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Krimilesung mit Alexa Thiesmeyer im Café Cowico in Bonn-Bad Godesberg

Eine Tante, von der ihr Neffe Björn nicht wirklich viel weiß. Ein Liebhaber, der Alfred heißt, der aus dem Nichts auftaucht und genauso urplötzlich wieder verschwindet. Eine folgenschwere Bitte: Björn soll Alfred auf einem Kongress über Rheumatologie gesehen haben, im Saal des Tagungshotels „Königshof“ sitzen sie sich schräg gegenüber und schauen sich an. Später lauscht Alfred, wie Björn am Eingang mit ihrer Tante telefoniert. Es ist nur eine kleine Bitte. Björn, der für seine Zeitung „Bonner Nachrichten“ über den Rheumatologie-Kongress berichtet, soll bezeugen, dass er Alfred gesehen hat. Um welche Sache es sich geht, fasst Björn nach. Als seine Tante ihm antwortet, dass es Mord sei, stockt Björn der Atem.

Krimilesung im Café Cowico in Bonn-Bad Godesberg. Eigentlich ein ungewöhnlicher Ort für eine Krimilesung, eine Kneipe, ein Café oder eine Kunst-, Kultur-, Musikbar, je nachdem wie man diesen geselligen Ort mit der schweren Wandvertäfelung hinter der Theke nennen will. Das Kürzel „Cowico“ klärt sich schnell auf: in lupenreinem Englisch stehen die Buchstaben für „coffee, wine and cocktails“.

Ich hatte mich verspätet. Als ich die Treppe auf das erste Stockwerk hoch getrabt war, unterbrach ich die Begrüßungsworte der Inhaberin Katharina Schilling, die die Begrüßung der Buchautorin und der Gäste nach meinem Erscheinen nochmals neu ansetzte. Zwischen den sieben bis acht viereckigen Tischen, die durch ein schmiedeeisernes Gitter vom Untergeschoss abgetrennt waren, herrschte eine intime Atmosphäre.

Ein idealer Ort, um auf Tuchfühlung mit der Autorin, Alexa Thiesmeyer, zu gehen. Ihre drei ersten Krimis, „Kottenforst“, „Melbtal“ und „Adenauerallee“, deren Geschehen sich im Stadtgebiet von Bonn abspielte, hatte ich mit Leidenschaft gelesen. Ihre lebensnahen Charakterdarstellungen hatte ich geschätzt, darunter das etwas unbeholfen wirkende, aber höchst erfolgreiche Ermittlerpaar Pilar und Freddy.

In ihrem jüngsten Werk „Sonnenblumen zum Selberschneiden“, einer gestrafften und stark überarbeiteten Fassung ihres Erstlingswerks aus dem Jahr 2010, kommen Pilar und Freddy noch nicht vor. Alexa Thiesmeyer merkt man ihre Herkunft und ihre Identität an, denn an der Universität Bonn hat sie ihr Jura-Studium als Volljuristin abgeschlossen. Die Krimilesung leitete sie ein mit einem zentralen Thema, welches ihr am Herzen lag: den Meineid. In ihrer Referendarzeit hatte sie im Rahmen ihrer Referendariatstätigkeit eine Ausarbeitung über den Meineid geschrieben. Aus juristischer Sicht ist der Meineid dem Strafrecht zuzuordnen. Vor Gericht werden Zeugen vereidigt, und wenn Zeugen wissentlich falsche Aussagen machen, kennt der Gesetzgeber keine Gnade. Unter einem Jahr Gefängnis geht nichts beim Meineid.

Ein heikles Thema also. Alexa Thiesmeyer, die vor ihren drei Erstlingsromanen Theaterstücke, Sketche und Komödien geschrieben hat, versteht es auch hier brilliant, authentische und facettenreiche Charaktere auszugestalten. Manche Charaktere wechseln diesmal in eine obskure und undurchsichtige Art, umgekehrt handeln sie aber rational und so lebensnah , als könnte sich jeder von uns dahinter verbergen.

