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Kundgebung von Melanie Dittmer

So viel Polizei. Beim mittäglichen Gang durch die Fußgängerzone irritierten mich all die Mannschaftswagen. Divisionen von sechs, sieben, acht Mannschaftswagen hatten die Polizisten über die Koblenzer Straße heran gekarrt und diese in der Godesberger Fußgängerzone verteilt. Ausnahmezustand in der Godesberger Fußgängerzone ? Untätig hockten die Polizisten in ihren grünen Häkelpulloveruniformen und warteten die Dinge ab, die kommen würden. „Verstärkung ist angekommen“, dieses Telefonat eines Polizisten, dessen ruhelose Schritte vor dem VW-Transporter auf- und ab marschierten, lauschte ich mit. Unwillkürlich dachte ich in diesen unsteten Zeiten an einen Terroranschlag, doch die Sachlage war anders. Ich bekam mit, wie sich Menschen aller Altersklassen auf dem Theaterplatz zusammen scharten, davon verteilte ein junger Bursche in einer lässigen, herab hängenden Jeans-Jacke Flugblätter. Ich war neugierig, in welchen Belagerungszustand ich hinein geraten war, und angelte mir gierig einen dieser kleinen weißen Zettel, dessen Schrift gerade ein DIN C6-Blatt ausfüllte. Ich las „Kundgebung von Melanie Dittmer …. „ Da mein Zeitkontingent begrenzt war, welches mir die Mittagspause gönnte, musste ich anschließend den Belagerungszustand in der Godesberger Fußgängerzone verlassen.

Wer war diese Melanie Dittmer ? Ins Büro zurück gekehrt, später zu Hause, recherchierte ich diese Zufallsbegegnung. Ihr Profil auf ihrer Facebook-Seite klärte mich auf:

„Ich bin eine kleine rechte Schlampe, ohne Job, ohne Moral, ohne Anstand. Ach ja, ne Lesbe bin ich auch. Passt zwar nicht zu meiner Gesinnung, aber egal.“

Kundgebung von Melanie Dittmer, Flyer

Ihre Spur hatte mich also direkt in den braunen Sumpf unserer Gesellschaft geführt. Melanie Dittmer war ein Wirbelwind, von rechts bis rechtsextrem. Zunächst hatte sie sich in den „Jungen Nationaldemokraten“, dem Jugendableger der NPD, engagiert. Später saß sie im Parteivorstand von Pro NRW, danach organisierte sie Demonstrationen der PEGIDA-Bewegung in Bonn und Düsseldorf. Zuletzt verurteilte sie das Amtsgericht Düsseldorf zu einer Haftstrafe von acht Monaten auf Bewährung. Während einer Dügida-Demonstration hatte sie in der Menge vor einer Moschee Ausrufe skandiert „wir wollen keine Salafistenschweine“ und „wir wollen keine pädophilen Muslime“. Die Richter des Amtsgerichts Düsseldorf sahen den Tatbestand der Volksverhetzung als gegeben, zumal die muslimischen Gläubigen sich zu diesem Zeitpunkt zum Abendgebet versammelt hatten.

Rechte und rechtsextreme Szene hängen irgendwie zusammen, wobei die Grauzone groß ist, was nicht mehr als rechtsextrem zu gelten hat. Ich habe mich hinein gewagt in all die Schmuddelecken von Facebook und Youtube, in all diese Pöbeleien im Netz, wo genau dieser Pöbel nach Macht giert, „Merkel-weg“ schreit oder „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“. All diese Parolen werden dann beliebig oft geliked und drohen, die Massen an sich zu ziehen.

„Bin wieder sexuell total unterbelichtet. Ich glaube ich muss mal wieder ein paar Demos als Ersatzbefriedigung organisieren.“

Melanie Dittmer drückt mit diesem Post aus, was sie will: Randale. Diese Demonstrationen haben nichts mit unserem gängigen Demokratieverständnis zu tun, dass Demonstrationen werthaltig im Sinne der Demokratie sind. Wenn das Volk über Wahlen, Abgeordnete, Parlament keine Stimme findet, kann es sich auf der Straße artikulieren. Das war bei der 1968er-Bewegung richtig so, bei der Anti-AKW-Bewegung oder bei den Friedensdemonstrationen im Bonner Hofgarten in den 1980er Jahren.

