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Streuobstwiese

Es sieht aus wie hinter der Villa Kunterbunt. Eine heile Welt, Obstbäume auf einer Wiese, Platz zum Spielen, Büschel von Gras schmiegen sich über dem Erdboden, Zweige neigen sich herunter, die geduckte Baumhöhe lädt zum Klettern ein. In den Wipfeln muss man sich das Baumhaus dazu denken. Herr Nilsson, der Affe, hätte von Baum zu Baum springen können, und es fehlt noch die Pippi Langstrumpf, die ihr Pferd „Kleiner Onkel“ in die Höhe gehoben hätte, die über die Welt gelacht hätte und sie so gemacht hätte, wie sie ihr am besten gefällt.

Das mag erstaunen, dass sich solche Nischen von Streuobstwiesen jenseits des großstädtischen Ballungsraums behaupten. Die Dichte der Bebauung wächst ständig, und dennoch: das Naturschutzgebiet der Siegaue hat sich eingenistet mit seiner naturbelassenen Landschaft, eine Wohlfühlzone zwischen dem Stadtrand von Troisdorf und der Großstadt Bonn.

Nichts sieht hier gleich gemacht aus. Alles aufgehübst und heraus geputzt, in der Blütenpracht des Frühlings. Ein Stück Natur, welches sich an Regeln und Definitionen hält: der Obstanbau soll extensiv sein, die Obstbäume sollen hochstämmig oder großkronig sein, mindestens zehn Obstbäume sollen auf 0,15 Hektar stehen, ein ausreichender Abstand soll sie voneinander trennen, als Einzelbäume soll man sie erkennen können, die Unternutzung des Bodens soll als Dauergrünland geschehen. Diese Sprachregelung hatte zumindest der Verband der Gartenbauvereine in Deutschland beschlossen, gemeinsam mit dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, das war im Jahr 2008.

Die naturnahe und ökologische Bewirtschaftung kostet Zeit und Aufwand, dafür fließt aus Töpfen der europäischen Union auch Geld für die Neuanpflanzung von Streuobstwiesen. Diese werden mit zunehmenden Alter ökologisch wertvoller, wenn regelmäßige Pflege und Nachpflanzungen für eine dauerhafte Sicherung des Bestandes sorgen. Mit Bäumen aller Altersstufen sind sie besonders abwechslungsreich und bieten zahlreichen wirbellosen Tierarten einen Lebensraum. Die Obstbäume, die an die einhundert Jahre alt werden können, müssen regelmäßig geschnitten werden, damit die Ernte nicht versiegt.

Je älter die Stämme, um so mehr bilden sie ihre eigenen knorrigen Formen mit Löchern, Ritzen und Nischen, in denen seltene Vogelarten wie der Steinkauz nisten. Bisweilen könnte man glauben, Fratzen von Gesichtern in den Baumstämmen zu erkennen. Die Wiese muss kurz gehalten werden, also mähen, die Sense kommt zum Einsatz. Die Beweidung führt zu demselben Ergebnis, denn ab und an kann man eine weidende Schafherde beobachten. Es versteht sich von selbst, dass keinerlei Pflanzenschutzmittel versprüht werden dürfen.

Streuobstwiesen hatten sich im Mittelalter ausgebreitet. Martin Luther hatte einst gesagt: „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“ So wurden Allmendeflächen bepflanzt, die unmittelbare Umgebung von Siedlungen umstanden Obstbäume. Durch die obstbauliche Entwicklung ab dem 16. Jahrhundert gelangten die Obstbäume in die freie Feldflur. Im Rheinland entwickelten sich Streuobstwiesen zuerst im Bergischen Land. So stellte der Obstbau an der Niederwupper um 1500 einen Haupterwerbszweig dar. Dieses Obst gelangte um 1500 auf die Märkte nach Köln, wo es verkauft wurde. Im 18. und verstärkt im 19. Jahrhundert erlebte der Obstbau einen weiteren Aufschwung. Dieser äußerte sich in der staatlichen Förderung und Gesetzgebung, der Anlage von Baumschulen, sowie Obstpflanzungen auf Gütern und als Alleen entlang von Straßen. Noch bis 1945 waren die hochstämmigen Streuobstwiesen der landwirtschaftlichen Betriebe die Basis für die Obsterzeugung, sie dienten der Bevölkerung zur Selbstversorgung und belieferten die örtlichen Märkte.

In diesen Zeiten des Frühlings grünen und blühen die Pflaumenbäume in der Siegaue. Die weißen Blüten sind wenig spektakulär, vergleichsweise. Zögernd trauen sich die weißen Blüten hinaus, die Blütenkelche verstecken sich im Mini-Format, die weiße Blütenpracht verfliegt in den Baumkronen. Die banale Schönheit der Pflaumenbäume in der Siegaue kann nicht dagegenhalten gegen die japanischen Zierkirschen in der Bonner Innenstadt. Dennoch: wir werden die Pflaumenbäume zu genießen wissen, spätestens im August, wenn die Pflaumen geerntet werden.

Die Streuobstwiese ist eine Oase. Es sind die kleinen Dinge, die die Schönheit ausmachen. Auf Schleichwegen muss man die Natur kennen lernen. Ich mache mir die Welt, so wie sie mir gefällt, das war das Leitmotiv von Pippi Langstrumpf. Streuobstwiesen gehören dazu.

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