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Herbststimmung am alten Rheinarm

Simplify your life – so zwei Jahre ist es mittlerweile her, als ich nach dem Lesen dieses Buches mit dem Untertitel „so einfach und glücklich kann ihr Leben sein“ beschloss, mein Leben auf den Kopf zu stellen. Um zu viele Ecken denke ich herum, zu kompliziert sehe ich die Dinge, gerade Wege vermeide ich. Schwierig und schwer verdaulich sind so manche Posts geraten. Diesmal möchte ich mich dem Mainstream in der Bloggerwelt anschließen. So wie sie es machen, ihre Kameras in Reichweite, möchte ich in Wald, Feld, Wiesen und Natur die satten Farbgalerien des Herbstes einfangen. „Simplify your life“ – demgemäß liegen die wahren Schönheiten der Natur in dieser Jahreszeit direkt vor unserer Haustüre.

Naturschutzgebiet

Also hinein in das Naturschutzgebiet. Abseits von Wohngebieten, der Ruhe und der Natur überlassen, krümmen sich alte Rheinarme über das einstige Flußbett. Eine schmale Holzbrücke, so schmal, dass keine zwei Fahrradfahrer aneinander vorbei kommen, trennt den Rheinarm, das ist an diesem Punkt die „Diescholl“, von der Siegmündung. Diese weitet sich aus zu einem großzügigen Gewässer, mit zwei Inseln mittendrin. Weiden umstehen das Ufer. Ohne Wind und wie von selbst, sind deren fahlgelbe, lange und spitze Blätter auf die Wasseroberfläche herunter gesegelt und stauen sich im Wellenspiel zu einer wabernden, trüben Masse. Ein Reiher sucht Halt auf einem schwimmenden Ast und blickt bei spätsommerlichen Temperaturen, die den Herbst unwirklich erscheinen lassen, unbeteiligt in die Metamorphose der Blätter hinein.

Wenn ich nach oben schaue, sieht es mehr aus, als habe ich den Herbst bereits verpasst. Viele Pappeln, wenige Buchen und ein paar Eichen säumen den Weg. Die Pappeln sind bereits kahl und ragen mit ihrem Astwerk in den Himmel hinein. Buchen glänzen mit einigen Resten gold-gelben Herbstlaubs, welkes Blattwerk klebt zäh an den Eichen. Massiv bemerke ich das Herbstlaub auf dem Erdboden, der glitschig ist und mich ins Rutschen bringt. In dem Naturschutzgebiet entdecke ich eine Schilfbewachsung, die ein Schutzgebiet für Amphibien eigens kennzeichnet; doch im Gesamteindruck überwiegt die Monotonie von Pappeln: Auenwald wurde in den Kältewintern nach dem Zweiten Weltkrieg abgeholzt, und aufgeforstet wurde mit Gehölzen, die schnell und reichlich wachsen: das waren Pappeln. Eine andere Monotonie hat der Herbst bedeutungslos werden lassen: das ist das Springkraut, deren lilane Blütenteppiche im Spätsommer alles überdecken. Nun ragen deren Reste, in sich zusammengesunkene giftgrüne Stile, kurz aus einem Wirrwarr von Brennesseln heraus.

Herbststimmung an der Diescholl

Die Wege zum Ufer des Altarms sind indes mühselig. Brombeerranken, Kleingehölze und Sträucher wuchern vor sich hin, stumpfes Braun hängt schüchtern in lichtem Geäst. Eine Hinweistafel am Wegesrand klärt mich auf: der alte Rheinarm, die Diescholl, gehörte einer Fischereibruderschaft; ein Brudermeister Heintzen beauftragte einen Amtsfeldmesser Ehmanns, so geschehen 1742, der Amtsfeldmesser zeichnete das Bruderschaftsgrundstück genau an dieser Stelle, wo sich die Bruderschaft zu ihren Fischereiversammlungen traf. Freilich, die Bruderschaft hat eine alte Tradition, und bis in die Gegenwart ist sie rege und aktiv.

Genau in dem alten Rheinarm durfte gefischt werden, das war damals wie heute nicht selbstverständlich. Und so umreißen 1555 die Herzöge von Berg das Gebiet, wo den „Fischern von Bergheim“ die Fischereirechte zugestanden werden:

„Item die fischerey in der Siegen, dar die frischer von Laer wenden, nach außweißung leeg und peelen haben die fischer von Berchem von alters gehabt und gefischt alß ihr eigen guth bis zu Mondorff gegen die Kirchgaß, behaltlich der frawen zu Vylich ihrer gerechtigkeit, nemblich den III. fisch oder wie die fischer mit ihr gewerden; von dannen fischen sie den Rhein ahn der Bergischen seithen hinauf und langs die zwey Stifften Vylich und Rheindorf bis ahn die Kuffersgeß, welches mit in die vorgerüte fischerey der Siege gehöret.“

Karte mit Bruderschaftsgrundstück (oben), Fischereimuseum (darunter), Siegmündung mit Rhein (unten)

An der gegenüberliegenden Seite des Rheinarms gelegen, ist das Fischereimuseum eine mächtige Erscheinung. 2010 neu gebaut, streckt es sich mit seinen drei Gebäudeteilen in die Länge, wovon der rechte Teil ein Restaurant ist. Zwischen daher dümpelnden Herbstblättern verschwimmend, tastet sich das Spiegelbild der roten Fassade auf der Wasseroberfläche mühsam hervor. Um den Museumsneubau zu finanzieren, war es den rund 400 Mitgliedern der Fischereibruderschaft gelungen, Fördermittel des Landes NRW im Rahmen des Strukturprogramms „Regionale 2010“ loszueisen. Da die Fischereirechte bereits im 12. Jahrhundert in den Besitzungen des Klosters Vilich verbrieft sind, konnte die Bruderschaft im Jahr 2012 ihr 1025-jähriges Bestehen feiern. Hübsch anzusehen ist auch das Fischerboot, ein Aalschocker, den die Bruderschaft für die Museumseröffnung flott gemacht hatte. Bis um 1950 wurden auf solchen Booten Aale und Lachse im Rhein und in der Diescholl gefangen.

Kaum irgendwo sind sich Ballungsraum und Natur so nah. In Sichtweite, treffen die großen Schiffe auf dem Rhein, auf die Natur in all ihrer Üppigkeit, gemalt in den Farben des Herbstes. Dem Rheinarm des Diescholls folgend, treffen Reihen von Wohnhäusern, die zu Troisdorf-Bergheim gehören, bald auf das Totholz brachliegender Baumstämme, die als Lebensraum für Insekten und Kleingetier dienen. Dahinter gehen dann nahtlos Siedlungsräume von drei, vier, fünf Ortschaften ineinander über, bis zum Stadtzentrum von Troisdorf.

Brücke der Landstraße L269 mit Graffiti

Um der Natur ihr Eigenleben zuzugestehen, muss ich ausblenden lernen. Herbstliche Farben übermalen den Verkehr. Es stört, wie die Brücke der Landstraße L269 den Altarm zerschneidet, es stört, wie das Rauschen des Straßenverkehrs die Schönheit des Herbstes übertönt. Ich muss wegschauen können. In wilder Leidenschaft auf einen Brückenpfeiler gesprüht, vermitteln Graffitis unbekannte Botschaften als Zeichen der Häßlichkeit. Deren grelle Farben passen ganz und gar nicht zu der ansonsten so harmonischen Herbststimmung.

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