Melanie Dittmer, Screenshot SPIEGEL-Online

Bei PEGIDA, ProNRW, Hooligans und auch Rechtsextremen ist das aber anders, weil all ihre Parolen nur noch eines kennen: Ausländerfeindlichkeit, Feindlichkeit gegenüber Flüchtlingen und gegenüber dem Islam. Vom Prinzip her gehört auch die AfD dazu, weil ihr Feindbild dasselbe ist. Terroranschläge, die einen islamistischen Hintergrund haben, Flüchtlingsströme, die das Ziel Deutschland auf ihrem Radar stehen haben, vollverschleierte Frauen, die gerade zwei Schlitze für die beiden Augen freilassen, die jahrzehntelange Tabuisierung der Zusammenhänge von Ausländern und Verbrechen, unsere Bundeskanzlerin, die scheinbar die Orientierung verloren hat – all das läßt die Schar derjenigen größer werden, die nach einer starken und ordnenden Hand rufen. Und die ihren Unmut auf der Straße und im Netz freien Lauf lassen. Im Sinne der Demokratie ist das erwünscht, wenn Spielregeln der freien Meinungsäußerung beachtet werden. Keine Pöbeleien, keine Beleidigungen, keine ausländerfeindlichen Parolen, keine Ausgrenzung ganzer Bevölkerungssichten, nichts, was gegen Sitte, Ehre und Anstand verstößt.

So geschehen am Samstag, den 14. Mai. Melanie Dittmer lud zu einer großen Demonstration ein. Dabei benutzte sie den Mord an Niklas P., den unsere ganze Region fassungslos gemacht hat, als Kommunikationsplattform, um die Anliegen ihrer rechten Szene zu plazieren:

„Das Opfer der letzten Attacke in Bonn durch wahrscheinlich nicht Biodeutsche ist gestern Nacht seinen schweren Verletzungen erlegen. Wir bitten um dementsprechendes Auftreten. Schwarze Kleidung wäre wünschenswert, schwarze Fahnen wären ebenso wünschenswert, Blumen dürfen mitgebracht werden. Bitte haltet Eure Emotionen im Griff. Lasst Euch nicht von den Bahnhofsklatschern provozieren. Bitte kommt morgen alle um 14 Uhr nach Bad Godesberg …“

Ihren rechten Gesinnungsgenossen kam es nicht darauf an, Freunden, Bekannten, Nachbarn, Mitschülern, Verwandten, Angehörigen eine würdigen Rahmen zu geben, um ihre Trauer zu verarbeiten. Anstatt dessen verurteilten sie pauschal Gesellschaft, Justiz, Polizei und die Gesetzgebung, deutsche Bürger nicht ausreichend vor ausländischen Tätern zu schützen. Zwei der Täter waren als dunkelhäutig erkannt worden, ein Täter sitzt mittlerweile in Untersuchungshaft. Da die Stadt Bonn Melanie Dittmer wegen der Freiheitsstrafe auf Bewährung ein Redeverbot erteilt hatte, organisierte sie die Ersatzredner Holm Teichert von der PEGIDA Essen und Ester Seitz aus Süddeutschland.

Gedenkstätte Niklas P.

So riefen die rund fünfzig Teilnehmer ihre ausländerfeindlichen Botschaften und zeigten ihre Plakate: „… gegen Rassenwahnsinn … Multikulti tötet …. deutsche Opfer, fremde Täter … importierte Mörder … heute tolerant, morgen fremd im eigenen Land … „ Kaum zu glauben, wie die Demonstranten unseren demokratischen Rechtsstaat verdrehen wollen, denn auf ihrem Plakat „Meinungsfreiheit für Systemkritiker“ sahen sie sich sogar im Unrecht, dass sie ihr Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nicht gewahrt sahen.

