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Heiliger Michael

Noch vor einigen Tagen hatte der 65-jährige Bischof Ulrich von Augsburg vor den Toren seiner Stadt, in der Aufmachung seines geistlichen Gewandes, bewaffnet mit einem Schwert, gegen die Ungarn gekämpft, in denen der Kampfeswille des sesshaft gewordenen Reitervolkes der Hunnen fortlebte. In der Sommerhitze des Jahres 955 betete er Tage und Nächte um die Befreiung seiner belagerten Stadt. Dass dies gelang, war der kühnen Strategie des Feldherren Otto I. zu verdanken – und dem Erzengel Michael.

Ein mächtiges Heer aus bayrischen, fränkischen, schwäbischen und böhmischen Söldnern war aufmarschiert. Am 9. August 955 blies Otto I. zum Sturm auf die ungläubigen Ungarn, die sich dem Christentum noch nicht gebeugt hatten. Seine Krieger ritten in Kettenhemden unter dem Reichsbanner des Erzengels Michael, das ihn im Kampf gegen den Drachen zeigte. Der Chronist Widukind von Corvey berichtete: "Da versöhnten sich alle Krieger, die miteinander feind gewesen, und jeder gelobte zuerst seinem Anführer, dann seinem Nebenmann, seine Pflicht zu tun." Am nächsten Tag war die Schlacht geschlagen. Zwischen dem Lech und den Hügeln Oberschwabens hatte Otto I. die Ungarn eingekesselt, nachdem er sie in einen Hinterhalt gelockt hatte. Die ungarischen Krieger ergaben sich oder fielen, ihr Anführer Horka Bulcsu wurde gefangen genommen.

Michaelskapelle, Heiliger Michael an der Frontseite (unten)

Die Schlacht am Lechfeld schrieb für mehrere Jahrhunderte die Grenzen Süddeutschlands fest, denn nach dem Jahr 955 zogen sich die Ungarn auf ihr Staatsgebiet zurück, außerdem bekehrten sie sich sogar zum Christentum. Der Heilige Michael, der die Truppen auf dem Lechfeld zum Sieg führte, zog somit eine ähnliche strategische Bedeutung nach sich wie die Gebeine des Apostels Jakob in Santiago de Compostella, der in derselben Epoche die Wiedereroberung Spaniens von den Muslimen vorantrieb.

Der Heilige Michael war somit ein ganz besonderer Heiliger. Die Offenbarung des Johannes-Evangeliums beschreibt den Erzengel als einen Retter, der beim jüngsten Gericht mit einem Schwert und in Flügeln herbei eilt. Er kämpft gegen alles, was böse ist, gegen den Satan oder auch gegen Drachen.

Gräberfunde aus dem 9. Jahrhundert, die in den 1960er Jahren ausgegraben wurden, belegen auf dem Gelände der Godesburg eine Friedhofskapelle, die sich im Bereich des Burgturms im Zentrum des Bergplateaus befunden hat. Doch es war nicht erst das Christentum, das den Vulkankegel, auf dem die Godesburg steht, zu einem Ort der Weihe und des Gottesverehrung auserwählten. Bereits die Germanen hatten dort ihre heidnischen Kulte gepflegt, als Opferstätte ihres Gottes Wotan.

Dass die christliche Friedhofskapelle dem Heiligen Michael geweiht war, das belegen Quellen, die über die Verlegung der Kapelle von der Spitze des Bergkegels auf eine tiefere Ebene berichten. So berichten über die Grundsteinlegung zum Bau der Godesburg, das war 1210, gleich zwei Quellen. Zum einen dokumentiert der Auftraggeber zum Bau der Godesburg, der Kölner Erzbischof Dietrich I. von Hengebach, dass eine auf dem Gelände der Godesburg bereits existierende, dem heiligen Michael geweihte Kapelle weichen musste. Dasselbe berichtet der Chronist Caesarius von Heisterbach in seinem Werk „Dialogus miraculorum“. Um auf der Spitze des Berges die Burg bauen zu können, wurde die heilige Stätte des Michael abgetragen und außerhalb der damaligen Burganlage neu errichtet.