Café Cowico (oben links und unten rechts; Quelle Facebook); Alexa Thiesmeyer (oben rechts);

Hotel Königshof am Rheinufer (wo Björn das erste Alibi gegeben hat; unten links)

So rutscht Björn, aus Nettigkeit gegenüber seiner Tante, unter Zeitdruck und Stress, gegen seine eigene Vernunft auf dem Pfad des geringsten Widerstandes in das Lügengebäude eines Meineids hinein. „Es geht um unser Glück“, das hatte ihm seine Tante vorgespielt. Vor Gericht gab Björn ihrem Freund Alfred, der wegen eines Unfalls mit Fahrerflucht angeklagt war, das gewünschte Alibi. Der Freispruch des Angeklagten wirkte auf ihn wie eine Befreiung, eine Selbstverständlichkeit unter Freunden. Björn täuscht sich, dass die Angelegenheit damit erledigt ist, denn mit seiner Falschaussage hat er eine fatale Kettenreaktion losgetreten. Zwielichtige Gestalten lauern ihn vor seiner Haustüre in Bonn-Endenich auf und verlangen einen weiteren Meineid in einem anderen Fall.

Alexa Thiesmeyers zarter, aber deutlichen und nachdrücklichen Stimme lauschte ich gespannt, während ich meinen Kaffee herunter schlürfte. Nebenher erfuhr ich von meinem Sitznachbarn im Obergeschoss des Cafés Cowico, dass dieser ein Arbeitskollege im Ruhestand war. Vor ihrem Stehpult in der Fensterecke plauderte Alexa Thiesmeyer: sie habe gegoogled, und der Suchbegriff „Alibi“ habe ihr zahlreiche Ergebnisse geliefert. Bei der Recherche war sie darauf gestoßen, dass es Agenturen gibt, deren Kunden beispielsweise Ehemänner sind, die am Wochenende offiziell auf Fortbildung sind, in Wirklichkeit aber auf einem Seitensprung bei ihrer Liebhaberin. Auch Björn surft im Netz und glaubt, dass er in ein Netz dunkler Machenschaften hinein geraten ist, in dem Gesetzesbrecher zu den Kunden solcher Agenturen gehören. Was bedeutet das Suchergebnis: Alibis für jede Situation ? Weitere Angebote auf Anfrage ? Könnten zu diesem erweiterten Angebot auch Alibis für Verbrechen zählen ?

Während Björn sich immer tiefer in seinem Lügengebäude verfängt, sucht er mehr über seine Tante zu erfahren. Das ist dann die leise Art ohne Spektakel und Action-Szenen, wie Alexa Thiesmeyer das Geschehen entwickelt. In einem Kriminalroman geht es – natürlich – um Mord. Ganz idyllisch und an einem lauen Sommerabend, ist der Tatort in diesem Roman ein Sonnenblumenfeld. „Sonnenblumen zum Selberschneiden“, sorgfältig hat sie diesen unwirklichen Tatort ausgewählt, so dass der Leser meint, dort könne gar kein Mord geschehen. Kein bißchen ist die Schönheit des Sommenblumenfeldes angekratzt worden. Die langen Stiele der Sonnenblumenköpfe wippten über der Hand des Opfers, die schwarz polierten Schuhe des Opfers glänzten auf dem Erdboden, so beschreibt Alexa Thiesmeyer den Mord im Sonnenblumenfeld.

Ihr Kriminalroman „Sonnenblumen zum Selberschneiden“ besteht aus drei Teilen, davon bricht der erste Teil nach rund 200 Seiten ab. Die letzten beiden Teile lösen die fatale Kettenreaktion von Meineiden bis zum Schluss des 362 Seiten starken Kriminalromans auf. Gerade die letzten beiden Teile belegen, dass Alexa Thiesmeyer ihr Geschehen nie nach festen Handlungsmustern entwickelt, sondern dass sie stets neue Ausgangspunkte sucht, um eine neue Dramaturgie und neue Spannung aufzubauen.

Alexa Thiesmeyers Kriminalromane sind daher niemals langweilig mit überraschenden Wendungen. Das gilt auch für ihr Werk „Sonnenblumen zum Selberschneiden“. Zum Schluss löst sich das Lügengebäude von Meineiden in Wohlwollen auf. In der Volkswirtschaftslehre habe ich selbst dieses Phänomen als Gefangenen-Dilemma kennen gelernt. Wenn Gefangene, die beschuldigt werden, ein Verbrechen begangen zu haben, miteinander kooperieren, kann das Strafmaß in einer Summenbetrachtung minimiert werden, weil alle Gefangenen die Nutzenkalküle der jeweils anderen antizipieren. Bestenfalls kommen die Gefangenen ohne Strafe davon.

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