Adenauerallee - Lesung von Alexa Thiesmeyer in der City-Pension
Wir hatten Glück. Wir waren so frühzeitig angekommen, dass wir es uns auf der braunen Ledercouch gemütlich machen konnten. Ungezwungen wie unter Freunden war die Atmosphäre: mit Gesprächen wärmten wir uns auf, gespannt warteten wir auf die Lesung, unsere Sitznachbarn im Endfünfziger-Alter erzählten uns, dass sie die Autorin, Alexa Thiesmeyer, noch aus der Schulzeit ihrer Kinder kannten. Krimilesung in der City-Pension. Hauslesungen liegen im Trend, das haben meine Recherchen im Internet für diesen Bericht nebenher ergeben. Und das zurecht. Verglichen mit eintönigen Veranstaltungssälen in Gemeindehäusern, Bürgerzentren oder Pfarrheimen, war dieses Südstadt-Ambiente im Wohnzimmer hinter einem Balkon mit Säulenbrüstung, sandgelbem Sichtmauerwerk und filigranen Stuckarbeiten über dem weißen Fenstersims etwas echt besonderes. Unter den hohen Decken in dem Haus aus der 1900er-Jahrhundertwende rückten wir enger zusammen, zwangsläufig, denn freie Sitzgelegenheiten waren knapp.
klassizistische Reihenhäuser in der Adenauerallee
Der Geräuschpegel der kreisenden Gespräche sank und die innere Anspannung stieg, als Michèle Lichte, die Inhaberin der City-Pension, Alexa Thiesmeyer mit warmen, herzlichen, umarmenden Worten begrüßte. Alexa Thiesmeyer stellte ihren neuen Kriminalroman „Adenauerallee“ vor, der nach „Kottenforst“ und „Melbtal“ der dritte Kriminalroman in der Reihe ihrer Bonn-Krimis ist. Positioniert neben einem Flachbildschirm, untermalte sie ihre Lesung mit den Orten des Geschehens. Das Koblenzer Tor, das Römerbad im Collegium Albertinum, die Bruchsteinmauer in der Ersten Fährgasse, das Relief des Weingottes Bacchus am Brassertufer. Die Adenauerallee entwickelte höchst biografische Züge und stand, dem Buchtitel entsprechend, gleichzeitig im Mittelpunkt des Geschehens.
Denn sie war als Kind in einem Haus mit einer fein verzierten, bürgerlichen Fassade aus der Gründerzeit, in der Nähe des früheren Auswärtigen Amtes, aufgewachsen. Die Adenauerallee hatte Politik geschrieben, als Staatsoberhäupter wie John F. Kennedy vorbeifuhren. Ihr Vater war Journalist in der Nachkriegszeit. Die Schrecken des Zweiten Weltkrieges waren noch nicht verdrängt, dann folgten die Kuba-Krise, der Kalte Krieg und die Aufrüstung der Supermächte. In diesen spannungsgeladenen Zeiten der 1970er-Jahre, in denen die Welt mit einem Knopfdruck hätte untergehen können, wird die Adenauerallee zum Tatort.
Alexa Thiesmeyer - Lesung in der City-Pension
Brillant konstruiert Alexa Thiesmeyer unterschiedliche Zeitebenen – von den 1970er-Jahren in die Gegenwart hinein, so dass im Endeffekt ein vierzig Jahre zurückliegender Mord aufgeklärt wird. Anschaulich wird die Lesung, als sie das Mordwerkzeug, einen Wetzstahl, den Zuhörern zeigt: damit schärft man üblicherweise Messer, das Ende ist mehr stumpf als spitz, aber dennoch eignete sich dieser Wetzstahl als Mordwaffe, wenn der Mörder ausreichend kräftig zustieß, und zwar mitten in den Kopf hinein. Ähnlich brilliant vermischt Alexa Thiesmeyer ihren Kriminalroman mit Elementen der „Schatzinsel“ von Robert Louis Stevenson. Briefe tauchen auf, die vierzig Jahre alt sind, Textpassagen erwähnen einen Schatz, eine mysteriöse Zeichnung mit einem eingekreisten Kreuz versteckt sich in einer Schublade. Vermutet wird ein Goldschatz. Wahllos wird gebuddelt, gegraben und die Erde wird aufgerissen.
Alexa Thiesmeyer - Lesung in der City-Pension
Wie bei ihren beiden ersten Bonn-Krimis, rutscht das Ermittler-Paar Freddy und Pilar Alvarez-Scholz, die wendig ist, verwandlungsfähig und in andere Rollen hineinschlüpfen kann, eher zufällig in den Fall hinein. Als Hobby-Ermittler stehen sie weiterhin mit der Polizei auf Kriegsfuss, deren Ermittlungsarbeit aber umgekehrt an entscheidenden Punkten ihrer Ermittlungskette hakt und klemmt.
Die Orte des Geschehens wechselten auf dem Flachbildschirm, in die angrenzende Südstadt, nach Endenich und auf die Reichsstraße nach Ückesdorf. Bei diesem Tatort auf der Reichsstraße zeigte Alexa Thiesmeyer, wie brilliant sie erzählen kann, indem sie diesen gruseligen Ort, wo eine Leiche gefunden wurde, die zu einem zweiten Mord gehört, Humor und Lässigkeit verleiht. Gartenarbeiter der Stadt reden Bönnsch. „Me sare de Bonnorange Bescheid“ … „Senn Se dann su jot un zeije Se ons datt emol“ : Alexa Thiesmeyer bedient sich der Dialektform, die als ein Stück rheinischen Lebensgefühls die Dramaturgie abfedert. Ebenso folgt die Ermittlungsarbeit von Freddy und Pilar Alvarez-Scholz weniger der strengen Urteilskraft eines Sherlock Holmes, sondern eher einer rheinisch-lässigen Art mit viel Improvisation, Kommunikation, Koordination und Vorhersehungskraft, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein.
Bonn-Krimi "Adenauerallee"
City-Pension in der Südstadt
Angrenzend an die Adenauerallee, schillert bei der Ermittlungstätigkeit die Kulisse der stolzen bürgerlichen Fassaden der Südstadt aus der Kaiserzeit durch. Alexa Thiesmeyer ist es sogar gelungen, die City-Pension in ihrem Kriminalroman zu plazieren, als ein Tatverdächtiger dort vorübergehend untertauchen kann. „Ein Südstadttraum“, so beschreibt Alexa Thiesmeyer dieses Anwesen, in dem nun viele Krimi-Begeisterte zuhörten. So wie die Katze als in sich ruhende Figur wertet sie Nebensächlichkeiten auf. Ein liebevoll bepflanzter Vorgarten, ein schmiedeeiserner Zaun, Steinstufen zur Haustüre. Und auf einer Holzbank vor dem Erker sonnte sich die Katze, die in Wirklichkeit Socke heißt und zur City-Pension gehört, sie streckte ihre Pfoten in die Länge, ihr grau-getigertes Fell glänzte.
Die Beifallsstürme wollten nicht enden, nachdem Alexa Thiesmeyer ihre Textpassagen über Tatorte, unkonventionelle Ermittlungsmethoden, die Adenauerallee und die Südstadt samt Arrangement einer Katze vorgelesen hatte. Es war genug Stückwerk, um den Leser über die Auflösung der beiden Morde im Unklaren zu lassen. Der Leser wird bestens unterhalten werden durch so manche überraschende Wendung in ihrem neuen Kriminalroman.