerwald und Eifel.

Der Mythos Drachenfels lebte mit der Rheinschifffahrt auf, als ab 1825 Schifffahrtslinien mit Raddampfern auf dem Rhein verkehrten. Dies beförderte einen Tourismus, der Dichter und Denker, Staatsleute und Intellektuelle aus ganz Europa anzog. Aus England war es Lord Byron, der den Rhein entlang reiste. Dabei schrieb er seine Reiseberichte in Gedichtform nieder, seine englischen Leser verschlangen seine Reiseberichte. Daraufhin nahm der Rheintourismus Formen einer gewerbsmäßigen Vermarktung an.

1816 dichtete Lord Byron über den Drachenfels:

“The castled crag of Drachenfels Frowns o'er the wide and winding Rhine, Whose breast of waters broadly swells Between the banks which bear the vine, And hills all rich with blossom'd trees, And fields which promise corn and wine, And scatter'd cities crowning these, Whose far white walls along them shine, Have strew'd a scene, which I should see With double joy wert thou with me.”

Lord Byron galt als Träumer, Spinner und Außenseiter, dennoch beeinflusste sein Werk große Dichter wie Goethe oder Edgar Allan Poe. Wir wandeln nun weiter auf den Spuren der Romantiker, indem wir weiter hinaufsteigen, auf die Burgruine des Drachenfelses. Der schmale Teerpfad windet sich noch ein paar Mal, den Anstieg sind wir bereits gewöhnt. Auf 321 Metern Höhe finden wir uns nun in dem Stück Ruine wieder, von der nur noch anderthalb Seitenwände des Bergfriedes übrig geblieben sind. Sieht man von dem genialen Ausblick auf den Rhein ab, wirken die kümmerlichen Reste nicht gerade spektakulär. Die Burg auf dem Drachenfels wurde im Dreißigjährigen Krieg zerstört, danach verlor sie ihre strategische Bedeutung und wurde nicht wieder aufgebaut.

Der Mythos Drachenfels lebt aber auch aus einer Legende. Demnach hauste in einer Höhle unter dem Drachenfels ein ungeheurer Drache. Die Bewohner des Rheintals hatten große Angst und da sie ihm schutzlos ausgeliefert waren, ehrten sie das Untier, indem sie ihm jedes Jahr eine Jungfrau zum Opfer preisgaben. Eines Tages kam ein junger Held namens Siegfried den Rhein heraufgeritten, der den Drachen aus seiner Höhle vertrieb und tötete. So entstand die Siegfriedsage. In einem Bad aus Drachenblut soll Siegfried dann Unverwundbarkeit erlangt haben.

Wir verlassen nun den Ort von Dichtern und Denkern, Drachen und Ungeheuern, Touristen und Wanderern. Auf der Rückseite des Drachenfelsplateaus geht es nun über steinerne Treppenstufen ganz steil bergab. An einem Eisengeländer müssen wir uns festkrallen, Moos wuchert über senkrechte Felswände, abseits des Pfades tun sich tiefe Abgründe auf. Der Pfad dreht sich, wendet sich, knickt durch dichten Wald ab in das Tal, bis der Abstieg ein seichteres Niveau annimmt. Zwei bis drei Kilometer marschieren wir durch ein solches Gelände durch den Wald, wir überqueren eine kleine Straße, und kurz dahinter schauen über einer Wiese auf den Ortsrand von Rhöndorf. Am Hang gelegen, führen Stufen hinauf zum Ulanendenkmal, einem runden Turm mit einem gemauerten Steinkreuz obendrauf. Hier gedenkt das siebte rheinische Ulanenregiment Großherzog Friedrich von Baden seiner toten Kameraden, die zu den Weltkriegstoten der Schlachtfelder von 1915 gehören.

Das Weindorf Rhöndorf überrascht mit einem großen Platz und hübschen Fachwerkhäusern.

Girlanden und Fähnchen zieren den Platz, auf dem Kinderkarussell und Kirmesbuden stehen. Wahrscheinlich konnte auch Konrad Adenauer all dieser Beschaulichkeit nicht widerstehen, als er Rhöndorf zu seinem Wohnort auswählte. So rückte er in der Nachkriegszeit Bonn in den Mittelpunkt des politischen Geschehens und setzte durch, dass Bonn zur Hauptstadt der in der Entstehung begriffenen Bundesrepublik Deutschland wurde.

Wir queren die Hauptstraße, wir unterqueren die Bahnlinie unter schweren Decken aus Beton. Treppenstufen aus Beton weisen geradlinig auf die Rheinpromenade. Diese führt uns auf deutlich gemächlicherem Niveau nach Königswinter zurück. Der Rhein plätschert über seine Ufer, der hohe Wasserstand hat sich an herab hängende Zweige von Weiden und Sträuchern gewagt. Die urbane Stadtlandschaft von Königswinter erreichen wir über eine Seitengasse. Die Perspektive auf Königswinter ist nun eine andere. Königswinter beeindruckt mit seinen Weisheiten. „Lasst uns lachen über Größen, die keine sind“, „Im Sinne der Alten hab ich’s gehalten“, so steht es auf schwerem Fachwerkgebälk. Manche Seitengassen haben es geschafft, ein altes Stück Königswinter zu bewahren.

Den Drachenfels und die übrige Strecke in unseren Beinen spürend, lassen wir uns nieder in der Fußgängerzone. Und wir lassen es uns in einem griechischen Restaurant schmecken.

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