Den Gegendemonstranten, denen eher nach Trauer zumute war, blieb es auch nicht erspart, dass Holm Teichert ihnen einen Vortrag über die Definition hielt, was man unter einem NAZI zu verstehen hat. Die Quintessenz war trivial: jeder einzelne solle für sich selbst entscheiden, ob man Holm Teichert als NAZI bezeichnen kann oder nicht. In den Grauzonen zum Rechtsextremismus verschwimmen zudem die Begrifflichkeiten. Die Nationalsozialisten verwirklichten Reinheit, Rassenhygiene und ihre arische Rassenlehre. Das von Melanie Dittmer verwendete Wort „biodeutsch“ geht exakt in dieselbe Richtung. Alles ist gut, was deutsch ist, national, ganz im Sinne der Nationalsozialisten, die ihr Drittes Reich als Nachfolgereich von Karls des Großen und des Kaiserreiches gesehen hatten.

Bei Melanie Dittmer klingt dies in Facebook so:

„Wir möchten auf eine weitere Fansite aufmerksam machen. Wir selber bewundern unseren Freiherrn und allerbesten Stadtrat Christopher von Mengersen sehr. Es gibt niemanden der ehrlicher und barmherziger ist. Besonders liebevoll ist er zu Volksdeutschen. Wir finden auch, dass Volksdeutsche besonderen Artenschutz brauchen! Jede Tierart muss besonders geschützt werden, aber besonders die Volksdeutschen! Ein dreifaches Heil... öh Hoch auf unseren Freiherrn!"

In einem Interview mit dem SPIEGEL aus dem Jahr 2014 hatte sie zudem geäußert, dass es unerheblich sei, ob es jemals einen Holocaust gegeben hat. Was Freunde bei Melanie Dittmer kommentieren, entpuppt sich mitunter als braune Pampe aus Ekel und Geschmacklosigkeit. Eine Katharina Leonard hat gepostet: „Ich hatte gehofft, hier auf eine echte rechte Kulturseite zu treffen. Wo bleiben denn die Öldrucke mit unserem Führer.... Die dürfen hier doch nicht fehlen...“ Auch die 22-jährige Ester Seitz, die als Rednerin die Demonstration am 14. Mai unterstützte, hat dasselbe Format. Sie wettert in Facebook gegen kriminelle Ausländer, die Biodeutsche zur Schlachtbank führen oder gegen verlogene, manipulative Drecks-Lügen-Artikel des SPIEGEL.

In den Morgenstunden des 17. Mai war es dann erneut so weit, dass Melanie Dittmer unter sexueller Unterbelichtung litt. Es sollte demonstriert werden, diesmal mit Mohammedkarikaturen. Eine Provokation.

„Blog Dittmer 17. Mai um 09:24 ·

Heute ‪#‎Mohammedkarikatur in ‪#‎Godesberg zeigen. 13:00 am Theaterplatz. Sind mit einer guten Truppe vor Ort. ‪#‎EsterSeitz spricht.“

Bad Godesberg, Theaterplatz

Inmitten eines Zentrums großer Verschleierungen, die den Islam rückwärtsgewandt zeigen, war der Ort des Godesberger Theaterplatzes wohl ausgewählt. So kam es, dass ich an jenem 17. Mai zufällig durch die Festung von Mannschaftswagen der Polizei spazierte. Um 13 Uhr hatte ich die Fußgängerzone längst wieder verlassen, so dass es sich meiner Kenntnis entzog, ob es zu Straßenschlachten gekommen war, zu Schlägereien oder Prügeleien.

Es war ruhig geblieben, es war auch nichts in den Medien berichtet worden. In Facebook konnte ich nachlesen, welchen Gang der Dinge die Mohammedkarikaturen genommen hatten. Es war glimpflich für unsere Demokratie ausgegangen. Es hatten sich gerade sieben Demonstranten zusammen gefunden, denen einhundert Gegendemonstranten gegenüber standen. Denen fehlte es an Befestigungsmöglichkeiten, um die Mohammedkarikaturen an Straßenlaternen oder sonstwo befestigen zu können. Vor den einhundert Gegendemonstranten kapitulierte die Lautsprecheranlage, weil sie diese nicht übertönen konnte.

Insgesamt eine peinliche Angelegenheit für die Demonstranten und eine absurde Kundgebung von Melanie Dittmer. Doch sie kämpft weiter für „Meinungsfreiheit für Systemkritiker“, am 31. Mai vor dem Rathaus in Eitorf, am 7. Juni in Hennef. Mir wird Angst und Bange, wie solche geistigen Brandstifter in unserem Rechtsstaat frei herum laufen können.

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