Heiliger Michael im Inneren der Michaelskapelle (oben),

Gemälde von Hans Memling, Michael beim jüngsten Gericht, 1467-1471, Altarbild Danzig, Quelle Wikipedia (Mitte),

Heiliger Michael über dem Koblenzer Tor (unten)

Die Michaelskapelle wurde nun neu gebaut, nämlich genau dort, wo sie heute steht, das haben Quellen aus dem 13. Jahrhundert festgehalten. 1244 wurde die neu gebaute Kapelle unter dem Erzbischof Konrad von Hochstaden geweiht, etwas später berichtet der Kölner Erzbischof Walram von Jülich (1332–1349), dass die Kapelle Teil der äußeren Befestigungsanlage wurde. Gemäß ihrem Bestimmungszweck als Wehrkirche wurde die Michaelskapelle 1583 in Mitleidenschaft gezogen, als die Godesburg belagert wurde. Protestantische Truppen eroberten die Burg gegen katholische Truppen, indem sie die Burg in die Luft sprengten. Bei den Kämpfen und Sprengungen wurde gleichzeitig die Michaelskapelle zerstört.

Im nächsten Jahrhundert, genau gesagt, 1660, wurde der Reiz der mit Schutt verfüllten Michaelskapelle wieder belebt, als der Kurfürst Joseph Clemens von Bayern diese im pompösen Stil des Barock wieder aufbauen ließ. Bis heute hat sich dieses schöne Erscheinungsbild der Michaelskapelle erhalten. Der kleine und demütige Charakter der Kapelle verschmilzt mit ausschweifenden Verzierungen und Stuckarbeiten im Inneren. Der Heilige Michael thront über dem Altar und an der linken Seitenwand. Reste der Ummauerungen aus dem 13. Jahrhundert formen die Rückseite des Chors.

In der Folgezeit inspirierte der üppige Reiz der kleinen Kapelle den Kölner Kurfürsten, ihn als Hauskirche für einen Ritterorden auszuwählen. Das war der Ritterorden zum Heiligen Michael, gegründet 1693, dessen Schwert und dessen Wille zum Kampf Vorbild war für die Ritter, die unter dem Schutz des Erzengels den katholischen Glauben verbreiten und verteidigen wollten. Die Satzung des Ordens schrieb fest, dass jeder eintreten konnte „ohne Unterschied des Standes, der Geburt und der Religion …, wer sich durch Anhänglichkeit, durch Vaterlandsliebe und durch ausgezeichnet nützliches Wirken irgend einer Art die besondere Zufriedenheit des Königs erworben hat“. Die Wirklichkeit sah freilich anders aus, denn der Ritterorden war ein exklusiver Kreis, vornehmlich aus Adligen bestehend.

Als den Rittern die Räumlichkeiten der putzigen Kapelle zu klein wurden, zogen sie um. 1757 war das Kurfürstliche Schloss um das Koblenzer Tor erweitert worden, und der große Saal im mittleren Geschoss über der Durchfahrt bot ausreichend Platz. Das Koblenzer Tor wurde anfangs auch als „Michaelstor“ bezeichnet, und über der umlaufenden Balustrade schwingt der vergoldete Michael auch heute sein Schwert und breitet seine Flügel aus.

Koblenzer Tor mit dem Heiligen Michael (oben), Baustelle auf dem Michaelsplatz (unten)

Seine Persönlichkeit strahlt Größe aus. Großen Schlachten ist er voraus gezogen, sein Schwert hat so manchen Sieg ausgefochten. Der Heilige Michael hat Könige angeführt, so Otto I., der Jahrzehnte nach der Schlacht auf dem Lechfeld in Rom zum Kaiser des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation gekrönt wurde. Die Michaelskapelle unterhalb der Godesburg strahlt dieselbe Größe aus, in der Enge des Raumes, überquellend in den Verzierungen des Barock.

Doch an einem Ort ist sein Name ein Fehlgriff. Der Michaelsplatz, einer der häßlichsten Plätze in der Stadt, ist nach ihm benannt worden. Seine Größe soll dafür herhalten, die Fehlplanungen in der Stadtplanung wieder zurecht zu rücken. Die Einöde und Eintönigkeit in der Stadtmitte sind eines Heiligen von seinem solchen Format unwürdig. Eine Baustelle soll nun alles ändern. Das ist eine architektonische Unmöglichkeit, den platten, einfallslosen, gleichmachenden Baustil aufzuhübschen.

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